Mittwoch, 20. Mai 2015
Mal wieder Lesenswertes beim Blauen Büffel
Wobei mir Hans Peter Duerr nicht als Physiker bekannt ist, sondern als dekonstruktivistischer Ethnologe und Historiker.


http://blauerbueffel.mueller394.de/?p=3073

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nein, nicht schon wieder 'Spiegelneuronen'
Der blaue bueffel interessiert sich also für "Spiegelneuronen" ... Zur "Spiegelphase" und anderem misslungenen Metapherntransfer

Wer irgendwann einmal am Sportunterricht teilgenommen hat und etwa zur einzuverleibenden Nachahmung dazu aufgefordert gewesen ist, zu beobachten, wie ein Weitsprung vonstattenzugehen hat, wessen Unterschenkel einmal bei der großen Chance zum Torschuss nach vorne zuckte (oder solches einmal bei jemandem beobachtet hat), wer einmal, wie es mir als Kind passierte, zu weinen begann, ohne zu wissen, warum, als das (ältere) Geschwister geweist hatte, - für alle diese gilt: sie wissen und wussten immer, dass es "Spiegelneuronen" gibt.

- Vorausgesetzt, dass all diese Regungen nicht ausschließlich auf irgendeiner Magie beruhen und also auf einer neurobiologischen, jedenfalls irgendeiner materiellen Basis fußen.

Die Aufregung um die Entdeckung der sog. Spiegelneuronen hat bei mir jedenfalls nur ratloses Schulterzucken ausgelöst. Nur weil die Neurobiologie gewisse Fortschritte gemacht hat, ist dies noch lange kein Grund, uns in Gehirne-im-Tank im Sinne der Computeranalogie des Geistes zu verwandeln. Plötzlich aber das große Aha! Was wir für Regungen der Seele gehalten hatten, hat eine neurologische Basis! Wild! Verrückt! Wahnsinn!

Die Annahme, dass unser Geist und unsere Psyche innerhalb der angedachte Modelle der Funktionsweise unseres Gehirns auf materieller Basis doch recht komplex funktionieren müssen, hat sich in einem Fall des Menschlich-Allzumenschlichen einfach nur 1 Mal bestätigt.

Was inzwischen ein Gemeinplatz ist, dass nämlich beim Lernen des Lernens die Nachahmung einen wichtigen Schritt darstellt, hat nun eine neurologische Entsprechung gefunden. Was wurde also bestätigt: Das, was wir schon wussten - eben nun lediglich mit Messdaten von Neuronen unterlegt - , oder dass all jene Phänomene, von deren Existenz wir als menschliche Wesen ohnehin bereits überzeugt sind und die uns in ihrer überwältigenden Vielfalt nicht selten zu eher unsicheren Theoriebildungen veranlassen, ihre schlussendliche Erklärung in der Neurobiologie finden werden?

So unplausibel es auch ist, man verhielt sich vor lauter Neurobegeisterung oder wohl besser "-blindheit" so, als wäre der Beweis der zweiten Alternative geführt worden.

Natürlich hatten sich nun eine Reihe von Hypothesen formulieren lassen, geeignet, um die Rolle, die die Spiegelneuronen in anderen, verwandten oder ähnlichen Prozessen spielen könnten, zu untersuchen.

Es war aber - typisch für jene die Neuro-Esoterik - von
einem "Durchbruch" und dergleichen überzogenen Erwartungen die Rede gewesen. Für was nicht alles hatten die Spiegelneuronen herangezogen werden sollen! Wilde Spekulationen im Bereich der Entwicklungsspychologie und Ausflüge, ist ja alles vorstellbar, keine Frage, vielleicht noch ins Gebiet der "Theorie of Mind" - (bei Tieren) die Fähigkeit, sich in das Denken eines anderen Tieres hineinzuversetzen, was Täuschungsmanöver, z.B. bei Rabenvögeln, ermöglicht! ALLES würde nun erklärlich sein, aufgrund der Entdeckung eines mehr oder weniger spezialisierten Neuronentypus !!! Man geht das ab bei den Neurobiologen! Man glaubte, die Geisteswissenschaften, die Psychologie ausstechen zu können und bediente sich doch bloß der Vorstellungen, die in diesen Wissenschaften entwickelt worden waren. Neue, eigene, Wege? Totalfehlanzeige!

Letzte Woche am Mittwoch war eine Art Abrechnung mit dieser Hysterie in der FAZ zu lesen gewesen. Mumpitz, wusste ich nur schon immer. Gähn.

Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich meine größte Weite beim Weitsprung sprang. Und daran, wie meine "Spiegelneuronen" vorher gefunkt hatten. Viel mehr wissen wir bis heute nicht. Durch einfache Introspektion war mir das aber von Anfang an klar.

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"Was wir für Regungen der Seele gehalten hatten, hat eine neurologische Basis!"

Das mag dir trivial erscheinen, ist es aber nicht.

Es wäre wünschenswert, dass sich solche Einsichten weiter durchsetzen; das kantische Transzendentale Subjekt z.B. hat auch eine neurologische Basis. Daraus folgt dann allerdings, dass es nicht das ist, wofür Kant es hielt, sprich: das es nicht in irgendeiner Weise die Welt konstituiert, sondern das umgekehrt die Welt das Subjekt konstituiert. Was widerum bedeutet, dass die Welt primär und das Subjekt aus ihr abgeleitet ist.

"The Mind IS the Brain" - Daniel Dennett

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Ich habe erst jetzt bemerkt, dass der zitierte Hans Peter Dürr nicht der von mir sehr geschätzte Hans Peter Duerr ist, sondern eine mir gänzlich unbekannte Person.

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Es ist putzig, Willy, wie Du absolut alles als Beleg für Deinen eigenen Biologismus wertest. Der Text des Blauen Büffels befasst sich eher damit, inwieweit Esoterik und PSI-Phänomene eine physikalische Grundlage haben.

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Und das ist zugleich auch die Antwort an den lieben Ziggev: Es geht hier um äußerst komplexe erkenntnistheoeretische Zusammenhänge, um die herum sich voluminöse Literaturwelten und hm, man könnte sagen Glaubensgemeinschaften gebildet haben. Dabei spielen die Frage nach dem Ursprung von PSI-Phänomen, der Zusammenhang zwischen Neurologie und Quantenphysik und das (falsche) physikalische Weltbild der Esoteriker, New-Ager und Okkultisten eine Rolle.

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Lange Version zu Blauer Büffel, Sheldrake et al
Im 19. Jahrhundert ging die Physik davon aus, dass es ein Medium geben müsse, in dem sich Lichtwellen ausbreiten, weil Licht als Welle analog zu Wellen im Wasser begriffen wurde. Daher erfanden die damaligen Physiker den "Äther", eine feinstoffliche Materie, die den ganzen Weltraum umfasse und in ihren Bestandteilen kleiner sei als Atome. Im Äther, den Begriff haben wir noch bezogen auf die Funkkommunikation, breiten sich die Wellen aus. Mit der Quantentheorie von Max Planck - Licht bzw. eletromagnetische Impulse generell sind masselose Teilchen - und der Relativitätstheorie von Einstein - Licht hat eine fixe Geschwindigkeit von 300.000 Kilometern in der Sekunde, die weder verlangsamt noch beschleunigt werden kann, Lichtquanten sind gleichzeitig Wellen und Teilchen wurde das hinfällig. Licht und sonstige elektromagnetische Strahlung sind nichts, das sich in einem feinstoflichen Medium ausbreitet, es gibt keinen "Äther".


Ausgehend von der überholten Äthertheorie formulierten aber die EsoterikerInnen des 19. Jahrhunderts Modelle, denen zufolge es zwischen der Welt der meßbaren Materie (Körperwelt) und dem als unkörperlich gedachtem "reinem Geist" noch Zwischenwelten gäbe wie die "Ätherwelt" und die "Astralwelt". Der gnostischen Leib-Seele-Trennung folgend dachten die das so, dass die körperliche Welt, die Äther-und die Astralwelt jeweils unterschiedliche Wirklichkeitsebenen seien, die hierarchisch eingeordnet wurden: Die materielle Welt ganz unten, die Ätherwelt darüber, die Astralwelt über dieser und der reine Geist ganz oben. Die Seelen Verstorbener würden demzufolge in den "höheren Welten" noch weiterleben. Das war eine Grundlage des Spiritismus: Die Seelen verstorbener Menschen existierten angeblich noch im feinststofflichen Bereich der "Astralleiber". Theosophie, Anthroposophie usw. , die ganze Esoterik verharren immer noch in diesen Begriffswelten. Physikalisch ist das alles längst widerlegt, es sind Herleitungen mystisch-okkultistischer Denkmuster auf der Basis der Vor-Planckschen und Vor-Einsteinischen Physik. Rupert Sheldrake stellte die Theorie der "morphogentischen Felder" auf, derzufolge Organismen ihren zukünftigen Bestimmungszustand kennen würden, so dass etwa Kaulquappen in einer Art elektromagnetischem Feld, vergleichbar der Kirlian-Aura, schon die Gestalt eines erwachsenen Frosches hätten. Dies sehen wiederum Esos als "Beweis" ihres Weltbilds an. Und der Blaue Büffel beschäftigt sich mit den empirischen Hintergründen solcher, aus meiner Sicht absurden Weltbilder.

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gibt es überhaupt menschliche Wesen ? (to be continued)
... nun wollte ich gerade was schreiben, drücke F5, und sehe, dass nun noch die long version gekommen ist ... den letzten Kommentar vom che also überspringend will ich erstmal folgendes feststellen:

Ich habe allerdings das Gefühl, dass ihr beide meinen Punkt nicht verstanden habt. Bereits das Setting der Beweise (der Versuche), die die Unfreiheit des (freien) Willens angeblich bewiesen haben sollen, wird durch reine Introspektion als einen solchen "Beweis" auf solche Weise verunmöglichend entlarvt.

Es wurden übrigens bereits die "Kontrollneuronen" gefunden, die den vermuteten Automatismus unterbrechen können ...

Aber auch anders: "ich bin als Neurowissenschaftler zu dem Schluss gezwungen, dass der Wille nicht frei sei. Der Wille ist nicht frei, also bin ich, wenn ich schließe, zu diesem Schluss gezwungen." Super interessant, kann mal jemand diesen defekten (falsch programmierten) brabbelnden Computer ausschalten?

"Wo gibt es ihn oder welchen Beweis gibt auch sonst, dass es 'die Welt - oder überhaupt etwas - da draußen' gibt?' Ich bleibe bei der Gewissheit, das ich bin. Also bleibe ich bei meinem Solipsismus!" - Super interessant, wen interessiert das überhaupt? Wenn ich Solipsist wäre, würde ich mir solche Fragen überhaupt nicht stellen, exclamation mark!

Die einen vertrauen sich selbst nicht, mit der Folge, dass sie psychische Pathologien entwickeln, und einen aussichtslosen Kampf gegen alle menschlichen Wesen antreten; die anderen trauen nicht einmal der Existenz von irgendwelchen Wesen 'da draußen', mit der absurden Folge, gar nicht mehr an irgendwelche materiellen Entitäten zu glauben.

Wie albern und lächerlich diese Alternativen!

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... (@ che)
Che: Es ist wohl richtig, dass ein "Äther" angenommen wurde gewissermaßen als Übertragungsmedium z.B. für Lichtwellen und dergleichen mehr. Aber:

"Mit der Quantentheorie von Max Planck - Licht bzw. eletromagnetische Impulse generell sind masselose Teilchen - und der Relativitätstheorie von Einstein - Licht hat eine fixe Geschwindigkeit von 300.000 Kilometern in der Sekunde, die weder verlangsamt noch beschleunigt werden kann, Lichtquanten sind gleichzeitig Wellen und Teilchen wurde das hinfällig."

Das ist einfach falsch. Der Beweis der Nichtexistenz des Äthers wurde durch das Michelson-Morley-Experiment geführt.

Es handelt sich um ein wirres und schaudererregendes Durcheinander von Metapherntransferes zw. Physik und Esoterik, bei dem sich beide Seiten gegenseitig und vor allem sich selbst belügen.

Von einem roten Kinderladen geht die Geschichte, später wurde er zu einem roten Buchladen (in Italien, so geht die Geschichte), dass, irgendwann wurden dort nur noch Esoterik-Bücher verkauft.

Präge Dir vor allem eins ein: Das ganze Gnosis-Gewäsch ist Mind-Fuck (in meinen Übersetzungen fürn Eso-Bereich nehme ich dafür gerne: "Hirnwichserei").

Sie hat den Reiz des Verbotenen. Aber: "Das Gute - dieser Satz steht fest - ist stehts das Böse, was man lässt" (W. Busch) - lässt sich auch umdrehen, denn "Das Böse - dieser Satz steht fest - ist stehts das Gute, was man lässt."

