Sonntag, 15. März 2015
Der Ursprung meiner déjá-vu-Erlebnisse
So manches Mal, wenn Diskussionen bei Metalust,
https://metalust.wordpress.com

Mädchenmannschaft,
http://maedchenmannschaft.net
Shifting Reality

https://shiftingreality.wordpress.com

oder hier einen stark moralisierenden Drive bekamen mit Bekenntnisaufforderungen und Forderungen, bestimmte Sprachregelungen einzuhalten reagierte ich deshalb dünnhäutig, weil diese Debatten in meiner Wahnehmung Endlosschleifen darstellen, die jedes Jahrfünft von neuen Szenegenerationen geführt und dann vergessen werden. Die feministischen Debatten von heute etwa wurden auch schon von der Generation der Mütter der Mädchenmannschaft so ähnlich geführt, Entsprechendes gilt für Klassismusdiskussionen oder die Frage, wie alltagsrassistische Wahrnehmungsmuster einer/m selbst bewusst gemacht werden können. Neu sind jeweils die vereinbarten Sprachregelungen in ihrer konkreten Form, neu ist auch, dass die Diskussion für die DiskutantInnen selber neu ist. Ansonsten gilt die Wiederholung des Immergleichen.

Hinsichtlich des humorlosen Moralismus, der hierzu die Matrix liefert prägte mich hierbei ein Ereignis, das zwar schon etwa 25 Jahre her ist, für mich aber absolut archetypisch für bestimmte gruppendynamische Grundmuster dasteht.

Hierzu muss zunächst gesagt etwas zur historischen Situation gesagt werden, in der das Ganze sich abspielte. Für die westdeutsche Linke war Ausnahmezustand. Die DDR war gerade kollabiert, der Zweite Golfkrieg in der Vorbereitung, der letzte RAF-Hungerstreik gerade zu Ende, die Repression gegen deren Sympis noch auf dem Höhepunkt, die Symbolfigur des radikalen Feminismus in Deutschland und Österreich, Ingrid Strobl, saß in Beugehaft in Zusammenhang mit einem RAF-Attentat, und bundesweit wurden Frauen-Lesben-Zentren gerazzt, weil die Frauen sich mit Gentechnik und Reproduktionstechnologien kritisch auseinandersetzten und das damals als "anschlagsrelevante Themen" eingeordnet wurde. Feministinnen wurden in dieser Zeit von den Staatsanwaltschaften als "terroristisches Umfeld" verfolgt. Also alles Dinge, die heute wesentlich anders sind und einen einzigartigen Zeithorizont ausmachten. Die Frage ist nur, ob die kognitiven Dissonanzen, die durch diese Dinge verursacht wurden so anders waren als Reaktionsweisen, die wir von heute kennen.


1990 saßen in einem Funktionsraum eines linken Zentrums, der unserer Gruppe gehörte, in der Menschen aus dem KB, der MG, den Autonomen und auch versprengte JUSOS und Grüne zusammenarbeiteten drei Leute zusammen, zwei Männer und eine Frau. Die wollten gemeinsam eine NDR-Doku über Neonazi-Aktivitäten in Südniedersachsen gucken und aufzeichnen. Da kamen dann die Frauen vom autonomen Frauenreferat hinzu und wollten das auch gucken. Der Beitrag war aber kurzfristig aus dem Programm gekickt worden. Da meinte einer der beiden Männer, Bernward * alle Namen wurden verändert *, "Dann schauen wir uns doch stattdessen einen Spielfilm an, an dem sich sehr gut geschlechtsspezifische Verhaltensweisen studieren lassen." Als die Frauen den auch sehen wollten fragte er, ob sie nicht lieber gehen wollten, eigentlich säßen ja die drei Leute gruppenintern zusammen. Da kam der Spruch auf "Aha, die Herren wollen wohl Pornos gucken", dann fiel der Blick auf das Filmetikett: "Playboys und Abenteurer". Das ist ein Revolutionsschmachtfetzen, der in dem fiktiven südamerikanischen Staat Corteguay spielt, aber mit dem Wort Playboy erschien der Verdacht erhärtet. Laut lachend entfernten sich die Frauen.

Am nächsten Tag war es nicht mehr lustig. Auf die Tür des Raumes war "Bernwards Porno-Kino" gesprüht. Noch einen Tag später klebten überall in Göttingen, an Schwarzen Brettern und Litfasssäulen, Plakate mit den Fotos der beiden Männer mit vollständigen Namen, Adressen und Telefonnummern - die anwesende Sylvia wurde, weil als Frau nicht ins Weltbild passend, komplett unterschlagen - unter der Überschrift "Alle Wichser in den Mixer, alle Macker untern Acker!" mit der Darstellung, dass sie Frauen aus dem Frauen-Lesbenreferat aus dem Szenetreff rausgeschmissen hätten um dort in Ruhe einen Porno schauen zu können und der Forderung, sie aus allen linken Zusammenhängen auszuschließen. Ein Versuch der Betroffenen, die Angelegenheit zu klären indem gemeinsam dieser Film gesehen werden sollte um festzustellen, dass der nicht pornografisch ist scheiterte an dem wütenden Gegenargument "Was? Jetzt sollen wir diesen Scheißfilm auch noch selber sehen?".

Es fand dann unter dem Ausschluss der "Angeklagten" eine Sitzung über deren Ausschluss statt, bei der alle Leute, die etwas zu Gunsten der Beschuldigten sagten, durch Zwinkern und Zuruf von im Saal strategisch verteilten Leuten kollektiv ausgelacht oder niedergebuht wurden. (Zwischenbemerkung: In gleicher Weise spielte sich der Umgang mit KritikerInnen von Radikal-CW-Perspektiven auf dem Nobordercamp 2012 ab)

Abstruserweise brüstete sich da einer der Platzhirsche in der Pose Brust raus - Bauch rein - Muskeln zeigen mit der Bemerkung, das Verhalten vieler linker Männer würde ja von Frauenseite stark kritisiert, er könne das gar nicht verstehen, mit ihm hätten Frauen keine Schwierigkeiten.

