Dienstag, 24. November 2015
Die Hamburger Grünen und Olympia
Dass die Grünen sich seit Längerem von linken Inhalten verabschiedet haben und eher zu einer Yuppieh-Partei geworden sind wissen wir seit den späten Neunzigern. So erstaunt auch nicht, dass die Grünen in Hamburg zum Thema Gentrification nichts begriffen haben - in der Stadt, in der diese am Heftigsten und am Brutalsten in Deutschland auf dem Vormarsch ist (in München ist der Marsch bereits abgeschlossen), und die Idee, queere Positionen und Forderungen mit der Hamburger Olympia-Bewerbung zu verknüpfen erscheint mir in diesem Kontext ziemlich absurd. Das findet auch mein früherer Mitstreiter und heutiger Unansprechpartner Momorulez, aber die Art, wie er das interpretiert erscheint mir hinreichend bizarr. Grüne Gleichstellungspolitik, die am Konzept der Geschlechterdemokratie und der Emanzipation der Schwulen und Lesben orientiert bist sei homophob, es gäbe eine spezifisch linke Homophobie, und aktuelle Homophobie sei sogar in Teilen ein linkes Projekt. Irrer geht es nimmer. Immerhin hoher Unterhaltungswert im Sinne der Bizarrologie.



https://metalust.wordpress.com/2015/11/21/die-hamburger-gruenen-olympia-und-der-regenbogen/

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Naja, den Topos von den vermeintlich reichen Schwulen, die in der Kritik stehen, wird Momo nicht halluziniert haben. Wobei aus meiner Sicht zu fragen wäre, ob das mehr eine Kritik von genuin linker Seite ist oder ob das nicht eher aus einer kleinbürgerlich-zukurzgekommenen Ecke stammt. In beiden Fällen mag die Sorge nicht ganz unbegründet sein, dass im Zuge einer Gentrifizierungskritik der lifestylische Teil der Schwulenszene mit in Sippenhaftung gerät. Ob Grünen-Propaganda pro Olympia und pro Regenbogen dieses Risiko nun verschärft oder nicht vermag ich nicht zu beurteilen. Zumindest kann ich nach längerem Nachdenken Momos Vorbehalte gegen eine Vereinnahmung dann doch einigermaßen nachvollziehen.

Es bleibt gleichwohl auch festzuhalten, dass Schwulsein nun mal nicht gegen jede Kritik immunisiert, und von einem klassisch linken Standpunkt aus betrachtet ist Homosexualität (oder genauer gesagt die daraus resultierende Marginalisierung) auch nichts, was einen kapitalistischen Ausbeuter per se exkulpieren würde. Wir haben das in Diskussionen erlebt, dass Momo dem Thema Klassismus meistens weiträumig ausgewichen ist und die Trumpfkarte der Marginalisiertheit da und dort auch ausgespielt hat, wo für den eigentlichen Streitgegenstand die Frage nach der sexuellen Orientierung (zumindest nach meinem Dafürhalten) nicht so zentral war.

Das heißt, wenn es um die Frage geht, bin ich politisch links oder in allererster Linie schwul, dann ist Momo im engeren Sinne kein Linker, und entsprechend fußt seine Kritik an linker Politik oder an linken Inhalten auch in erster Linie darauf, dass sie der Homo-Politik nicht den absoluten Primat einräumt.

Vielleicht überziehe ich das jetzt etwas, aber so in etwa kommt das bei mir rüber.

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Ja, bei mir auch. Ich würde das noch schärfer formulieren, in die Richtung, dass das Ausspielen der Marginalisiertenkarte für ihn ultima ratio ist um Gehör zu finden oder Recht zu behalten.

