Sonntag, 27. November 2005
DADA - und DALI-Award
Franco hat zum Essen geladen.
Gekommen sind Britt, Miranda, Volker, Massoud, Curt und Henning. Nach dem Essen soll besprochen werden, was Franco über Ben Badir herausbekommen hat, wie Britts Treffen mit Brückner verlaufen ist und was weiter getan werden soll. Doch vorher wird gekocht, dabei erläutert Franco voll Begeisterung die Rezepte. Es gibt vier Gänge. Helfen läßt er sich nicht, und er besteht darauf, daß vor dem Essen das einzige Gesprächsthema das Essen selber ist. "Der erste Gang ist ein klassisches Antipasto: Pomodori con Mozzarella e Basilico." erläutert er gerade. Er ist ein Meisterkoch und versteht sich auf die feine italienische Küche ebensogut wie aufs Drogenmixen. "Ich lege die Tomaten- und Mozzarellascheiben abwechselnd auf die Platte" - er tut es - "und dazwischen jeweils ein Basilikumblatt. Das Öl, das ich jetzt darüberträufle, ist mit Aceto Balsamico und Salz versetzt, das gibt eine gute Würze. Dazu kommt später, wenn die Marinade eingezogen ist, weißer Pfeffer. Der Mozzarella ist nicht irgend ein Mozzarella, nein: es handelt sich um `Bufala', den Mozzarella aus der Milch der Wasserbüffelkuh. Nebenan kocht der abgeschnittene grüne Spargel - es sind nur die ersten Drittel, der Rest kommt in die Suppe, die als dritter Gang serviert wird - mit Salz und Zucker. So, jetzt ist das al dente." Er gießt den Spargel durch ein Sieb ab. "Während ich abtropfen lasse, püriere ich das zerschnittene Seeteufelfilet in dem Zerkleinerer. Gut, wenn man die entsprechenden Küchengeräte hat. Curt, reich mir mal die Sahne. Die mit den Eiswürfeln, nicht die saure!" "Ich denke, du läßt dir nicht helfen?" gibt Curt belustigt zurück. "Ich mache mal eine Ausnahme. Danke!" Franco ist richtig in Fahrt. "Die rühre ich jetzt unter den Fisch. Mein Spezialgewürz, hier in der roten Dose - gib mal rüber - kommt dazu, eine Mischung aus Salz, schwarzem Pfeffer, Cayenne, gemahlener Limettenschale und Estragon. Sooo! Jetzt stelle ich das in den Kühlschrank."
Währenddessen sind Britt und Miranda am Backgammon spielen. Das Merkwürdige ist allerdings der improvisierte und provisorische Charakter; das Spielfeld ist aus Papier und die Spielsteine sind Kronenkorken. Um noch eins draufzusetzen: Auch der Würfel ist selbstgemacht. Volker sieht, eine Kippe im Mundwinkel, fasziniert zu. Britt blitzt ihn schelmisch an und ruft hinüber: "Gibste mir 'nen Zigarettenfick?" "Wie bitte?" fragt Volker verdattert und macht ein Gesicht, als überlege er sich gerade, ob er rot werden sollte. "Na, 'nen Zigarettenfick!" bekräftigt Britt gutgelaunt. "Weißte nicht, wat das ist?" "Nee, weiß ich nicht!" "Du gibst mir deine Zigarette und ich mach meine damit an. 'N Zigarettenfick halt!"
Inzwischen erzählt Curt stories von daheim. "In einer WG, die ich kenne, findet alle sechs Wochen der sogenannte `Proletarische Abend' statt." berichtet er gerade. "Erinnert mich ein bißchen an das Treffen heute!" "Was ist das?" will Franco wissen. "Da sitzt man zusammen, ißt gut, trinkt ordentlich was und sieht sich Videos an, normalerweise drei Stück hintereinander." "Und wieso heißt das Ganze `Proletarischer Abend'?" fragt nun Henning. "Sehr einfach. Es werden nur bodenständige Sachen aus den Heimatgegenden der Beteiligten gekocht, die Filme haben alle im weitesten Sinn klassenkämpferische Themen und die gesamte Veranstaltung wird als Bestandteil linker Alltagskultur verstanden." "Proletarisch ist meine heutige Küche nicht gerade." meint Franco grinsend.