Sämtliche Männer, die den engen Bezugsgruppen der "Angeklagten" angehörten wurden mit der Ansage "rechtfertige Dich" namentlich aufgefordert, Stellung zu beziehen. Als die Reihe an mich kam sagte ich, dass eine in der Szene hochangesehene feministische Genossin gemeint hatte, den Initiatorinnen dieser Aktion gehöre in die Fresse geschlagen, den Umgang mit Emotionen und Stimmungen in diesem Plenum hielte ich für faschistoid. Ich legte auch noch ein Paper vor, das mit den Worten endete "Spielt weiter, Ihr Kindergarten. Als erwachsene Menschen kann ich Euch nicht mehr akzeptieren." Damit hatte ich meinen Ausschluss unter Androhung von Schlägen auch schon selber organisiert.


In der Folgezeit mied man mich, das ging so weit, dass Aktivisten am Aneinandervorbeigehen in Ladentüren bemüht waren, nicht meine Kleidung zu berühren, ich war ja aussätzig. Beim Vorbereitungsplenum zu Aktionen gegen den 1991er Golfkrieg weigerten sich die Feministinnen, mit mir, dem Männerschwein, auf einem Podium zu sitzen und hielten deshalb ihren Vortrag aus dem Publikum heraus.


Ja und dann wurde langsam klar, dass ich in der Kurdistan-Gruppe und dem Antirassismusplenum aktiv war, Flüchtlinge mit Guerrilla-Hintergrund mit mir befreundet waren, die unter Feministinnen extrem angesagte Wortführerin der Antira große Stücke auf mich hielt, ich eine Beziehung mit einer Feministin hatte, die PKK mich als Ehrengast zu Veranstaltungen einlud und ich den angeblichen - tatsächlich völlig unschuldigen - Mörder von Herrhausen persönlich kannte. Ich gehörte zum Vorbereitungskommittee der bundesweiten Demo gegen die Abschaffung des Asylrechts 1993, war da Mitglied der sehr exklusiv handverlesenen ersten Reihe des Schwarzen Blocks und hatte Zugang zur Redaktionsgruppe der Materialien für einen Neuen Antiimperialismus.

Und plötzlich durfte ich alles! Die Leute, die mich vorher als antifeministisches Arschloch verachtet hatten schauten zu mir auf, und ich erlaubte mir Scherze wie in der veganen Volksküche Putenschnitzel zuzubereiten. Mit Beifall!

Die Hauptaktivistin der ganzen Antipornoaktion, die, nachdem sie auch anderen Feministinnen wegen fehlender Linientreue den Rauswurf besorgt hatte, den Spitznamen "Danger-Woman" sich einfing, bezeichnenderweise eine Juristin, lebt heute als Sub in einer SM-Beziehung mit ihrem früheren Psychotherapeuthen auf Gomera.

- Wenn sich britische und französische linke Szenen in den 70ern Jahren ähnliche Binnenstrukturen geleistet haben kennen wir zumindest die Entstehungshintergründe einiger Filme der Monty Pythons und Comics von Lauzier;-)

Trotzdem bleiben die eigentlich dramatischen Fragen die sich hier stellen unbeantwortet. Warum bringen linke Szenen immer wieder solche menschenverachtenden Überreaktionen bei einer an sich richtigen kritischen Grundhaltung hervor? Wieso bringen Reizworte wie Sexismus, Rassismus, Faschismus kritisch-reflektierte, hochintelligente Menschen dazu, sich in angespannten Situationen wie ein nicht mehr reflexionsfähiger hypermoralischer Mob zu verhalten? Ich würde behaupten, das Mobverhalten gegen die angeblichen Sexisten unterscheidet sich in seiner Gruppendynamik nicht von dem des Lynchmobs, der Schwarze in den USA einstmals an den Baum hängte. Der Wunsch von marginalisierten, gesellschaftskritischen, oft charakterlich noch etwas unreifen Menschen, sich im Rahmen einer Szene als Teil eines Großen Ganzen zu fühlen führt dazu, sich gefolgschaftsmäßig den Opinionleadern anzuschließen. Selbstzweifel finden nicht mehr statt, sie werden mit Gebrüll übertönt. Somit wird die Struktur dieser "linkslibertären", "undogmatischen" Szene, die offiziell keine Hierarchien kennt de facto schweineautoritär. Und als ich mich selber als nunmehriger Szenehierarch mit allen möglichen Klamotten über die Szenemoral lustig machte wurde das zwar akzeptiert, die inhärente Kritik kapierte aber niemand. Das ging so weit, dass ein Genosse einmal erklärte, es müsste eine für alle verbindliche Szenemoral geben, insbesondere auf das Sexualverhalten bezogen, an die alle sich zu halten hätten. Das war sarkastisch gemeint, es wurde aber geschluckt. Als er einen draufsetzte und sagte "Wie im Iran!" kapierte das niemand. Erst der Satz, es müsse ein Witzbollah entscheiden, über was gelacht werden dürfe macht klar, dass hier ein Schabernakel gebaut wurde.


Die Leute von damals sind heute viel entspannter, die meisten haben Karriere gemacht und ihr einstiges linksradikales, feministisches, radikalökologisches oder sonstwieistisches Engagement ist eine folgenlose Episode ihrer Studienzeit geworden. Was ich ebenso schade finde wie den sinnlosen moralischen Rigorismus, mit der eigentlich fortschrittliche und emanzipatorische Bewegungen sich immer wieder selbst zerfleischen.

