Montag, 3. Oktober 2011
Fragen, die das Leben stellt (4)
Wieso gehen in eine hochalpine Steiganlage, zu der schon in der Seilbahntalstation auf einem Hinweisschild steht "Profis tragen Helm!" Leute mit Trittchen (Flip Flops, Slippers und Chucks) und ohne Bergerfahrung und wundern sich dann, dass sie gerettet werden müssen?

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vielleicht wollen die (in ihrem Unterbewusstsein) gerettet werden ... tragen die wenigstens Helme?

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Natürlich nicht. Habe übrigens gerade wen gerettet und schreibe jetzt erstmal nen Beitrag über das Retten. Coming soon!

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Im Allgemeinen sind das Leute, die vom Bergsteigen gar nichts verstehen, überhaupt nicht wissen, was hochalpine Verhältnisse eigentlich sind und durch Seilbahnen oder touristische Werbung dazu verführt werden, im Wortsinn weiter zu gehen als sie können. Die es gewohnt sind, im Sonntagsausflugslook mit dem Lift hochzufahren und die einen Hinweis wie "Profis tragen Helm" gar nicht schnallen. Die denken, mit der Seilbahn zum Ankogel, zur Blauspitze, zur Jungfrau, zur Marmolada, zum Montblanc (die alle nicht auf diese Berge, sondern nur zu Anstiegswegen auf Touren führen) verhielte es sich wie mit der Brockenbahn oder, andere Kategorie, nicht mit Trittchen, aber vergleichbar unwissend, die Klettersteige auf Glödis, Hochalmspitze, Rote Säule und die Via ferrata Demoiselles du Castagnet Puget-Theniers seien so etwas wie Hochseilgärten.
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Ich habe ja schon erlebt, dass Leute, denen ich von meinen Erlebnissen am Großglockner erzählte meinten: "Ja, da war ich auch schon!", und dann stellte sich heraus, dass sie die Großglockner-Hochalpenstraße gefahren waren, womöglich noch im Bus. Das ist lustig und harmlos, wenn solche Flachlandtiroler allerdings ohne jeden Check drauflosgehen und nicht rechtzeitig umkehren kann es für sie ebenso tödlich werden wie für die, die sich um sie kümmern.

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Was für Berge und was für Klettersteige sind das denn, von der Schwierigkeit her? Und was machen Leute falsch, die mit Helm und richtigem Schuhwerk auf Klettersteige gehen?

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Die Berge und ihre Verhältnisse
Ankogel: Etwas über 3200 m, Zugang über spaltenfreien Gletscher, leichte Kletterei im 2. Grad, d.h. mit Festhalten, mitunter auch Hand über Kopf, aber kein Klettern mit Armkraft, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit notwendig, 3 Stunden Anstieg ab Seilbahn.


Blauspitze: 2554 m, verschiedene Zustiege von leicht über drahtseil- und hühnerleiterversicherte Steiganlage bis schwierigen Klettersteig und mäßig schwierigen oder auch schwierigen Klettergrat, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit in allen Fällen notwendig, bei Klettersteig und schwierigem Klettergrat auch Armkraft, 2,5 Stunden Anstieg ab Seilbahn.


Jungfrau: Deutlich über 4000m, verschiedene Anstiege, mindestens 3,5 Stunden Anstieg ab Seilbahn, 3. Schwierigkeitsgrad, d.h. Kletterei mit Armkrafteinsatz, ohne Überhänge und fast ohne senkrechte Stellen. Dünne Luft macht sich konditionell schon sehr bemerkbar.


Marmolada: 3200 nochwas, 2 Stunden ab Seilbahn, mäßig schwieriger Klettersteig, Abstieg über spaltigen Gletscher.


Montblanc: http://www.4000er.de/gipfel.php?vid=83

Glödis: Höhe wie Ankogel, mäßig schwieriger Klettersteig beginnt erst nach einer hochalpinen Tour, 13 Stunden hin und rück, 2600 Höhenmeter rauf und runter. Da sehr heftige Erlebnisse gehabt, schreib ich noch drüber.

Hochalmspitze: 3360m, Klettersteig (Detmolder Grat) gehört zu den höchstgelegenen und schwierigsten Klettersteigen der Ostalpen.


Rote Säule: Höhe weiß ich nicht so genau, wohl etwa 2650m, ganz besonders schwieriger Klettersteig.


Via ferrata Demoiselles du Castagnet Puget-Theniers: Extremer Klettersteig.

Wer eine der ab Jungfrau genannten Touren geht sollte schon sehr erfahren sein und genau wissen, worum es geht. Glockner ist etwa zwischen Hochalmspitze und Jungfrau: Höher und daher atemlufttechnisch härter als Hochalmspitze, weniger schwierig als Detmolder Grat, in punkto Schwierigkeit mit Jungfrau vergleichbar, aber kürzer (Normalanstieg, die Grate und Rinnen kann ich nicht beurteilen).