Das Malum, mit dem die Gnosis spielt, das Böse, das Verbotene, ist einfach ein Mangelphänomen und damit spirituell unbrauchbar. Christlich gesprochen: Ein Aberglaube!

Wissenschaftshistorisch gesprochen hier die Nichtzurkenntnisnahme des Michelson-Morley-Experiments.

Wir alle langweilen uns mit dem Roboter willy. Ich empfehle Bruno Latours "Die Büchse der Pandora" und andere online zur Verfügung stehenden herrlich polemischen Texte. please check this!

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Bruno Latour? Das ist doch der Typ, der behauptet hat, Pharao Ramses II. konnte 1200 v.Chr. nicht an Tuberkulose gestorben sein, weil der Erreger erst 1882 von Robert Koch beschrieben wurde. Soll ich ernsthaft was von dem lesen?

Wie wär´s wenn du mal das hier liest:

http://en.wikipedia.org/wiki/Consciousness_Explained

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Das ist wieder einmal eine dieser gehässigen Verzerrungen, wie sie von Leuten aus dem Dawkins-Dennett-Spektrum gegen Dekonstruktivisten ins Feld geführt werden. Analog schrub eine Kollegin mal, Butler behaupte, sie bilde sich ihre Eierstöcke nur ein. Das ist natürlich komplotter Mumpitz. Wer sich mit der Phylogenese von Bakterienstämmen auskennt weiß, dass aus einem Erreger den man seit 1882 kennt keine Rückschlüsse auf Populationen von vor 3000 Jahren abgeleitet werden können und es da möglicherweise Infektionskrankheiten gab die wir heute gar nicht mehr kennen. Es gibt zurzeit eine spannende Diskussion darüber, ob die Pest die Pest war oder etwas ganz Anderes. Historische Ausgangssituation ist die antike bzw.mittelalterliche und frühneuzeitliche Bezeichnung von 4 unterschiedlichen Seuchen als Pestilenz: Die griechische Pestepidemie Mitte des 3. vorchristlichen Jahrhunderts, die Pestepidemie im Byzanz Justinians, der Schwarze Tod Mitte des 14. Jahrhunderts und regionale Pestepidemien vom Spätmittelalter bis Ende des Dreißgjährigen Kriegs. Nur von Letzteren wissen wir mit Sicherheit, dass diese durch das im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit einer Pestwelle in China entdeckte Bakterium Yersinia Pestis verursacht wurde. Und da beginnt auch schon das Problem: Diese Pestwelle verbreitete sich über China innerhalb von Jahrzehnten, gebunden an die Wandergeschwindigkeit von Ratten. Der Schwarze Tod hatte im 14. Jahrhundert aber in drei Jahren Europa überrollt und kam auch nach England, wo damals noch keine Ratten lebten. Es wurde deshalb die Theorie aufgestellt dass es sich nicht um die Pest, sondern ein hämorrhagisches Fieber, vergleichbar mit Ebola gehandelt habe. Andererseits wurde auf zahlreichen Pestfriedhöfen auch tatsächlich Yersinia Pestis - DNA gefunden. Hier kommt gleich die nächste Frage auf: Waren das nur zur Zeit des Schwarzen Tods Pestfriedhöfe, oder wurden die während der späteren Pestepidemien noch als solche genutzt? Gab es damals möglicherweise Yersinia Pestis - Populationen, die sich von den späteren unterschieden und auch andere Übertragungswege nutzten? Solche Fragestellungen der Historischen Anthroplogie sind sehr diffizil und noch lange nicht ausdiskutiert. Also nicht lustig machen über Bruno Latour...

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Carnap widerlegt
willy,

wie Du an Ches letztem Kommentar ablesen kannst, hat sich eine Gruppe von Geistes- bzw. Sozialwissenschaftlern herausgebildet, die die Wissenschaftler explizit vor Wissenschftskriegern wie Dir in Schutz nehmen will. Einer davon ist Latour. Nach allem, was so läutet (kenne nichts von der), erklärt Butler ihre - angeblichen - Thesen nicht. Bezeichnenderweise tauchen solche Erklärungen jedenfalls nie in solchen Diskussionen auf, die uns von Wissenschaftskriegern aufgezwungen werden sollen.

Anders B. Latour in "Die Hoffnung der Pandora" : Es handelt sich z.T. um eine engagierte Verteidigung gegen den Vorwurf des Konstruktivismus. Insbosondere richtet er sich gegen den "Modernismus" und den "Postmodernismus". (s.u.)

Bruno bezeichnet sich als "Wissenschftsforscher" - er tut also das, was ich schon immer gefordert habe: Willst du wissen, was Wissen ist, dann gehe zu den Wissenschaftlern. Und schaue einfach zu!

Das hat Latour getan, und gezeigt, wie 'wissenschaftliche Fakten' durch deren Forschungstätigkeit auf vielfältige Weise mit der Realität verbunden sind. Etymologisch ist bekanntlich ein Faktum etwas Gemachtes - sollte vielleicht nicht so schnell vergessen werden. Man denke an Kants: "Faktum der (menschlichen) Vernunft".

"Wenn überhaupt, und hier können wir zu Recht eines leichten Mangels an Symmetrie angeklagt Werden, bekämpft die Wissenschaftsforschung sehr viel stärker die Humanisten bei ihrem Versuch, eine Menschenwelt zu erfinden, die von nicht-menschlichen Wesen gereinigt ist, als sie gegen die Epistemologen
vorgeht, die versuchen, die Wissenschaften von jeder Verunreinigung durch das Soziale zu befreien. Warum? Weil die Naturwissenschaftler nur einen Bruchteil ihrer Zeit darauf verwenden, ihre Wissenschaften zu reinigen, und sich offen gesagt einen
Dreck um die Wissenschaftsphilosophen scheren
, die ihnen zu Hilfe eilen, während die Humanisten ihre ganze Zeit auf die sehr ernst genommene Aufgabe verwenden, die menschlichen Subjekte vor den Gefahren der Objektivierung Verdinglichung
schützen. Gute Naturwissenschaftler beteiligen sich nur in ihrer Freizeit oder im Ruhestand oder beim Auslaufen ihrer Forschungsgelder an den Wissenschaftskriegen, doch das andere Lager steht Tag uncl Nacht in Waffen und erhält sogar noch Forschungsgelder zur Fortführung des Kampfes. Daher ärgern wir uns so über den Verdacht [Konstruktivismus !!] der Kollegen aus den Naturwissenschaften.
Anscheinend können sie Freund von Feind nicht mehr unterscheiden. Einige jagen dem eitlen Traum einer autonomen und isolierten Wissenschaft nach und folgen so dem Weg des Sokrates. Wir dagegen machen sie genau auf die Mittel aufmerksam, die sie brauchen, um die wissenschaftlichen Fakten wieder mit den Realitäten zu verbinden, ohne die die Existenz der Wissenschaften nicht aufrechterhalten werden könnte. Wer bot uns
diesen kostbaren Wissensschatz zuerst an? Die Naturwissenschaftler selbst!" (Hervorh. und eckige Klammer von mir, zigg)

Latour spielt mit dem Sokrates auf den Sokrates in Platons Gorgias an (ich paraphrasiere in ziggevscher Mainier): Was soll mir das Volk, 'an dem nichtsweiter ist, als ihre Menge und ihre Stärke' (so im Original)? "Ich bin im Besitz der Fähigkeit, wissenschaftlich zu demontrieren und brauche mich nur vor den Göttern zu rechtfertigen, eine Rechtfertigung, die im Jenseits bereits stattgefunden hat." - Es geht also um Macht. Über den Schrägstrich: Wissen/Macht Foucauldts macht Latour sich nur lustig:

"Der übliche Begriff des Sozialen verdankt sich der gleichen rationalistischen Argumentation wie der Begriff DER Wissenschaft - er besteht in einem Transport starrer Gesetze ohne jede Deformation. Hier heißt es zwar "Macht" und nicht "episteme",
doch das ändert nichts. Denn so wie Epistemologen von der »Macht der Beweisführung« sprechen, verwenden Soziologen beglückt ihr berühmtes neues Motto: "Wissen/Macht". Die vernichtende Ironie für die Sozialwissenschaften liegt darin, daß sie
mit diesem Foucaultschen Ausdruck ihr kritisches Geschick demonstrieren wollen, im Grunde genommen jedoch sagen, ohne es sich klarzumachen: "Die Übereinkunft von Sokrates (Wissen) und Kallikles (Macht) soll in Kraft bleiben und Über den Dritten
Stand triumphieren!" Kein kritischer Slogan ist unkritischer als dieser, keine populäre Flagge elitärer. Das Argument ist so schwer zu fassen, weil Natur- wie Sozialwissenschaftler so tun, als sei Macht aus einem ganz anderen Stoff als Vernunft - daher
die vorgebliche Originalität ihrer Trennung und anschließenden Wiedervereinigung durch einen mysteriösen Schrägstrich."

Wer die Realität 'da draußen' leugnet', braucht gar nicht mehr mitzudiskutieren; ebenso aber, wer "wissenschaftlich" bewiesen haben will, dass sein Wille gar nicht frei sei. Als Tragischen Beispiel sei Wolf Singer genannt. Er betrieb Wissenschaftskrieg als Hirnforscher. Zuletzt räumte er ein, von Philosophie wenig Ahnung zu haben. Als Wissenschaftler würde ich mit solchen Verrätern nichts mehr zu tun haben wollen.

Diese Einsicht sollte Dir, willy auch einmal kommen. Wusstest Du nicht, dass Caprnaps- Carnap! - Argumente gegen den antirealistischen Idealismus letztlich aus Reihen der eigenen Zunft komplett als nicht konsistent wiederlegt wurden? Wer es sich nicht zutraut, seinen Gegner immanent zu kritisieren, es sei denn, wenn schon denn schon, wenigstens originell, gut zu lesen oder anders irgendwie freundlich, sollte, um es knapp zu sagen, die Klappe halten. In diesem Fall, Latour, hast Du Dich reichlich blamiert.

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... und
es wird langsam langweilig. viel Interessanteres als Scharmützel des Wissenschaftkriegs von vor ü 20 Jahren sind ja doch eben zur Sprache gekommen.

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Es bleibt dann noch etwas zu sagen
nämlich, dass Dawkins aus meiner Sicht und der der meisten linken WissenschaftskritikerInnen zur Neuen Rechten gerechnet wird, zu den Leuten, die Ansätze, die aus der Eugenik und Rassenhygiene stammen seit den 1970ern wieder salonfähig machen wollen. Letztlich ist das einer der Hauptschläge der Gegenaufklärung, an den etwa Eysenck, Jensen und mit Letzterem unmittelbar verbundene Leute wie Alain de Benoist und Jürgen Rieger direkt anknüpften, Stoßrichtung: Soziale Befreiung, Klassenkampf sei falsch, weil biologisch widerlegt. "Das egoistische Gen" ist ebenso ein Haupttext der Neuen Rechten wie Huntingtons (der gehörte zum Think-Tank der CIA) Machwerk "Clash of Cultures".

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@ Che

Ist das wahr? Das (heutzutage) von Biologen und Genetikern zurecht verlachte Werk "das egoistische Gen" spielt heute noch eine Rolle, im Rahmen rechter Beeinflussungsinstitute (Denkpanzer heißen die wahrscheinlich, weil sie das Denken abschießen und durch vorgefertigte Standpunkte ersetzen möchten...)??

*staun*

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Doctor Dean, der Erste - Weil das Werk "Das egoistische Gen" angeblich von Biologen und Genetikern "verlacht" werde, sei es umso unwahrscheinlicher, dass es "eine Rolle" "im Rahmen rechter Beeinflussungsinstitute" spiele?

you just miss the point.

Beim "Egoistischen Gen" ging es einfach darum, dass ein Gen sich nicht deshalb redubliziert, weil es irendeine "Art" aufrechterhalten will, sondern darum, dass es sich einfach selbst redubliziert. Der Science War, der in der Benutzung von Metaphern wie "egoistisch" usw. bestand, sollte eigentlich eliminiert werden; doch nun, so scheint es, werden teleologische Konzepte von Arterhaltung und dergleichen und so weiter wieder eingeführt durch die Metapher des Egoismus. Der Egoismus des Genoms tritt also an die Stelle des Rassismus der Arterhaltung.

Das war natürlich - so lese ich das selbstverständlich, weil ich Wissenschaftlern aus Prinzip den Kredit der politischen Neutralität vorausschicke - nur eine polemische Volte und ironische Anspielung auf die zu jener Zeit stattfindenden Science Wars.

Schau in die FAZ von gestern: Die Biologie ist viel weiter, und erstickt, was generalisierende "Theorien" oder Konzepte betrifft, einfach im überbordenden Datenmaterial.

