Montag, 29. April 2013
Antisemitismus in Kreuzberg
Eine Freundin von mir hat eine jüdische Bekannte in San Franzisco, die dort im Rotlichtmillieu arbeitet. Die fragte sie, ob sie sie In Berlin besuchen könne und ob sie da, im Land der Täter, als Jüdin sicher sei. Meine Freundin antwortete klar, in Kreuzberg gäbe es sehr viele türkische und arabische Menschen, die wären alle antifaschistisch drauf, für Neonazis sei das NO-Go-Area. Daraufhin fragte die amerikanische Jüdin, ob denn ausgerechnet Muslime mit einer Jüdin nett umgingen, worauf meine Freundin erwiderte, die hätten vielleicht was gegen Israel als Staat, aber doch nichts gegen eine Jüdin als Solche, sie sei herzlich eingeladen und sie freute sich über den Besuch.


Gesagt, getan, die Amerikanerin kam. Und nach kurzer Zeit erzählte sie meiner Freundin sehr konsterniert, sie wäre in übelst antisemitischer Art von drei arabisch aussehenden Jugendlichen angepöbelt worden, sie sollte sich verpissen und hätte in Kreuzberg nichts verloren.


Was war geschehen? Sie war, wie sie das aus Frisco gewohnt war herumflaniert und von den drei Jungs angemacht worden. Gekleidet in Schlangenlederstiefel, Minirock aus Latex, Zobelfelljacke, mit Krokotasche, Perlenkette und Ohrringen mit Brillianten. Meine Freundin erklärte ihr, dass hier die meisten arabischen Jugendlichen von der Stütze lebten, Häuser entmietet und luxussaniert werden und dass sie als Eindringling aus einer als feindlich angesehenen Luxuswelt wahrgenommen worden war, dass sie Jüdin sei stehe ja nicht in ihrem Gesicht. Sie wirkte wenig überzeugt.


Die Wahrheit liegt im Auge der Betrachtenden.

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Ich glaube, in diesem Fall lässt sich die Wahrheit auch über den rein subjektiven Bereich hinaus annähern.

Als Ex-Berliner (und quasi "Kenner" der Berliner Verhältnisse) sage ich dazu: Es gibt - leider - einen teils massiven Antisemitismus unter arabischen, teils auch türkkischen Menschen in Kreuzberg. Nazis machen in Kreuzberg keinen Stich, aber ich würde in Kreuzberg, zumal am Abend, niemals mit Kippa eine längere Strecke unterwegs sein.

Das ist zu riskant. Und zwar ganz objektiv. Objektiv gilt auch: Antisemitismus ist Teil der deutschen Gegenwart. Für das "Multikulti-Millieu" in Kreuzberg gilt das in besonderen Maß.

Ich tippe allerdings (das entspricht meinen Erfahrungen), dass die überwiegende Mehrheit arabischstämmiger Jugendlicher in Kreuzberg keine Antisemiten sind. Auf der persönlichen Ebene habe ich jedenfalls noch nie Probleme gehabt.

Aber solche Vorfälle: Die gibt es ganz regelmäßig. Und zwar ganz unabhängig vom Auge des Betrachters.

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Die wussten bloß absolut nichts darüber, dass die Frau Jüdin ist. Was sie gemacht hat ist so wie als Mormone mit nem Rolls Royce vor nem Obdachlosenasyl parken und die Tatsache, dass der Lack zerkratzt wird als religiöse Verfolgung zu werten.

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"Meine Freundin antwortete klar, in Kreuzberg gäbe es sehr viele türkische und arabische Menschen, die wären alle antifaschistisch drauf, für Neonazis sei das NO-Go-Area."

Deine Freundin scheint zumindest extrem naiv zu sein. Es ist mir nicht erklärlich, wie man zu solch einem Statement kommen kann. Nazis haben da in der Tat keine Chance, aber erkennbare Juden auch nicht unbedingt.

Und die Geschichte mit Luxussanierung und Stütze ist ja sicher richtig, aber die schicke Frau fiel wohl eher dadurch auf, dass sie anders war, dem arabischen Frauenbild nicht entsprach, keine hörige Puppe ist. Bei den teuersten Autos, die in Kreuzberg oder Neukölln herumfahren, hat der durchschnittliche arabische Jugendliche nichts dagegen, der würde die Karre gerne selber fahren. Der Kreuzberger Türkenmittelstand fährt haufenweise schöne Autos. Es geht hier nicht um Verachtung von Luxus, sondern um Verachtung emanzipierter Lebensstile von Leuten, für die aus reaktionär-arabischer Sicht keine Emanzipation vorgesehen ist.

Den Entschuldigunsversuch deiner Freundin halte ich auch nicht für überzeugend. Was soll denn an übelster antisemitischer Anmache zu entschuldigen sein? Wem die Miete erhöht wird, darf antisemitisch sein? Wir sind nicht im Gazastreifen.

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Wer Schlangenlederstiefel, Zobelfell und Krokotasche trägt demonstriert, Bonze zu sein, so in etwa.

@"Was soll denn an übelster antisemitischer Anmache zu entschuldigen sein?" ---- Der Punkt ist, dass die Anmacher keine Ahnung hatten, dass die Frau Jüdin ist, sie wusste aber, dass das Muslime und mutmaßlich Araber sind und nahm die Anmache daher als Antisemitismus wahr.



Der Logik nach müssten aber auch die Kübel- und Yuppies-verpisst-euch-Aktionen von Klasse gegen Klasse Antisemitismus sein.

Ich möchte jetzt bitte weder dem Antideutschtum das Wort reden noch bestreiten, dass die Jungs da möglicherweise antisemitische Klischees im Kopf haben, aber beim Zustandekommen der konkreten Situation spielte das keine Rolle.

Was übrigens auf diverse Bloggerkonflikte umstandslos zu übertragen wäre.

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Gut, da müsste man jetzt die konkreten Beschimpfungen kennen. Aber wenn ich akzeptiere, dass eine Jüdin in der Lage ist, antisemitische Beleidigungen von anderen auseinanderzuhalten, dann waren es eben antisemitische Beleidigungen, nicht einfach Gepöbel, was von ihr irrtümlicherweise als Antisemitismus ausgelegt wurde. Man braucht für Antisemitismus keine Juden, für Homophobie keine Schwulen. "Schwuchtel" und ähnliches wird als Beleidigung ausgesprochen, ohne dass man sich des realen Sachverhalts bewusst sein müsste.

Bonze: Eben nicht, würde ich sagen. Eine S-Klasse kostet ungleich mehr als die Krokotasche, das ist aber kein Problem. Es geht darum, dass diese Art von Luxus ein individuelles Bewusstsein dieser Frau ausdrückt, gegen das diese Leute sich aussprechen. Wenn ein Araber mit einem 1000-Euro-Anzug und einer Rolex daneben steht, fallen die Beschimpfungen aus, vermute ich. Nix Bonze.

Aber, wie gesagt: Das sind immer diese Geschichten, bei denen die Betroffenen sich nicht äußern. So wie über Lantzsch diskutiert wird ohne ihr Beisein (weil sie nie dabei ist) und über RS ohne deren Beisein.

Andererseits könnte man auch der Jüdin Naivität zusprechen. In San Francisco kann die auch nicht überall mit Krokotasche rumlaufen.

Ach, man sollte zu solch ungefähren Stories gar nichts sagen.

Das Rarmachen (das noch nebenbei) bietet die Möglichkeit einer Art Mythologisierung der Betroffenen. Sie sagen nichts und machen ihren Zustand bzw. ihre Außenwirkung interessanter. Zerreden kennt diese Gesellschaft mittlerweile zu gut, das ist anstrengend und langweilig zugleich.

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Meine These wäre, dass die wegen ihres Äußeren von weißdeutschen Punks in Göttingen genauso angepöbelt worden wäre. Und antisemitische Ausdrücke sind da gar nicht gefallen, sondern Begriffe wie "Bitch", "Tusse", "Schickse", "Schnalle".

Dass das sexistisch war, darüber brauchen wir nicht zu streiten, und ich maße mir auch nicht an, einer Jüdin darüber etwas erzählen zu wollen, was Antisemitismus ist und was nicht, trotzdem gibt es Grauzonen, und gerade die finde ich interessant.

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@" Es geht darum, dass diese Art von Luxus ein individuelles Bewusstsein dieser Frau ausdrückt, gegen das diese Leute sich aussprechen." ----- Das könnte durchaus sein, übrigens ist die Frau Domina. Für meine Freundin und mich hatte die Dimension Ghettoarmut vs. exotische Reiche im Vordergrund gestanden, aber es mag da viele ganz unterschiedliche Subkontexte geben. Außerdem ist Diskriminierungserfahrung ja auch nicht objektivierbar, das jedenfalls habe ich von Momo und Noah gelernt.

