Dienstag, 25. August 2015
Petitionsaufruf: Für Pressefreiheit in Mexiko, gegen die staatlich bestallten Mörder
Liebe Freundinnen und Freunde,

der mexikanische Fotoreporter Rubén Espinosa wurde vor Kurzem gefoltert und ermordet — zusammen mit der Menschenrechtsaktivistin Nadia Vera und drei weiteren Frauen.

In einer der ältesten Demokratien Lateinamerikas ist die Meinungsfreiheit bedroht. Rubén ist der 14. Journalist, der im südlichen Bundesstaat Veracruz getötet wurde, wo Gouverneur Javier Duarte offene Drohungen gegen Reporter ausgesprochen hat. Diese Verbrechen bleiben fast alle unaufgeklärt.

Doch Rubéns Fall hat Tausende von Menschen zu Straßenprotesten bewegt und in Mexiko und dem Rest der Welt einen Mediensturm entfacht. Nun haben Noam Chomsky, Paul Auster, Salman Rushdie und Hunderte von Journalisten, Autoren und Künstlern einen offenen Brief unterschrieben. Sie fordern Gerechtigkeit für Journalisten in Mexiko, die ermordet wurden, weil sie ihre Arbeit getan haben.

Der Brief hat bereits die Regierung aufgerüttelt. Wenn wir über eine Million weitere Namen hinzufügen und ihn auf die Titelseiten mexikanischer Zeitungen bringen, wird die Botschaft richtig einschlagen. Zeigen wir jetzt, dass Menschen aus aller Welt den Kampf für Meinungsfreiheit in Mexiko unterstützen. Machen Sie mit:

https://secure.avaaz.org/de/ruben_global_l/?bVlJxbb&v=63653

Mexiko ist derzeit eines der gefährlichsten Länder für Journalisten — vergleichbar mit Kriegsgebieten wie dem Irak, Afghanistan oder Somalia. Seit Präsident Peña Nieto an der Macht ist, haben Übergriffe auf die Medien um 80 Prozent zugenommen.

Seit über zehn Jahren ist Mexiko von unglaublicher Gewalt heimgesucht. Kartelle liefern sich erbitterte Kämpfe, um den lukrativen Drogenhandel zu beherrschen, und unzählige Journalisten mussten ihre Berichterstattung über kriminelle Banden mit dem Leben bezahlen. Doch Experten sagen, dass viele Morde mit Berichten über politische Korruption in Verbindung stehen. Ich habe das am eigenen Leib erfahren. Nach meiner politischen Berichterstattung in Mexiko musste ich mehrfach wegen Todesdrohungen das Land verlassen. Ich bin von korrupten Politikern gefoltert und inhaftiert worden.

Im südlichen Bundesstaat Veracruz, wo Rubén seit Jahren arbeitete, sind in den vergangenen Jahren 13 weitere Journalisten ermordet worden. All das unter der Verwaltung des rüpelhaften Gouverneurs Javier Duarte. Dieser bedroht regelmäßig Journalisten. Als Rubén Espinosa ein unvorteilhaftes Foto von ihm veröffentlichte, war er angeblich so entrüstet, dass er das Magazin aus allen Zeitungsständen in der Hauptstadt des Bundesstaats entfernen ließ.

Im Juni erzählte Rubén Espinosa seinen Kollegen, dass er in letzter Zeit von Männern verfolgt und bedroht wurde, die wie Sicherheitsbeamte der Regierung gekleidet waren. Er sagte außerdem, dass jemand in der Regierung des Bundesstaats ihn direkt mit den Worten bedroht hatte „Hör auf, Fotos zu machen, sonst ergeht es dir wie Regina.“ Gemeint war Regina Martinez, eine im Jahr 2012 ermordete Journalistin.

Doch Rubéns tragischer Tod könnte ein Wendepunkt sein: Tausende haben sich in Mexiko-Stadt versammelt, um zu trauern und Gerechtigkeit zu fordern. Wenn wir ihnen jetzt zur Seite stehen und diesen schlagkräftigen Brief veröffentlichen, zeigen wir der Regierung, dass die ganze Welt zuschaut. Und dass die ganze Welt Gerechtigkeit und dringende Maßnahmen gegen diese Morde fordert. Machen Sie mit — Journalisten in Mexiko und überall auf der Welt sollten ihrer Arbeit nachgehen können, ohne dafür mit dem Leben zu bezahlen.

https://secure.avaaz.org/de/ruben_global_l/?bVlJxbb&v=63653



Die Avaaz-Gemeinschaft hat sich immer wieder für die Meinungsfreiheit eingesetzt. Nun können wir unsere Stimmen für mutige mexikanische Reporter und Menschenrechtsverteidiger erheben. Zeigen wir ihnen, dass sie nicht allein sind — denn so sieht weltweite Solidarität aus. Wir wissen, dass sie denjenigen den Rücken stärkt, die an vorderster Front kämpfen, und in vielen Situationen das Blatt wenden kann.

Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen,

Lydia Cacho, mexikanische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, mit dem Avaaz-Team.

PS - Wenn Sie Journalist(in) oder Autor(in) sind, dann klicken Sie diesen speziellen Link, um an der Kampagne teilzunehmen.

QUELLEN:

Pressefreiheit: Kritischer Journalist in Mexiko getötet (Spiegel Online)
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/mexiko-fotoreporter-ruben-espinosa-getoetet-a-1046373.html

Kommentar: Wo die Pressefreiheit stirbt (Deutsche Welle)
http://www.dw.com/de/kommentar-wo-die-pressefreiheit-stirbt/a-18631059

Mexikos Journalisten in Gefahr: Gefeuert, gefoltert, getötet (Spiegel Online)
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/pressefreiheit-in-mexiko-reporter-angegriffen-und-ermordet-a-1025060.html

Und auf Englisch:

Präsident Peña Nieto: Klären Sie die Morde an Journalisten in Mexiko auf und richten Sie Mechanismen ein, um sie zu schützen (PEN)
http://www.pen.org/blog/president-pe%C3%B1a-nieto-investigate-murders-journalists-mexico-and-establi...

'Sie wollen Journalisten in Mexiko auslöschen' (The Observer)
http://www.theguardian.com/world/2015/apr/11/mexico-fearless-journalist-lydia-cacho

'Journalisten werden abgeschlachtet' – Mexikos Problem mit Pressefreiheit (The Guardian)
http://www.theguardian.com/world/2015/aug/04/journalists-mexico-press-freedom-photographer-ruben-espinosa-murder

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Von Borges gibt es einen Ausspruch über Argentinien:

"Was erwarten sie denn von einem Land, wo jemand, der schlau und gerissen ist höheres Ansehen genießt, als jemand, der ehrlich ist und gebildet?"

Genauso ist es in Mexico auch. Den Peña Nieto haben sie zum Präsidenten gewählt, weil er gut aussieht und seine Frau eine bekannte Telenovela-Schauspielerin ist, intellektuell ist der Typ völlig überfordert. Als ein Interviewer ihn fragte, welche drei Bücher ihn am meisten beeindruckt hätten, nannte er die Bibel und wusste dann nicht weiter. Sicher hat er seit der Schule kein Buch mehr gelesen.

Dass der größte Drogenhändler, Chapo Guzman, bereits zum zweiten mal aus einem Hochsicherheitsgefängnis fliehen konnte, zeigt, dass der Staat nicht funktioniert bzw. zu schwach ist, wie in allen III.-Welt-Ländern. Da wollten irgendwelche Leute in der Justiz lieber schlau und gerissen sein, anstatt ihre Arbeit zu tun.

Solange sich diese Mentalität nicht ändert (und wer hat eine Idee, wie man die Mentalität ganzer Bevölkerungen verändern kann?), erscheinen mir solche Apelle ziemlich sinnlos. Es müsste schon jemand wichtiges in Mexico seine Interessen bedroht sehen, damit etwas geschieht. Wenn z.B. der Turismus deutlich zurückgehen würde, könnte das etwas bewirken. Aber nachdem schon in Acapulco Leichen ohne Kopf in der Straße gefunden wurden, ist es dazu wohl auch zu spät.

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Aber Willy, das sind doch drei Bücher: das alte Testament, das neue Testament und die Apokryphen!

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Ich hab das letztens gemocht, wie das einer bei dieser Cuadriga Diskussions-Sendungen der Deutschen Welle Spanisch (gibts als podcast) explizit zu Mexiko dargestellt hat. Und das trifft bis zu einem gewissen Grad auch auf alle Lateinamerikanischen Gesellschaften inklusive Chile zu. Dort, etwa wenn alle 3 Jahre ein Reich-Sohn besoffen einen Armen mit dem Auto todfährt.

