Freitag, 3. Oktober 2008
Zum Tag der Einheit
Was haben wir heute? Na wenigstens frei, und das Wetter ist gut. Zu feiern gibt es an der deutschen Einheit meines Erachtens nicht sehr viel, einen Nationalfeiertag, der sich auf den März 1848 bezieht hätte ich lieber. Um nicht missverstanden zu werden: Dass die Diktatur in der DDR gestürzt wurde finde ich sehr gut, aber mir wäre eine Eigenstaatlichkeit dieses Landes unter demokratischen Vorzeichen ebenso lieber gewesen, wie ich den damaligen nationalen Taumel, der Hand in Hand mit rassistischen Pogromen ging verabscheute. Ich war damals ja dabei, bei der Nie-wieder-Deutschland-Demo in Frankfurt, wo sich die Staatsmacht von der faschistoiden Seite gezeigt hat. Wir mussten uns alle einer Leibesvisitation unterziehen, damit die Cops sich sicher sein konnten, dass sie eine unbewaffnete Demo zusammenprügelten, und derweil spielten die Mannschaften der Wasserwerfer (eventuell die Selben, die Günter Sare umgebracht hatten) mit ihren Schaltern wie mit Joysticks. Unterwegs kamen wir an einem Baugerüst vorbei, darauf standen Arbeiter, die uns zuriefen “Braucht ihr Helme, wir haben Helme!”. Wir hätten darauf eingehen sollen. Auf dem Römerplatz machten sie uns fertig. Es herrschte fast Partystimmung, es waren Biertische aufgebaut, als plötzlich die Wasserwerfer spritzend in die Menge mangelten und dahinter die Knüppelgarden aufmarschiert kamen. Ich gehörte zu den Leuten, die die Situation retteten und eine Massenpanik verhinderten, indem wir Ketten bildeten und uns den Cops entgegenstellten. Wir konnten etwa eine Viertelstunde standhalten, dann brachen sie durch. Da gab es dann die Situation, dass ich bäuchlings auf dem gußeisernen Gitter eines öffentlichen Klos lag, während ein Typ, der seinerseits auf meinem Rücken lag, mit dem Knüppel die Hucke voll bekam und mir aus dem Klo heraus ein Pressefotograf ins Gesicht knippste. Dann flogen den Wasserwerfern Bierbänke entgegen, die wirkungslos gegen die Panzerglasscheiben klatschten. Auf der Rückfahrt kokettierten bei uns im Bus die Jüngeren mit ihren frisch bandagierten Verletzungen, und auf einem Parkplatz hätte es fast noch eine Hauerei mit Eintracht-Hools gegeben. Am Abend hielt SPD-OB Hauff eine sehr staatsmännische Rede von brutalen Gewalttätern, die Frankfurt mit Angst und Schrecken überzogen hätten. Er vergaß zu erwähnen, dass die alle weiße Helme getragen hatten. Das war mein “Nie wieder Deutschland”.


- Wenn das Wetter schön bleibt, gehe ich das wohl letzte Mal in dieser Saison im Harz klettern, und ich wünsche allen und jedem ein schönes, friedliches und entspanntes Wochenende. Grüße insbesondere nach Hamburg an Momorulez, Ring2 und die Blogmama, nach Bayern an den Don, nach Frankfurt an Andrea, nach Neuss an Novesia und nach Düsseldorf-Obercassel an den Hans, in die Pfalz an den Nörgler, nach Kassel an Netbitch, nach Göttingen an Workingclasshero und blahfasel123, nach Berlin an die Generatorin, Modeste und Booldog, in die Alpen an alle meine coolen Bergrfreunde, nach Dresden an Stefanolix und nach Comodoro Rivadavia an Klaus.

Ach so, Statler, Rayson, Jo@chim etc. pp. sind mitgemeint.