Nur, das Gerede von der "tatsächlich linken Schwulenfeindlichkeit" baut einen Popanz auf, den es nicht gibt. Wobei er ja immer unmittelbare persönliche Erlebnisse zu politischen Prozessen extrapoliert die es real nicht gibt. Als ich, der ich Flüchtlingsratsmitglied bin die Ultra-CW-Performance von Reclaim Society beim Nobordercamp kritisierte wurde bei ihm daraus, dass Personenzusammenhänge rund um die Flüchtlingsräte mit großer Energie eine Kampagne betreiben würden, um PoC öffentlich zum Verstummen zu bringen. Dabei vollzieht sich über die Flüchtlingsräte die Selbstorganisation und Interessenvertretung der marginalisiertesten PoC in Deutschland, und Momo wusste zu diesem Zeitpunkt gar nicht, was Flüchtlingsräte eigentlich sind. Bei unseren früheren Auseinandersetzungen nahm er mein Faktenchecking stets als Angriff auf ihn war. Nur lebe ich als ausgebildeter Historiker in einer Welt, in der Dinge, die nicht quellenmäßig belegt sind im Sinne gerichtsfester Beweise gar nicht als existent wahrgenommen werden.

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Mit einer bestimmten sexuellen Orientierung geht eben nicht unbedingt eine bestimmte politische Position einher, ebenso wenig mit einer bestimmten Hautfarbe.

Offenbar wird aber genau das immer mehr vorausgesetzt.

Hier ist ein weißer Antirassist, der sich als Schwarzer ausgibt: http://www.rawstory.com/2015/08/black-lives-matter-activist-shaun-king-is-actually-white-family-member-tells-cnn/

Linke Positionen bei Weißen werdeen anscheinend allmählich unglaubwürdig.

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@willy56: Ganz so eindeutig wie bei jener Rachel Dolezaal scheint der Fall ja nicht zu liegen, aber es bleibt auch so noch bizarr genug.

@che2001: Vielleicht braucht es Marginalisierungserfahrungen, um das mit dem Faktenchecking als putativem Angriff nachempfinden zu können? Vielleicht meinte er darin Abwehrmuster wiederzuerkennen, mit denen er es schon in anders gelagerten Diskursen zu tun hatte. Ich will da jetzt gar nicht wieder so sehr in die Vergangenheitsbewältigung und Rumdeuterei zu Lasten Dritter einsteigen, und ich denke, manches kann man getrost als "communication fail" abhaken.

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Schtümmt alles erstmal so. Allerdings nur auf einer Ebene, eine andere mache ich, um mit dem Zitterwolf zu sprechen, jezze auf. Gemeinsamer Angelpunkt von den "Kritiken" (ich kann das echt nur in Anführungszeichen schreiben, denn der ursprünglich griechische Begriff "Creo", ich zerteile, lege dar, substanstiviert "Crisis" bezeichnet eigentlich sehr faktengenaue Widersprechungen anderer Standpunkte, da bin ich dann auch bei Ches Empiriokritizismus) von Momo, Noah und Mädchenmannschaft ist das in den Vordergrundstellen jeweils eigener Marginalisierungserfahrungen. Ist legitim, aber keine heuristische Basis von Erkenntnisgewinn. Sondern eine durchaus anerkannte Ergänzung von diskutierten Positionen. Diese subjektiven Metakritiken für das Wesentliche zu nehmen ist aber so grundfalsch wie die Idee, Korrekturen an der falschen Landkarte für das Territorium zu halten.

@mark - Auch auf die Gefahr hin, in ein anderes Fettnäpfchen zu treten: Solche Inkonsistenzen sind auch der besten besten Ehefrau von allen nicht ganz fremd. Das sind Phänomene, die, öhm, mit einer gewissen Zyklik einhergehen. - Ich bin eine Frau, die in Blutungsphasen echt schlecht drauf ist. Ich bitte um Vergebung, wenn ich in solchen Phasen, noch dazu mit Migränekopf, Scheiße geredet habe. Tun die Super-CW-MäMa-etc-FrauInnen das? Nein, sie wollen anerkanntes Programm sein. Die eigene unmittelbare Subjektivität als -oder besser gesagt, anstelle des Kategorischen Imperativs, darum geht es denen. Höhere-Töchter-Hirnwixe, die mir so verhasst ist.