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„Warum bringen linke Szenen immer wieder solche menschenverachtenden Überreaktionen bei einer an sich richtigen kritischen Grundhaltung hervor? Wieso bringen Reizworte wie Sexismus, Rassismus, Faschismus kritisch-reflektierte, hochintelligente Menschen dazu, sich in angespannten Situationen wie ein nicht mehr reflexionsfähiger hypermoralischer Mob zu verhalten?“

Also für mich ist das relativ klar, ich denke ich habe das hier auch schon geschrieben. Das liegt daran, dass sie sich einen Haufen ziemlich absurder Theorien haben aufreden lassen und deshalb die Welt nicht mehr verstehen. Ich hatte ja schon mal auf dieses Buch hingewiesen:

http://en.wikipedia.org/wiki/Hegemony_and_Socialist_Strategy

Zusammenfassung hier: http://www.linksreformismus.de/lang/Bohn.pdf

Habe mir das inzwischen besorgt und mal darin herumgelesen. Das Buch ist von 1985, beschäftigt sich aber schon mit dem Ende des Marxismus als glaubhafte Basis für politische Aktivitäten (also noch vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion) und versucht, eine neue Basis zu finden. Inhaltlich ist das völlig uninteressant, halt der übliche Postmodernismus: Alles ist Diskurs, es gibt nichts außerhalb der Sprache, eine nichtdiskursive Realität existiert wohl, ist aber nicht erkennbar. Bezogen auf politische Praxis heißt das, dass es keine verbindliche Theorie mehr geben kann, auf die man sich beruft, alles ist relativ auf Diskurse. Dementsprechend gibt es natürlich auch keine verbindliche normative Grundlage politischer Praxis mehr, sondern nur noch Konflikte verschiedener „Antagonisten“, von denen jeder versucht, seinen Diskurs durchzusetzen, ihm zur „Hegemonie“ zu verhelfen. „Wie Chantal Mouffe in »Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion« argumentiert, haben wir es auf „dem Gebiet der kollektiven Identitäten [...] immer mit der Schaffung eines »Wir« zu tun, das nur bestehen kann, wenn auch ein »Sie« umrissen wird.“23 Mouffe schreibt weiter: „Dabei muß es sich selbstverständlich nicht notwendig um eine antagonistische Freund-Feind-Beziehung handeln. Wir sollten aber anerkennen, dass die Wir-Sie-Beziehung unter bestimmten Umständen immer antagonistisch werden, d. h. sich in eine Beziehung zwischen Freund und Feind verwandeln kann.“ (Zitat aus der Zusammenfassung, S. 10). Also ist Politik ein ständiges Kämpfen um Hegemonie, ein ständiges Wir gegen die Anderen. Verhalten wie das von dir beschriebene liegt ganz auf dieser Linie: „Der Erfolg einer hegemonialen Artikulation hängt aber nicht allein von ihrer Popularität ab, sondern von ihrer Fähigkeit, die Vorstellung zu realisieren, es gäbe keine Alternative zu ihr.“ (S. 12)

Ich kann nun nicht beurteilen, wie einflussreich dieses eine Buch gewesen ist, aber es gibt da schon eine generelle Tendenz in diese Richtung. Auch „Critical Whiteness“ wird aus dieser Sicht für mich verständlich, s. hier:

http://www.isreview.org/issues/46/whiteness.shtml

„According to this (Laclau und Mouffes) schema, social class is just another form of oppression, separate from all others, leaving the system of exploitation equally adrift. Furthermore, each separate system of oppression has its own unique set of beneficiaries: all whites benefit from racism, all men benefit from sexism and all heterosexuals benefit from homophobia—each in a free-floating system of “subordination. … This theory, if it were grounded in reality, would have enormous implications for the origin of white supremacy. White supremacy then could be a creation “in part, of the white working class itself,”.

Schwarze und weiße Arbeiter können dann z.B. keine gemeinsamen Interessen haben und auch nicht gemeinsam Politik machen, denn das „White Privilege“ steht zwischen ihnen; ähnliches gilt auch für die europäischen Unterschichten und die Flüchtlinge aus der III. Welt, und für Frauen und Männer ohnehin. Ziemlich schrecklich das ganze.

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(bezieht sich auf den Artikel, nicht auf willys56s auch interessanten Beitrag)
Weiss nicht, ob das originär links ist. Gruppen unter Druck agieren so, dass überrigide Orders die foodchain runtergegeben werden und auch nach Sündenböcken gesucht wird.
Revolution ist halt ein ehrgeiziges Ziel. Und dann sind das junge Leute, die wenig Übung haben, sich in Konfliktsituationen um innere Ruhe zu bemühen.
Aus der Perspektive hört sich die Linke Szene für mich an wie eine sehr gute Vorbereitung für den "Projektalltag" im Büro.
Die Links am Anfang bieten so was wie Baukästen für "Argumente", mit denen so ziemlich alles "rational" begründet werden kann. Aber auch das ist kein Alleinstellungsmerkmal für Linke. Entscheidend für den Erfolg einer Argumentation in einer Konfliktsituation ist nicht, ob sie valide ist, sondern dass sie dem jeweiligen Adressaten plausibel erscheint.

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@willy

Den Begriff der Hegemonie haben Laclau/Mouffe von Gramsci, der ist nicht originär "postmodern". Ist jetzt deiner Meinung nach das ganze Hegemoniekonzept schon ein Schritt in die falsche Richtung oder wird's erst problematisch, wenn "postmodert"? ;-)

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Hey Willy,

Du könntest auch mal etwas Anderes tun als immer nur auf Zitate aus Texten zu verweisen. Wie wäre es mit eigener stringenter Argumentation?

