Samstag, 25. Februar 2012
Einmal wieder: Politische Korrektheit
Wenn nun nicht ausgerechnet ein paar christofaschistische Rassisten ihr Blog politicallyincorrect nennen würden könnte das Meinige einen Ähnlichen Namen tragen, denn vom Konzept der political correctness, wie es in der westdeutschen Linken gelebt wird halte ich sehr wenig. Im Jargon dieser Linken heißt es allerdings nicht politisch unkorrekt sondern Non-PC, und bis Anfang der Nullerjahre teilte die Kneipentischsoziologie linke Gruppen und Strömungen in PC-Linke und Non-PC-Linke ein.

Nun ist es natürlich nicht so, dass ich etwa dafür wäre, marginalisierte oder ausgegrenzte Gruppen mit diskriminierenden Ausdrücken zu belegen und vertrete auch nicht das paranoide Weltbild, demzufolge Schwule, Feministinnen, Schwarze oder sonstwer netzwerkartig zusammenarbeitend die armen Hetenmänner unterdrücken würden. Mit lauter solchem Scheißdreck habe ich nicht das Mindeste zu tun. Nur sind Angehörigen der vom gedachten Mainstream einer gedachten Mehrheitsgesellschaft, mit denen ich so zu tun habe alles Andere als PC, vielmehr ist es viel eher üblich, sich über Diskriminierung mit beißendem Humor lustig zu machen. Da erzählt ein türkischer Kollege: "Von der solltet Ihr Euch nicht im Auto mitnehmen lassen, die fährt wie ein Türke und noch dazu wie eine Frau!" und sie antwortet: "Kanake, ich zwick dir die Eier ab!".

Den ganzen Tag geht das so, zumindest, wenn Deutsche in Hörweite sind. Ich habe eine schwarze Bekannte, die begrüßt mich am Telefon mit: "Hier ist Shaine, die Negerin will immer nur das Eine!", und ein befreundeter kurdischer Gastwirt begründet die Tatsache, dass er nur E-Herde verwendet mit: "Wir Kurden haben etwas gegen Gas, das ist so ähnlich wie mit den Juden."

Die sogenannten Betroffenen sind in meiner erlebten Welt höchst Non-PC, und ein nicht unerheblicher Teil der mit ihnen im engeren Kontakt stehenden deutschen Antiras auch.


Demgegenüber ist das unbedingte Binnen-I und klein mensch auch noch im breitesten Biertischgespräch mitzusprechen, die programmatische Dauerachtsamkeit auf die ausschließliche Verwendung neutraler und angemessener Bezeichnungen, die 1:1-Übernahme von philosophischem, soziologischem und psychologischem Fachjargon in die Alltagssprache und das Handhaben von Gesprächen jeder Art als mit grundsätzlicher programmatischer Bedeutung aufgeladener Diskurse als etwas, das ich fast nur von protestantischen Mittelschichtsangehörigen mit Sozialisation in Akademikerfamlien kenne, und es geht dabei nicht immer nur um die Inhalte, die für sich ja oftmals diskutierenswert sind, sondern auch um die Reproduktion dieser Schicht als Definitionen stiftende Elite. Und vielfach ist dieses PC-Denken noch mit ein paar anderen Dingen zu einer komplexen Mentalität verbunden, die mit libertärem Denken nicht mehr viel zu tun hat. Um es mal drastisch auszudrücken, Schematisierungen machen anschaulich: Die typischen PC-Linken, die ich so erlebt habe sind Leute, denen guten Sex zu haben man nicht zutrauen würde, die nicht in der Lage wären, das Wort "ficken" auszusprechen und die fast alle Neurodermitis oder Magenprobleme haben. In den letzten Jahrzehnten habe ich PC-Debatten letztendlich als Kampf um die Lufthoheit im Zwanghaften erlebt. Nach einer selbstrepressiven Sexismusdiskusion der späten Achtiger kam eine um die richtige Lebensweise (Stichwort Straight Edge), dann kamen die Antideutschen mit ihrem Antisemitismus wo man hinschaut und überhaupt. Die Materialien für einen Neuen Antiimperialismus hatten schon Recht, als sie schruben, die Linke in Deutschland betreibe eine unproduktive Selbstethnisierung. Daran habe ich kein Interesse, ich wäre viel lieber massenwirksam - und muss außerdem ein breites Grinsen tragen.

