Donnerstag, 17. April 2014
Schwarzer Musiker abgeschoben
Eine Abschiebung
reißt eine Lücke in ein vorbildliches Integrationsprojekt.
Sie sind schwarz und
weiß, jung und alt, haben ausländische
Wurzeln oder nicht – in der
Musikgruppe „Trokiwa“
trommelt man gemeinsam,
egal welcher Herkunft. Die
Bewerbung beim diesjährigen
Niedersächsischen Integrationspreis
des Landes lag
nahe. Denn wenn das keine
Integration ist, was dann?
Die 18 Musiker und Tänzer,
die aus Niedersachsen stammen,
treffen sich regelmäßig
in der Kirchengemeinde Gilten
(Heidekreis) zum Üben.
Integrationsbeauftragte Doris
Schröder-Köpf (SPD) hat
alle Bewerber zur Preisverleihung
am 23. Juni in Hannover
eingeladen.
Bei „Trokiwa“ allerdings
wird ein Platz leer bleiben.
Denn der 25-jährige Arnaud Touvoli aus
Berne im Kreis Wesermarsch ist – nur einen
Tag nach einem Auftritt „Trokiwas“
bei einem Willkommensfest für Flüchtlinge
in Hannover-Linden – nach Venedig
abgeschoben worden. Für den Kreis
ist dies „ein ganz normaler Dublin-Fall,
der ordnungsgemäß durchgeführt worden
ist“. Im vergangen Frühjahr war der
Musiker und Komponist, der ursprünglich
von der Elfenbeinküste stammt, über
Italien nach Deutschland gekommen. Er
beantragte im Juni Asyl, im November
2013 lehnte dies das Bundesamt für Migration
ab. Deutschland sei nicht zuständig,
da Touvoli über Italien eingereist sei.
Er müsse dorthin wieder zurückkehren.
Seinen Eilantrag
gegen die Abschiebung wies
das Verwaltungsgericht Oldenburg
Ende Januar 2014 ab.
Dündar Kelloglu vom
Flüchtlingsrat warnt vor Abschiebungen
nach Italien. Viele
Flüchtlinge würden dort obdachlos,
staatliche Unterstützungen
gebe es auch nicht. Es
sei ein Skandal, dass der Bund
Rückführungen nach Italien
nicht generell verbiete. So sei
es den Verwaltungsgerichten
ins Benehmen gestellt, wie sie
verfahren. Manche urteilten
rigider, andere – wie die Gerichte
in Braunschweig und
Hannover – zögerten eher,
Asylbewerber dorthin abzuschieben.
Dieser Einschätzung widerspricht das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Trotz vorhandener Mängel und einzelner
Missstände verfüge Italien über
ein funktionierendes Asylverfahren, sagte
Sprecherin Corinna Rappe. Das niedersächsische
Innenministerium weist
die Verantwortung von sich: Bei Überstellungssverfahren
nach dem Dublin-
Abkommen hätten Länder keine Entscheidungszuständigkeit,
sie leisteten
nur Vollzugshilfe. „Wir hätten so gern
unseren Profimusiker Arnaud Touvoli
zurück“, sagte der Giltener Pastor Hans-
Gerd Paulus. Durch die wöchentlichen
Proben sei eine enge Freundschaft zu
dem 25-Jährigen entstanden. Arnaud
habe 2002 an der Elfenbeinküste seine
Familie im Krieg verloren, 2011 sei er
nach Togo geflohen, dort sei sein Adoptivvater
gestorben.
Touvoli sei ohne Familie und ohne Geld
über Italien nach Deutschland gekommen,
sagte Pastor Paulus. In der Musikergruppe
„Trokiwa“ habe er eine neue
Heimat gefunden. Durch die Abschiebung
nach Venedig, wo er prompt obdachlos
geworden sei, habe er seine Familie
quasi ein drittes Mal verloren.
n Kritik an Abschiebungen: Innenminister
Boris Pistorius (SPD) muss wiederholt
Kritik einstecken. Im Kreis
Wittmund wehrte sich der Landrat mit
Rückendeckung des Innenministeriums
gegen ein Verwaltungsgerichtsurteil,
das einer 29-jährigen Roma-Frau
nach 23 Jahren Duldung eine dauerhafte
Bleibe zugesprochen hatte. Aufregung
verursacht auch ein Polizeieinsatz
in Göttingen. Dort hatten 50 Demonstranten
die Abschiebung eines Somaliers
nach Italien verhindern wollen.
Beamte sollen Schlagstöcke eingesetzt
habe

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