Das "Egoistische Gen" ist einfach 'old school'. Es wird und wurde nie verlacht, denn es wendete sich, genau betrachtet, eben gegen jeden Rassismus jedweder "Art". - Jedenfalls, wenn wir den wissenschaftlichen Gehalt dieses Werkes betrachten.

Gerade diese Metaphernmaipulation ist das Geschäft der Manipulatoren, ist doch klar.

Das sollte Dir aber klar sein: den Manipulatoren kommt alles recht. Du argumentierst oder fragst, als ob es die Manipulaoren es je interessiert hätte, dass der Mond ein grüner Käse ist: Ob das Genom egoistisch ist oder nicht, "egoistisch" reicht völlig aus, um sich seine rechte Scheiße zusammenzustricken, wusstest Du das nicht?

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Das lieber Ziggev, ist zwar völlig richtig, trifft aber trotzdem viel zu kurz. Das egoistische Gen war sozusagen das populärwissenschaftliche Pilotbuch für eine neue Forschungsrichtung in der Humanbiologie, die Soziobiologie. Diese geht davon aus, dass jede Art gesellschaftlicher Prozesse, Ökonomie, Politik, Liebesleben ausschließlich biologisch motiviert sei undv der Arterhaltung bzw. der Reproduktion bestimmter Kollektive diene. Selbst Homosexualität hat in dieser Denkweise eine biologische Grundlage, da es im Steinzeitkollektiv Menschen geben musste, die sich um Kunst und spirituelle Dinge kümmern konnten, ohne durch eigenen Nachwuchs beschwert zu sein. Von allem Anfang an wurde die Soziobiologie in der Battle of Minds (das war mitten im Kalten Krieg) dazu eingesetzt zu begründen wieso es einen Kommunismus nicht geben könne. Soziobiologen traten mit großer Arroganz als diejenigen auf, die Gleichheitsvorstellungen, auch solchen reformpädagogischer Art durch ihre empirisch-biologische Arbeit die Grundlagen entzogen hätten. Dabei standen sie Seite an Seite mit Tierverhaltensforschern, die aus dem Revierverhalten des Blauen Riffbarsches Rückschlüsse auf menschliche Aggression zogen und prominenten, hochdekorierten Wissenschaftlern mit neurechtem Gedankengut wie dem neokonservativen Verhaltenspsychologen Hans Eysenck ("Es gibt keine außerkörperliche Ursache für psychische Störungen und keine frühkindlichen Traumata") und dem Harvard-Professor und Kryptonazi Artur Jensen mit seiner Behauptung, die vergleichende Zwillingsforschung liefere den Beweis für die Erblichkeit von Intelligenz, wobei er dummerweise Bezug nahm auf die gefälschten bzw. frei erfundenen Studien von Sir Cyril Burt.


Die Soziobiologie wiederum ist eigentlich nur sehr alter Wein in ganz neuen Schläuchen, denn eigentlich ist das nichts weiter als der alte Sozialdarwinismus, der sich von seinen häßlichsten Kindern, Eugenik und Rassenkunde getrennt hat. Zur Arroganz von Soziobiologen gehört, dass diese meinen "DIE" Wissenschaft zu vertreten und den Geistes-und Sozialwissenschaften Wissenschaftlichkeit absprechen. Ich habe Jahrzehnte mit solchen Leuten diskutiert, ich weiß wovon ich da spreche. Für Dich, Dean, dürfte interessant sein, dass Neokonservative/Rechtsliberale/Neue Rechte sich mit Soziobiologie beschäftigten, ehe da Hayek und v.Mises beliebt wurden.

Standardliteratur zu dem Thema:

Sozialbiologismus von H.G. Marten

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dear che, Du hast offenbar Deinen Latour nicht richtig gelesen: denn sonst wäre Dir aufgefallen, dass kein Soziobiologe oder Evolutionswissenschaftler je gesagt hätte, dass

"es im Steinzeitkollektiv Menschen geben musste, die sich um Kunst und spirituelle Dinge kümmern konnten, ohne durch eigenen Nachwuchs beschwert zu sein",

dass also die Evolution fortpflanzungsunlusige Typen begünstigte, damit dies oder jenes möglich werde.

An sowas glaubt nur, wer zuviel Hegel gelesen hat. es gibt nun mal, daran kann ich auch nichts ändern keine (natur)geschichtliche Notwendigkeit. In dem Sinne, dass das und das passieren müssen würde und dass desh. diese oder jene Voraussetzungen (oder kausale Faktoren, wie es der Logiker sagt) eben "notwendig" waren. Wie Dir bekannt sein sollte, geht diese Diskussion bis ins 18. Jh. zurück (bevor entscheidende Entdeckungen im Bereich der Geologie gemacht wurden, will heißen, dass begriffen wurde, das die Bibel nicht als zeitskalagebendes Dokument betrachtet werden kann, eine andere Geschichte, aber nichtsdestoweniger höchst interessant. Als Historiker: Wissenschaftsgeschichte wäre doch gar nicht so uninteressant, auch für Dich!? - Oder?).

Geschichtliche Notwendigkeit erfordert nun mal ein teleologisches Geschichtsverständnis, denn nur wenn das Ziel feststeht oder überhaupt nur als Kategorie der Geschichtswissenschaft akzeptiert werden könnte, wäre es möglich, hier von "Notwendigkeit" zu sprechen. Denn "mit Notwendigkeit" schließt der Logiker immer nur auf die Bedingungen, sofern irgendein Ereignis eingetreten ist oder irgendeine Conklusion als Ergebnis vorausgesetzt worden ist und diese Bedingungen, jeweils einzelne oder disjunktive Gruppen usw., eben dafür als "notwendig" erkannt worden sind.

"Damit" wir uns also zu Kulturwesen - im spezifisch menschlichen Sinne - haben entwickeln können, hatte es notwendig evolutionär begünstige Kerlinger (um einmal netbitch zu zitieren) geben müssen, die befreit waren, gewesen sind, und die es heute immer noch gibt, die sich um "spirituelle Dinge kümmern konnten, ohne durch eigenen Nachwuchs beschwert zu sein".

Und so gedieh diese seltene Pflanze (M. Proust verwendet diesen Vergleich) der Homosexualität ... Alles vollkommener Mumpitz.

Ist Dir vielleicht alles klar (btw., bersarin offenbar noch vor einiger Zeit nicht), aber diese Wissenschafts-Krieger haben euch eben besser gekannt, als ihr es für möglich gehalten habt und euch genau den Köder vorgeworfen, den ihr haben wolltet: Vernebelt von Hegel erkennt ihr nicht, dass ihr mit eurem Response euch selbst destruiert.

Dabei bin ich nicht einmal sicher, ob Du diese Fehlers in Deiner Darstellung der anderen Position bewusst bist, das Homosexualität (ich zwinge mich wirklich an die Tastatur, damit ich nicht mich nur noch vor lautem, frenetschem, Lachen auf dem Boden wälze) in irgendeinem Sinne "notwendig" gewesen sei.

Ihr habt euch einen Fehler unterschieben lassen!

Homosexualität wurde nicht aus dem Evolutionsprozess hinauseliminiert, ebensowenig wie die Heterosexualität; daraus folgt, notwendig, das Homosexualität genauso "natürlich" ist wie jede andere Sexualität. Das ist die ganze Geschichte.

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Latour spielt in diesem Kontext auch nur eine geringe Rolle, sondern Namen wie Egon von Eickstedt, Wilhelm Mühlmann, Ilse Schwidetzky, Kerrin Christiansen, Stefan Kühl, Jacob Michelsen oder Karl-Heinz Roth. Ich BIN WISSENSCHAFTSHISTORIKER, ich habe mich im Rahmen meiner Magisterarbeit und Dissertation durch ca. 35.000 Seiten zu dieser Thematik gefräst, und ja sorry, es ist so: Meine Schlussfolgerung ist die, dass ein nicht unerheblicher Teil der Humanbiologie nur dem Zweck dient, politische und gesellschaftliche Verhältnisse biologistisch zu begründen und zu erklären und auch nur zu diesem Zweck betrieben wird, und jede Art von Sexualität wird in diesen Modellen als eine Funktion im biologischen Kollektiv, früher sagte man Volkskörper, begriffen und nichts sonst. Immanent in der Logik der Soziobiologie gedacht ist es sogar ein Entgegenkommen gegenüber den Schwulen und Lesben, ihnen eine solche Funktion zuzuerkennen, denn ein paar Generationen vorher waren sie noch auszumerzende "Ballastexistenzen". Diese ganze Richtung der Biologie ist selber eine politische Ideologie, aus der die NS-Ideologie einst hervorgegangen war, nicht umgekehrt herum.

Die Bedeutung von Dawkins et al besteht hauptsächlich darin, diese Ideologie, die nach dem Ende des NS mit etwa 20 Jahren Halbwertzeit obsolet geworden war wieder salonfähig gemacht zu haben.

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ja, che
das ist je gerade der Punkt: dass du Wissenschaftshistoriker - mit dem genannten Spezialgebiet - bist. - ist natürlich kein Argument: nur könnte es scheinen, dass Du Dir derartig viel Mist reingezogen hast, musstest Du ja für Dein Forschen, dass Du - vielleicht! - die ideologisch Seite, auch wenn es möglicherweise euphemistisch klingt und nicht unbedingt der passende Fachausdruck ist, den "ideengeschichtlichen" Kontext, Verlauf, überbetonst.

Wo ich mich bei Latour absolut wiederfand: Die Wissenschaftler vor den Wissenschaftskriegern in Schutz nehmen. Wie Latour in seinem Kapitel zu Platons Gorgias wunderbar zeigt, war DIE Wissenschaft von Beginn an nichts anderes, als ein Mittel zum Zweck, um den "Pöbel" unten zu halten, diejenigen, an denen "nichts weiter sei, als ihre Masse und ihre Stärke". Aus der Erinnerung zitiert. Latour macht jetzt folgenden Punkt: Kallikles´ Zynismus, der die Vorherrschaft der Mächtigen legitimiert eben aus ihrem Im-Besitz-Sein der Macht: die machtausübende, adlige Elite leitet ihren Machtanspruch eben aus ihrer Vorherrschaft, daraus, dass sie bereits jetzt die Macht ausübt, ihrem Adel und ihrem Bessergestelltsein ab. Oder kurz: Die jetzt Mächtigen sind einfach bessere Menschen, das kommt daher, weil sie einfach bessergestellt sind. Eine Wahrheits- oder Wahrhaftigkeitsverpflichtng ist vollkommen überflüssig, denn es geht ja nur darum, diejenigen, an denen nichts weiter ist als ihre (körperliche) Stärke und ihre Masse, unten zu halten.

Sokrates verfolgt überhaupt gar kein anderes Ziel. Ihm reicht es für den Herraschftsanspruch allerdings bereits aus, "mit sich selbst vollkommen übereinzustimmen", denn ihm,Sokrates, steht die "wissenschaftliche Methode" zur Verfügung.

Wir hatten ja bereits das eine oder andere Mal die Diskussion über den Begriff von "Natur" am Wickel. Nun glaubte ich, betreffs meiner Polemik gegen willy, Dich auf meiner Seite zu haben. Früher hatte ich es anders formuliert: Es gibt keine Naturwissenschaftler, die, weißbekittelt und bebrillt, den ganzen Tag nichts anderes machen, als auf Laborproben zeigen und jedesmal ausrufen: "Da, Natur! Da Natur!, Da...!" und immer so weiter. Die Inanspruchnahme eines Begriffs von Natur durch Naturwissenschaftler ist eine Diagnose vom außernaturwissenschaftlichen Standpunkt aus; gute Naturwissenschaftler würde sich aber zu soetwas überhaupt nicht erdreisten.

Die gesamte Naturwissenschaft, die Biologie, ja, auch die Soziobilogie, aber unter Ideologieverdacht zu stellen, ist wiederum etwas, das nur dem Soziologen einfallen kann. Ichzweifele ja gar nicht die Ergebnisse Deiner Forschungen und Nachforschungen an. Du beliebst aber regelmäßig, lediglich die Ergebnisse mitzuteilen bzw. entsprechende Literaturangaben zur Verfügung zu stellen.

Als Freund des philosophischen Beweises, sprich einer analytischen Methode, glaube ich Dir erst, wenn ich das im Einzelnen durchgegangen bin. Und ich bin echt dankbar, dass es Leute wie Dich gibt, die, davon gehe ich aus, hinreichend Material zusammengetragen haben, um die betreffenden "wissenschaftliche" Prozesse auf hintergründig wirkende ideologische Absichten abklopfen. Du hast das geleistet, davon gehe ich ja aus: ich glaube Dir aber dennoch erst, wenn das Gegenteil Deiner These, dass nämlich naturwissenschaftliches Forschen mitnichten immer bloß wertfrei vonstatten geht, am Einzelfall zweifelsfrei wiederlegt worden ist. Im Einzelfall, denn dass dem so ist, ist fürs Allgemeine allgemein anerkannt; selbst Kritische Rationalisten räumen das mittlerweile ein.