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Wer Schlangenlederstiefel, Zobelfell und Krokotasche trägt demonstriert in allererster Linie mal einen Haufen unreflektierte Blödheit und das Bewußtsein das einem umwelttechnisch alles am Arsch vorbeigeht.
Welches Geschlecht oder Religion der- oder diejenige dann dazu mit sich herumträgt ist eher sekundär. Ist aber natürlich ganz praktisch um eine Opferkarte auszuspielen.

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Der Punkt ist: Sie ist massiv und übelst antisemitisch angepöbelt worden.

(und ja: genau sowas kann passieren, in Berlin, wenn ein paar verblödete, mit Testosteron übersättigte arabische Jugendliche auf ihre Weise rumprollen, ihre Männlichkeit damit beweisen bzw. ihr "Revier verteidigen" - nur eben, dass der Hass auf Juden nicht zu entschuldigen ist, auch nicht mit Krokoledertaschen usw.)

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Nein Dean, so ist das nicht.
Sie ist eine amerikanische jüdische Domina aus einer Szene, in der kalifornische männliche linke Juden es geil finden, von einer blonden blauäugigen 1,80 großen deutschen "arischen" Frau ausgepeitscht zu werden und die sich Deutschland als einen Staat vorstellte, an der an jeder Ecke ein Nazi steht und die sich Araber als Hamas-Leute vorstellte. Und sie wurde konfrontiert mit Kreuzberger Ghetto-Kids, die wiederum sozialisiert wurden durch eine linke Szene, die jeden Schlipsträger als Feind sieht und die Entmietungen von billigem Wohnraum durch Pseudo-Modernisierungen (Abdecken im Winter, damit die Treppenhäuser feucht werden, Russen-Schläger, die HausbewohnerInnen belästigen usw.) erlebt, aus eigenem Wohnraum vertrieben wurden und dann z.B. die Autos von denen abfackeln, die nichtsahnend in die neuen teuren Eigentumswohnungen einziehen. Dass sie Jüdin ist wussten sie nicht, sie identifizierten sie wohl eher mit mafiösen Gentrification-Zusammenhängen.

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Alle Kreuzberger Ghetto-Kids wurden durch eine linke Szene sozialisiert? Ist das nicht Wunschdenken?

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Das habe ich so ja gar nicht gesagt. In Anbetracht des zurzeit häufigen Auftauchens solcher Leute in Jugend-Antifazusammenhängen: Wieso wird undeutschen Armenvierteljugendlichen immer gleich Islamismus, Antisemitismus, Türkenmachotum und Ähnliches unterstellt?

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Naja, aber warum gerade die?
Kann man das am Verhalten ablesen?
Antisemitismus schließ ich mal aus, aber ich würde eher noch Genovas Einschätzung zustimmen.....

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Scheiss-Islamophobie vermutlich.
Bekenne mich schuldig. Mein ich ganz ernst.

Antideutschtum ist bullshit, aber ich kann nicht verleugnen, dass gewisse Argumente aus der Richtung was bei mir zum Klingen bringen.
Vorgeschichte:
Mein Bruder hat die Hauptschule besucht. Ein Großteil seiner Freunde waren Türken. Heute ist er Antisemit und ich glaube einfach nicht, dass es da keinen Zusammenhang gibt. Natürlich wird sowas begünstigt von urdeutschen antisemitischen Strukturen, auch aus der Familie. O-Ton meines Vaters: "Naja, die Juden waren schon immer hinter dem Geld her."
Aber in die Kerbe schlägt ein Israeli, den ich kenne genauso. Das macht es nicht besser, aber die Schiene ist nochmal was anderes als religiös eingefärbter Antisemitismus Richtung "Teufelsanbeter, Kindesmörder"... Mein Bruder hat sich auf dem Level prima mit meinem Cousin unterhalten können, der mittlerweile zum waschechten Neo-Nazi mutiert ist.

Der Exkurs hatte nichts mit dem Thema zu tun, sorry. Denn eigentlich glaub ich ja bei der geschilderten Situation tatsächlich nicht an Antisemitismus, aber hauptsächlich, weil das "jüdisch sein" ja nicht sichtbar ist.

Aber ein Großteil der Deklassierten (egal übrigens ob arabisch- türkischstämmig oder nicht) verharrt doch leider in sexistischen Strukturen und rennt nicht zum Antifa-Treffen. Deshalb befürchte ich eher diesen Hintergrund, ich mag mich irren. Es wäre wünschenswert, dass ich mich irre.

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Sexismus will ich da gar nicht ausschließen, hatte ich ja auch so gesagt. Mir geht es mehr so darum, wie völlig unterschiedlich Situationseinschätzungen sind und von welchen Vorgedanken sie abhängig sind. Dazu noch eins: Da, wo die Frau her ist, wurde der Sohn eines kalifornischen Neonazis, der in SA-Uniform in die Schule ging, ganz selbstverständlich für einen deutschen Austauschschüler gehalten.

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Vielleicht isses das einfach. Sexismus. Und da hat die Abstammung der Jungs echt gar nichts mit zu tun. Wohl aber die Klassenzugehörigkeit, das fürchte ich schon.

Aber da waren bei mir vermutlich tatsächlich islamophobe Reflexe im Spiel. Ich muss dringend mehr linke Muslims kennenlernen im Real Life. Aber da muss ich allgemein mehr Linke kennenlernen. ;-)

Zu der SA-Geschichte:
Die Amis sind echt krass in ihrer "Freie-Meinungsäußerungs-Schiene"! Das der so zur Schule gehen darf. Aber da gilt das brennende Kreuz ja auch z.T. als Meinungsäußerung, oder?

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Hat die Dame evtl. einen fünfzackigen Stern als Schmuckstück getragen? Dann ist ihr vielleicht das gleiche passiert wie dem hier:

http://www.amazon.de/%C2%BBEin-nasser-besser-trockener-Jude%C2%AB/dp/3423247975

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Mag schon sein. Für mich steht aber völlig Anderes im Mittelpunkt. US-SchülerInnen halten einen Mitschüler in Naziuniform für einen Austauschschüler aus Deutschland, demzufolge denken sie wohl, bei uns laufe man normalerweise so rum. In meiner Schulzeit wurde ich von einem Besucher aus Montana gefragt ob wir wüssten was Pferde sind. Ich hatte einen ägyptischen Freund, der weiß über Lebensverhältnisse und Politik in Indien oder afrikanischen Ländern Dinge, die kein Deutscher weiß, wusste aber nicht, dass England eine Insel ist und London einen Hafen hat ("I thought, it lays inside the land"). Und diese Kalifornien-zentriert aufgewachsene Frau hatte an Deutschland die Erwartungshaltung, dass an jeder Ecke ein Nazi steht. "Bestätigt" wurde diese ihr dadurch, dass sie zu einem Zeitpunkt, als in Kreuzberg der Zorn über Gentrifizierung und neu hinzuziehende Yuppies gerade kochte in einem Outfit auf der Straße flanierte das so passte wie wenn ein Zuhälter seinen Porsche vor einem FrauenLesbenzentrum parken würde. Und mir war klar, was für ambivalente Reaktionen ich mit dieser Geschichte, die part of operation mindfuck ist auslösen würde.

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@Willy, ein fünfzackiger Stern steht für Kommunismus, Anarchismus oder schwarze Magie, Du meinst einen sechszackigen. Ich hatte erwähnt, was für Schmuckstücke die Frau trug: Eine Perlenkette und Diamantohrringe.

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Ich hab mal erlebt, wie zwei israelische Austauschschüler nicht in eine Disko kamen, vermutlich, weil sie "aussahen wie Türken". Der Rassismus ist bei ihnen vermutlich auch als spezifisch antisemitisch angekommen.

Das viele Amis denken, dass die Deutschen alle mit Scheitel rumrennen und den ganzen Tag Kraftwerk und Rammstein hören, hab ich auch mal vernommen. Die Bösen im ersten "Stirb Langsam" sind im Original auch Deutsche, glaub ich.

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Österreicher, was man daran sieht, dass sie mit Steyr-AUG-Gewehren bewaffnet sind. Dahinter soll sich wohl ein Seitenhieb auf Schwarzenegger verbergen.

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Hat bestimmt jeder verstanden. ;-)

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Brauchte ja nur Einer zu verstehen;-)

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@ Che

Dazu müsste man vielleicht auch im Detail wissen, wie die verbale Auseinandersetzung vor sich ging, also, was genau gesagt wurde.

Vielleicht war es ja wirklich so, dass die Dame als "antisemitisch" bereits empfand, dass sie überhaupt beschimpft wurde.