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Eskalation
Wasserwerfer spritzend
Das Ganze ging ja die ersten beiden Stunden gut, trotz des selbstgewählten "Kessels" mit mehr als 25.000 auf dem Römer. Du solltest deshalb vielleicht erwähnen, warum es eskalierte (aber eigentlich nur im Ansatz, nicht wirklich, jeder Wackersdorf-"Spaziergang" war heftiger): wegen einiger autonomer Möchtegern-Heroes nämlich, die bei erkennbarer Übermacht der Cops wieder einmal Strassenkampf spielen wollten. Ich habe selbst damals eins auf die Fresse bekommen - und zwar nicht von den Weisshelmen, sondern von einer Schwarzhaube, die wir hindern wollten, aus der Menge heraus mit einer Zwille "anzugreifen".
Das Ganze war 'ne Bündnisdemo aus Grünen, vielen Antifas und RL-Leuten (wie mir *g*). Im Vorfeld war vereinbart worden, das Ganze nicht zu eskalieren. Die Autonomen haben sich wie immer nicht an Absprachen gehalten. So hab ich das erlebt.

Grüsse zurück von jo@chim...

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Tja lieber Jo@chim, danke für die Info; für uns ging es aus nicht erkennbarer Ursache einfach los.Damit will ich Deine Sicht natürlich nicht in Zweifel stellen, aber wir bekamen das Ganze erst mit, als die Wasserwerfer losspritzten.

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Die Idiotie lag eigentlich auf Seiten der Veranstalter, sich den Kessel selbst zu organisieren. Die Einheiten mussten sich nur in die Seitenstrassen stellen und warten...

Meine letzte linke (nein überhaupt) Grossdemo übrigens, und ich steh immer noch dazu: war sozusagen einer der ersten "Antideutschen" ;-)

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Und wir retteten deswegen die Situation, weil wir aufgrund der Conny-Demo http://de.wikipedia.org/wiki/Conny_Wessmann die Polizeistrategie bereits kannten. Wir standen beide mal in einem ähnlichen Lager, welcher jetzige Antideutsche hätte das gedacht?

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Die autonomen Gruppen, in denen ich so mitwirkte, hatten sich übrigens immer an Absprachen gehalten und nie blind drauflosgehönkelt. Von Haudruffrandalinskis wurden eine unserer Gruppen deshalb allerdings auch spöttisch "Die Kontrollierten" genannt. Die RL und das Lager drumherum, so von KB bis MG fand ich wiederum, stur, humor- und fantasielos und mitunter auch leicht paranoid. Für die Idee, Mitte der 80er die Perspektiven eines gesamtdeutschen Neutralismus diskutieren zu wollen mussten wir uns bereits anhören, "nationalrevolutionär unterwandert" zu sein.

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Die RL und das Lager drumherum, so von KB bis MG fand ich wiederum, stur, humor- und fantasielos und mitunter auch leicht paranoid.
MG'ler gabs da keine. Aber ansonsten haste schon Recht. Spätestens nach dem Pfingstkongress war mir das auch klar... war aber ne notwendige "Durchgangsstation" für mich.

So genug davon an dieser Stelle und blogöffentlich. Irgendwann vielleicht einmal mehr bei'm Fläschchen Roten :D

(Vielleicht kannste jetzt nachvollziehen, werter Che, warum ich... etwas genervt... reagiert habe, als Du und der aus dem südlicheren Affenkäfig mich als "Rechtsextremisten" beschimpft habt vor drei Jahren)

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Ich grüße mal zurück, obwohl ich bei Demos nur einmal als Demonstrant, aber zweimal als Ordnungskraft dabei war, was ich dem Truppenteil verdanke, in dem ich meinen Wehrdienst ableistete ;-) Immerhin ist meine Erfahrung als Demonstrant jünger...