Btw außerdem macht es einfach Spaß, bei bestimmten Provokationen die Kinnladen herunterfallen zu sehen resp. den Beton in den Mundwinkeln knirschen zu hören.

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Hm, klingt schon komisch, dieses ständige Witzemachen über die eigene Hautfarbe oder Ethnizität kenne ich überhaupt nicht, wirkt auf mich auch ausgesprochen verkrampft. Na ja, du bewegst dich eben in anderen Kreisen als ich. Ich bin ja nun mit einer farbigen Frau verheiratet und habe daher auch farbige Schwiegereltern, Schwager und Neffen/Nichten, aber über die Hautfarbe sprechen wir eigentlich nie, und ich denke ehrlich gesagt auch kaum daran. Als ich meine Frau kennenlernte war das natürlich anders, da habe ich ihre Hautfarbe schon als besonderen Reiz empfunden (und sie umgekehrt wohl auch), aber mit der Zeit vergeht das ganz, und die Farbigen sind ganz normale Menschen, deren Charakter und Interessen viel wichtiger sind, als ihre Hautfarbe und Herkunft. Und ich denke so sollte das auch sein. Das ständige ironische Hinweisen auf die eigene Herkunft usw. zeigt jedenfalls eine gewisse Unsicherheit.

Undman sollte vielleicht mal darauf hinweisen: "das paranoide Weltbild, demzufolge Schwule, Feministinnen, Schwarze oder sonstwer netzwerkartig zusammenarbeitend die armen Hetenmänner unterdrücken würden" ist natürlich umgekehrt genauso paranoid, wenn man den weißen heterosexuellen Männern eine Verschwörung zur Unterdrückung von Frauen, Schwulen und Schwarzen unterstellt.

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Dieses "ständige Witzemachen" hängt zumindest bei Flüchtlingen damit zusammen, dass die sich damit an eigenen Traumatisierungen abarbeiten, in der Türkenszene ist es z.T. auch einfach nur besonderer Humor.

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Willys Umkehrbesen
"ist natürlich umgekehrt genauso paranoid, wenn man den weißen heterosexuellen Männern eine Verschwörung zur Unterdrückung von Frauen, Schwulen und Schwarzen unterstellt.

"Umgekehrt" ist das Stichwort. Wäre ich Frau, schwul oder schwarz, dann wären es präzide solche Umkehrdiskurse, die meine Paranoia förderten. Der große evangelikale Kongreß vor 2 Jahren in Stuttgart war nicht von Schwulen veranstaltet und lautete nicht "Heterosexualität ist therapierbar". Auch hat Günther Wallraff sich kein weißes Gesicht gemalt um dann von Schwarzen blöd angemacht, beschimpft und bedroht zu werden.

Diese "Umgekehrt"-Denke ist Teil des alltäglichen Rassismus etc., weil sie eine Gleichheit unterstellt, in der die Diskriminierten sich gerade nicht befinden. Die weißen Hetenmänner haben die Macht zu diskriminieren, die Schwulen, Schwarzen und Frauen haben sie nicht. So einfach ist das. Nix von wegen "umgekehrt"!