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Nun hab eich etra einen so langen Kommentar geschrieben, ich dachte, es würde klar, worum es mir geht?

@futuretwin: Ich kenne Gramsci kaum, aber mir ist unverständlich, wie man "Hegemonie" im angeführten Sinne mit Demokratie vereinbaren kann. Wenn es darum geht, im Bezug auf die eigene Position "die Vorstellung zu realisieren, es gäbe keine Alternative zu ihr", ist das tendenziell totalitär; so argumentiert Frau Merkel auch.

Die relativistische Erkenntnistheorie der Postmoderne liefert dazu nur den ideologischen Unterbau.

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Willy, ich glaube nicht, dass Reaktionsmuster wie die oben beschriebenen das Mindeste mit feministischer Theorie, Foucault oder Gramsci zu tun haben. Abgesehen davon, dass die damaligen Feministinnen den Dekonstruktivismus noch gar nicht anwendeten und Butler nicht gelesen hatten sind das gruppendynamische/massenpsychologische Prozesse, die zur Zeit der Hexenverfolgungen, beim terreur der Jacobiner und bei McCarthy auch schon genauso abliefen.


Das geschilderte Ereignis war seinerzeit der Grund für mich gewesen, Adornos Studien zum autoritären Charakter zu lesen und auf die eigenen Szenezusammenhänge zur Anwendung zu bringen.


Zu Gramsci später mehr.

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Ich acker mich gerade nach und nach durch die Sachen, die der Alte Bolschewik auf Shifting Reality so schreibt. Da hat er auch schon die These aufgestellt, dass die K-Gruppen ganz ähnlich funktionierten und die waren weder feministisch, noch postmodern, noch gramscistisch. Das unterstützt Ches Argument.

Was die Hegemonie angeht: das Zitat zur Alternativlosigkeit ist ja einnem ideologiekritischen Kontext entnommen. Der erste Schritt war ja für Gramsci, festzustellen, dass es eine bürgerliche Hegemonie in der italienischen Gesellschaft gibt, die eine proletarische Revolution verhindert.
Dann kam im nächsten Schritt die These, dass zunächst die Hegemonie errungen werden muss.

Inwiefern das Postulat einer Alternativlosigkeit der eigenen Position eine Strategie der Linken sein kann, wäre zu klären. Zunächst jedoch, wer so überhaupt argumentiert. Gramsci? Ja möglich. Frei von totalitären Elementen war er sicher auch nicht.
Laclau/Mouffe? Eher nicht. Sie versuchen durch das Hegemoniekonzept ja gerade die Schwächen klassischer Demokratiekonzepte aufzuzeigen.
Und überhaupt: Wirfst du ihnen vor totalitär zu sein oder relativistisch? Inwiefern geht beides zusammen?

Gramsci ist schon spannend. Er ist nicht nur wichtig für Althusser und somit den Strukturalismus, sondern auch für die Cultural Studies, es gibt in der Politikwissenschaft den Neogramscianismus, sogar von rechts wurde er rezipiert (Benoiste).

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Verlinken kann ich übrigens auch:

http://www.linksnet.de/de/artikel/21124

;-)

Steht auch was zu Laclau/Mouffe drin!

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Ja, ganz recht, das ist ein sehr guter Beitrag! Gramsci ist aber noch aus einem ganz anderen Grund und in ganz anderem Zusammenhang sehr wichtig: Als Faschismustheoretiker. Seine Hegemonietheorie besagt ja, dass es weder der Arbeiterklasse noch der Bourgeoisie gelang, die soziokulturelle Hegemonie zu gewinnen (worunter durchaus so etwas zu verstehen ist wie die jeweils eigene Musik, Mode, Umgangssprache, Theater usw. von Arbeiterklasse und Bürgertum) und in dieser Situation nicht der demokratische bürgerliche Staat sich durchsetzte, sondern die Hegemonie des Bürgertums durch eine Diktatur, den Faschismus, hergestellt wurde der sich soziokulturell auf usurpierte Elemente der Arbeiterkultur (Kampflieder, Parteimilizen - Schwarzhemden, SA - in Italien avandgardistische Kunst) stützte. Ein Theoretiker, den ich für mindestens so wichtig halte wie Althusser, wiewohl er bei weitem nicht so bekannt ist, entwickelte auf der Basis von Gramcsi eine eigene Theorie, nämlich Nicos Poulantzas. Dessen traumatisierendes Erlebnis war die Obristendiktatur in Griechenland gewesen. Er hatte sich vorgesetzt, diese Diktatur, den Faschismus/NS und die lateinamerikanischen Militärputschdiktaturen der 70er Jahre im Zusammenhang zu erklären.Sein Werk Formen bürgerlicher Herrschaft wurde zu einem Standardwerk. Für Poulantzas entstehen aus dem Machtvakuum zwischen bürgerlichem und proletarischem Hegemonialbestreben mehrere Formen bürgerlicher Ausnahmestaaten autoritärer Prägung, nämlich Bonapartismus, Faschismus und Militärdiktatur, deren Elemente teilweise kombinier- und vermischbar sind, teilweise auch nicht - so ist für den Nationalsozialismus ein starker Korporatismus mit einer gelenkten Wirtschaft prägend, für die lateinamerikanischen Putschdiktaturen hingegen ein staatlich erzwungener Neoliberalismus.

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Vielleicht nochmal was zu dem Text von Bohn:
Ich muss mich nämlich korrigieren: in dem Text hat die Aussage "die Vorstellung zu realisieren, es gäbe keine Alternative zu ihr" keine ideologiekritische Stossrichtung.