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Jo@chim, geschenkt. Das Problem war einfach, dass ich mich gerade mit Diskursbeeinflussungsstrategien der Neuen Rechten beschäftigt hatte, als PI und der unsägliche Kewil in meiner Wahrnehmung auftauchten, und Ihr die auf der Blogroll hattet. Kollateralschaden sozusagen ;-)

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Rayson, da habe ich auch ein paar lustige Erinnerungen. Bei einer Demo war ich als Fotoreporter dabei und wechselte mit einem Kollegen ständig zwischen Demo und Polizei. Ein Beamter wollte unsere Personalien kontrollieren, da meinte sein Kollege (wir trugen Springerstiefel mit geschraubten Sohlen und Kappen) "Siehst Du nicht die Stiefel, das ist BGS in Zivil!"

Bei einer anderen Demo war ich im Schwarzen Block, wurde trotz Vermummung von einem NDR-Reporter erkannt und gegrüßt, zog mir nach der Abschlusskundgebung die Jacke aus und stand da mit Armschützern, als mich ein Bekannter, der Hundertschaftsführer war freundlich begrüßte. Eigentlich hätte der mich wegen passiver Bewaffnung verhaften müssen, stattdessen verabredeten wir uns zum Grillen.

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btw. Sare
War keineswegs "Mordopfer" sondern Opfer eines tragischen Unglücksfalles - "Kollateralschaden" einer von den Autonomen (wg. anstehender Vereidigung der ersten rotgrünen Landesregierung in Hessen) gewollten und herbeirandalierten Eskalation sozusagen.

Der Mordvorwurf ist politische Mythenpflege, mehr nicht.

Zwei Jahre später fand diese Eskalation ihren traurigen Höhepunkt, der dann aber selbst manchen Autonomen zu weit ging: "Im Moment irgendwelche Bullen abzuknallen kann unsere Sache nicht sein".
Im Moment.

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Die Sache mit den Startbahnschüssen war schon heftig, und die Eskalation damals absurd. Ich erinnere mich noch daran, dass ich in einer Diskussion dazu aufforderte, von einer solchen Gewaltstrategie Abstand zu nehmen und sagte, die Eskalationsspirale würde irgendwann dazu führen, dass der Staat Panzer einsetze. Da erwiderte ein Mitdiskutant "Dann müssen wir uns eben auch mit Panzern bewaffnen". Witzigerweise arbeitet der heute bei einer Versicherung ;-)


- Aber diese Eskalation war ja 1990 schon vorbei. Ich habe in der Zeit seither die Autonomen überwiegend eher als recht diszipliniert erlebt und eher als schisshasig in kritischen Situationen denn als auf sinnlose Randale aus. Wobei ich eine sehr Niedersachsen/Bremen-zentrierte Sicht der Dinge habe. In Göttingen war natürlich die Szene komplett gespalten: Einmal die Autonome Antifa (M) mit ihren Neben- und Untergruppen, die einen bekleidungsmäßigen Militanzfetisch zelebrierte und in der Praxis eigentlich gewaltfrei war (uniformierte, vermummte und behelmte Demos, aber Ordner im Block und Ankündigung der Marschroute und sogar der Größe der mitgeführten Transpis durch Zetteleinwurf beim Ordnungsamt) und dann die Mehrzahl der sonstigen Autonomen in ihrem Dauerbündnis mit dem DGB. Nach 1991 überwiegend recht "ordentlich", von nächtlichen Kleingruppenhauerein mit Nazis abgesehen.


Die Antideutschen waren dann 2002 der Spaltpilz der Szene, aber bei uns im Norden auch eher eine Marginalie von anekdotischer Bedeutung.

Ein ganz anderes Kaliber ist natürlich der Kreuzberger 1. Mai, ein selten dämliches Kaputthau-Event für die ganze Familie

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Ist das nicht ein Zitat?
Zum Tag der Arbeit: "Was haben wir, na ja auf jeden Fall frei, der Christdemokrat im Parlament neben dem Sozialisten pennt, man wird eine große Rede halten, wir wollen die Arbeit fröhlich gestalten, was macht derweil der Arbeiter, er macht die Arbeit, die Arbeit, sonst gar nichts, es ist ein Skandal. Er versteht nicht die großen Ideen dieser Zeit!"

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