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So haben wir halt alle unsere Vorurteile und Wissenslücken über Fremde, und auch die für uns Fremden haben sie uns gegenüber.

Auch die Beschäftigung mit "Critical Whiteness" hilft da wenig.

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Während im Falle Deniz Yücels oder Mely Kiyaks ein jedermann weiß, was vorgefallen ist, und dementsprechend Stellung beziehen kann, fehlen in ches Geschichte sämtliche Anhaltspunkte, mit deren Hilfe ich mir ein gerechtes Urteil bilden könnte. Auf der anderen Seite enthält seine Geschichte das bekannte Bühnenbild: Kreuzberg, arabische Migranten, die eine Jüdin beleidigen, antisemitsch beleidigen. Moslemhassern wird es also auf der anderen Seite sehr leicht gemacht, ihren Hitler aus sich herauszulassen. Das ist das perverse an solchen Geschichten. Blöde, stumpfsinnige Nazis haben auf einer solchen Diskussionsgrundlage bessere Karten als besonnene, kritische Zeitgenossen.

Im übrigen, da ja manche sich fragen, wie man Jüdinnen von Nicht-Jüdinnen unterscheiden kann: Wie sehen arabische Migranten aus? Ich dachte immer, Araber sehen aus wie Juden, und benehmen sich auch so, z.B. schächten sie auf entsetzliche Weise ihr Vieh.

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Perlen vor die Säue
Ähem, was Che hier so an Themen für das Institut für fortgeschrittene Bizarrologie ausbreitete findet scheinbar gar k///eine Beachtung. Jüdische Leute, die es BDSM-mäßig ganz Klasse finden, von weißdeutschen großen blauäugigen Frauen malträtiert zu werden, antimuslimische Vorurteile die hier fast alle haben vorzuführen und mit dem definitiven HInweis "Operation Mindfuck" zu kennzeichnen ist schon eine heftige Mischung. Dabei kenne ich Che gut genug um zu sagen, der meint damit die Tatsache, dass die Reaktionen von Momorulez auf scheinbare, aber nicht tatsächliche homophobe
Inhalte sehr analog zu dem sind was hier abgeht: Es dreht sich nicht um Antisemitismus. Eine vorurteilsgeladene Amifrau hat etwas falsch interpretiert. Und dann gehen Reaktionen ab, die alle Beteiligten erstmal in den dumpfen Islamhasserblock schicken. Die schönen Schlenker, in die der Beitrag sonst noch hätte führen können wurden nicht beachtet. Schönen Gruß

Lady Shalimar

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"und die sich Deutschland als einen Staat vorstellte, an der an jeder Ecke ein Nazi steht und die sich Araber als Hamas-Leute vorstellte."

So dumm dürfen nicht mal Amis sein.

Netbitch,
von Islamhasserei hat hier niemand geredet, ich sehe auch keinen dumpfen Islamhasserblock. Der von che geschilderte Sachverhalt war folgender:

"die Amerikanerin kam. Und nach kurzer Zeit erzählte sie meiner Freundin sehr konsterniert, sie wäre in übelst antisemitischer Art von drei arabisch aussehenden Jugendlichen angepöbelt worden, sie sollte sich verpissen und hätte in Kreuzberg nichts verloren."

Drei Jungs gegen eine Frau, übelste Anmache, vermutlich verbunden mit Angst vor gewalttätigen Übergriffen, dazu in einer fremden Stadt, in einer fremden Sprache. Ein komplettes Scheißverhalten dieser drei Typen. Meine Vermutung ist da in der Tat, dass das drei dämliche türkische oder arabische Machos waren, die sich für die Krone der Schöpfung halten und die Frau hat die Klappe zu halten, schon gar nicht einen eigenen Willen zu haben.

Solche Steinzeit-Typen gibt es genug, vermutlich hat es auch etwas mit der konservativen Auslegung des Korans zu tun.

Man kann diese Leute Modernisierungsverlierer und unterprivilegiert nennen, sicher richtig, aber ihr Verhalten dieser Frau gegenüber ist trotzdem das letzte.

Und es ist verharmlosend, wenn du schreibst:

"Eine vorurteilsgeladene Amifrau hat etwas falsch interpretiert. Und dann gehen Reaktionen ab, die alle Beteiligten erstmal in den dumpfen Islamhasserblock schicken."

Sie hat nicht einfach etwas falsch interpretiert, sondern ist massiv bedroht worden. Vermutlich von Leuten, denen man auch Gewaltanwendung zutraut. Das hängt vermutlich mit dem extrem patriarchalen Weltbild solcher Leute zusammen. Kein Problem mit Luxus, aber große Probleme mit emanzipierten Verhalten von Personen, für die Emanzipation nicht vorgesehen ist.

Nix Islamhasserblock, aber Kritik an arabischen Machodeppen.

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Äh, dachte ich mir doch... Der Informationsgehalt wie beim Kachelmannprozeß, aber alle erlauben sich ein Urteil (bis auf mich) auf der Grundlage medial inszenierter Vorurteile, spekulieren und vermuten ins Blaue hinein. Welchen Zusammenhang gibt es denn zwischen Koran und Scheißverhalten? Zuhälter benehmen sich genauso respektlos. Abgesehen davon, wäre Scheißmachoverhalten nicht antisemitisch. Das ist nicht einmal patriarchalisch, denn Patriarchat ist etwas ganz anderes.

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Wo allerdings der Unterschied zwischen Scheißmachoverhalten und patriarchalem Verhalten liegen soll - den ich nicht sehe - müsstest Du schon mal erläutern. Für mich ist das ja eher ein Rashomon-Szenario.


http://de.wikipedia.org/wiki/Rashomon_%E2%80%93_Das_Lustw%C3%A4ldchen

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Wenn ein besoffener arabischer Herr gegenüber einer jungen Dame mit Krokotasche zudringlich wird, dann ist das ekelhaft und keines wirklichen Machos würdig. Und wenn die betreffende Dame daraufhin mit der Eisenstange auf den Herren losgeht, dann ist das nicht Feminismus. Sie könnte sich dabei sogar patriarchalisch verhalten haben, nämlich dann, wenn ihre Verteidigung dem Schutz ihrer weibliche Ehre dienen würde.

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Da verwendest Du aber höchst eigene Definitionen der Begriffe Macho und Patriarchat, denen ich keinesfalls zustimmen würde.

Btw, das Reizwort Araber erzeugt beim Kommentatorenkreis ja so einige Reaktionen, oder soll ich bedingte Reflexe sagen die ganz aufschlussreich sind. Wer sagt denn eigentlich, dass es sich bei den Dreien um islamisch geprägte junge Männer handelt und nicht um migrantische Antifas, die es in diesem Teil Kreuzbergs halt auch gibt? Ich meine, ich kann die Frage selber nicht beantworten, aber sowohl die Gastgeberin der Kalifornierin als auch ich dachten bei der Geschichte zuerst an die Klasse-gegen-Klasse-Kampagne, bei der in neu eröffnete Feinschmeckerlokale in Kreuzberg Güllefässer in die Schankräume entleert wurden, um auf Gentrifizierung mit Yuppievertreibung zu reagieren.
Der Kontext schien uns naheliegend, nicht der "arabische Machos machen selbstbewusste Frau fertig" (die übrigens auch eine PoC ist). Wobei ich allerdings auch nicht ausschließen mag, dass das da mit reinspielte.

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Du sagtest nicht, daß diese Araber islamistisch wären. Das ist es ja! Eine Geschichte muß nur von Arabern handeln, dann stellen sich umgehend Vorurteile gegen sie ein. Gewalttätig, sexuell unbeherrscht, frauenfeindlich, sexistisch sei er, der Araber.

Patriarchat: Das ist eine höchst ehrenhafte Sache. So wird das im erwähnten japanische Film auch dargestellt. Darin geht es auch um Ehre, Moral: Da wird ein Mord verübt. Ein jede bei dieser Tat in Zusammenhang stehende Person bewertet diese Tat aus dem Blickwinkel höherer, ehrenwerter Motive. Mord & Totschlag, Lüge und Verrat müssen sein, wegen höherer Prinzipien, und zur Erlangung und Bewahrung von Gesicht, Ruhm & Ehre. Gehenkt wird zum Schluß der Außenseiter, einer der von der Gesellschaft abgeschieden an einem unheimlichen Ort im Wald lebt, und als Wegelagerer sein Dasein fristet, und der, "der Bandit" genannt wird. Seine animalischen Bedürfnisse gelten als unwürdig, als niedriges Motiv. So etwas wie Ehre kann er nicht anführen. Ein sehr interessantes Sujet! Ich stelle mir jetzt dabei arabisch-migrantische Jugendliche vor.