Das gilt durchaus generell für erfolgreiche hegemoniale Artikulationen. Es ist nur inkorrekt, diese Artikulationen als "eigene Position" zu bezeichnen. Denn in dem Text geht es ja darum, genau das aufzuzeigen, dass sich "eigene Positionen" nämlich nicht bruchlos zu einer hegemonialen Artikulation zuspitzen lassen.

Hegemonial kann eine Artikulation erst dann werden, wenn sie möglichst viele Verbündete versammeln kann. Es handelt sich also nicht um eine irgendwie geartete subjektive Position.

Und bei dem Antagonismus Mouffes geht es eigentlich auch genau darum, dem aktuellen Effekt des politischen Desinteresses und dem Gefühl der Ohnmacht entgegenzuwirken, das etwa in der scheinbaren Alternativlosigkeit von Merkel kulminiert.

Begriff und Theorieelemente hat sie von Carl Schmitt entlehnt, wo ja viele direkt Schnappatmung bekommen. Aber die Stossrichtung ist eher eine Pluralisierung. Und sie kritisiert z.B. auch, dass sich Poltik häufig "im Register des Moralischen" abspielt.

Cantal Mouffe also jetzt als eine Ursache der "Remoralisierung" der Linken heranzuziehen, passt da nicht so ganz.
Mehr dazu hab ich Hier gefunden:

www.jhterstegge.de/downloads/agonismus.pdf

Ist zwar "nur" ne Hausarbeit, aber so what....

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Dann bleibt also zur Erklärung der beschriebenen Phänomene nur die individualpsychologische Ebene? Bestimmte Linke sind eben hysterisch?

Übrtigens will ich mich nicht an dem zitierten Buch von Laclau/Mouffe festhalten; Foucault eignet sich genauso ("kein Wissen ohne Macht und keine Macht ohne Wissen").

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Individualpsychologisch ist das gerade nicht; Adornos Studien zum autoritären Charakter sind ja auch kein individualpsychologisches Buch. Wie sich der Freudomarxismus mit massenpsychologischen Prozessen als Grundlage autoritärer politischer Bewegungen beschäftigt, so ist mein Dauerthema das Umkippen an sich emanzipativer politischer Strömungen ins Autoritäre, Dogmatische und Regressive.

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Dann bleibt also zur Erklärung der beschriebenen Phänomene nur die individualpsychologische Ebene? Bestimmte Linke sind eben hysterisch?

Nein, Che sprach doch ganz klar von gruppendynamischen Prozessen, die so ähnlich auch zu anderen Orten und Zeiten zum Tragen kamen. Hysterie ist da sicher auch im Spiel, aber die interessantere Frage wäre doch, welche Faktoren zusammenkommen müssen, damit der vermeintliche Kampf für das Gute so umkippt in totalitären Tugendterror.

Adornos Studien zum autoritären Charakter basierten keineswegs nur auf individualpsychologischen Betrachtungen, da war auch nicht zu knapp Sozio-empirisches im Spiel. Hinzu kommt, dass Adorno in der Studentenbewegung später durchaus auch gleiche Mechanismen am Walten sah wie auf Seiten der autoritären Strukturen, gegen welche die außerparlamentarische Opposition sich wendete.

Ich habe mich zuletzt vor fast 30 Jahren im Rahmen eines Referats mit dem autoritären Charakter befasst, deswegen habe ich das nicht mehr ganz so präsent. Vielleicht müsste man die Fragestellungen, die seinerzeit Antworten auf die Frage nach den Entstehungsbedingungen des Faschismus liefern sollten, etwas modifizieren, um auch totalitäre Tendenzen erklären zu können, wie sie im Kreise der vermeintlichen Fortschrittsfreunde aufzutreten pflegen.

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zunächst: "Hinzu kommt" ist falsch. Warum nicht einfach (und richtig) "hinzukommt"?

Ansonsten hier ein paar lose Bemerkungen, es ist klar, dass die Faschismustheorien aus der linken, kommunistischen Ecke am überzeugendsten sind (hab da mal n bisserl rumrecherchiert).

Und, jüngste Erfahrungen, wir stehen vor dem Problem, dass linke Szenen, großmäulige Männchen machen den Anfang, in faschistoid-kriminellen Habitus abzudriften drohen. please avoid this !

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Zunächst einmal: Danke für die (ungefragte) Belehrung. Wie wärs mit einer Gegenansicht von korrekturen.de?

(...)Etwas verwirrend: Da der Verbzusatz aus selbstständigen Satzgliedern hervorgegangen ist, kann er gelegentlich wieder als Satzglied verwendet werden. Das bedeutet, dass beispielsweise im beliebten Satzanfang "Hinzu kommt, dass ..." Getrenntschreibung eintritt.

Ich will da nicht rechthabern, ehrlich gesagt ist es mir auch ziemlich hurz, ob das richtig oder falsch ist. Mir hats jedenfalls noch kein Korrektor oder Schussredakteur angekreidet, wenn ich einen Satz so begonnen habe (und wenn das darum alles Idioten oder Ignoranten sein sollen, sei's drum).

