Donnerstag, 26. Februar 2015
Kinder geben Anstoß für erfolgreiche Blockade einer Abschiebung
Nachdem ein Kind ihren Eltern, die in der Initiative Roma Thüringen
aktiv sind, von der Abschiebung einer Schulfreundin erzählt hat,
organisierten sich spontan Menschen, um Widerstand zu leisten. Ca. 150
Menschen fanden sich daraufhin am Montag, den 23.02.2015, gegen 21.00
Uhr vor dem Lager in der Stauffenbergallee 25 ein, um die Abschiebung
der Familie K. zu verhindern.

Die Abschiebung wurde abgebrochen, nachdem der Einsatzleiter der
Polizei, Thomas Ziegler gegen 22:30 Uhr erklärte, seine Beamten würden
heute keine Abschiebung durchsetzen. Die Aktion war ein deutliches
Signal, dass Menschen in Erfurt zusammenhalten und zusammen leben
wollen. Von den Balkonen aus konnten Geflüchtete seit langer Zeit eine
Menschenansammlung beobachten, die nicht sich nicht in feindlicher
Absicht zusammengefunden hatte. Dafür gab es Tee, Applaus und lächelnde
Gesichter für die Menge vor dem Haus. Viele Geflüchtete solidarisierten
sich und nahmen an der Blockade teil. Schon letze Woche Dienstag, den
10.02.2015, fand eine Kundgebung der Kampagne „Memedovich bleiben – Alle
Bleiben!“ vor der Ausländerbehörde in Erfurt statt, die sich klar für
ein Bleiberecht aller ausgesprochen hatte.

Familie K. war 2014 aus Kambodscha bis nach Deutschland geflohen. Die
dreiköpfige Familie sollte nach Tschechien abgeschoben werden, wo sie
zum ersten Mal das Gebiet der Europäischen Union betreten hatte. Grund
dafür ist die Dublin-III Verordnung, die vorsieht, dass Geflüchtete dort
ein Asylverfahren zu durchlaufen haben, wo sie zum ersten Mal
EU-Territorium betreten haben. Unmittelbar vor der angekündigten
Abschiebung nach Tschechien äußerte die Mutter der Kinder ihrem
Freundeskreis in Erfurt, warum sie nicht nach Tschechien könne: „Ich
habe Angst, dass meine Kinder in Tschechien nicht zur Schule gehen
können.“ Tatsächlich ist über die Bedingungen für Asylsuchende im
östlichen Nachbarland wenig bekannt. Die zunehmende Überlastung in den
EU-Grenzstaaten, wie in Italien, Griechenland oder Bulgarien lässt
keinen Raum für Zuversicht. „Ich weiß nicht, ob wir genug zum Leben
haben, wenn wir dort leben müssen“, so Chhun K. weiter. „Ich möchte,
dass meine Kinder hier zur Schule gehen können und ich möche selbst die
deutsche Sprache lernen und hier Arbeit finden.“

„Die mit der Dublin-III Verordnung verlagerte Verantwortung für
Schutzsuchende in die EU-Grenzstaaten bedeutet zunehmend katastrophale
Bedingungen, wie Obdachlosigkeit und Armut, von denen ganze Familien mit
kleinen Kindern betroffen sind“, erläutert Alexandra Hoffmann des
Freundeskreises der Familie K. aus Erfurt.

Die neue Thüringer Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine
Prüfung der Abschiebepraxis vereinbart. In der Öffentlichkeit haben sie
sich mit dem in Thüringen offiziell erlassenen Winterabschiebestopp ein
menschenfreundliches Image zugelegt. Gleichzeitig finden aber weiter
Abschiebungen statt. „Der Winterabschiebestopp ist an sich schon nur
eine temporäre Einrichtung und ab April kann offiziell wieder
abgeschoben werden. Aber selbst jetzt werden Asylsuchende von der
Polizei abgeholt und weggeschafft, nur weil es amtsdeutsch Überstellung
genannt wird. Abschiebungen sind immer ein gewaltsamer Eingriff in das
Leben von Menschen und mit einem selbstbestimmten Leben nicht
vereinbar“, beklagt Alexandra Hoffmann.

WWW: http://www.breakdeportation.blogsport.de


Presseberichte:
MDR.de, 24.02.2015:
http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/spontandemo-gegen-abschiebung-erfurt100.html

Thüringer Allgemeine online, 24.02.2015:
http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Versammlung-in-Erfurter-Stauffenbergallee-gegen-bevorstehende-Abschiebung-1330213999

Infoladen Sabotnik, 24.02.2015:
http://sabotnik.blogsport.de/2015/02/24/abschiebung-in-erfurt-verhindert/

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