Es stehen ja einzelne Schlussfolgerungen, die ja gar nicht mehr ins Metier der Naturwissenschaftler gehören, zur Disposition. Und es ist ja gar nicht so schwer, Übergriffe solcher Art zu identifizieren. Beispiel Singer (der Deutsche): Er hat sich, wie ich es sehe, vollkommen aus diesem Geschäft zurückgezogen und, ich wiederhole es, eingeräumt, dass er eher wenig von Philosophie verstehe.

Erst am Exempel kann der Nachweis der (ideologisch motivierten) Übergriffigkeit nachgewiesen werden.

Wenn ichaber immer nur lediglich die Schlüsse, die Deine wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen ergaben, zu lesen bekomme, die es so aussehen lassen, als liefe Wissenschaftsgeschichte parallel mit Ideologiegeschichte, dann scheint eine solche Darstellungsweise den Schluss vom gesellschaftlich relevanten Ergebnis auf die dann nicht mehr wertneutral vonstattengegange naturwissenschaftliche Vorgehensweise nahezulegen.

Will sagen, es taucht der Verdacht auf, dass vom (unerwünschten) Ergebnis auf die deshalb unerwünschte Ursache geschlossen worden ist. Ein Verdacht, bei dem bei mir Alle Alarmglocken ohrenbetäubend zu schellen anfangen: Verwechslung von Ursache mit Wirkung? (Bekanntlich Schoppenhauers Definition von Dummheit?)

Der betreffende übergriffige (Fehl)Schluss kann aber nur am Beispiel gezeigt werden.

Wer sagt. "der Wille ist nicht frei, das haben meine Experimente gezeigt", sagt, "Wenn ich sage, dass der Wille nicht frei sei, dann ist das gewissermaßen nicht meine eigenen Aussage, sondern es sind meine internen neurologischen Prozesse, die abgelaufen sind, dergestalt, dass ich gar nicht anders konnte, ich gezwungen war, mich so zu äußern."

Da hat sich jemand zuweit hinausgewagt, und nicht bemerkt, dass er sich, sobald er sich in die Sphäre der Geistes- bzw. Sozialwissenschaften hineinbewegt, bereits selbst widerlegt hat.

Wenn ich also lese, es sei behauptet worden, dass es Homosexualität hatte geben müssen (evolutionär irgendwie von Vorteil), damit Kultur hatte entstehen können (weil es Leute hatte geben müssen(!), die unabhängig von der Fortpflanzung vor sich hin existierten - die Evolution trickste sich gewissermaßen selber aus), dann ist ja von vorneherein klar, dass das Mumpitz ist.

Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten: - 1. Dass jener Naturwissenschaftler, der das aussagte, sein Fach nicht kennt, denn in der Biologie gibt es keine teleologisch 'motivierten' Prozesse. Dass die Biologie, so aufgefasst, noch einige Lücken aufweist, steht auf einem anderen Blatt. Es gibt immernoch beobachtete Prozesse, deren Ursachen weiterhin im Dunklen liegen. - Oder 2. Ein Geisteswissenschaftler hat die Aussage des Biologen falsch paraphrasiert. Was letzteres nur möglich wäre durch eine gründliche Unkenntnis der betreffenden Wissenschaft.

Oder eine dritte: Dass jener Wissenschaftler absichtlich die Öffentlichkeit in die Irre führen wollte: Mal sehen, ob nicht irgendwelche "Sozialwissenschaftler" drauf hereinfallen! Er (oder sie) würde sich genüsslich zurücklehnen - und zuschauen, wie sie sich bis auf die Knochen blamieren ...

In diesem Fall, der rein hypothetisch und sehr, sehr unwahrscheinlich ist, wäre tatsächlich der Ideologierverdacht richtig.

Der andere Fall ist somit viel wahrscheinlicher: dass der Geisteswissenschaftler sich überhaupt gar nicht mit der betreffenden Wissenschaft auseinandergesetzt hat. Dass Homosexualität evolutionär entstanden ist, "damit ...", ist einfach Blödsinn.

Populärwissenschftliche Hervorbringungen unterlaufen solche Fehler, weil eine solche teleologische Auffassungsweise einfach viel eingängiger ist. Es müsste nämlich die gesamte Evolutionstheorie jedesmal neu erklärt werden, damit klar wird, warum jenes "damit" nur ein sprachliche behelfsmäßige Vereinfachung ist.

Das Argument müsste anders gelautet haben: Die Evolution hat Homosexualität nicht verhindert. Die Sache ist also ganz einfach: Wer will, kann dieser Tatsache normativen Wert zuschreiben oder unterschieben. Dann befänden wir uns tatsächlich auf ideologischem Gebiet.

Mein biologischer Reduktionismus hat auch folgendes vordringlichstes Ziel. Das populäre - und eben oft falsche - Verständnis der Biologie, wie es u.A. auch unter Geisteswissenschaftlern west, was Du oben mit Deiner teleologischen Auffassungsweise der Evolution bewiesen hast, durch ein reduktionistisches zu ersetzen. Nicht den Menschen irgendwie reduzieren, - sondern die Biologie auf das, was sie ist, zu reduzieren. Eine Methode, es zulässt, dass wir viele Hypothesen über das Menschsein formulieren, eben Hypothesen!

Es spricht nämlichü berhaupt nichts dagegen, Forschungsereignisse der Naturwissenschaft als Plausibilitätsprüfung für unsere Zwecke zu rekonstruieren. Dann - erst dann! - dürfen wir uns es erlauben, sie auf ideologische Zweckentfremdung hin zu untersuchen, dann, nachdem wir sie mit reduktionistischer Analyse darauf reduziert haben, was sie uns wirklich sagen kann oder zu vermuten erlaubt.

Das heißt: Dass wir verpflichtet sind, die Wissenschaftler vor den Wissenschaftskriegern in Schutz zu nehmen ... Diesen wichtigen Zwischenschritt erlebe ich bei Dir so gut wie nie.

Wenn Du auf konkrete Fakten bezugnimmst oder sie paraphrasierst, dann ist es schlicht falsch. Dann weiß ich aber nicht, wie Du die Richtigkeit Deiner Thesen demonstrieren willst.

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Uuuups!

@Die gesamte Naturwissenschaft, die Biologie, ja, auch die Soziobilogie, aber unter Ideologieverdacht zu stellen, ist wiederum etwas, das nur dem Soziologen einfallen kann.

Hat Che das getan? Der hat doch m.E. sehr deutlich zwischen der Biologie an sich, einer empirischen Naturwissenschaft, und der Soziobiologie, einer sozialdarwinistischen politischen Ideologie, die sich als empirische Naturwissenschaft tarnt unterschieden - und macht damit gerade nicht den Fehler, den viele queerfeministische Leute machen, die Standpunkte wie das Willy-Denken mit der tatsächlichen Biologie velwechsern und dann zu so Positionen kommen, dass die Biologie eine "feindliche Wissenschaft" sei. Che beschäftigt sich eigentlich nur mit der Abwehr der "Wissenschaftskrieger" (ich würde sie sozialbiologistische IdeologInnen nennen).


@Dann weiß ich aber nicht, wie Du die Richtigkeit Deiner Thesen demonstrieren willst. Dazu hat der zum gefühlt zehntausendsten Mal Quellen genannt. Wie wäre es damit, die mal zu lesen?

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Oh mann, da habe ich ja in ein richtiges Wespennest gestochen. Möchte nur noch folgendes dazu sagen:

@Che: Was du oben andeutest (empirische Einwände), sagt Latour eben nicht, sondern er behauptet, dass man moderne wissenschaftliche Methoden nicht in die Zeit der Pharaonen zurücktransportieren kann, und nur so wäre (aus seiner Sicht) eine enstrepchende Diagnose möglich:

"„Koch bacillus can be extended into the past to be sure, but this cannot be done at no cost. To allow for such an extension, some work has to be done, especially some laboratory work. The mummy has to be brought into contact with a hospital, examined by white-coat specialists under floodlights, the lungs Xrayed, bones sterilized with cobalt 60, and so on. All this labor-intensive practice is quietly ignored by the position, which speaks of the extension in time as if it were a simple matter, requiring no laboratory, no instrument, no specially trained surgeon, no Xrays.What is made clear by the Paris-Match picture is that Ramses II's body can be endowed with a new
feature: tuberculosis. But none of the elements necessary to prove it can themselves be expanded or transported back to three thousand years ago. In
other words, Koch's bacillus may travel in time, not the hospital surgeons, not the X-ray machine, not the sterilization outfit. When we impute retroactively a modern shaped event to the past we have to sort out the fact-Koch bacillus's devastating effect on the lung-with that of the material and practical setup necessary to render the fact visible. It is only if we
believethat facts escape their network of production that we are faced with the question whether or not Ramses II died of tuberculosis.“

https://www2.southeastern.edu/Academics/Faculty/jbell/partialexistence.pdf

Damit ist natürlich nichts gesagt gegen die Möglichgkeit, dass es den Tuberkulose-Bazillus schon zur Zeit von Ramses gab und er genau daran gestorben ist. das ganze Geschreibe erscheint mir dementsprechend als überflüssig, pure Wichtigmacherei, typisch für viele französische Autoren.

2) Soziobiologie:

Ziggev hat ja schon ganz richtig erklärt, dass es Dawkins eben um egoistische Gene geht, nicht um egoistische Menschen oder um die Unmöglichkeit unegoistischen Verhaltens und daraus abgeleitete Vorstellungen von Gesellschaft. Ich sehe da auch bei dir den typischen Reflex von Linken gegen die Vorstellung, dass es Dinge gibt, die sich nicht ändern lassen (jedenfalls nicht in historischen Zeiträumen).

Und da sind wir dann wieder beim großen Thema des Scheiterns Linker Politik. ich sehe den Grund dafür in eben diesem Unwillen, die natürliche Begrenztheit der menschlichen Existenz zu akzeptieren und sich auf erreichbare Ziele zu konzentrieren. Das wäre dann die "Darwinistische Linke" von Peter Singer:

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2001-38/artikel-2001-38-der-neue-mensch.html

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Übrigens versucht eine holländische Autorin, dass gleiche auch für den Feminismus zu leisten:

https://ugent.academia.edu/GrietVandermassen

http://www.amazon.com/Whos-Afraid-Charles-Darwin-Evolutionary/dp/074254351X/ref=la_B001HPO5VM_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1432631041&sr=1-1

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Ich sehe nicht, wo che die Biologie als empirische Naturwissenschaft unter Generalverdacht stellt. Allerdings handelt es sich bei der Biologie wie auch bei Physik und jeder anderen Wissenschaft, die von der Natur handeln, nie um singuläre Wissenschaften, die rein für sich und ohne Bezug zu anderem existieren. Keine Naturwissenschaft steht einfach nur brav für sich da, sondern sie ist geschichtlich sistiert und in soziale Kontexte eingebunden. Insbesondere ihre Ergebnisse und wie diese interpretiert, gedeutet und gelesen werden, sind gesellschaftlich konnotiert. Ansonsten wäre kaum erklärbar, weshalb China bei ähnlich fortschrittlicherem Wissenschaftsstand nicht die gleiche koloniale Expansion nach Übersee durchführte wie Europa – beispielsweise. Den Kompaß besaßen beide Regionen. Ähnliches gilt für die Biologie, die zu bestimmten Zeiten – etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts und dann wieder in den 90er des 20. Jhds zur Kernwissenschaft aufstieg. Daß Biologie und Gesellschaft in einem Zusammenhang stehen, zeigt etwa Foucault auf, wenn er z.B. die Hygienekonzepte oder die Bevölkerungsplanung zum Thema erhebt. Das geht nicht ohne Kenntnisse der Medizin und der Biologie. Che wies zudem auf Darwin und die Soziobiologie hin. Gerade anhand von Darwin müßte es dem Blindesten ins Auge springen, wie hier empirische Beobachtungen und daraus abgeleitete soziale Regeln ineinander spielen. Oder nehmen wir solche Wissenschaften wie die Physiognomik im 18. und 19. Jahrhundert, die sich dann allerdings als Pseudo-Naturwissenschaft erwies.