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Nochmal zurück zum Ursprungsposting
Die ProtagonistInnen von damals kannten weder Foucault, noch Butler, noch den Dekonstruktivismus. Wenn ich jetzt Willy zitiere: "Alles ist Diskurs, es gibt nichts außerhalb der Sprache, eine nichtdiskursive Realität existiert wohl, ist aber nicht erkennbar. Bezogen auf politische Praxis heißt das, dass es keine verbindliche Theorie mehr geben kann, auf die man sich beruft, alles ist relativ auf Diskurse. Dementsprechend gibt es natürlich auch keine verbindliche normative Grundlage politischer Praxis mehr, sondern nur noch Konflikte verschiedener „Antagonisten“, von denen jeder versucht, seinen Diskurs durchzusetzen, ihm zur „Hegemonie“ zu verhelfen." dann hat das nullkommagarnüscht mit der damaligen Auseinandersetzungsebene zu tun. Da galten klare innerlinke Vorgaben, die als unhinterfragbare Allgemeinplätze wahrgenommen wurden, z.B. ein formaler Antiimperialismus, bei dem als PC galt, gegen die USA und für Kuba zu sein, und zugleich gab es eine Liste von Feindstaaten, die als vorderste Front des Imperialismus angesehen wurden: Apartheid-Südafrika, Pinochet-Chile und Israel. Das war schlicht der Feind. Der zu dieser Zeit wirklich neue "Neue Antiimperialismus" brach mit diesen an Nationalstaaten und nationalen Befreiungsbewegungen aufgehängten Antiimperialismusvorstellungen und extrapolierte zugleich antikolonialistische Befreiungskonzepte aus der Dritten auf die Erste Welt. Da wurde dann das Umschlagen der sexuellen Revolution der 67er-Bewegung in Liberalisierung von Pornografie und Prostitution und der Ausbau der Pornoindustrie als Kolonialisierung einer emanzipativen Bewegung und der Kampf dagegen als antikolonialer Befreiungskampf begriffen, bis hin zum Anzünden von Sexshops als radikaler Feminismus.Das vermischte sich damals mit etwas, was Genossin Netbitch mal bürgerliche Frauenbewegung nannte. Die war ultramoralisch und hatte teilweise biologistische Züge, wo Frauen dann aus hormonellen oder genetischen Gründen als bessere Menschen galten.

Ein in akademischen Kreisen sehr dominanter Teil der damaligen feministische Szene verband die eben genannten Positionen des Neuen Antiimperialismus mit esoterischem Hexenkult, einer Anti-Porno-Position, die quasi den Playboyleser als Prototyp des Vergewaltigers ansah und einem generellen Ultra-Moralismus, den ich in heutigen Debatten wiederfinde: Möglichst rigide Moralvorstellungen in Bezug auf die eigene Lebensgestaltung. Dass Veganismus in fast schon Pflichtkombination mit bestimmten Varianten des Queerfeminismus und CW-Total auftritt ist kein Zufall. Bevor es die Unterscheidung zwischen PC-und Non-PC-Linken gab gab es schon mal die Selbstzuschreibung "unmoralisch" für Linke, die solchen Konzepten nicht zustimmten. Als ich mal schrub, die ganzen Auseinandersetzungen zwischen moralinaufgeladenen Auseinandersetzungen in der Linken seit den Siebzigern, bei denen immer nur die Themen ausgetauscht wurden - Öko versus Klassenkampf pur, pro oder kontra RAF, Radikalfeminismus versus Öffnung der Frauenbewegung, sektenartige Bewegungen wie Vegane, Straight Edge, Antideutsche versus Antiimperialisten (wobei niemand mehr wusste, dass dieser Begriff eigentlich die RAF-UnterstützerInnenszene meinte) und jetzt zwischen Traditionslinken und dem Queerfeminismus/CW/etc.pp.Moralinspektrum seien nichts als ein Kampf um die Lufthoheit über das Zwanghafte meinte ich das nicht (nur) polemisch, sondern sehr ernst. Und ich denke auch, dass die Inhalte des aktuellen Moral-PC-Spektrums mit denen der Evangelikalen oder Islamisten beliebig austauschbar sind. Der moralische Rigorismus ist Derselbe.

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@ mark (!!)
jetzt wurde ich wieder (der link) belehrt, thanx. Also nicht wirklich falsch. Mein 'ceterum censeo' ist allerdings, brutalstmöglich an der Zusammenschreibung festzuhalten. Dadurch werden die meisten Fehler vermieden. Dank und Grüße aus der hamburger Vorstadt!

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Che, irgendwie sehne ich mich nach diesen Zeiten. Sie bedeuteten jedenfalls ein gehöriges Gehirntraining für die geschätzten Protagonistinnen. Es ist aber, IMHO, nichts, ich wiederhole: nichts davon übriggeblieben. Ja, Dein Erstposing, die Mädchenmannschaft kommt mir vor wie die Enkelmannschaft der ursprünglichen Feministinnen. Manchmal kommentiere ich da unter Vorschützung eines anderen Aliasses, nur um die mal aus den immergleichen Sprachstereotypen aufzuwecken. Es langweilt einfach mittlerweile. Keine Frage natürlich, dass die über alle Maßen vernachlässigten Rechte der Frauen immer wieder und umso vehementer eingeklagt werden müssen! Meine Professorinnen, ein anderer Aspekt, z.B. Dorothea Frede (eine Aristoteles-Expertin), gebrauchten noch (oder wieder? ich weiß es nicht ...) das generative "man". Mein Eindruck ist jedenfalls, dass die jungen Deerns aus meiner Gegend genau wissen, was sie wollen und tun. Für son junges Deern wäre es einfach Zeitverschwendung, in einem alt-überholten, hoffnungslos veralteten Diskurs die "Überhand" gewinnen zu wollen. Zu CW: wird zwar wahrscheinlich nichts, aber ich habe mich als Bassist in nem Roots-Reggea-Projekt versucht: Immer musste der Sänger allen Leuten erklären: hallo! Wir sprechen hier Deutsch! Du brauchst Dir hier keinen auf Englisch abbrechen! Ich bin ein Spätentwickler, aber am Ende löst sich immer alles in Wohlgefallen auf, meine bescheidene Erfahrung.