Patriarchat dagegen hat mit Verantwortungsbewußtsein, Ehre und Anstand zu tun. Thomas Buddenbrook hat zum Beispiel seine Schwester an einen Geschäftsmann verkuppelt, von dem er sich eine gute Partie erhoffte. Und dann, als sich herausstellte, daß jener Geschäftsmann bankrott war und der sich auf Buddenbrooks Kosten saniereren wollte, wurde die Ehe wieder geschieden. Die Hausbank jenes Geschäftsmannes hat Buddenbrook auch angeschwindelt. Die hat wohl gehofft, den Kredit an den Geschäftsmann aus dem Feuer zu bergen zu können. Das alles ist ehrwürdig und anständig. Besonders bemerkenswert ist die Tugendhaftigkeit besagter Schwester, deren Opferbereitschaft sich darin zeigte, daß sie ihre persönlichen Bedürfnisse zugunsten einer großen, edlen Sache zurückstellte. Das ist Patriarchat, und nicht, wenn junge Leute den Mädels hinterherlaufen.

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Eine Definitionsfrage
Ich verstehe was Du meinst. In einem sehr klassischen Sprachgebrauch meint Patriarchat genau das, was Du da beschreibst. Allerdings nicht unter Anstands- sondern unter Ehrenkodex-Begriffen, die letztendlich feudal und vorbürgerlich sind. Unter Patriarchat im politisch-historisch-soziologischen Sinne wird aber schon seit Engels jegliche Gesellschaftsordnung verstanden, in denen Männer asymmetrisch Frauen dominieren, und als patriarchal alle Verhaltensmusster verstanden die damit korellieren.

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Zum Kotzen
"Patriarchat hat mit Anstand zu tun."

Abgesehen davon, dass ich den Roman nicht unbedingt zur Grundlage politischer Idealvorstellungen machen würde:

Es lässt sich bestens streiten darüber, erstens,
ob klassizistische Heiratspolitiken mit "Anstand" zu tun haben - oder den Hintergrund haben dass damit das Großbürgertum Machtsicherung betreibt, zweitens,
ob das buddenbrooksche Kuppel-Patriarchat tatsächlich an den Interessen von Frauen orientiert ist.

Witzig kann man allerdings finden, dass bestimmte gesellschaftliche Schichten in Sachen Heirat heutzutage eine Art "Rückkehr zu den Buddenbrooks" betreiben. So gehört dergleichen Heiratspollitik inzwischen in Managereliten, beim besseren Unternehmernachwuchs, aber auch im führenden Beamtentum "zum guten Ton". Mitten dabei in dieser Gemengenlage: Der liebe deutsche Adel, sofern vermögend.

Zum Kotzen.

Eine Überlegung dazu: Refeudalisierungstendenzen sind evtl. der Preis dafür, dass es in der Bundesrepublik in den letzten 30 Jahren deutlich zu wenig aufbegehrenden Klassenkampf gab.

(was übrigens auch zur sehr grundsätzlichen Frage führt, was von "linken" Gruppen zu halten ist, welche sich der Klassenfrage praktisch vollständig verweigern)

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In seinem "Strukturwandel der Öffentlichkeit" ging Habermas davon aus, dass es zu einer Refeudalisierung der Gesellschaft kommt. Das schrieb er 1962.

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Maskulinistische Strukturverdrehung
@Das ist Patriarchat, und nicht, wenn junge Leute den Mädels hinterherlaufen.

Da laufen nicht erstens Leute sondern Kerlinger, und auch nicht nur jungen Frauen hinterher (Mädels ist mit 18 abgeschlossen), sondern das Nachlaufen ist mit einem Bedrohungszusammenhang verbunden. Hatte Che eigentlich gut dargestellt. Wenn mir Männer nachlaufen weil sie mich toll finden, immer gerne. Aber es geht hier ja mehr um ein Nachlaufen unter der Verdachtsvermutung, vergewaltigen oder Ähnliches, meinethalben davor Liegendes tun zu wollen. Mistverständnisse aufzudröseln ist da recht gut, bewaffnete weibliche Gegenwehr, wenn die Bedrohung ernst gemeint ist aber genauso. Wobei ich mit sowas ja ganz anders umgehe als die Frauen, die ich in der Bloggerei so lese. Wenn mir ein Mann nachpfeift rufe ich laut, dass alle es auf 50 Meter verstehen können "Ich weiß selber, dass ich nen schönen Arsch habe, niemand muss mich aufmerksam machen." Das hilft echt.

Stock benutzt habe ich aber auch schon.

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"Die ideologisch etablierten Stereotype gegen arme Menschen
sind vollständig systemimmanent. Das heißt, daß sie sich aus der Gesellschaft nur dann beseitigen lassen, wenn sich innerhalb der Bevölkerung ein antikapitalistisches Begehren, ein Verlangen nach Sozialismus und ein subjektives Klassenbewußtsein entwickeln."

schreibt ein Mensch namens Christian Baron in der neuen Konkret über Klassismus innerhalb der Linken, gut und auch als "Betroffener". http://www.konkret-magazin.de/hefte/aktuelles-heft/articles/zu-hoch-fuer-dich.html

Gegen Ende kommt er allerdings zu dem Schluß - so versteh ich ihn- daß die "einzig wirklich gesellschaftlich relevanten Konfliktlinie zwischen Arm und Reich (sei)".
Er sagt auch, daß "Klassismus Menschen jeden Geschlechts, jeder Hautfarbe, jeder Herkunft, jeder Religion und jeden Alters gleichermaßen betreffen kann".
Neee...also doch die Theorie vom Hauptwiderspruch? Schade.
Was kann so schwer am Verständnis des Ineinandergreifens verschiedener Unterdrückungsmechanismen -komplex, sogar widersprüchlich- sein?
Die ewige Sehnsucht nach den einfachen Antworten und billigen Schablonen. Auch an der antikapitalistischen Front. Und so hauen alle aufeinander ein: Meins ist wichtiger! Wir zuerst! Du gehörst zu den Bösen! bei uns ging es länger! Bei uns dafür schlimmer! Check erstmal deine Sprache! Alles Nebenwidersprüche!

Was Du letzt schriebst, Fu-twin, von der "Mitte", ist ja richtig. Es klingt nur so nach Mäßigung, Langeweile und Ausgleich. Für mich ist es angesichts dieser Absolutheits-Zumutungen der Superentschlossenen allerdings der deutlich radikalere Weg: Zuhören, wechselseitig wertschätzender Umgang (@Dean), Respekt, keine Vorverurteilungen, und von sich selbst als Zentrum der Welt abrücken. Dabei trotzdem ganz klar sein und Dinge benennen, schwammig gesagt.

@Netbitch: Daumen hoch!

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@ Qwertzu

Selbstverständlich gibt es in einer Gesellschaft weit mehr Konfliktlinien als "nur" die Klassenfrage. Wenn Christian Baron unter Klassenfrage dann auch nur den Gegensatz zwischen "Arm und Reich" versteht, ist das in meinen Augen eine weitere Verkürzung.

Das Leben des Einzelnen mag von den unterschiedlichsten Dingen geprägt sein, und die Lebensqualität in der Gesellschaft (als quasi positive Formulierung politischer Forderungen) ist sicher nicht einzig das Resultat dessen, dass "die Klassenfrage" so einigermaßen im Lot beantwortet ist.

(dazu zählen z.B. Freundschaft, Partnerschaft, Gesundheit, technischer Fortschritt, Wohnsituation, Arbeitsbedingungen, allgemeine Wahlmöglichkeiten im Leben, Lebenspläne, die innere Freiheit und ggf. sogar die Versorgung mit treuen Haustieren - und dies alles vermutlich sogar deutlich mehr, als es sich viele Politaktivisten eingestehen würden)

Trotzdem würde ich behaupten, so alles in allem, dass die Klassenfrage (allgemeiner formuliert: die soziale Frage) - und damit nicht zu knapp verkoppelt auch die Fragen des sozioökonomischen Systems - sehr wesentliche Fragestellungen sind.

Und (etwas zu sehr) auf den Punkt formuliert bedeutet Linkssein immer auch, sich der Klassenfrage bewusst zu sein.

Selbstverständlich ist es gut, wenn es Menschen gibt, die einen Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit den Bürgerrechten widmen, dem Umgang mit Geflüchteten, der Lage der Geschlechter (ob nun akademisch anspruchsvoll mit akademisch auswendig gelerntem Butler-ismus - oder auf andere Weise, die für mehr Wahlfreiheiten und Fairness sorgt), dem Gesundheitssystem, den ökologischen Rahmenbedingungen - oder den System- und Ordnungsbedingungen im Rahmen marktwirtschaftlicher ökonomischer Organisation (das wären dann z.B. so Ordolinke wie ich) usw. usf.