Zudem: Naturwissenschaftliche Daten sind nicht einfach bloße Fakten und rohe Daten, die für sich stehen, sondern sie werden gesellschaftlich interpretiert, ausgelegt und benutzt. Natürlich bedeutet das nicht, daß Geschlecht eine reine soziale Konstruktion ist. Was auch niemand ernsthaft behauptet. Aber genauso absurd ist es anzunehmen, der Begriff des menschlichen Körpers hinge als naturwissenschaftliche Entität am ewigen Ideenhimmel der Naturwissenschaften. Das Körperbild der Antike ist ein völlig anderes als das in der Spätmoderne, innerhalb der verwalteten Gesellschaft. Der Körper des Menschen wird von ganz verschiedenen Disziplinen durchzogen. Dies bedeutet nicht, daß eine Blinddarmoperation ein soziales Konstrukt sei. Auf die Idee käme wohl kaum einer. Daß wir aber irgendwann auf die Idee kamen, einen Blinddarm überhaupt herauszuoperieren, hat mit mehr zu tun als bloß mit rein medizinischer Forschung oder mit bloßer Naturwissenschaft. Wie die Medizin die Organisation und Erhaltung von Leben am Toten (nämlich an der sezierten Leiche) orientierte, zeigt etwa Foucault in seinem Buch „Die Geburt der Klinik“. Sehr interessant zu lesen, wie sich hier Natur- und Geisteswissenschaft verschränken. Zumindest dann, wenn man sich dem Text einigermaßen vorurteilslos nähert.

Übrigens ist auch der Naturbegriff ein gesellschaftlich gemachter. Natur ist nicht an sich da, sondern eine Natur zweiter Hand, eine Natur für uns, eben durch das Subjekt und durch gesellschaftliche Formationen hindurch und das heißt dann: immer auch eine Natur, die durch die Gesellschaft betrachtet wird.

Es gibt keine egoistischen Gene. Diese Einschätzung ist bereits eine Interpretationsleistung. Diese erfolgt in Sprache, Sprache ist ein Produkt der …? Kultur! Richtig.

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@ willy,

zunächst (I.): Du hast richtig erkannt, dass Ches Argumentation nicht der Linie von B. Latour folgt. Festzuhalten, dass es sich bei der des Che um eine Argumentation handelt, die sich auf wissenschaftliche Fakten stützt, schien mir aber dennoch in diesem Zusammenhang von Nutzen. Che kennt Latour offenbar nicht so gut oder hält ihn nichr für so zielführend, wie auch immer ...

Doch: was glaubst Du, sei aus Deiner Position damit, festzustellen, dass "Damit [...] natürlich nichts gesagt [ist] gegen die Möglichgkeit, dass es den Tuberkulose-Bazillus schon zur Zeit von Ramses gab und er genau daran gestorben ist", gewonnen ?

Denn ganz offenbar ist es Latour darum überhaupt nicht gegangen.

"In other words, Koch's bacillus may travel in time, not the hospital surgeons, not the X-ray machine, not the sterilization outfit. When we impute retroactively a modern shaped event to the past we have to sort out the fact - Koch bacillus's devastating effect on the lung - with that of the material and practical setup necessary to render the fact visible. It is only if we believe that facts escape their network of production that we are faced with the question whether or not Ramses II died of tuberculosis.“

Auf nicht mehr als diesen Unterschied will Latour aufmerksam machen. Latour begab sich gewissermaßen als Antropologe unter Naturwissenschaftler und beobachtete deren Verhalten. Er stellte dann fest, auf welche vielfältige Weise die verschiedenen Stadien im Prozess des "Machens", "Herstellens" von "Fakten" (der Wortsinn ist eben dieses "machen" oder "herstellen") mit der Realität verbunden sind. Das ist ja gerade die "Erleuchtung" Latours: die Realität gibt es wirklich "da draußen" ! Langweilerargumente, sein angeblicher "Kontruktivismus" leugne die Realität. Du widerlegst ihn anhand von Unterstellungen.

Im Grunde will er die Naturwissenschaft wieder in ihre Rechte jenseits der Wissenschaftskriege einsetzen. (siehe Zitat oben.) Dann noch ein bisschen nachtreten gegen "französische Autoren", das ist wirklich etwas billig.

II., (@ willy & netbitch)

Ich habe Dawkins gar nicht (vielleicht mal eine Besprechung in der New York Times) und also nicht dessen Schrift zu den "Egoistischen Genen" gelesen. Nur mal so zwischendurch was von dem gehört (vermutlich, wenn, dann in der Sendung "Wissenschaft und und Forschung" auf dlf, immer 16.30 h). Das einzige, was ich durchführte, ist etwas gewesen, das ich mal "Plausibilitäts-Check" nennen will. D.h., z.B., dass ein teleologisches Verständnis Darwins natürlich nicht plausibel zu machen ist: Die Schnecke hat kein geschnecktes Gehäuse, damit sie sich darin verkriechen kann. Darum ja der ganze Darwin! Umso augenfälliger eine contradictio in adiecto wäre darum der "Egoismus von Genen". Der einzige plausible Grund, von solchem "Egoismus" zu sprechen, wäre der, jetzt zumindest die "Art" als "Ziel" biologischer (evolutionärer) Prozesse ausgeschlossen zu haben. Die Zureichendeh Gehalte einer These solange reduzieren, bis etwas Plausibles bei berauskommt. Ganz ähnlich dem Principle Of Charity.

Beispiel: Warum sollte ich mich zum Solipsismus bekennen? Wäre ich allein und alles bloß (m)ein Film - warum sollte ich eine solche These aufstellen: Dieses Selbstgespräch - denn alle, mit denen ich die Frage des Solipsismus diskutieren würde, wären lediglich Spiegelungen meiner selbst - würde ein Entrinnen aus dem eigenen Film von vorneherein ausschließen. Also ist die These des Solipsismus unplausibel. Plasibilitäsprüfung nicht bestenden. very simpel.

Die Realität "da draußen" zu leugnen, wäre demnach nicht plausibel. Ich zitiere Che: "Selbst Homosexualität hat in dieser Denkweise eine biologische Grundlage, da es im Steinzeitkollektiv Menschen geben musste, die sich um Kunst und spirituelle Dinge kümmern konnten, ohne durch eigenen Nachwuchs beschwert zu sein." Was ist daran so unplausibel, wenn wir an der Evolutionstheorie als z.z. am besten belegte Theorie in der Biologie festhalten, dann zu vermuten, dass z.B. auch Homosexualität eine biologische Basis haben könnte? Reduzieren wir diese Idee auf ihren Plausibiltätskern, so bleibt ganz einfach die Theorie, dass Homosexualität durch evolutionäre Prozesse nicht verhindert worden ist. Ohne irgend in Schwierigkeiten zu geraten, können wir daran festhalten, das alles, auch soziales Verhalten, eine biologische Basis besitzt. Das ist gar nicht so kompliziert. Immer schön reduzieren: Wenn es keine Menschen gäbe, gäbe es auch kein Sozialverhalten. Die biologistische These lässt sich einfach nicht hintergehen. Vorausgesetzt, wir leugnen nicht die Welt "da draußen" - das ist die einzige Bedingung.

Aus Soziobiologischer Sicht wird die Situation, wie sie Che anderen in den Mund gelegt, tatsächlich anders dargestellt. Tatsächlich, so kann man es sich vorstellen, stellte sich früh das Problem der Geburtenkontrolle. Na, und wer nahm das dann in die Hand (die Hände)? Natürlich die Frauen, die das ureigenste Interesse daran hatten, dem Gebären auf Deubel-komm-raus einhalt zu gebieten. Wir hätten die Vermutung, dass die ersten kulturellen Formen matriarchalischer Natur waren. Mir machen solche Theorien einfach Spaß. Aber weiter: Was Che implizit als "Notwendigkeit" voraussetzt - dass es "im Steinzeitkollektiv Menschen geben musste, die sich um Kunst und spirituelle Dinge kümmern konnten" - wäre nun plausibel: Nur durch die kulturelle Überlistung durch weibliche Priesterinnen konnte dem ungehemmten Herumgeficke einhalt geboten werden, welches die Geburtenkontrolle verunmöglicht hätte, deshalb war Kultur erforderlich. Dadurch wurde Homosexualität nicht verhindert und könnte sich vielleicht(!) irgendwie auf biologischer Basis niedergeschlagen haben. Wollen wir das wirklich wissen? - Aber das ist eine ganz andere Frage ...

... Die angeblichen Reduktionisten - die Soziobiologen - müssen erst auf den plausiblen Kern ihrer Aussagen reduziert werden, erst dann kann ihre Übergriffigkeit in gesellschftliche u. politische Sphären, anhand von Argumenten aus der Biologie, demonstriert werden. Latour scheint mir jemnd zu sein, der diese blinde Oppositionsstellung aufzulösen versucht, und ich finde, man sollte sich seine Argumente einmal anhören.

Sich dem zu verweigern, ist für mich "Die gesamte Naturwissenschaft, die Biologie, ja, auch die Soziobilogie, aber unter Ideologieverdacht zu stellen", etwas weitgreifend formuliert, zugegeben, aber, nochmal wie oben zitiert, Latour: "Gute Naturwissenschaftler beteiligen sich nur in ihrer Freizeit oder im Ruhestand oder beim Auslaufen ihrer Forschungsgelder an den Wissenschaftskriegen, doch das andere Lager steht Tag und Nacht in Waffen und erhält sogar noch Forschungsgelder zur Fortführung des Kampfes. Daher ärgern wir uns so über den Verdacht [Konstruktivismus !!] der Kollegen aus den Naturwissenschaften."

Kritik sollte doch immanent ablaufen können, oder nicht? Wenn nicht, dann handelt es sich aber womöglich um einen uns alle mittlerweile langweilenden Wissenschaftskrieg.

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@ bersarin

also zu Dir auch nochmal: Wenn Che sich folgendermaßen äußert: "denn eigentlich ist das [die Soziobiologie] nichts weiter als der alte Sozialdarwinismus, der sich von seinen häßlichsten Kindern, Eugenik und Rassenkunde getrennt hat. Zur Arroganz von Soziobiologen gehört, dass diese meinen "DIE" Wissenschaft zu vertreten und den Geistes- und Sozialwissenschaften Wissenschaftlichkeit absprechen", so vermisse ich eine immanente Kritik. Die Du ja auch immer so vehemennt einforderst in Deinem Gebiet. So habe ich vielleicht etwas vorschnell geurteilt, Che würde die "Biologie als empirische Naturwissenschaft unter Generalverdacht" stellen. Ich wäre damit ja auch im Widerspruch mir mir selbst, da ich ja selber Ches Beispiele aus der Geschichte verschiedener Krankheiten willkommen hieß, denn hier wurde einfach Wissenschaftsgeschichte sogar populärwissenschaftlich nachvollziehbar dargestellt (das vermisse ichaber leider bei den fraglichen Punkten). - Er hat nur nicht im Sinne Latours geantwortet.

Aber so von alten Schläuchen zu sprechen, ohne diesen Punkt betreffend die Soziobiologie immanent zu widerlegen oder wenigstens soweit zu "reduzieren", dass eben eine solche Kritik oder Widerlegung - ihre, zugegeben, oft einach nur wilde Spekulationen großzügig ausklammernd - überhaupt verständlicherweise möglich wäre, kann man auch so auffassen, dass eine "biologische Argumentation" überhaupt abgelehnt wird.

Nochmal Che: "Zur Arroganz von Soziobiologen gehört, dass diese meinen "DIE" Wissenschaft zu vertreten und den Geistes- und Sozialwissenschaften Wissenschaftlichkeit absprechen" - darin sind wir uns also, wie es aussieht, einig: DIE Wissenschaft hat nichts mit "Wissenschaft" zu tun, sondern ist ein politischer Kampfbegriff. Das Problem ist aber, dass die Humanisten, ihre "Wissenschaft" nicht minder als eine "DIE-Wissenschaft" aufzufassen scheinen.

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Eine biologische Argumentation lehne ich überhaupt nicht ab, bin ja auch nicht nur Historiker und Politikwissenschaftler, sondern ein Stückerl weit auch Anthropologe. Nur sagen die nicht soziobiologischen Biologen und Genetiker die ich so kenne, dass Gesellschaftsstrukturen, politische Systeme oder soziale Handlungsweisen sich gar nicht glatt aus der Biologie ableiten lassen, es gibt demzufolge auch keine Gene für komplexe Begabungen oder Neigungen, weil die DNA-Sequenzen viel zu kurz sind für solch differenzierte Wechselverhältnisse. Der Kampf spielt sich also, und zwar schon seit Darwin ab zwischen Biologen, die ganz bescheiden sagen: "Wir beschreiben die evolutionäre Grundlage, mit Fragen zur Gesellschaft haben wir nichts zu tun, das überlassen wir Anderen" und solchen, die meinen, alle oder doch wesentliche gesellschaftswissenschaftlichen Fragen aus der Biologie herleiten zu können. Im Weiteren gibt es Gesellschaftswissenschaftler, die als Reaktion auf den Sozialdarwinismus (welche Rolle das bei aktuellen politischen Bewegungen spielt zeigt wiederum das letzte Posting bei Netbitch) jegliche biologische Begründung von menschlichen Verhaltensweisen kategorisch zurückweisen und jene, die das nicht tun, sich aber gegen die Vereinnahmungsversuche der soziobiologischen Fraktion wenden, zu Letzteren rechne ich mich.