Die Tiefe der polizeilichen Ermittlungen und Strafen sind traditionell absolut verhandelbar. Wenn es sehr klare Indizien für die Schuld eines Mächtigen gibt, wird dann gar nicht mehr weiterermittelt. Oder es gibt einfach einen Freispruch aus "Mangel an Beweisen".

Das ist in der Form in Deutschland wirklich undenkbar.

Obwohl darüber viel gemurrt wird, gibt es gleichzeitig auch eine Erwartung, dass Dinge verhandelbar sind.
Wenn ich denen über meine Steuer/Sozialabgaben erzähle, glauben die mir nicht, dass da vieles absolut nicht verhandelbar ist. Die meinen, ich wäre da einfach zu blauäugig. Da gibts sicher Tricks... Schliesslich gibts gerade für zwischenzeitlich Gutverdienende überall Tricks. Klar existieren Möglichkeiten wie etwa viel in die Rentenkasse zahlen. Aber halt nur bis zu einem gewissen Grad. Und wenn man anfängt zu lügen, dann ginge das Höchstens über das Fälschen von Belegen. Selbst wenn ich das nicht strikt ablehnen würde und einfach nicht mache, hätte das eben nicht verhandelbare Konsequenzen, würde ich auffliegen.

Letztlich hat diese wegverhandelbare Staatsmacht vermutlich wirklich Wurzeln in der Kolonialzeit. Da galt bezüglich der Gesetze die die sich in Spanien ausdachten - am Anfang v.a. Indigenen Schutz-Gesetzgebung - das Prinzip "acatase, pero no se cumple". Übers: "Man würde ja gehorchen, aber in dem Fall setzt man das Gesetz jetzt mal einfach nicht um."
Die Gesetzgeber sind ja weit weg und wissen nix von dem "entbehrungsreichen" Leben als lokaler Großgrundbesitzer.

Und dann kann man heute auch einfach mal so einen nervigen Journalisten umbringen lassen, ohne Gefahr zu laufen, dafür belangt zu werden.

In Mexiko scheint es aber verstärkt durch die gewachsenen Bande zwischen Drogenmafia und lokalen Eliten nun eine Welle zu geben, dass es immer mehr Fälle gibt. Und auch zunehmend Wut. Es ist konzentriert auf bestimmte Bundesstaaten. Nur scheinen das eher mehr als weniger zu werden und kürzlich scheint es erstmals seit vielen Jahrzehnten einen ermordeten Journalisten in der Hauptstadt gegeben zu haben.

Ist aber von Land zu Land unterschiedlich. In Chile ist ein ermordeter Journalist absolut undenkbar. Und die decken viel auf. Ende der 90er Jahre gab es mit Alejandra Matús noch eine kritische und sehr gute Justiz-Journalisten, die zur persönlichen Sicherheit als Linke ins US-Exil ging. Auch so ein Exil wäre heute wohl undenkbar. In Sachen polemischer Beleidigung haben Journalisten sogar mehr Freiheiten als in Deutschland. Bezeichnenderweise geriet Matús unter Druck wegen einem sehr solide recherchierten und mich Links-nun-wirklich-mißtrauisch-bis-zum-Griesgram argumentativ überzeugenden "Schwarzbuch der Chilenischen Justiz".

Das hängt alles miteinander zusammen. Ich schwöre.

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Diese wegverhandelbare Staatsmacht ist auch in Kroatien, Griechenland, Ägypten oder Tunesien selbstverständlich. In Toitschland war das früher mal so, zum Bleistift hatte der erste Ministerpräsident von Niedersachsen, Hinrich Wilhelm Kopf mal ein Problem damit, dass sein Sohn eine Vergewaltigung begangen hatte. Der frühere NS-Euthanasiearzt und vom Führer bevollmächtigte Spezialist für die Vernichtung "asozialer" Kinder und Leiter der Tötungsanstalt Stadtroda Gerhard Kloos stellte dem Sohn dann ein Gutachten aus, das ihn für diesem Zeitpunkt für unzurechnungsfähig erklärte. Als Dankeschön wurde Kloos vom damaligen niedersächsischen Sozialminister Pastor Heinrich Albertz, später eine Ikone der Friedensbewegung zum Sachverständigen für Wiedergutmachungsangelegenheiten und zum Leiter des LKH Göttingen ernannt.

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