"Eher feinste italienische Nobelspeisung. Langsam muß ich mich an den vierten Gang machen, Saltimbocca alla Romana. Das sind Kalbsfilets mit Salbei und Schinken. Als Nachtisch wird es selbstverständlich Eis geben. Zu jedem Gang wird übrigens ein passendes Getränk gereicht. Prosecco di Veneto zum ersten, Grappa zum Fisch, frisch gepreßter Orangensaft zur Suppe, Frascati zu den Saltimbocca und Cappucino zum Eis. Anschließend natürlich Espresso, damit wir für die Erörterung wach sind. Ich bitte mir aus, während des Essens jedes ernste Gesprächsthema zu vermeiden. Es würde den Genuß schmälern und ein solch nobles Mahl entweihen." Er hat alles Halbseidene abgelegt und wirkt feierlich wie ein Priester bei der Messe. Nach dem vorzüglichen Essen, das etwa anderthalb Stunden dauert und schon als Bankett bezeichnet werden könnte, kommen die GenossInnen schließlich zur Sache. Britt berichtet in aller Ausführlichkeit von dem Date mit Brückner. Wie nicht anders zu erwarten, verursacht ihre Erzählung ein großes Hallo.
Besonders Franco ist geplättet. "Mamma mia!" keucht er. "Dann ist meine Ben-Badir-story ja völlig hinfällig!" "Wie geht die denn?" erkundigt sich Britt leutselig. Klammheimlich fühlt sie so eine Art Triumph. Was ihrer Ansicht nach zu tun ist, liegt mittlerweile klar vor ihrem inneren Auge. Sie weiß, daß es schwer sein wird, ihre Leute davon zu überzeugen, aber mittlerweile erscheint ihr das fast wie eine Mission.
"Nach dem, was ich herausgefunden habe, ist Ben Badir ein extrem schräger Vogel und ein richtig schwerer Junge." erwidert Franco. "Er beliefert nicht nur die Polisario, sondern auch die marokkanische Armee. Ach ja, und die Hisbollah, und im Kleinvertrieb deutsche Zuhälterringe. Der scheint so eine Art Schmalspur-Kaschoggi zu sein. Übrigens hat er auch mit Grupe zu tun. In dem Sinne ein Zufallstreffer, denn an der Verwechslungsgeschichte ist ja offenkundig nichts dran." "Die Schweine stecken alle im gleichen Koben!" versetzt Miranda. "Und der wird brennen, wenn ihr mitmacht." meint Britt mit grimmigem Feixen.
Nach langer, kontrovers geführter Diskussion sind sie sich einig: Es gibt keine Alternative zu Brückners Vorschlag.
Nun muß ein Plan ausgeheckt werden, wie an Grupe heranzukommen ist und was überhaupt geschehen soll.
Die Idee einer Entführung, wie sie Britt favorisiert, wird erst verworfen, dann wieder aufgegriffen, dann wieder fallengelassen. Henning ist stattdessen dafür, Grupe gründlichst auszuspionieren, alle nur denkbaren Infos über ihn zusammenzutragen und diese dann an die Öffentlichkeit zu bringen. Curt schwebt ein Bombenanschlag auf sein Büro mit Anschlagserklärung in RZ-Manier vor. Schließlich einigen sie sich darauf, ihn zunächst einmal, wie Henning vorgeschlagen hat, rund um die Uhr zu observieren und aus den gewonnenen Erkenntnissen über seine Tätigkeiten und Lebensgewohnheiten den endgültigen Plan zu entwickeln.
Wochenlang beobachten sie ihn auf Schritt und Tritt. Besonders Britt und Miranda entwickeln eine besondere Virtuosität darin, sich immer neue Kostüme einfallen zu lassen, um nicht zweimal gleich auszusehen, wenn sie sich in seiner Nähe befinden. Britt als Oma mit eigens geborgtem Dackel, eine hochschwangere Miranda, Miranda als Mann, Miranda als Punkerin, Britt in Nonnentracht und als zerlumpte Pennerin...
Währenddessen ist Franco für die technische Seite zuständig. Er beobachtet Grupes Büro mit einem starken Fernglas vom Dachboden eines leerstehenden Hauses in der Nachbarschaft aus, organisiert einen alten Bulli mit fensterlosem Fond, aber einem verdeckten Guckloch in der Wand, aus dem Curt und Henning Grupes Privathaus in Augenschein nehmen und versucht ohne Erfolg, sein Telefon anzuzapfen. Nach knappen vier Wochen haben sie genug Detailwissen gesammelt. Grupe ist von zehn Uhr morgens bis 18 Uhr in seinem Büro, geht zweimal in der Woche zwischendurch von 14 bis 16 Uhr zum Tennis und hat kaum Familienleben. Zwar ist er verheiratet und hat zwei schulpflichtige Kinder, aber nach Hause kommt er nur zum Schlafen. Ansonsten treibt er sich rastlos in ganz Hamburg herum. Ständig trifft er sich mit irgendwelchen Geschäftsleuten, überwiegend aus arabischen Ländern. Dienstags fährt er nach Büroschluß ohne besonderes Ziel spazieren, meist Richtung Harburger Berge. Dabei ist er allein; er scheint überhaupt, trotz seiner vielen geschäftlichen Kontakte, ein einsamer Mensch zu sein. Der Villa nach zu schließen, in der er lebt, und nach seinem Wagen, einem Rolls Royce Corniche Convertible, ist er nicht nur reich, sondern wirklich schwerreich. Interessanterweise scheint es keine besonderen Sicherheitsmaßnamen zu geben. Außer der Tatsache, daß ein Bewachungsunternehmen je zwei Stunden vor und nach Büroschluß sein Konsulat kontrolliert, ist nichts Auffälliges zu beobachten. Er hat keine Bodyguards und fährt seinen Luxusschlitten selbst. Informationen über seine Deals kommen keine 'rüber, damit scheidet Hennings Plan, der harmloseste von allen, schon mal aus. Das Material, das Britt von Brückner erhalten hat, belegt zwar umfangreichste Kontakte zu allen möglichen Waffenschiebern, Rüstungskonzernen - insbesondere einer auf kleinere, aber hochmoderne Kriegsschiffe spezialisierten Privatwerft in Lemwerder - und so fort, enthält aber nichts, womit er sich festnageln ließe. So setzt sich Britts Vorschlag durch, die riskanteste Variante.