Natürlich folge ich nicht der Linie von Latour, meine eigene wissenschaftliche Richtung ist die der Historischen Anthropologie, die Marx, Engels, die Kritische Theorie und den französischen Strukturalismus/Poststrukturalismus, insbesondere Levy-Strauss, Bourdieu und eine ganz bestimmte, eher ethnologisch ausgerichtete Foucault-Interpretation verbindet (und richtet sich damit auch wieder explizit gegen kulturpessimistische und ästhetikzentrierte Adorno-Interpretationen, wie sie etwa Schnädelbach vertritt oder eine Foucault-Exegese, die die Herkunft seiner Ansätze von Nietzsche und Heidegger in den Mittelpunkt stellt).

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aber Che! "... sagen die nicht soziobiologischen Biologen und Genetiker die ich so kenne, dass Gesellschaftsstrukturen, politische Systeme oder soziale Handlungsweisen sich gar nicht glatt aus der Biologie ableiten lassen, es gibt demzufolge auch keine Gene für komplexe Begabungen oder Neigungen, weil die DNA-Sequenzen viel zu kurz sind für solch differenzierte Wechselverhältnisse."

-- Das ist doch ein Gemeinplatz !!! Es geht darum, dass oder ob überhaupt es eine biologische Basis dafür gibt, oder ob sie allgemein bestritten werden muss. Wir haben keine Verifikation nach den bisher recht bescheidenen Kenntnissen auf diesem Gebiet. Aber haben wir jetzt wirklich eine Falsifikation des Gegenteils?

Hier geht es ganz offenbar um innersoziologische Kontroversen, die sonst niemand interessiert.

"Der Kampf spielt sich also, und zwar schon seit Darwin ab zwischen Biologen, die ganz bescheiden sagen: "Wir beschreiben die evolutionäre Grundlage, mit Fragen zur Gesellschaft haben wir nichts zu tun, das überlassen wir Anderen" und solchen, die meinen, alle oder doch wesentliche gesellschaftswissenschaftlichen Fragen aus der Biologie herleiten zu können."

Ok., das ist ein Argument. Aber: welcher ernstzunehmende Wissenschaftler würde sich auf eine solche Entweder-Oder-Gegenüberstellung einlassen? Eine solche zu postulieren, zeigt bereits ein Vorfestlegung. Das ist doch gerade das Problem!

Im Übrigen wäre das "und zwar schon seit Darwin" auszuweisen. - Es handelt sich vermutlich um einer Erfindung von Diskurssüchtigen. Im Unterschied zu diesen Soziologen lese ich Darwin im Original. Daraus ergeben sich ausnahmsweise mal wirklich interessante Fragestellungen.

"sich aber gegen die Vereinnahmungsversuche der soziobiologischen Fraktion wenden" - Wer oder was soll vereinnahmt werden? Das muss zuerst klargestellt werden.

Die inneren Kämpfe unter Soziologen, "ob nun Marx, Engels, die Kritische Theorie oder den französischen Strukturalismus/Poststrukturalismus, insbesondere Levy-Strauss, Bourdieu und eine ganz bestimmte, eher ethnologisch ausgerichtete Foucault-Interpretation" heranziehend, interessiert mich nicht die Bohne.

Der Standpunkt derjenigen, die "bescheiden" sagen: Wir "beschreiben die evolutionäre Grundlage, mit Fragen zur Gesellschaft haben wir nichts zu tun, das überlassen wir Anderen", wäre echt idiotisch, wenn er als einzige Alternative anerkennen würde, dass "wesentliche" "gesellschaftswissenschaftliche Fragen aus der Biologie" herzuleiten wären. Das haben Soziologen, die zu faul sind, sich mit der Materie zu beschäftigen, sich schön so zusammengestrickt. Es ist eine Alternative, die sich überhaupt nicht stellt. Höchstens interessant, damit irgendwelche Forschungsgelder zur Verfügung gestellt werden.

Diese Alternative interessiert wirklich kein Arsch.

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... aber o.k. - ich werde demnächst mal wieder bei netbitch vorbeischauen ...

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Tja ziggev,jetzt habe ich Dich!
@"Im Unterschied zu diesen Soziologen lese ich Darwin im Original. Daraus ergeben sich ausnahmsweise mal wirklich interessante Fragestellungen." Na dann muss Dir ja diese Originalaussage Darwins geläufig sein:

"So neigen also die leichtsinnigsten, heruntergekommenen und lasterhaften Glieder der Menschheit dazu, sich schneller zu vermehren als die gewissenhaften, pflichtbewussten Menschen.
Oder, wie Greg den Fall darstellt, der sorglose, schmutzige, genügsame Irländer vermehrt sich wie ein Kaninchen; der mäßige, vorsichtige, sich selbst achtende Schotte in seiner ernsten Sittlichkeit, seinem durchgeistigten Glauben, seiner scharfsinnigen, selbstbewußten Intelligenz verbringt seine besten Jahre in Kampf und Ehelosigkeit, heiratet spät und hinterläßt wenig Kinder. Gesetzt den Fall, ein Land sei ursprünglich von Tausend Sachsen und Tausend Kelten bewohnt, so würden nach einem Dutzend Menschenaltern fünf Sechstel der Bevölkerung Kelten sein, aber fünf Sechstel alles Besitztums, aller Macht und Intelligenz würde sich in den Händen des einen Sechstels Sachsen befinden. Im ewigen Kampf ums Dasein würde die untergeordnete, weniger begünstigte Rasse gesiegt haben, und zwar nicht kraft ihrer guten Eigenschaften, sondern kraft ihrer Fehler."
- Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen, Stuttgart 1966, S. 171



Und nu?


Auf solche Argumentationen stützte sich die Kolonialpolitik, die Todesstrafe wurde zu Darwins Zeiten mit den "Geborenen Verbrechern" mit schlechten Erbanlagen begründet und die Hinrichtungen als "heilsames Ausjäten des Volkskörpers" begriffen usw. Was Soziologen so diskutieren weiß ich gar nicht, die Leute auf die ich mich hier beziehe sind Historiker, Politikwissenschaftler, Ethnologen, Pädagogen,teils auch Psychologen und Mediziner.

Zu den "Diskurssüchtigen" gehören durchaus Entscheidungsträger wie Regierungsräte in Landesschulbehörden oder Aktivisten wie der Hamburger Anti-Inklusionsinitiative "Wir wollen lernen", den sie folgen diesen Diskursmustern, selbst wenn ihnen das nicht bewusst ist.

Im 19. Jahrhundert war das alles noch sehr offensichtlich. Da behaupteten darwinistische Biologen, dass Bourgeoisie und Proletariat Abkömmlinge unterschiedlicher "Rassen" seien und die sozialen Untereschiede Ergebnis ererbter unterschiedlicher Intelligenz. Nicht umsonst hieß ein Schlüsselwerk dieser Zeit "Die Biologie gegen die sozialdemokratische Theorie" von Heinrich Ernst Ziegler. Unzählige Schädel wurden vermessen um diese Hypothese zu erhärten. Ich spare mir jetzt die detaillierte weitere Erörterung der Diskursgeschichte, für die ich etwa 450 Seiten gebraucht hatte und das kürzer heute auch nicht hinbekommen würde. Nur so viel: In Gestalt der "Siebungshypothese" ist die Vorstellung einer Ungleichverteilung von Intelligenz aufgrund ererbter Anlagen noch immer im Schwange und von Einfluss auf bildungspolitische Debatten. Und wenn man sieht, wer die Siebungshypothese in den Humanwissenschaften in Deutschland vorangetrieben hat landet man unweigerlich bei der NS-Täterin Ilse Schwidetzky, einer der in der Nachkriegszeit wichtigsten Personen in der deutschen Anthropologie. Deren Schüler Rainer Knußmann schrieb noch 1980 in "Vergleichende Biologie des Menschen", bis in die 1990er ein Standardwerk für das Biologiestudium durch Siebung bedingte Intelligenzunterschiede bei unterschiedlichen sozialen Gruppen seien nachgewiesen, die vergleichende Zwillingsforschung liefere den Nachweis für die Vererbbarkeit der Intelligenz, die Kinder skandinavischer Eltern erzielten bei der Raumorientierung höhere Leistungen als solche jüdischer Herkunft, die dafür aber besser rechnen konnten usw. Wie gesagt, das war noch nach 1990 Standardlehrstoff im Humanbiologiestudium. Ich bin den Quellen, auf die Knußmann sich bezog und den Lehrer-Schüler-Kontinuitäten, die sich da zurückverfolgen ließen nachgegangen und in wirklich jedem Fall entweder bei der NS-Rassenhygiene oder offenkundigen Fälschungen gelandet, bzw. über diesen Zeithorizont weiter zurück bei ollen Sozialdarwinisten im Kaiserreich. Modernisiert wurde nur das Vokabular. Man sagt nicht mehr "nordische Rasse", sondern "skandinavische Abstammung", nicht mehr "Watutsi" oder "Neonegrid", sondern "Äthiopider Habitus". Uralter Wein in schicken neuen Schläuchen.


Zurückkommend auf Alltagsdiskurse, bei jeder Debatte um Gesamtschulen, Elitenförderung, Bildungsnotstand, Zentralabitur etc. schwingen die Siebungshypothese und die unterschiedlichen Vorstellungen zu Erblichkeit und Erwerbung von Intelligenz mit, einschließlich der 150 Jahre ideengeschichtlicher Hintergrund. Bei den ganzen Blogschlachten bei/mit Momorulez wurde dieser ganzen Zusammenhang über Jahre hinweg ausgewälzt, ich wundere mich sehr, dass das alles bei Dir überhaupt nicht präsent ist.

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Che, entsprechende Aussagen gibt es auch von Marx, Darwin war so rassistisch wie alle Menschen seiner Zeit.

Der Unterschied liegt aber darin, dass man aus Darwins Theorien den Sozialdarwinismus eben nicht folgern kann, typischer Fall von naturalistischem Fehlschluss. "Survial of the fittest" bedeutet, dass sich die am besten angepassten stärker vermehren, als die weniger gut angepassten, eine reine Tatsachenbehauptung, keine normative Aussage.

Hingegen sind Leninismus und Stalinismus aus Marxens Theorien durchaus stringent ableitbar; Marx begeht selber den Fehlschluss in dem er das, was ohnehin geschieht auch noch bewusst anzustreben vorschreibt.

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Bersarin: "Übrigens ist auch der Naturbegriff ein gesellschaftlich gemachter."

Aber die Natur ist nicht gesellschaftlich gemacht, und ohne die Natur gäbe es keine Menschen, keine Sprache und keine Begriffe. Die Natur ist primär und die Gesellschaft ist sekundär, ein aus der Natur heraus entstandenes Phänomen, dass nur existiert, solange ihm die Naturbasis nicht abgeschnitten wird. Sprache und Denken sind evolutionär enstandene Phänomene genau wie Verdauung und Fortpflanzung. Ich habe das Gefühl, dass leute wie du das gelegentlich aus dem Blick verlieren.

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Ich möchte auch noch mal auf den obern verlinkten Text von Peter Singer verweisen, in dem es heißt:

"Was also unterscheidet eine darwinistische Linke von früheren Versionen der Linken? Erstens leugnet sie weder die Existenz einer Natur des Menschen, noch besteht sie darauf, diese Natur sei a priori gut oder unendlich formbar. Zweitens wird sie nicht davon ausgehen, alle Konflikte und Streitigkeiten zwischen Menschen beseitigen zu können. Drittens wird sie nicht annehmen, alle Ungleichheiten seien auf Diskriminierung, Intoleranz, Unterdrückung oder Milieuschäden zurückzuführen. Einige schon, aber nicht alle.

Wofür wird eine darwinistische Linke eintreten? Erstens wird sie akzeptieren, dass es eine Natur des Menschen gibt. Sie wird diese eingehender untersuchen, um ihre Politik auf die besten verfügbaren Forschungsergebnisse darüber, was Menschen ausmacht, gründen zu können. Zweitens wird sie erwarten, dass viele Menschen in vielen verschiedenen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen miteinander konkurrieren, um den eigenen Status zu erhöhen, Macht zu erlangen und ihre eigenen Interessen und die ihrer Nachkommen zu verfolgen. Drittens wird sie erwarten, dass viele Menschen, ungeachtet des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems, in dem sie leben, positiv auf Angebote reagieren, sich auf für beide Seiten vorteilhafte Formen der Kooperation einzulassen, sofern diese Angebote ernst gemeint sind. Viertens wird sie sich für Strukturen einsetzen, die Kooperation dem Wettbewerb vorziehen, und versuchen, das Konkurrenzdenken in Richtung sozial erstrebenswerter Ziele zu dirigieren. Fünftens wird sie anerkennen, dass die Art und Weise, wie wir nichtmenschliche Wesen behandeln, ein Relikt der prädarwinistischen Vergangenheit ist, in der der Abstand zwischen Menschen und anderen Wesen überbewertet wurde, und auf einen höheren moralischen Status für nichtmenschliche Tiere hinarbeiten. Sechstens wird sie für traditionelle Werte der Linken einstehen und sich mit den Schwachen, Armen und Unterdrückten solidarisieren, sich jedoch sehr genau überlegen, was diesen wirklich nützt."