Denn nur die Klassenfrage: Das wäre sicher zu wenig.

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Lesebefehl!
In der aktuellen konkret ds Gespräch zwischen Herman L. Gremliza und Karlo (aka Karl Heinz Roth), der mein spiritus rector war.

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Lesebefehl verweigert!
Da ist kein Text. Muß ich jetzt von dieser Moslemhasser-Postille eine Scheibe Brot kaufen?

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" die Fragen des sozioökonomischen Systems -
sehr wesentliche Fragestellungen sind." - logisch, genau.
"Sich der Klassenfrage bewußt zu sein" würde mir nicht reichen, sondern wie ich den Baron schon zitierte, hoffe ich auf viel verbreiteteres "antikapitalistisches Begehren und Verlangen nach Sozialismus".

Deswegen geht mir die MM immer auf den Kopf, die für sich ein sonnensystemgroßes Bewußtsein reklamieren, bei denen aber die Klassenfrage nur am Rande vorkommt. Vielleicht genau aus dem Grund, den Baron anklagt: der Vorwurf, als bildungsbürgerliche Elite neue Ausschlüsse zu produzieren, besonders qua Sprache, kommt halt der Wahrheit zu nahe und provoziert wütende Abwehr. Auch Momo will sich ja seine Schreib- und Ausrucksweise nicht nehmen lassen, sondern er schreibe einfach so, fertig. Mit critical Bildung ist da nichts.

Umso blöder ist es dannn, wenn Vertreter der Klassenfrage genau dieselbe Brille aufhaben! Zu behaupten, daß Klassismus Menschen jeden Geschlechts gleichermaßen betreffen kann, wenn Frauen weltweit zehn Prozent des weltweiten Einkommens erhalten und nur ein Prozent des Eigentums besitzen (http://www.welt.de/wirtschaft/article8185028/Frauen-erledigen-zwei-Drittel-der-Arbeit-weltweit.html), ist einfach ein Rückschritt und Schlag ins Gesicht von Feministinnen.

ät Sozi: Ich lese die immer nur, ohne Geld dafür zu zahlen. Ich nehme einige gute Artikel und Polemiken mit und kann den Antideutschen-Scheiß mittlerweile überlesen, es lohnt die Aufregung nicht.

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Gremliza bedient einen Markt
Den der Antideutschen und den der AntiimperialistInnen, immer 50:50. Die sozialrevolutionären Positionen von Roth, eingeschränkt Hartmann und insgesamt des Spektrums Materialien für einen Neuen Antiipmerialismus/Wildcat sind zur Zeit so ziemlich das Beste, was wir haben. Ansonsten, Qwertzu, bin ich ganz bei Dir.

Was Momo angeht: Der hängt drin in einer Binnenperspektive als marginalisierter Schwuler, aus der er Alles sieht. Da wird dann aus der Tatsache, dass der sozialrevolutionäre und extrem linke Autor Detlev Hartmann schrieb, heutige Management-Eliten würden sich nicht mehr konservativ-bieder zeigen, sondern hätten einen Lebensentwurf, bei dem periodisches Sich-Selbst-neu-erfinden im Sinne von trendy und gadgetorientiert sein im Vordergrund stehe (exemplifiziert z. B. an Google und Apple) ein homophober Angriff, da negative Bezugnahme auf Sich-Selbst-neu-erfinden ein "Tritt in die Fresse jeder Transe" sei. Dass der Begriff in Management- und McKinsey-Kreisen völlig anders benutzt wird, empirisch nachweisbar erscheint bei ihm als heteronormative Umdeutung schwuler Perspektiven.

Als ich auf einer Bergtour eine Großfamilie Murmeltiere, was für einen Tierfotografen seltenes Glück ist, beim kollektiven Geschlechtsverkehr fotografierte und das mit süffisantem Kommentar zum falschen Natur-Unschuldsbegriff der Romantik ins Blog stellte schrub er dazu, in der Theorie sei ich ja queer, in der Praxis nicht, und meine Verunsicherung durch Schwulität müsste ich durch Viechervergleiche kompensieren. Wann immer ich selber oder Leute auf meinem Blog darauf hinwiesen, dass er da Dinge zusammenassozierte, die nichts miteinander zu tun haben nahm er das als heteronormative Umerziehungsversuche wahr. Bis hin zum Einordnen der verschiedenen Kritiken am Verhalten von RS auf dem Nobordercamp in die Auseinandersetzungen auf unseren Blogs und rund um MM, aus denen er dann ableitete, es gäbe eine antifeministische und gegen PoC-Perspektiven gerichtete Kampagne von Altlinken, die sich gegen MM und vor allem Noah Sow zusammenrotte. Wie schon gesagt: Komplexitätsreduktion mit der Stichsäge.

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Definitionsfragen sind wichtig
Ehrencodex wie auch Wohlanständigkeit gehören in den Bereich "Gesellschaftliche Norm". Patriarchat wirkt sich auf gesellschaftliche Normen aus. Romane wie "Effi Briest" sind Fiktion, aber geben gesellschaftliche Normen adäquat wieder. Höre ich "Patriarchat", dann fällt mir dazu der olle Graf von Instetten ein, der seiner Ehre zuliebe die Ehefrau verstößt, deren Heirat auch nicht ganz freiwillig zustande gekommen ist, und nicht aufsässige oder kriminelle arabisch-migrantische Proleten.

Maskulinismus wäre es, wenn ich von einer Weiberherrschaft fabulieren würde, und das Wirken gesellschaftlicher Normen bestreiten würde.

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@qwertzu

Ja, der Klassismus, das ist ja auch gerade so ein Thema in "der Blase".
Da versuche ich auch eine mittlere Position einzunehmen, zwischen Kommunisten, die die Klassenfrage als das Nonplusultra wahrnehmen, Deklassierten aber eigentlich "nur" die "Revolution" als Ausweg anbieten und solchen die mit ihrem Theorieskeptizismus gefährlich nahe an die "Critical Intelligenence" herankommen, die Dean scherzhaft einmal skizziert hat.
Hier das wäre so was halbwegs mittiges (edit: naja eigentlich nicht mittig, aber es zeigt den Frontverlauf auf):
http://sanczny.wordpress.com/2013/04/16/nett-ist-nicht-genug/

(hab ich vermutlich nicht von ungefähr gefunden, weils bei schizoanalyse "geliked" wurde)

Ob eine Sprachkritik eines Andreas Kemper da weiterhilft, weiss ich nicht so recht. By the way: Seine Überlegungen zu Sozialphilosophie fand ich jedoch sehr interessant und nah an meinen eigenen.

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Auf der Titanic-Seite wurde irgendwann mal als Vorschlag für eine neue Zeitschrift konkret - money formuliert. Hat mich seehr amüsiert! :-D

Aber wenns grad mal nicht um irgendwelche Religionen geht, können auch ADe interessantes zustande bringen. Hab letztens sogar bei ca ira einen spannenden Text gefunden.

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Ich stoße mich an dem Modewort Klassismus. Wir haben doch einen so schönen Begriff wie Klassenwiderspruch.

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Der ja bekanntlich der "Hauptwiderspruch" ist. ;-)
Ich weiss, dass du das nicht teilst, aber das steckt so ein bischen da mit drin schätze ich. "Klassismus" hebt eben eher auf die Diskriminierungsdimension ab.

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Nicht alles ist ein -ismus
@ Futuretwin
+1

Wobei ich es bezeichnend finde, dass in bestimmten Kreisen fast nur auf diese Diskriminierungsdimension abgestellt wird. Hat neben dem Import von US-geprägten Diskurskonstellationen wohl auch damit zu tun, dass die mancherorts besonders beliebte Sprachkritik sich eher mit der Diskriminierungsdimension verkoppeln lässt.

(Sprachkritik statt Klassenkampf...)

"Klassismus" ist imho nur ein kleinerer Ausschnitt des Klassengeschehens - und als vorranger Fokus für den politischen Kampf stellt es sogar eine Fehlfokussierung dar.

Kurzum: Eine Klassengesellschaft ist auch ohne allzu deutlich fühlbaren Klassismus eine hässliche Fehlkonstruktion.