Oder, Nachtrag: ich habe diese ganze Entwicklung einfach mehr oder weniger absichtlich verschlafen. Einfach mal zwischendurch Thykidides lesen oder so. Heute erwähne ich ausnahmsweise mal nicht Proust. Am Ende stellt sich dann heraus, dass im Ergebnis nichts gewesen ist. Natürlich schätze ich Deine wissenschaftstheoretische Rekapitulation und Aufarbeitung, und die des Alten Bolschewiken, die des Momo (muss ich aber noch mal nachlesen). Um einen beim bersarin (zurecht) verhassten Ausdruck einmal aufzugreifen: "old school". historisch interessant, aber Du bist ja Historiker, ansonsten? ich zweifle hier wirklich ...

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@Ziggev: Hier ist es übrigens noch ein bisschen genauer erklärt (hat mich dann doch interessiert). ;-) Ansonsten behalte ich mir weiterhin eine gewisse Wurschtigkeit in diesen Fragen vor, denn in meinem Zeilengeld oder Seitenpreis ist in dem meisten Fällen eingepreist, dass nochmal jemand drüberguckt. Zudem texte ich seit fast 30 Jahren für sehr unterschiedliche Publikationen mit teilweise erheblich von einander abweichenden Schreibregeln. Das heißt nicht, dass ich das als Freibrief für Schludrigkeit betrachte, aber mit der rund 98-prozentigen Korrektheit, mit der ich Texte verfassen kann, gebe ich mich meistens zufrieden, weil der Grenznutzen der Reduzierung der verbleibenden Fehlerquote mit jedem Zehntelprozent weiter absinkt. Oder vereinfacht gesagt, man bucht mich nicht fürs Korrigieren, sondern fürs Schreiben.

Zurück zum Thema: "Please avoid this" ist ein guter (aber wohlfeiler) Rat. Womöglich ist der Schritt von Che, sich aus diesen Zusammenhängen auszuklinken (so man denn diese Wahl hat), wenn eine gewisser Totalitarismusfaktor überschritten ist, die einzig mögliche Konsequenz. Dass man sich dieser Dynamik in solchen Kontexten noch von innen her wirksam entgegenstellen könnte, sehe ich irgendwie nicht.

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´n Bisserl über Schreibweisen -edit: ---
ahh, canoo.net - wollte ich gerade erwähnen: die wirklich verlässliche Quelle in Sachen Grammatik. Zu erwähnen wären noch das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts und Uni Leipzig.

Bspl.: "Halbstarke" http://www.dwds.de/?kompakt=1&qu=Halbstarke

http://wortschatz.uni-leipzig.de/

Die Wurschtigkeit, die ich mir unterdessen selber angewöhnt habe, ist der stärkste Vorwurf, den ich mir selber mache.

Ich texte nicht seit Äonen von ca.30 Jahren; sondern als Übersetzer - also auch Autor - und gleichzeitig letztendliches Lektorat für anerkannte Verlage. D.h., dass das Ergebnis immer lupenrein sein muss. Und daher meine Empfindlichkeit. Natürlich schreibe ich hier nur so drauflos. Aber ich akzeptiere es durchaus nicht, wenn schräge Meinungen für eine schräge Schreibweise herhalten müssen. Nur weil ich eine wilde Meinung vertrete, habe ich immer noch nicht den Freibrief für eine "wilde" - und das heißt dann nur oft wild-falsche - Schreibweise.

- In diesem Fall lag ich falsch, o.k., aber auch linke Theoriebildung verdient m.E. eine richtige Schreibweise. Zumal dann, wenn es um Richtigkeitsfetischismus in Sachen femininer oder maskuliner Endungen usw. geht.

Nachtrag/edit.- Du arbeitest also wirklich noch im Vertrauen auf ein Lektorat? Du hast offenbar noch nicht Deine Schreibfehler z.B. bei Ullstein zu Hundertausenden abgedruckt gesehen. Good Luck!

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"Dass man sich dieser Dynamik in solchen Kontexten noch von innen her wirksam entgegenstellen könnte, sehe ich irgendwie nicht."

Nö. Leider. Die Szene dünnt dann irgendwann von selbst wieder aus. Mit dem Erfolg, dass viele dann erstmal vom (in diesem Fall) Feminismus erstmal wieder genug haben. Der Noergler hats perfekt auf den Punkt gebracht, unter "Wichtiges von Wichten" hier:
http://che2001.blogger.de/stories/2246007/

Damit ist die Frage nach einer Ursache noch nicht geklärt. Ich denke, die Parallele zu Religiösität ist so auffällig, dass ich das für einen Mechanismus halte, der auch bei der Entstehung von Religionen wirksam ist. So eine Art Fetischisierungstendenz.

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Ja, Wichtiges von Wichten war ein echtes Highlight
Und die ganze damalige Debatte ohnehin. Insofern wiederholt es sich hier etwas, die Themen sind ja aber auch immer noch aktuell. Mit Deinem letzten Absatz hast Du etwas sehr Wichtiges gesagt. Zumal politische Ideologien und -ismen nichts Anderes sind als säkulare Ideologien. Und da wird halt auch viel "Hoseanna" und Kreuziget ihn!" geschrieen. Eine alte Genossin, als Emma-Jury-Mitglied des Backlash gänzlich unverdächtig aber genervt von den internen Strukturen bestimmter damaliger feministischer Zusammenhänge und vertraut mit Vorgängen wie dem Eingangsposting hatte mal gemeint, statt die Hexen zu verbrennen hätte man die Inquisition Frauen überlassen sollen, dann hätte es nie eine Aufklärung gegeben, die hätten in ihrer Gründlichkeit nämlich keinen Ketzer übriggelassen. Außerdem hätte es nicht so ein Geschmadder gegeben auf den Folterbänken, die hätten jedesmal geschrubbt.

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Naja, Männer können es ja auch ganz gut, siehe K-Gruppen. Hat der Alte Bolschewik nicht diesen Vergleich mal aufgemacht? Dieses Sektenartige ...