Ich jedenfalls kann das unterschreiben.

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"Die Natur ist primär und die Gesellschaft ist sekundär, ein aus der Natur heraus entstandenes Phänomen, dass nur existiert, solange ihm die Naturbasis nicht abgeschnitten wird. Sprache und Denken sind evolutionär enstandene Phänomene genau wie Verdauung und Fortpflanzung. Ich habe das Gefühl, dass leute wie du das gelegentlich aus dem Blick verlieren."

Bersarin hat mehrfach deutlich gemacht, dass er das nicht aus dem Blick verliert.

Möglicherweise gibt es tatsächlich Philosophen, die das tun. Ich bin mir aber unsicher, ob ihnen das nicht lediglich unterstellt wird.

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@willy: "Che, entsprechende Aussagen gibt es auch von Marx, Darwin war so rassistisch wie alle Menschen seiner Zeit.

Der Unterschied liegt aber darin, dass man aus Darwins Theorien den Sozialdarwinismus eben nicht folgern kann, typischer Fall von naturalistischem Fehlschluss. "Survial of the fittest" bedeutet, dass sich die am besten angepassten stärker vermehren, als die weniger gut angepassten, eine reine Tatsachenbehauptung, keine normative Aussage." ---- Ich stimme Dir in Bezug auf das Survival of the fittest völlig zu, auch, dass es sich da um einen den Naturgesetzen entsprechend blinden und nicht teleolgischen Prozess handelt. Aber seine rassistischen Äußerungen über Iren waren Teil seiner Theorien, Darwin selber der erste Sozialdarwinist. Selbst die "Rassenhygiene" war Teil der damaligen medizinischen Wissenschaft, nämlich der Hygiene, und die Mord- und Sterilisationsprogramme zur Vermeidung von "Keimvergiftungen" reflektieren den Stand eines damaligen wissenschaftlichen Diskurses. Marx seinerseits hat sehr betont, dass er niemals Marxist war. Lenins voluntaristischer Versuch einer sozialen Revolution in Russland unter marxistischen Vorzeichen steht sogar im absoluten Gegensatz zu der marx/engelsschen Theorie, derzufolge die soziale Revolution von den höchstentwickelten Industriestaaten ausgehen würde, wenn der Kapitalismus dort seine finale Krise erreicht habe.

Übrigens hat die Verwendung von Marxschen Theoremen in der Geschichtswissenschaft oder Kulturanthropologie nichts mit Marx als Politiker zu tun. Biologisch wird dort auch gearbeitet, aber nicht im Sinne von Erklärungen sozialer Prozesse aus der Evolution heraus, sondern in Form von DNA-Analysen, Dendrochronologie etc.

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Ich finde ja in dem Zusammenhang den "Spekulativen Realismus" interessant, der eine Rückkehr zu Fragestellungen darstellen soll, die die "äußere Welt" betreffen. Und zwar eingedenk der konstruktivistischen Vorbehalte und ohne in einen "naiven Realismus" zurückzukehren.

"Meillassoux geht in seinem Buch von folgendem Problem aus: Wie kann man erklären, dass es für die Wissenschaften möglich ist, eine Welt ohne Menschen, d. h. entweder vor der Entstehung der Menschheit oder auch nach dem Aussterben
der Menschheit, zu beschreiben? Eine solche Frage könnte für jeden Korrelationisten, d. h. für jede nachkantische Philosophie, als vollkommen sinnlos erscheinen, insofern sich seit Kant jede Philosophie in den Rahmen der Korrelation zwischen Denken und Gedachtem einschreiben muss. Wie lässt
sich dann aber der Anspruch der Wissenschaften, wahre Aussagen über eine Welt ohne Menschen zu erstellen, erklären?
Müssen die Wissenschaften dabei nicht über den
Korrelationismus hinausgehen? Gerade diese Frage bildetMeillassouxs Ausgangspunkt. (....)
Der ,spekulative Realismus‘ setzt sich einerseits einem auf dem Subjekt gegründeten Idealismus
entgegen, insofern als es darum geht, aufzuzeigen, dass wir das, was ist, denken können, und dass dieses Denken keineswegs auf ein transzendentales, konstituierendes Subjekt angewiesen ist. Die Realität erhält somit einen selbstständigen, ontologischen Status; die Gegenstände und Dinge befinden sich
außerhalb von uns, in einer radikalen Äußerlichkeit, in dem ,Großen Außen‘ (Grand Dehors) (Meillassoux 2006, 21; 2008,21) die auf kein Bewusstsein, keine Sprache, kein Dasein bezogen ist, sondern absolut an sich besteht.
Genauso wie vom Idealismus unterscheidet sich dieser
,spekulative Realismus‘ auch von einem naiven oder
dogmatischen Realismus, der die Macht der Vernunft nicht in Frage stellen würde: Das, was wir denken, wäre immer die Realität an sich. Meillassoux fällt aber nicht hinter Kants Kritik zurück, im Gegenteil. Weit davon entfernt, eine uneingeschränkte Macht des mathematischen Denkens vorauszusetzen, fragt er nach den Bedingungen der Möglichkeit
der wissenschaftlichen Erkenntnis: Inwiefern können die wissenschaftlichen Aussagen über Dinge und Tatsachen außerhalb jeglichem Bewusstsein einen Sinn haben?"

http://www.metajournal.org/download.php?id=190&type=articles.

Oder hier:

"With the inauguration of correlationism we get a battle of the correlationists. Which relation, the correlationist asks, is the genuine correlation? Which relation is the genuine relation that governs the production of the given for the subject? Thus Kant locates the genuine correlation in the relation between transcendental subjectivity and the matter of intuition conditioned by the categories of the understanding and the pure forms of intuition imposed by mind. The phenomenologist locates the correlation in the sense-bestowing activity of transcendental subjectivity in lived experience. Wittgenstein finds the correlation in language games constituting the world. Habermas in the universals of communicative action. For Foucault the correlation is to be found in the dynamics of power and discourse. The cultural Marxist discerns the correlation in the socio-economic structures of history. The hermeneut argues that the correlative structures are to be found in historically informed linguistic consciousness. The sociologist and anthropologist locate the correlational relation in social, communicativve, and cultural categories belonging to a particular group. And so on. All of these orientations agree in the basic claim that the object is only an object for a subject and the subject is only a subject for the object, and that we never know an object as it is in-itself independent of the structures that condition appearances.

Philosophical debate thus becomes a debate as to whether there are universal correlative structures shared by all of humanity (Kant, Husserl, Habermas, etc), or whether we have a generalized relative wherein there are many incommensurate correlative structure that are irreducible to one another (late Wittgenstein, Lyotard, Derrida, Foucault, perhaps Marx, etc).

Although Meillassoux does not point this out, insofar as each of these frameworks is self-referential or auto-performative (we are unable to appeal to the in-itself, but only the immanent criteria of the framework of givenness belonging to mind, the subject, society, language, or history), we are left without the means of deciding among these alternatives. At best we choose among these alternatives through a sovereign gesture that cannot itself be grounded or justified. What, for example, leads me to articulate the framework of givenness in terms of Wittgenstein or Derrida rather than phenomenology or Marx or Freud or Lacan or Gadamer or Levi-Strauss or Bourdieu? Like a fly trapped in a bottle, I shuttle back and forth between these alternatives, finding all equally plausible as ways of accounting for givenness while simultaneously finding none plausible. I make the argument that lived intentional consciousness is the ground of givenness, only to then recognize that I can only articulate this lived experience through the framework of language, only to then recognize that I only ever encounter lived experience through the framework of the social characterized by power relations and discursive relations, only to then discover that every thought and practice I engage in is conditioned by a history not of my own making. Each of these frameworks appears equally compelling and equally contingent. We are presented with critique after critique, each one calling for a hyper-self-reflexive analysis of the conditions for our relation to the object; this critique Kantian, that Husserlian, this one Heideggerian, that one Merleau-Pontyian, this one linguistic, that one Foucaulto-Bourdieauian analyzing power, practice, and discourse, this one Marxist analyzing our historical and socio-economic conditioning, that one Freudo-Lacanian analyzing the unconscious and desire.

While we can elect to take up any of these self-reflexive, hyper-critical positions and say a good deal about givenness, we are never really given a criteria as to why one ought to be preferred over the other. Or, perhaps a bit more precisely, each justification seems to be circular insofar as it seems to presuppose the very position it seeks to ground. Each claims that its ground is the fundamental ground, yet each is unable to really demonstrate that this is the ultimate ground. The Wittgensteinian claims that language is the ultimate ground, yet the Kantian or Husserlian can reply that language would not itself be possible without transcendental subjectivity or the sense-bestowing intentional activities of lived experience. The Wittgensteinian then replies that lived intentional experience is not possible without language, and the structural anthropologist snears at both, pointing out that neither are possible without invariant cultural structures shared by the savage and modern alike. And so it goes with each choosing their position according to their preference.

As Badiou has observed, accompanying all of this is a general disappearance of philosophy. Admittedly, this might be progress if, in fact, philosophy is akin to alchemy. As correlationism becomes more refined and developed, philosophy comes to be replaced by linguistics, economics, sociology, anthropology, psychoanalysis, cognitive science, and so on. In the language of cybernetics, each of these discourses are second-order cybernetic discourses that observe how observers observe the world while remaining agnostic about the truth-values of these first-order cybernetic discourses. From the perspective of the correlationism in the social sciences, the world of the Pentacostal fundamentalist is every bit as legitimate as that of the quantum physicist. Both are correlative structures that posit their own objects and produce their own givenness. How could we decide between either? There is thus a general “textualization” of the world, where the correlationist does not speak directly of the world– to do so would be to fall into naive realism –but where one talks about talk about the world. This, perhaps, is the reason that philosophy as practiced in philosophy departments consists in commentary over texts. "

https://larvalsubjects.wordpress.com/

Oder auch hier, plakativer:

"Einhörner exisitieren, das Universum existiert, die BRD existiert. Aber die Bundesrepublik existiert nicht im Universum". Denn Einhörner seien natürlich wichtig in Literatur und Film – "Das letzte Einhorn" ist kein Film über einen Esel, der sich verkleidet hat, sondern eben ein Film über ein Einhorn, nämlich das letzte. Das Universum ist Gegenstand der Physik. Die Bundesrepublik ist Gegenstand von Justiz und Soziologie, aber eben nicht der Physik."

http://www.art-magazin.de/szene/68298/spekulativer_realismus_fuer_einsteiger_symposium

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@ Willy
Daß Gesellschaft und Mensch die Natur zur Basis haben, bestreitet keiner, Willy. Ich weiß nicht, woher Du immer wieder diese absurde Mutmaßung nimmst und wer Dir diese einflüsterte. Mutter Natur? Oder ist es ein Gendefekt? Aber es bleibt dabei: Sprache, Wissenschaft und Kulturleistungen sind nun einmal nicht Natur. das heißt nicht, daß Natur sich in Sprache und Gesellschaft erschöpft. Zudem ist auch die Natur ein Begriff, der nur deshalb begriffen wird, weil es Gesellschaft gibt. Eine für sich seiende Natur ohne Bewußtseins- und Denkformen ist ein amorpher, nicht benennbarer Zustand.

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Perlen für die Säue
Der Che hat hier einen fantastomatischen Abriss der Begriffs- und Ideengeschichte rund um den Sozialdarwinismus unter Einschluss des NS und der späteren neu-rechten Ideolgiebildung und deren Strahlkraft in die Humanwissenschaften, die aktuelle Wirkungsentwicklung in Bildungs- und Alltagspolitikdiskurse und deren Rezeption bis hin in Klein-Klein-Debatten zwischen LehrerInnen und Elterninitiativen hingelegt, etwas, das zwei Jahrzehnte Theoriediskussionen in der Geschichtswissenschaft, der Biologie und Anthropologie und diversen linken Szenen von Frauenbewegung über Autonome bis hin zum Weltsozialforum zusammenfasst, das Thema würde echt für mehrere Habilitationsschriften reichen, ist hier aber so kompakt zusammengefasst, dass ich abgebrochener Ethnologiestudent, späterer Autoschrauber und aktueller Huskiezüchter das verstehe und nachvollziehen kann, aber stattdessen wird sich einerseits am schablonenhaften Vulgärbiologismus der Brights - selber einer in der Biologie nicht ernstgenommenen Sekte, über ihre bezahlten Schreiberlinge in Zeitschriften wie Nature, Spiegel und Zeit aber überrepräsentiert - abgearbeitet und zum anderen über erkenntnistheoretische Positionen diskutiert, die im Ausgangsposting wichtig waren, über die Debatte hier aber längst hinausgegangen ist. Merkt Ihrs noch?