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Und genauso ist es mit meiner PC-Kritik: Die Schwarzen, Türken, Juden, Feministinnen, Kurden mit denen ich so zu tun habe und hatte drehen die Diskriminierung in eine andere Richtung, in dem sie mit einer Mischung aus derbem Scherz und bissiger Polemik ihre Situation auf die Schippe nehmen. Das ist etwas Anderes als eine political correctness, die meint, der Verzicht auf diskriminierende Sprache bei gleichzeitiger Anwendung permanenter Selbstzensur, was ja letztendlich zu einer verbalen Ausblendung der diskriminierendenn Situation führt sei ein Weg in die richtige Richtung. Nichts zu tun hat diese PC-Kritik mit der PC-Kritik von rechts, die die Marginalisierten als eigentlich mächtige Minderheit imaginiert oder meint, durch geschlechtsneutrale Linguistik und die Nichtverwendung bestimmer diskriminierende Bezeichnungen beherrschten die Diskriminierten die Mehrheitsgesellschaft.

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"Die weißen Hetenmänner haben die Macht zu diskriminieren, die Schwulen, Schwarzen und Frauen haben sie nicht. "

Zweifellos gibt es Diskriminierungen, Frage ist, ob denen eine Verschwörung einer durch Hautfarbe und sexuelle Orientierung bestimmten Gruppe zu grunde liegt?

Warum haben weiße "Hetenmänner" die Macht zu Diskriminieren und die anderen nicht?

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Weil diese Gesellschaft nun einmal patriarchal, rassistisch und heteronormativ ist.

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Diese Gesellschaft ist also schlecht, weil sie schlecht ist; so ein Schwachsinn. Da fällst du sogar noch hinter Marx zurück.

Ich denke das ist unter deinem Niveau: Bist du wirklich der Meinung, dass es immanent schlechte Menschen gibt (gekennzeichnet durch Hautfarbe und sexuelle Orientierung) und immanent gute Menschen?

Ich denke dass man meine oben gestellte Frage durchaus beantworten kann, und ganz ohne Rückgriff auf solche albernen Phrasen.

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Boah, Willy.
Weiße heterosexuelle Männer (ja auch meiner einer) bilden hier nun mal gewissermaßen den Normalfall. Somit sollte einleuchten, dass - auch ohne dass da viel böser Wille dahinter waltet - jede(r), der von diesem dominanten Mehrheitsschema abweicht, mit strukturellen Nachteilen zu rechnen hat. Das macht freilich auch keine diskriminierte Person zu einem per se besseren Menschen, aber das ist auch überhaupt nicht der Punkt. Man muss z.B. kein Rassist (im Sinne von schlechter Mensch) sein, um Rassismen zu reproduzieren. Und wenn man das vermeiden oder zumindest reduzieren will, dann fängt man irgendwann man mal damit an, sich schlauer zu machen.

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Das habe ich so platt gar nicht gesagt, aber die Beantwortung dieser Frage füllt nun mal Bibliotheken. Zum Einstieg würde ich empfehlen: Friedrich Engels, der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht, Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, Marylin French, Jenseits der Macht, Theodor Wiesengrund Adorno und Marx Horkheimer, Die Dialektik der Aufklärung, Erich Fromm, Haben oder Sein, Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit 1-3, Materialien für einen Neuen Antiimperialismus Bände "Strategien der Unterdrückung, Strategien der Befreiung" und "From Resistance to Revolt", Noah Sow, Deutschland Schwarzweiß, Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis:


http://www.beitraege-redaktion.de/

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Und nun warten und wetten wir mal, che, wann die oder der erste ankommt, lamentiert und die ach so lange Literaturliste bemängelt: "Und das soll ich alles lesen, um mitreden zu dürfen?!"

Ja, genau: das alles und noch viel mehr.

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Das tun die erst, wenn einer von uns König von Deutschland ist;-)

Ich wüsste auch noch eine Königin, der wir ja nur zugelaufen sind.