Das Tragen eines Helms nützt nichts, wenn man nicht mit dem Seil umgehen kann, keine Klettertechnik beherrscht und nicht über Höhenkondition verfügt. Lernt man teilweise im Hochseilgarten oder Felsklettergarten, aber es ist ein existenzieller Unterschied, ob man in 10m Höhe über ein Drahtseil balancieren kann oder macht das mit 600m Luft unter den Sohlen, man steigt eine schwingende Strickleiter 10 m oder 120m hoch, man klettert frei 20m oder 500m.

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hier

bin ich mal so mit 12 Jahren und dem Kumpel in den Skiferien, nachdem die Lifte dicht hatten, rüber vom Hotel "Wagrainerhaus", rechts zu sehen, zu der kleinen Baumgruppe links etwa in der Mitte der Mulde, da ragten so verführerisch diese Bergbuckel aus dem Schnee, zum Steine- und Moossammeln. Kein Problem, wir erklommen den Fels (auf dem Foto offenbar zugeschneit & nicht so gut zu erkennen). So spekatkulär war das dann nun wieder auch nicht, außerdem schien die Sonne jetzt nicht mehr auf die sonst so farbig leuchtenden, gelben Moose auf den Steinen, eigentlich wurde es eher kalt jetzt und es war sowieso nicht daran zu denken, irgendwelche Steine mitzunehmen, die waren zu schwer, und ...

Wie sollten wir die eigentlich transportieren? Denn auf der Höhe, wo der Schnee begann bzw. der Fels herausragte, fiel er, wie wir jetzt festellten, ziemlich steil ab und durch die Wärmeabstrahlung vom Felsen aus war der Schnee bis zu einer Distanz vom 75 cm weggeschmolzen, sodass sich eine Kluft, ein Schacht zwischen Berg und Schneewand gebildet hatte. Und da gings dann steil runter in die Dunkelheit ... Der Schnee bröselte weg, fiel in den Spalt, wenn wir ihn zu erreichen suchten, und gab keinen Halt. Wir würden da hinunterstürzen! Und irgendiwe war es schon ziemlich dunkel, eigentlich auch spürbar kalt. Dahinten saßen sie in der warmen Stube, ging es mir durch den Kopf, und spürte die Dunkelheit, die ewig schien, mich umhüllen, in ein paar Stunden würde jemand irgendwann fragen, "sag mal, wo sind eigentlich istflut und R.?"

In irgendweiner verzweifelten Aktion wälzten wir uns mit hektischen Bewegungen, wie Schwimmbewegungen, wenn es kein zurück mehr gibt, rüber. In dem Moment gab es natürlich auch kein Zurück mehr. "Ausrüstung" hatten wir natürlich auch nicht.

Selbstverständlcih hatten die jagerteetrinkenden Erwachsenen uns kein Stück vermisst.

Das, klar, ist eine alberne Geschichte: aus reiner Dummheit! Lustig war ja es auch auf der anderen Seite der kilometerbreiten versandeten Flussmündung in Wales vor einem reißenden Kanal zu stehen (ich weiß nicht, ob die wie an der Nordsee dort Priel heißen), in dem das Wasser reißend landeinwärts stürtzt - landeinwärts? - und irgendwo da ganz hinten das andere Ufer ... Oder den kilometerbreiten See in den Masuren im der Abenddämmerung zu durchschwimmen, und dann, auf der anderen Seite, trotz Schwimmverein, bibbernd, naja lieber doch außen rum zurück. Nee, ein Risiko einzugehen, das ich selbst nicht kalkulieren kann, das ist nicht mein Fall. Und nach welchen Kriterien soll ich mich richten, um zu entscheiden, ob ich einem Bergführer vertrauen kann. Wenn ich jedenfalls doch noch irgendwann einmal den Führerschein mache, dann gehe ich zuerst auf so nen "Ralley-Platz", um zuerst ein Gefühl für die kinetischen Eigenschaften eines solchen Fahzeugs zu erfahrem, ganz sicher!

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Schlüsselerlebnis mit 16
war für mich eine Tour auf den Ankogel, bei der der Berg so vereist und eingeschneit war, dass wir den Normalanstieg nicht benutzen und auch nicht durchgehend ein Seil verwenden konnten (wg. Eis-Stalagmiten). Beim Abstieg verstieg ich mich und hing plötzlich an zwei Fingern an dem letzten Halt über dem Abgrund. Kurz zuvor hatte ich Suizid-Gedanken gehabt, und jetzt sagte etwas in mir völlig gefühlskalt: "Entweder, Du lässt jetzt los, und die Sache ist gelaufen, oder Du machst weiter. Gut, mache ich weiter." Ich zog mich an zwei Fingern hoch, war wieder auf dem Grat und stieg hinter Vater, Bergführer und Frau Koch ab. Die hatten gar nichts bemerkt. Der Rest des Abstiegs war ein Weiß-in-Blau-Rausch und ein ekstatisches Erlebnis. Anderthalb Stunden dachte ich gar nichts und fühlte nur. Meine mystische Phase wurde dadurch eingeleitet. Als ich das später erzählte glaubte mir niemand, und ich wurde als Zwei-Finger-Joe verspottet. Meine spätere Bergsteigerkarriere hängt damit zusammen.