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@ Che (auch workingklasshero)
Ja, natürlich ist es das 'Butter bei die Fische', was Che schrub. Es handelt sich um einen bestätigten "Ideologieverdacht", und ich erinnere mich auch an die TV-Dokus, wo von einem "run" nach "Eingeborenen"-Schädeln berichtet wurde, speziell solche aus Australien, dergestalt, dass zu vermuten ist, dass, nur um mal wieder so einen Schädel einem "naturhistorischen" Institut, z.B. in Hamburg zu liefern, Morde billigend in Kauf genommen wurden ...

Solcher bestätigter Ideologieverdacht interessiert mich aber nur wenig. Mich interessiert, wie eine Hypothese aussehen würde, die dann aber wirklich soziobiologische Schlüsse zulassen würde. Ches letzte Ausführungen sind dann natürlich ein guter Wegweiser, der einem die Richtung weisen würde, welchen Wegen und Autoren auszuweichen wäre bei der Suche nach solchen Hypothesen.

Ches Darstellung ist natürlich - ich meinen den Gehalt derselben - derart krass, dass es nur "pfüi" erscheinen muss, sich überhaupt mit Biologie zu beschäftigen. Ich interessiere mich hier aber vordringlich für Biologie. Und der Beweis, dass Biologie notwendig nur unter diskursdispositiven Bedingungen erfolgen kann, muss unter Einbeziehung der tatsächlichen biologischen Forschung erfolgen. Dass das nicht passiert, wird mich jedenfalls immer unbefriedigt zurücklassen. Und genau hier könnte Latour (gehe zu den Wissenschaftlern - den ernstzunehmenden - wenn Du wissen willst, was Wissen ist!) vielleicht hilfreich sein.

Wer Darwin wirklich interessiert gelesen hat - nicht nur, um die passende Stelle zur Bestätigung seines "Ideoligieverdachts" (meinetwegen "-gewissheit") aufzufinden - , weiß natürlich, dass seine spät veröffentliche Schrift "The Expression of the Emotions in Man and Animals" ziemlich anschaulich Darwins eigentlichen "Durchbruch", der ihm zu seiner Evolutionsverdacht verhalf, wiederspiegelt, und zu einer seiner frühesten Schriften zählt.

Darwins "Durchbruch", durch den er sich ermutigt fühlte, schließlich seine Evolutionstheorie zu formulieren - und wir wissen, wie viele Jahre er deren Veröffentlichung aufschob, immer der empirischen Überprüfung den Vorrang einräumend -, ist sehr gut dokumentiert in den erhaltenen Notizheften "N" und "M" und "Biographische Skizze eines Kindes".

In der Absicht, sich von allen überkommenen Vorstellungen zu lösen, fing er bei sich selber an, bei Beobachtungen seines Sohnes ("Biographische Skizze eines Kindes"), mit Berichten von Veterinärmedizinern (sein Vater und dessen Freunden), bei Beobachtungen z.B. von Haushunden, die sich als "beschämt" zeigten, oder, als Landedelmann, der sich dem Eindruck nicht entziehen konnte, dass Pferde auf der Koppel Gefallen an der Aussicht über die grünen Hügel Englands fänden.

Darwin selbst nannte diese Methode "Inventive Thought".

Der originale Darwin in seiner fast solipsistisch-wittgensteinischer Manier, als Tagebuchschreiber, ist in der Tat sehr interessant.

Denn die Idee zur Evolutionstheorie hat ihre Ursache eben gerade in dieser Methode des "Inventive Thought". Wie wir wissen, verbrachte er den Rest seines Lebens damit, sie empirisch zu untermauern.

"Die Soziologen" - also diejenigen, die tatsächlich glauben, mit empirischen Mitteln die Tatsache des Bewusstseins, möglicherweise als "gesellschaftliches" Phänomen, erklären zu können -, "Historiker, Politikwissenschaftler, Ethnologen, Pädagogen,teils auch Psychologen und Mediziner", also eben Nichtphilosophen, freuen sich natürlich über obiges Darwin-Zitat, vom Che gepostet.

Denn hier lassen sich ihre Methoden wunderbar anwenden. Es passt ja ach so wunderbar in ihr Dispositiv: Es ist aber ein Gemeinplatz, dass Darwin unter dem Einfluss politischer Moden bei der Niederschrift seiner "Entstehung der Arten" stand, ich nenne nur Adam Smith.

Es scheint also nur darum zu gehen, die eigene "soziologische" Methode gegen eine "biologische" zu verteidigen, was ja auch unter Unterschlagung der wirklich stattfinden biologischen Forschung und der wirklichen Entstehungsbedingungen z.B. der Evolutionstheorie wunderbar gelingt.

Diese "Soziologen" fallen also komplett auf den ihnen aufgezwungenen Wissenschaftskrieg herein und verteidigen lediglich ihren eigenen Anspruch, der durch ihre Wissenschaft definiert ist. - Das ist aber überaus langweilig.

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Nein, Ziggev, nein und abermals nein!
@"Es scheint also nur darum zu gehen, die eigene "soziologische" Methode gegen eine "biologische" zu verteidigen, was ja auch unter Unterschlagung der wirklich stattfinden biologischen Forschung und der wirklichen Entstehungsbedingungen z.B. der Evolutionstheorie wunderbar gelingt." ----- Ziggev, ganz direkt gesagt, das ist kruder, hanebüchener Blödsinn. An der wirklich stattfindenden biologischen Forschung habe ich nichts zu kritisieren, mit den Entstehungsbedingungen der Evolutionstheorie habe ich mich intensiv auseinandergesetzt und auch mit deren historischen Irrtümern (z.B. Malthus, Unkenntnis von Klimawandel und Plattentektonik, auch das Thema könnte ich aber nicht kürzer als in Buchform abhandeln), das tut in diesem Kontext aber alles überhaupt nichts zur Sache. Es gibt auch gar nicht diesen behaupteten Gegensatz zwischen Biologie und von Dir Soziologie genanntenn Wissenschaften, die gar nichts mit Soziologie zu tun haben, sondern um politische Auseinandersetzungen, die auf dem Feld der Wissenschaft ausgetragen werden wo sie nicht hingehören, und den Mißbrauch naturwissenschaftlicher Ansätze zu politischen Zwecken, was sowohl von den hier von mir beschriebenen Biologen als auch von den Leuten auf die sich Willy permanent beruft betrieben wird/wurde, und um die notwendige Abwehr dagegen. Ich hatte bereits geschrieben, dass in dem wissenschaftlichen Umfeld aus dem ich komme mit Biologen zusammengearbeitet wird und biologische Methoden zur Anwendung kommen. Differenziertes, genaues Lesen und dann den eigenen Standpunkt hinterfragen scheint nicht Dein Ding zu sein.


Die Arbeitsweise der Historischen Anthropologie ist auch keine "soziologische", sondern eine makrohistorisch-alltagshistorische, in der z.B. Sozialgeschichte, Körper/Geschlechtergeschichte, Wissenschaftsgeschichte, Umweltgeschichte und in Zusammenhang damit z.B. auch Geologie, Botanik, Genetik und Pathologie zusammenkommen.

@Langweilig: Sterlisationsprogramme - langweilig.

Auschwitz -----gääääähn.

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Ich habe nicht alles gelesen.

Ganz grundsätzlich zum verhältnis Naturwissenschaft und, ich sage mal wertfrei, Ideologie (also die Gesamtsicht auf Welt und Mensch, die ich so einnehme, mein 'Weltbild'): Ob wir nun mit den "Quantentheologen" (Wolfgang Künne) sprechen oder mit Biologen oder Psychologen oder wem auch immer: Es bedarf immer begrifflicher Klärung, wenn eine Einzelwissenschaft - egal welche - ihren Gegenstands- und Aufgabenbereich übersteigt und allgemein Stellung beziehen will. Etwa: "Weil ich genetisch das-und-das herausgefunden habe, sollten wir..." Oder: "Weil meine empirisch-psychologische Forschung ergeben hat, dass Männer durchschnittlich mathebegabter sind (was so nicht stimmt, aber gut, hf) sollten wir...zum Beispiel: Zugangsbeschränkungen für Frauen beim Mathestudium" oder so ähnlich.

Das ist, m.E., immer problematisch! Und unterscheidet sich mE nur graduell von Wissenschaft auf Däniken-Niveau.

Da ich ja gerade wieder studiere und einige Einführungsveranstaltungen belegen muss (was ganz spannend ist, man lernt nie aus, nie!):

Zwischen "Biologisch wurde festgestellt, dass Erkenntnis sich so-und-so vollzieht" und der begrifflichen Klärung dessen, was Erkenntnis ist, besteht eine Lücke. Ich akzeptiere es sofort, wenn mir stringent dargetan wird, dass diese Lücke durch die neue biopsychische Theorie T 128 (oder 129? ich bin grad beim Zählen durcheinander gekommen) geschlossen wird, aber das muss man mir zeigen.

Schon in den 80ern gab es diese hochinteressante KI-Diskussion - können Maschinen denken? Hofstaedter/Dennett (der Philosoph Daniel Dennett) setzten sich damit auseinander. Searle ebenso. Computer haben seither enorm an Leistung zugelegt - denken können sie bis heute nicht, sofern wir darunter schöpferisches Denken verstehen (bzw denken konnten sogar schon mechanische rechenmaschinen - wenn wir unter denken das Lösen von rechenaufgaben nach Vorgabe verstehen). Bis heute ist Searle - die Simulation von denken ist nicht identisch it denken selber - nicht widerlegt...

ich warne bis auf weiteres davor, den Blick auf die Welt auf den wissenschaftlichen Blick zu reduzieren. Egal, welche Wissenschaft sich gerade anbietet. Das gilt nicht nur für Naturwissenschaften. Die Atomphysik war ja mal leitwissenschaft. War danach mal die Psychologie (plus ein bißchen Soziologie), derzeit ists die Wirtschaftswissenschaft. Ggfls wg Sinn und neuer deutscher Großmannssucht wieder die Geschichtswissenschaft (die war es schon mal in Deutschland - mit desaströsen Folgen!).

Nun, ich gerate ins Labern. Kurzum: Eine Einzelwissenschaft muss argumentativ ausweisen, warum sie Definitionsmacht beansprucht - und das muss sie notwendiger weise außerhalb ihrer eigenen Perspektive tun. Warum sollten der Dreher X, die Logikerin Y, der Atomphysiker Z und die Literaturwissenaschaftlerin A an das glauben, was der Biophysiker B so verklickert?

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@ziggev: Hier mal wieder vorbeilesend komme ich zu meiner unbeantworteten Frage zurück: "Dann weiß ich aber nicht, wie Du die Richtigkeit Deiner Thesen demonstrieren willst. Dazu hat der zum gefühlt zehntausendsten Mal Quellen genannt. Wie wäre es damit, die mal zu lesen?" Che hatte ja den Marten genannt, wäre Standardliteratur zu dieser Diskussion. Ist so ähnlich wie mit Genova: Bezieht sich auf Marx, hat den aber nie gelesen und ist beleidigt, wenn mensch das ihm empfiehlt. Das Brett vorm Kopf zur Waffe machen!

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@ netbitch: kommt Zeit, kommt Rat kommt Attentat. - Denn zunächst will ich einiges im thread rekapitulieren, bevor ich was schreibe; nicht, damit ich "meinen Standpunkt" "kritisch hinterfragen" kann, sondern damit ich verstehe, warum er sowenig ´rübergekommen ist. Mir ging es ja auch ja auch weniger um irgendeinen "Standpunkt". Und immanente Kritik zu Deinem und dem vom Che Geschriebenen ist, war nicht und kann logisch erst ein Anliegen meinerseits sein, sofern ich nicht tatsächlich mal bei den genannten Quellen vorbeigeschaut habe (war eben bei Dir drüben). Vielleicht wirkt mein vermeintlicher Standpunkt derartig "esoterisch" auf manche, dass es for the sake of the argument gedeihlicher wäre, einen "zu beziehen". (Hinweis zu den "Tüttel-tütel" (hf99) eben: ich stehe immer etwas ratlos vor etwa einer Formulierung wie "jmdn. oder etw. 'verorten'".)

Und da zeichnet sich nach Hartmuts Kommentar und der Lektüre dessen von futuretwin in meinen Augen etwas ab, wie ich mich besser erklären könnte. "Attentat" folgt also noch, und ...

... oh, nein ;-) ... demnächst werde ich sogar womöglich auch noch einen "Standpunkt haben" !

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Nur zu (grins)

;-)))

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ich bin ein plausibilistischer naiver Realist. Polemik folgt.

(ich glaube z.B. an die Falken, die darauf verzichten, Fleisch zu essen.)

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