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einige Schnipsel von mir dazu:

- vieles an dem PC-Kram (wobei auch immer die Frage ist, was real und was "urban legend" ist) ist letztendlich eine säkularisierte Form kirchlicher Selbstkasteiung, bei dem es letztendlich nicht um gesellschaftliche Veränderung sondern um ein Bewusstsein eigener (Teil-)Reinheit geht bzw. darum, Distinktionsgewinne aus der "Erkenntniss" zu schöpfen, dass mensch sich mit der Bewusstmachung eigener Sündhaftigkeit über die (bewusstlosen) Massen erheben kann, letztendlich eine Form des "autonomen Hyperleninismus"

- Wichtig ist ansonsten immer der "Sprechort" (Moshe Zuckermann), wer was an welchem Ort und aus welchem Grunde sagt

- "I" und "mensch" sind mir persönlich wichtig, weil ich in der 9. oder 10. Klasse gegenüber meinen LehrerInnen durchsetzen konnte, dass mir dergleichen nicht als Fehler angestrichen wurde, für Poesie ist dergleichen allerdings ungeeignet und was Sprache angeht bin ich ohnehin gegen formalistische Reglementierungen

- neu online auf MIA, ein Dokument der Selbstzerstörung einer (eigentlich eher undogmatischen) ML-Gruppe: http://marxists.org/history/erol/ncm-6/oc-racism/index.htm (1980)

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Dazu kommt nachher noch etwas aus einem meiner unveröffentlichten Romane. Auffällig und entscheidend ist, wann diese PC-Welle sich in der undogmatischen Linken durchsetzte: Gleichzeitig mit der Wende im Osten. Politischer Alternativen und Durchsetzungmöglichkeiten beraubt - die nichts mit dem Realsozialismus zu tun hatten, aber mit durch die Systemkonkurrenz eröffneten Spielräumen - suchte ein Teil der Linken, und zwar vor allem, aber nicht nur der studentische Linken das Heil in der Innerlichkeit, in einer Art moralischen Selbstinszenierung. Parallel dazu nahm bis dahin kontinuierliche Arbeit Kampagnencharakter: Volkszählungsboykott, gegen Gentechnik, Hungerstreik-Solidarität usw.

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Du kennst die Strömungen der West-Linken natürlich von innen. Aber der Osten vor 1989 war ein Land, in dem der Ober-Prolet auf Hasen-Jagd ging, die Leute komische Paraden abhielten und die Arbeiter für Alu-Geld die Billigprodukte aus dem Quelle-Katalog zu erstellen hatten, damit durch diese Lohndrückerei wenigstens ein paar Devisen ins Land rollten, mit denen man dann teure Produkte im Westen einkaufte. Wir kannten nicht alle Details, aber irgendwie ging doch die Ahnung in diese Richtung.

Ich vermute eher stärkerer Konkurrenz-Druck insbesondere unter jungen Geistes-Wissenschaftlern, Handwerkern und Arbeitern. Zeitweise gabs ja Mitte der 90er so eine Phase, in der es selbst diplomierte Ingenieure schwer hatten. Und in der Not schlägt halt der bürgerliche Reflex zu, komplexe Probleme mit Selbst- und Fremd-Disziplinierung lösen zu wollen.

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Glaube ich nicht. In der politisch korrekten Linken war es teilweise ja verpönt, überhaupt Karriere zu machen, Studium und dann Sozialhilfe ein verbreitetes Modell, oder nach dem Studium zu VW ans Band und dort ein Jahr arbeiten, um dann Arbeitslosengeld zu bekommen, und dann immer abwechselnd 2 Jahre ABM und ein Jahr arbeitslos als Lebensmodell. Zumindest gab es nicht wenige Szeneleute, die das so machten, und solche mit echter Karriereorientierung, die dann auch Karriere machen sollten gaben zumindest vor, das auch so zu sehen. Ich erinnere mich echt noch daran, dass es Anfang der Neunziger hieß "Die Korruption hat ihre Grenzen" und damit gemeint war, grundsätzlich keine Karriere in der Privatwirtschaft machen zu wollen. Als ich 2001 bei einer Computerfirma anheuerte warf mir jemand wörtlich "Verrat" vor.

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slightly off-topic aber irgendwie passend: http://freedomroad.org/index.php?option=com_content&view=article&id=831%3Aofficial-comrade-valentines-day-slogans-for-2012&catid=197%3Aslogans&Itemid=341&lang=en :-)

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