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Aus der Diskriminierungsdimension lässt sich aber keine emanzipative Strategie entwickeln. Die entsprechenden Diskursmuster laufen ja zumeist auf eine Linderung von Leid und das Einwerben von Akzeptanz und Verständnis, auf Empathie und Gleichgberechtigung hinaus, nicht aber auf Überwindung der zugrundeliegenden Struktur und sind in der Tendenz eher liberal als radikal. Ich habe ja verschiedentlich erlebt, dass aus diesen Polydiskriminierungsansätzen echte Opferkonkurrenzen abgeleitet wurden. Ironisch meinte mal die Sprecherin meines früher wichtigsten politischen Zusammenhangs (die intern wiederum ironisch "Die Kleine Vorsitzende" genannt wurde), das wahre revolutionäre Subjekt sei die behinderte schwarze Jüdin. Sie selbst wiederum hielt überhaupt nichts von Haupt-und Nebenwidersprüchen, sondern ging davon aus, dass es nur einen einzigen Grundwiderspruch gäbe, der mit dem Privateigentum zusammenhinge. Das erste Privateigentum das es gegeben habe sei die Verfügungsgewalt von Männern über Land, Vieh und Frauen gewesen, insofern seien Patriarchat und Klassenherrschaft nur zwei verschiedene Ausformungen desselben Machtverhältnisses. Klassenkampf und Kampf gegen Sexismus gehörten in dieser Dimension zwangsläufig zusammen. Diese Ansicht äußerte sie zu einem Zeitpunkt, als ein Teil der Feministinnen in der linken Szene in der ich mich da bewegte klassenkämpferische Positionen definitiv ablehnte und schon die Beschäftigung mit Marx als "Mackertum" bezeichnete. Dies war allerdings eine Auseinandersetzung zwischen ökopazifistischen Feministinnen eher linksgrüner Ausrichtung auf der einen und sowohl sozialrevolutionär-linksradikalen gemischten Zusammenhängen als auch Radikalfeministinnen auf der anderen Seite.

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Ich bin da weitestgehend bei euch. Als Einwand nur: Che, würdest du das was du zur Diskriminieerungsdimension schreibst, auch zu deiner Antira-Arbeit sagen?

Viel interessanter finde ich da den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Patriarchat. Wenn der Ausgangspunkt "das Privateigentum" ist, wie sieht dann die sozialistische Perspektive aus? Kein Privateigentum mehr? Halte ich für unrealistisch.

Meiner Meinung nach muss der Zusammenhang eher auf der philosophischen Ebene gesucht werden.
Hierzu HAT Andreas Kemper interessantes geschrieben und zwar hier:
http://andreaskemper.wordpress.com/sozialphilosophie/

Es geht um den Rechts- versus Linksaristotelismus bei Ernst Bloch.

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Solidarität nur in der Theorie
An die Entgegensetzung von "liberal" und "radikal" glaube ich seit 2005 nicht mehr. Bei MR hat das ja zu einer eigenen Rubrik geführt: "Extremismus der Mitte".

Wollte man an diesem Dreiwort kritteln, ließe sich ggf. einwenden, dass es sich hier genau genommen nur um den rechtslibertären Radikalismus von Wohlstandsbürgern handelt - und eben nicht um Mitte.

"Radikal" kann fast jede Haltung werden, und die radikalen Queerfeministen von MM & Co sind dies zweifellos - und "liberal" würde ich sie nun nicht gerade nennen, auch dann nicht, wenn sie nun wirklich keinen Deut sozialrevolutionär orientiert sind. Eher im Gegenteil, höchst suspekt erscheinen ihnen z.B. Attac oder bankenkritische Demonstrationen. Im Grunde genommen ist ihnen alles außerhalb ihrer Blase suspekt.

Wer J. Butler nicht bewundert und CWS nicht ins Zentrum des eigenen Weltbild gerückt hat, der gilt dort - nun:

tendenziell als Feind.

Exkurs
...dann sind die teilnehmenden Frauen nicht obdachlos genug, und die teilnehmenden Obdachlosen nicht feministisch genug, die tätige Solidarität mit Geflüchteten nicht linientreu genug. Tja, und die eigene politische, angeblich superbewusste und alle möglichen Diskriminierungen beachtende politische Haltung dient letzten Endes, so scheint es, und zwar nicht zu knapp, dem offenkundig mit viel Lesemühen und auch sonst schwer erarbeiteten Distinktionsgewinn.

Entsolidarisierung mit Heiligenschein.

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Ich sehe zwischen dem, was neuerdings Klassismus genannt wird auf der einen Seite und Rassismus und Sexismus auf der anderen Seite einen entscheidenden Unterschied.
Der Kapitalismus kann durchaus ohne Rassismus und Sexismus existieren. Klassismus gehört zwingend zum System, ohne Ausbeutung funktioniert das ganze Ding nicht. Du kannst die Ausbeutung in andere Länder verlagern und hier so tun, als hätten wir einen netten Sozialstaat und jeder hätte seine Chance. Aber das Problem bleibt.
So falsch ist die Nummer mit dem Hauptwiderspruch nicht. Wäre schön, wenn es anders wäre.

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Feminismus in sozialrevolutionärer Perspektive
Das Thema hatte ich ja schon ein paar Mal am Wickel, zumindest für futuretwin und qwertzu dürfte es aber neu sein.


@che: Diese Ansicht äußerte sie zu einem Zeitpunkt, als ein Teil der Feministinnen in der linken Szene in der ich mich da bewegte klassenkämpferische Positionen definitiv ablehnte und schon die Beschäftigung mit Marx als "Mackertum" bezeichnete. Dies war allerdings eine Auseinandersetzung zwischen ökopazifistischen Feministinnen eher linksgrüner Ausrichtung auf der einen und sowohl sozialrevolutionär-linksradikalen gemischten Zusammenhängen als auch Radikalfeministinnen auf der anderen Seite.




Als eine der beteiligten Radikalfeministinnen möchte ich hierzu noch ein paar Sachen ausführen. Das war gerade die zeit, in der Butler in der deutschen Frauen-Lesbenszene erstmals rezipiert wurde (frühe Neunziger), und große Teile dieser Bewegung waren damals theoretisch gesehen ganz katastrophal unterwegs. Außer den Frauen, die Che da beschreibt und die wir "die bürgerliche Frauenbewegung" nannten, das waren vor allem auch solche, die sich in Frauenzentren vor allem deshalb engagierten, weil sie gemerkt hatten, dass sich auf dem Frauenticket Karriere machen lässt gab es eine "altlinke" Fraktion, die noch einen Feminismus vertrat, der an Emma Goldman, Rosa Luxemburg und Engels Ursprung der Familie orientiert war, und gerade in der autonomen Szene sehr viele "Bauchfeministinnen", die es mit Hexenkult und Schwester Mond hatten und so mythologischen Vorstellungen vom Steinzeitmatriarchat und dicken glücklichen Fauen (Venus von Willendorf). Die Bürgerliche Frauenbewegung und die Bauchfeministinnen einte die Tatsache, dass sie wirkliche Ahnung von feministischer Theorie nicht hatten, auch Gender war für die zunächst ein neues Adabei-Modewort, und impilizit vertraten die erschreckend häufig biologistische Vorstellungen: Frauen sozial kompetentere Menschen aufgrund des auf Kinderkriegen und Aufziehens eingestellten Hormonspiegels, Männer tumbe Macker aufgrund ihrer Kriegergene, so Zeugs war durchaus anschlussfähig. Mit der Butler-Debatte kamen auch Foucault und der ganze Dekonstruktivismus, und da waren die Biologistinnen bald weg vom Fenster mit Blick auf den See. Die Dekonstruktivismusdebatte verband auch Feminismus und Antirassismus miteinander, und das war zu der Zeit, als die Flüchtlingswohnheime brannten. Die traditionsmarxistischen älteren Schwestern dockten da auch Kapitalismuskritik an, und in den mir bekannten FrauenLesbenzusammenhängen wurde die Drei-zu-ins-Perspektive mehrheitsfähig. Für mich war das ein Recycling und Revival feministischer Theorie und Praxis, das damals stattfand.


Spannenderweise hieß eines derdamals meistdiskutierte Bücher in der Szene "Frau sein allein ist kein Programm", in dem Ingrid Strobl sich gegen die Bauchfeministinnen wandte.

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Au ja, das waren wilde Zeiten. Auf der einen Seite "Frauen schlagt zurück"-Aktionen, wo Ihr es schaftet, einen wirklich finsteren Park nachts vergewaltigerfrei zu kriegen, ständig besetzter Frauennotruf, Frauentaxis, Frauenbibliothek, Frauencafés, Ladies Night im Café Kabale (das war etwas Anderes als was mann heute darunter verstehen würde;-)). Und auf der anderen Seite solche Kinderkacke wie Hausverbote für Sexisten die keine waren, in einem besetzten Haus gab es einen Frauen- und einen Männerflügel, und im Frauenflügel wurden auch männliche Hunde nicht geduldet. Auf Demos wurde "BürgerInnenstraße" statt Bürgerstraße gesagt, die ist aber nach Gottfried August Bürger benannt, das ist wie "TheaterInnenplatz". Ganz groß auch die Debatte um eine Vergewaltigung, bei der es keinen Geschlechtsverkehr gegeben hatte.