BTW: Die Strecke, die Du da zeigst, würde ich nichtmal als Einlauftour bezeichnen.

Meine Dinge sind sowas




um da hinzukommen, braucht es aber für Flachländer wie mich Jahrzehnte Bergerfahrung und eine gut betreeuende Berggefährtin. Und als ich der gegenüber einen alpinen Superrhero als verrückt bezeichnete meinte die, wie ich denn wohl wäre, wenn ich in einem Haus mit Blick auf die Eiger-Nordwand aufgewachsen wäre. Alles eine Frage der Perspektive. Ich wurde sowohl als Flachlandtiroler verspottet als auch als Bergheld bewundert.


Messner meinte mal, ein Hamburger Nichtalpinist würde beim Ersteigen einer Scharte im Karwendel das empfinden, was er bei einem Achttausender erlebt. Ich bin mitten dazwischen. Meine Bergheldin meinte: Mt. Everest kannste vergessen, an der Eiger-Nordwand arbeiten wir.

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der verrückte Vermessungsgehilfe
Was für ne Strecke ist denn das, also wie hoch gehts da die rote Linie hoch?

Na klar, das war ein Spaziergang dorthin. Nicht umsonst heißt das ja "Mulde". Am anstrengensten war das Schneegestampfe. Und auch dieser Felsbuckel sah so harmlos aus, aber unterm Schnee, das ist kein Seemansgarn, das war steil, aber egal.

Das Härteste erlebte ich als Vermessungsgehilfe auf dem Bau, Steigenberger Hotel. Ich stakse da unausgeschlafen entlang dem 13 m tiefen Schacht in diesen wackeligen Gummiestiefeln und mit Messlatte über Bretter und Bauschutt und auf einmal fiel mir auf: also, wenn du jetzt einen falschen Schritt machst, dann ...

Oder unter der Autobahbrücke bei Lastwagenverkehr den Weißen Streifen vermessen während die LKW direkt neben einem vorbeirauschen.

Und dann war da der Fuß dieses 30 m hohen Brückenkopfes, den wir vermaßen. Ich steh da also im Wind mit dem Funkgerät um den Hals am der Kante, halte die Messlatte über den Abgrund. Der Chef, irgendo dahinten kaumzu erkennen, sprötz, aus dem Funkgerät, versuch mal die Latte ein bisschen weiter nach vorne zu halten, damit wir bessere Daten bekommen, nicht wackeln!

Das sind Sachen, die du dir wahrscheinlich vorstellen kannst, aber ich denke mir heute, ich musste ja echt verückt gewesen sein. Bei den Sachen, wo du, bei dem was du da machst, Realtionen siehst, verliert sich bei mir jeder Maßstab. Allein, wenn ich diese Bilder sehe, wo Leute auf so einem Grat entlangspazieren und ich mir denke: und dann ein falscher Schritt, nee, einmal, unvorbereitet, reicht ... Und als eher der Küste verhaftet unbedingt auf Deubel komm raus auch mal Bergsteigen ausprobieren zu wollen und dann abstürzen - ich hätte nur bedingt Mitleid mit mir selbst.

Irgendwie kann ich dich aber auch verstehen, diese Berge, die einem lediglich immer nur die Sicht versperren, irgendwann muss man dann da wohl mal hoch ;-)

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@Was für ne Strecke ist denn das, also wie hoch gehts da die rote Linie hoch?

Ca. 500 Höhenmeter Kletterei.

vgl. hier, aber etwas andere Route:

http://www.climbandhike.com/?p=5232


13m, 30m, hmm... bei mir sind das eher 600. Und Höhenagst oder -Schwindel kenne ich nicht, ich kann also genüsslich auf einem Felsgrat sitzen, runtergucken, auch wenn es da so senkrecht runtergeht wie eine Feuermauer und mir vorstellen abzustürzen, da regt sich nichts in mir. Allerdings brauche ich immer eine Weile zum Aklimatisieren, es gibt da eine Einlauftour, bei der ich es jedes Jahr beim ersten Mal mit der Angst bekomme.


@Irgendwie kann ich dich aber auch verstehen, diese Berge, die einem lediglich immer nur die Sicht versperren, irgendwann muss man dann da wohl mal hoch ;-) ----- Das Bergerlebnis lässt sich schwer vermitteln. Die dollsten Tourenerfahrungen würde ich als etwas Ähnliches wie einen 8 Stunden anhaltenden Dauerorgasmus beschreiben.

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