Letztlich geht es um die Suche nach klaren Richtlinien. Spannendes Wort eigentlich: Die Suche nach etwas wonach mensch sich richten kann um dann zum Richter zu werden. Da möcht mensch ja glatt das Neue Testament zitieren.

In Businessspeak hieße das Problem wohl: niedrige Ambiguitätstoleranz.
Und daher kommt auch das Humorlose bei solchen Bewegungen. Humor, Ironie, Augenzwinkern, ..... sowas passt hier schlecht.

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Das Alte Testament passt da noch besser, aber insgesamt stimme ich Dir da natürlich zu. Ein Beispiel ist dafür die Rezeption der Titanic, deren sich lustig machen über linke/feministische/antirassistische Klischees als echt reaktionäre Positionen wahrgenommen wurde. Tatsächlich liegt diesem speziellen Humor das Modell des antiaffirmativen Witzes zugrunde, demzufolge die eigene linke/feministische/antirassistische Leserklientel mit einem Humor konfrontiert wird, der die eigenen moralischen Verhärtungen in Frage stellt und zugleich so angelegt ist, dass einem/r das Lachen im Halse steckenbleiben soll. Übrigens gerade einen Guten gehört: Ein Türke und ein deutscher Arzt wohnen in zwei Häusern, die von exakt dem gleichen Häuslebauer auf zwei identischen Grunstücken errichtet wurden. Der Türke sagt zum Arzt: "Meine Wohnlage ist besser als Deine." Erwidert der Arzt: "Wieso? Wir wohnen in baugleichen Häusern auf flächengleichen Grundstücken!" Darauf der Türke: "So kann nur ein Deutscher denken. Ich wohne neben einem Arzt, aber Du wohnst nur neben einem Türken!"

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Ich meinte Matthäus 7,1: "Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet."

Der Witz ist gut. :-)

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Schöner Text. Genau die von Dir beschriebenen Mechanismen habe dazu geführt, dass ich mich wieder sehr schnell aus der linken Szene verabschiedet habe. Ähnliches habe ich auch von anderen Leuten gehört.

Dein Vorschlag Mobbing in der Linken Szene mit Adorno zu erklären ist sicher nicht falsch. Trotzdem möchte ich einen Alternativvorschlag zur Diskussion stellen. Man könnte mit Bourdieu sagen, dass es bei Konflikten innerhalb der Szene um symbolische Kämpfe handelt, bei denen um die Bedeutung des szenespezifischen kulturellen Kapitals gestritten wird. Das kulturelle Kapital, welches man durch eine linke Sozialisation erwirbt ist außerhalb der Szene wenig wert. Dies würde erklären warum innerhalb der Szene so heftig gestritten wird.

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... klingt plausibel.

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Das ist in der Tat höchst plausibel, hat darüberhinaus aber eine sehr spezielle Komponente, mein Dauerthema seit 1980: Linksradikal sein ist für die allermeisten Leute ein Postpubertäts/Adoleszenstrip, der im Alter 30plus nicht mehr weiter verfolgt wird. Das ist schon seit Jahrzehnten so. Da ich mich im Alter 40+ immer noch als Linksradikalen definiere (und die Meisten, mit denen ich gelebt habe tun das nicht) frage ich mich im Anblick der immergleichen Wiederholungen von linken Diskursen in primär studentischen Kreisen, ob ich die noch überhaupt ernstnehmen sollte oder ob da nicht eher ein pädogogisches Verhältnis angesagt wäre.

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Hast du was, bist du was
Ist vermutlich überall so... ob Show-Business, Kollegenkreis - oder auch feministische oder K-Gruppen. Und _solang_ du was bist, wird dir der rote Teppich ausgerollt.

Nicht falsch verstehn - aber das nachfolgende Geschleime find ich dabei fast noch abstoßender als deinen "Rausschmiß"... jedenfalls Respekt, daß du dich nicht dem Gruppendruck gebeugt hast - ist leider bei weitem alles andere als selbstverständlich.

Mit Adorno kann ich zwar nicht dienen - aber solche Leute definieren sich wohl in erster Linie über Zugehörigkeit & eigenen Stand in der 'Szene' und/oder sind diesbezügl. ziemlich ehrgeizig...
wenn das ganze Ego davon abhängt, ist zumindest der Druck, sich nicht offen vor solche "Verräter an der 'reinen' Lehre" zu stellen, sogar nachvollziehbar.
Im Grunde schon mitleiderregend, würden die mit ihren Egos nicht so viel kaputt machen.

Als die später über deinen vermeintlichen Status i.d. Szene "aufgeklärt" wurden, kam dann wohl die Angst am Ende doch auf der falschen Seite zu stehn & abgehängt zu werden.

Das perfide ist: egal was i-wie begehrt wird - ob Geld, Frauen, Macht; in dem Fall halt die richtigen Freunde als Schlüssel zur eigenen "Karriere" - sobald genug davon im Spiel ist, mEn kommen diese niederen Instinkte (Opportunismus etc) bei den meisten fast schon automatisch zum Vorschein.

ich glaub auch parteipolitisch, hinter den Kulissen machen solche Gruppen-psychol. Prozesse mehr aus, als man vllt so denkt. MMN wird die "Systemfrage" z.T. überbewertet.

Daß das ausgerechnet bei ner "kritischen" Szene so abgelaufen ist, ist natürlich ironisch - aber sogar Linke sind halt nur Menschen...
in meinem 'RL'-Umfeld sind wenig polit. Interesierte, polit. Disks führ ich fast nur im Netz - aber ich hab auch nicht selten den Eindruck, daß bei manchen politisch/humanistische Ansprüche und eigener Charakter & Verhalten ziemlich diametral zueinander stehn.

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