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"Frauenflügel wurden auch männliche Hunde nicht geduldet."
Das war ein echter Lacher! Grande!
Aber ich weiß nicht, ob das nicht nur ein Gerücht war, welches sich mittlerweile zu einer echten Legende entwickelt hat …
Netbitch, weißte mehr?

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Der neue Dogmatismus: ein Fortschritt?
@ netbitch
Was heißt hier "theoretisch ganz katastrophal" denn schon genau?

Solche Phänomene wie dieser Hexen-/Eso-/Mütterlichkeitsbiologismus-Kram hätte es vermutlich auch gegeben, wenn Frauen der 80er Jahre ff statt Simone de Beauvoir J.Butler gelesen hätten.

Es liefen halt andere Themen, Debatten und Diskussionen. Zu erwähnen ist in der damaligen Gemengenlage vielleicht auch ein Flügel der Frauenbewegung, vor allem in den Mittelschichten, die sich vor allem darauf konzentriert haben, inwieweit sie von Männern bzw. dem "patriarchalen System" in ihren Karriereaussichten gebremst werden. So eine Art, mir fehlen da die präzisen Worte, "Karriere-Feminismus" - der es letztlich, in etwas gewandelter Gestalt, bis in die heutige CDU hinein geschafft hat.

Ist es heute denn "theoretisch" wirklich so dermaßen viel besser geworden?

Anfang der 90er Jahre empfand ich die Rezeption von J.Butler (und übrigens vielen anderen Autorinnen - die heute vergessen sind) als hilfreich und geradezu befreiend, weil damit viele eingefahrene, aber mitunter allzu enge Perspektiven gesprengt wurden. Die Diskussion wurde wieder offener.

Mein Eindruck: Inzwischen hat sich das weitgehend erledigt, und ein neuer Dogmatismus weht durch das feministische Lager.

Eine neue Re-Fokussierung auf Freiheit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung von Frauen, ein neues Erkennen, dass das eigene Leben und das Tun darin "das wichtigste Werk" darstellt, und eben nicht die theoretische/dogmatische Durchdringung aller Genderfragen:

Das könnte für bestimmte Teile der aktuellen feministischen bzw. Frauenbewegung ganz hilfreich sein, imho. Hilfreicher jedenfalls als das "Kackscheiße-finden" von Frauenbands, sobald es dort eine einzelne Trägerin von Dreadlocks gibt...

Denn zahlreiche echte Probleme sind nach wie vor ungelöst, und warten noch auf Antworten. Und ob diese mit eifrigem Herumgebutler, ständigen Ausgekotze über das Treiben "weißer männlicher Heten" oder Maximaldosen von CWS bzw. dem Auswendiglernen und Verkünden von radikalfeministischen "101"-Dogmata gelöst werden können, das wage ich ein gutes Stück weit zu bezweifeln.

Übrigens auch, weil vom aktuellen Feminismus eher vernachlässigten Fragen des sozioökonomischen Systems sehr eng mit diesen Problemstellungen verwoben sind. Beispiel: Probleme weltwirtschaftlicher Art, welche die Lage von Frauen in anderen Ländern massiv beeinflussen. Sorry, so sehe ich das halt. Last, but not least: Ob allen Frauen dieser radikale, sprachkritische, theorielastige, "Heteronormativität angreifende", queer-orientierte Feminismus a ´la MM wirklich gerecht wird:

Auch daran lässt sich zweifeln. Und zwar nicht zu knapp...

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@Tuc: Die Szene mit dem Hund hat ein ehemaliger WG-Mitbewohner von mir bei einer Hausbesetzung selbst erlebt. Einen Höhepunkt an Absurdität erlebte ich zu der Zeit, als die Diskussionen um szeneinternen Sexismus gerade eskalierten und kulminierten. Da saßen wir in einem versüfften und übelriechenden Raum, Du kennst das noch aus einem gewissen Zentrum zusammen, und Eine meinte: "Es stinkt!", worauf eine Andere sagte: "Das liegt daran, dass hier zu viele Männer sind." und darauf zog ein Mann sein T-Shirt aus, wischte sich damit den Schweiß aus dem Gesicht und rief: "Jaaa, Achselschweiß, Motoröl und Pulverdampf!"

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Passend zum Thema Klassismus schreibt der von mir hoch geschätzte Walter Benn Michaels:

“What left neoliberals want is to offer some ‘positive affirmation for the working classes’. They want us to go beyond race to class, but to do so by treating class as if it were race and to start treating the white working class with the same respect we would, say, the Somalis – giving ‘positive value and meaning to both “workingclassness” and ethnic diversity’. Where right neoliberals want us to condemn the culture of the poor, left neoliberals want us to appreciate it.

The great virtue of this debate is that on both sides inequality gets turned into a stigma. That is, once you start redefining the problem of class difference as the problem of class prejudice – once you complete the transformation of race, gender and class into racism, sexism and classism – you no longer have to worry about the redistribution of wealth. You can just fight over whether poor people should be treated with contempt or respect. And while, in human terms, respect seems the right way to go, politically it’s just as empty as contempt.”

http://www.lrb.co.uk/v31/n16/walter-benn-michaels/what-matters

Die Klassismus-Diskussionen lenkt demnach den Blick weg von den realen ökonomischen Verhältnissen auf Diskriminierung, d.h. die Zugehörigkeit zur Unterschicht soll so betrachtet werden wie Hautfarbe oder sexuelle Orientierung, als etwas den Individuen unabhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen innewohnendes, dass keinen Anlass zur Diskriminierung bieten darf. Man soll gefälligst die Armen mit Respekt behandeln (ihnen endlich mal „zuhören“).

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Das nimmt im Grunde schon meine Antwort auf Dean vorweg: Genau dies ist die Unterscheidung zwischen radikal und liberal, um die es mir ging, nämlich liberal und radical left im angloamerikanischen Sinne.
Und in diesem Sinne ist Klassismus ein modisches linksliberales Schlagwort.

Den Ausdruck Extremismus der Mitte hat Momorulez übrigens von dem US-Historiker Seymour Martin Lipset geklaut, und der meint damit den Faschismus und Nationalsozialismus. Daran knüpfen sich grundsätzliche Debatten darüber, ob der NS/Faschismus ein Mittelschichtsphänomen oder klassenübergreifend sei und an die erste Hälfte des 20. Jahrhunerts gebunden oder sich wiederholen könne. Das statistische Material mit dem Lipset arbeitete gilt heute als fragwürdig.

http://www.jstor.org/discover/10.2307/3234718?uid=3737864&uid=2129&uid=2&uid=70&uid=4&sid=21101992047143

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http://www.grundrisse.net/grundrisse45/system_der_angst.htm

Kennt ihr das schon? Ist so ein Rundumschlag, der fast alle *ismen von der kapitallogik her begründet.

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Das ist im Grunde 167 Jahre alt und sehr aktuell
Im Original steht das hier:


http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1848/manifest/1-bourprol.htm

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Also, Biopolitik war damals noch kein Thema. ;-)

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Nein, aber der Bewegungsprozess des Kapitals. Wobei, Foucault zufolge Biopolitik in anderer Form als heute.

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Das gold'ne Wiener Grundrissherz
In den "Grundrissen" – nämlich den originären, und nicht den großmäulig angemaßten – erklärt Marx die Art und Weise, in der das "automatische Subjekt" die Populationsentwicklung steuert.
Dem Begriff wie der Wirklichkeit nach agiert das Kapital je schon biopolitisch, und zwar unabhängig davon, ob der Staat empirisch-gesetzgeberische Biopolitik betreibt oder nicht.

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Bio-Macht
Foucault wiederum beschäftigt sich mit Bio-Macht als Voraussetzung des Kapitalismus. Bio-Macht ist demzufolge jeder herrschaftliche Zugriff auf die Körper der Beherrschten, also zum Beispiel auch die Verteilung von Land als Lebenschancenzuweisung bei den Sumerern. An Bedeutung nahm die Biopolitik dann in der frühen Neuzeit zu. Zum Beispiel war Drill auf dem Kasernenhof eine wichtige Voraussetzung, um entfremdete Arbeit in der Manufaktur oder Fabrik überhaupt durchstehen zu können, Heiratsverbote und -Erlaubnisse steuerten die Verfügbarkeit dienstbaren Menschenmaterials (nicht umsonst heißt ein ausgebildeter Soldat "Gefreiter"), die Einführung von Kaffee und das Alkoholverbot auf der Arbeit auf den königlichen Domänen Friedrichs II waren biopolitische Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität usw.