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Am Kern des Pudels angelangt
Was Momorulez, Noah Sow, Mädchenmannschaft und all die Tofufurien miteinander gemein haben und was ich seit den 80ern als das Grundübel feministischer und linker Gruppendiskussionen kenne ist die Tatsache, dass nicht empirisch prüfend Argumente ausgewogen werden, sondern dass mit dem Mittel der moralischen Erpressung (Großmeister dieser Kunst war Loellie) und dem Erzeugen von Schuldgefühlen beim Gegenüber gearbeitet wird. So werden permanent inhaltliche Debatten auf eine moralische Ebene umgebogen nach dem Prinzip Ich-besserer-Mensch-als-du-weil-marginalisiert.

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Auf die Empirie ist in diesen Kreisen auf gut deutsch gesagt grad geschissen, das sind ja Formen von Herrschaftsdiskurs und Dominanzkultur, die es ausdrücklich zu dekonstruieren gilt. Allein aus dem Konzept der Definitionsmacht geht schon klar hervor, dass Wahrheitsfindung in einem wenn schon nicht objektiven, dann doch zumindest intersubjektiven Sinn nicht das ist, worum es da geht. Die totale Subjektivität (und damit leider auch: Beliebigkeit) ist da ja Programm, auch wenn diese Tatsache mit irgendwelchem hochtrabenden oder schwurbeligen SJW-Neusprech verbrämt wird.

Habe mir den Link leider nicht abgespeichert, aber da hab ich neulich einen bitteren Rant einer (schwarzen) Dozentin in Amiland gelesen, die sich immer bemüht hat, alles sensibel und richtig zu machen mit Triggerwarnungen und all so was und die irgendwann die Faxen dicke hatte mit den übersensiblen Heulsusen im Auditorium, die anscheinend mit überhaupt nichts mehr klarkommen.

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Eine alte Kumpeline las einmal eine Wohnungsannonce in der Art "Vier Leute, zwei weiblich und zwei männlich gelesen, eine negativ von Rassismus betroffen, vegan, suchen Person zum Mitbewohnen...." und kam prompt auf die Idee, sich dort vorzustellen und einzuziehen, um dann rauchend, fleischessend, fluchend und rumprollend die Sensibelchen zur Weißglut zu bringen, einfach nur zum Spaß.

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dear mark,
war es der folgende link?

http://www.salon.com/2015/10/28/i_wanted_to_be_a_supporter_of_survivors_on_campus_and_a_good_teacher_i_didnt_realize_just_how_impossible_this_would_be/

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@paul bademeister:

Ja, bingo, genau die Geschichte meinte ich. Danke fürs Raussuchen!

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@"Die totale Subjektivität (und damit leider auch: Beliebigkeit) ist da ja Programm, auch wenn diese Tatsache mit irgendwelchem hochtrabenden oder schwurbeligen SJW-Neusprech verbrämt wird. " ---- Diese totale Subjektivität war ja etwas, was mich bei Momo zunächst faszinierte, ehe ich die Schattenseiten - in manchen Bereichen weitgehender Realitätsverlust und das Fehlen der Freund-Feind-Kennung sowie des Gespürs für Angemessenheit - zu spüren bekam. Mal abgesehen von der Nicht-Begegnung der zwei Hamburger Originale;-)

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Alter Wein in neuen Schläuchen
Diese Kombination aus persönlichem Betroffenheitsgefühl als Antrieb politischen Handelns (oder auch nur Twitterns;-) ), extremer Subjektivität, empathischer Einnahme der Marginalisiertenperspektive und ausgeprägter Gefühlsseligkeit sowie rigider Moral wie sie uns in den genannten Umfeldern begegnet ist übrigens überhaupt nicht neu. Nicht in linken, nicht in feministischen, aber in bürgerlich-ökopazifistischen Kreisen war das Ende der Siebziger Anfang der Achtziger Jahre alles schon mal sehr verbreitet, und über evangelische Akademien und SozialpädagogInnenkreise wurde das gepflegt und weiter verbreitet. Die Titanic verspottete das mal mit dem Neologismus: "sturzbetroffen", Andere schrieben von der "Neuen Weinerlichkeit". Im Grunde zelebrieren Mäma und Umfeld nur das, was die Generation ihrer Eltern auch schon gelebt hat als die jung war, halten es aber offensichtlich für etwas gaaaaaaanz neues.

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