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Heute gibt es veränderte Bedingungen.
Ich zitier mal Tamas:
"Arbeit – als das hauptsächliche Sozialisationsmodell im Kapitalismus – hört zu bestehen auf. Die Institutionen im Kapitalismus wurden eingerichtet, um die Mobilisierung des durchschnittlich begabten Menschen zur Teilnahme an entfremdeter Arbeit sicherzustellen, also an Tätigkeiten, die von den individuellen Absichten getrennt, aber das einzige Mittel zum Überleben für die Habenichtse sind. Mobilisierung und Zwang haben diesen Zweck unter legal und juristisch gleichen Bürgern bedient, wobei sie Nischen von Subsistenz, Handwerk, unabhängigen Höfen und so weiter zerstörten. In der klassischen bürgerlichen Gesellschaft haben die Leute ihr Leben in Institutionen verbracht: Schule, Armee, Kirche, Verein, Gewerkschaft, Massenpartei, Sportklubs, organisierte Freizeitaktivitäten, kommerzielle Popkultur, Boulevardpresse und Radio, Fangruppen, Nationen, Familien und so weiter. Kollektive Mitgliedschaft in staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen war vorrangig. Dieser institutionelle Charakter des fordistischen Kapitalismus wurde weggefegt, in Stücke geschlagen durch die schwindende Nachfrage nach Beschäftigten."

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Ich halte es da mit Karl-Heinz Roth und seiner permanenten Neuzusammensetzung der Klasse. Nicht die Arbeit selbst schwindet, sie verändert sich nur. In der mittelständischen Industrie und dem Handwerk werden händeringemd Arbeitskräfte gesucht und im Ausland angeworben. Es gibt zurzeit einen regelrechten Exodus von spanischen und portugiesischen Arbeitslosen nach Germoney. Die beiden Demoschilder oben auf der Maikundgebung sagen da schon etwas aus: Bleiberecht und Leiharbeit.

Postfordismus bedeutet Entgarantierung und Prekarisierung, auch Verlagerung von Arbeitsplätzen im Weltmaßstab, aber nicht die Abschaffung von Arbeit. Hierzulande werden keine Magnetspulen mehr gewickelt, dafür befinden sich die für strategische Planung zuständigen Abteilungen selbst indischer Unternehmen zum Teil in Deutschland. Es hat niemals so viele Menschen im Dienstleistungsbereich gegeben wie heute, und immer mehr Menschen werden nicht im Angestelltenverhältnis beschäftigt, sondern als Freie HandelsvertreterInnen nach HGB 84, mitnter sogar aus dem Angestelltenverhältnis entlassen und als Selbstständige wieder eingestellt. Neben der Erosion institutioneller Bindungen an Vereine, Gewerkschaften, Kirchen usw. entstehen neue Formen der Assoziierung, z.B. Webcommunities, es werden schon Stellen über Xing ausgeschrieben. Aufgabe der Linken wäre es, innerhalb der sich neu zusammensetzenden Unterklasse proletarische Zirkel zu formen, die die Interesses der Prekarisierten und Marginalisierten in erster Person organisieren. Wie das gehen kann wird in Ägypten, Israel, Spanien, Portugal gerade vorgemacht, und wie faschistisch ein Staat darauf reagieren kann in Griechenland.

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jetzt kann ich endlich
dieses diffuse Unbehagen am Klassismus-Begriff benennen. Habt Ihr gut erklärt mit dem verkürzten Fokus auf die Diskriminierungsebene!

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Na, ein Erkenntnisgewinn!
Das ist ja schön, dass Sinnvolles vermittelt wird. Der Hauptgrund, weswegen ich auf diesen Diskussionen bei MM und MR so rumreite ist ja nicht, wie Manche da sich das vorstellen eigene Gekränktheit oder mich in Frage gestellt fühlen, sondern die Tatsache, dass diese politische Dimension gar nicht geschnallt wird - neben dem Umstand, dass die Flüchtlings- und MigrantInnenzusammenhänge die ich aus persönlichem Erleben kenne, ich hatte das auf dem Blog von Distelfliege kürzlich erläutert
http://distels.wordpress.com/2013/05/02/schnaps-zur-hand/
mit der dort vertretenen Hochmoral und Formulierungsfixiertheit gar nichts anfangen können, sondern mit der eigenen Diskriminierung eher mit einem very black humor reagieren, der sich so zwischen jüdischem Witz, Borat und Titanic bewegt. Wie gesagt: Ganz subjektive eigene Erfahrung, ich weiß überhaupt nicht, ob sich das verallgemeinern lässt. Aber da sind bei mir Bilder im Kopf wie KurdInnen, die bei einer gegen sie gerichteten Polizeiaktion um einen Streifenwagen tanzen, in die Hände klatschen und "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!" rufen oder ein Kurde, der weggeworfenen Döner auf einen Teller schabt und auf meine Frage, was er damit machen wolle erwidert: "Ich bekomme Besuch von einem Kurden. Man sagt, Kurden ließen alles mit sich machen. Das will ich jetzt testen. Außerdem sagt man, wir Kurden seien die Juden von heute. Und da muss man ja Menschenversuche machen." Tatsächlich war der Döner für seinen Hund. Oder jemand, der, wie ich erst später erfuhr, wegen der Schmerzen aufgrund eines nicht ohne Gelenkzerstörung operablen Minensplitters in seinem Knie ständig umherläuft, weil sein Gelenk nur in warmem, d. h. bewegten Zustand schmerzfrei ist auf meine Frage "Azad, warum läufst Du ständig umher?" erwiderte "So ist der Flüchtling, immer am Flüchten!"

Dieser sehr spezielle Humor war für mich absolut prägend, und nach existenziell heftigen Erfahrungen mit diesen Leuten, die übrigens jede Nacht von bombenwerfenden und MK-feuernden Hubschraubern träumen und mir Stories erzählen über die Frage "Coca oder Pepsi?", was die Frage meint, welche Flasche ihnen in den Arsch gerammt werden soll beim Verhör in dem Raum über dessen Eingang steht "Hier ist Gott (Allah) nicht" bevor sie auf die Herdplatte gesetzt werden, nach diesen Erfahrungen konnte ich über diesen Humor tatsächlich lachen.

Wobei das Leute sind, die auf Saddams Hubschrauber RPG 7 http://de.wikipedia.org/wiki/RPG-7 abgefeuert haben und Panzerforts gesprengt haben. Und da finde ich dann Triggerwarnungen über bestimmte Formulierungen einfach blöd. Mir wurde mal unterstellt, ich würde paternalistisch gequälte und marginalisierte Flüchtlinge fördern und unterstützen, könnte aber keine PoC auf Augenhöhe aushalten. Tatsächlich war mein Verhältnis zu den Gequälten eher Bewunderung und Vorbildfunktion (große Vorbilder in meiner Jugend: Said Soltanpur, Samad Berangi und Marzia Ahmadi Ozkoii ), und gerade meine kurdischen und nigerianschen GenossInnen trieben mir das aus. Die Augenhöhe erreichten wir, als die mir klarmachten, dass FreundInnen im Herzen der imperialistischen Bestie das Beste sein, das sie haben könnten und dass ich bitteschön mir kein schlechtes Gewissen machen sollte, weil ich ihr Leid nicht erlebt habe. Einige von denen betrachten sich heute als deutsche Antifas, die im Irak geboren wurden und können mit den Auseinandersetzungen im Irak nichts mehr anfangen.

Und eine schwarze Genossin, die früher mal in einer Peep-Show gearbeitet hatte, dann studierte und heute Journalistin ist begrüßt mich am Telefon krähend immer mit: "Die Negerin will nur das Eine!"

Das ist so die die Hardcore-antirassistische, derb-ironische, antimoralinsaure Welt, in der ich mich bewege.

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Distelfliege gehört ja zu den entspannteren und aufgeschlosseneren Leuten dort. Trotzdem sehr spannend zu sehen, wie sie von dieser etwas speziellen Ideologie - im Verbund mit einer eher selbstbezüglichen Blase - geradezu zugerichtet wird. Inkl. dem Sich-Lächerlichmachen über Leute, die mit dem eigenen begrifflichen Apparat nun einmal nichts anfangen können.

Dabei geht es ihr nur um eine bessere, lebenswertere Welt.

@ Qwertzu

Normalerweise geht es ja mir so, wenn ich deine Kommentare lese. Dieser "Aha-Effekt" halt. Jedenfalls lese ich dich total gern.

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:))

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Aktualisierung
Zu erwähnen wäre noch, dass die jüdische PoC-Frau aus Frisco glühende Ayn-Rand-Anhängerin ist, ALLE männlichen Araber für rassistische Sexisten hält und im Augenblick um die Welt jettet, um einen russischen Oligarchen abzukriegen.

Lebensziel: Milliardärs-Konkubine.

Na, wie sieht die Diskussion jetzt aus?

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