"Wir brauchen beeindruckende Waffen, einen unbekannten Wagen mit falschem Nummernschild, eine abgelegene Garage, wo man niemanden schreien hört und eine Videoausrüstung, um sein Geständnis zu dokumentieren." stellt Franco sachlich fest. "Besorge ich alles in den nächsten Tagen. Dann machen wir einen Aktionsplan. Da muß alles stimmen. Damit wir uns recht verstehen: Was wir vorhaben, ist ein Kapitalverbrechen. Selbst ich habe nie zuvor auch nur daran gedacht, bei so etwas mitzumachen. Wer aussteigen will, soll es bitte jetzt sagen. Das ist ein point of no return. Danach gibt es keine Rückzugsmöglichkeit mehr."
Volker und Henning steigen aus. Dafür ist jemand hinzugekommen, der zwar in alles eingeweiht war, sich aber aus Examensgründen ausgeklinkt hatte: Alfie.
Franco organisiert binnen vier Tagen alles. Er beschafft einen getunten Uralt-Mercedes mit Bremer Kennzeichen, das als Doublette geprägt wurde und eigentlich zu einem Freund von Franco gehört, der einen Golf fährt, den er am nächsten Tag abmelden wird.
Franco mietet eine Garage in einem sonst ungenutzten Garagenhof in Ahrensburg an, schön ruhig und weit vom Schuß, und für den Schuß beschafft er das Feinste vom Feinen: Ein automatisches Scharfschützengewehr Marke Dragunoff, eine UZI und zwei Riesenrevolver, Ruger 44 Magnum. Außerdem für alle Handfunken und neutrale schwarze Stoffkombis, zwischen den Augen zugenähte Haßkappen (Motorradsturmhauben) inklusive.
Ort und Zeitpunkt des Zugriffs sind schnell beschlossen: Am nächsten Dienstag, wenn Grupe seinen Ausflug macht, werden Franco und Britt ihn außerhalb von Hamburg abfangen. Miranda, Massoud und Alfie werden mit dem Bulli, der inzwischen auch ein neues Nummernschild hat, in der Nähe warten und Grupe übernehmen.
Die letzte Nacht vor der Aktion. Alle schlafen zusammen in Francos Ein-Zimmer-Luxuswohnung. Außer Franco, der, seitdem der Ablauf klar ist, vergnügte Verschmitzheit trägt und früh einschläft, ist allen ziemlich klamm zumute. Britt und Alfie pennen nebeneinander auf ihren Isomatten unter einer von Francos seltsamen Stahlskulpturen. Was heißt pennen - einschlafen können sie beide nicht. Britt starrt mit offenen Augen ins Dunkle, in Richtung Decke. Alfie versucht krampfhaft, einzuschlafen, aber gerade dann klappt es natürlich nicht. Irgendwann merkt er, wie Britt sich an ihn kuschelt.
"Du kannst auch nicht schlafen, wa?" flüstert er ihr zu und streicht mit zwei Fingern durch ihr langes, dunkles Haar. "Nee!" erwidert sie und schmiegt sich enger an ihn. "Ich hab' Angst. Und nicht nur um mich, denn ich hab'das alles angeregt. Wenn was schiefgeht, fühle ich mich verantwortlich." "Das mußt du nicht." erwidert Alfie sanft. "Wir sind alles erwachsene Menschen, und es gab die Möglichkeit, auszusteigen..." "Das weiß ich auch." unterbricht ihn Britt. "Damit hat das aber nichts zu tun, was Britt-intern abläuft. Das ist ein Psychoteil, das läßt sich nicht so einfach steuern. Was anderes: Willst du mit mir vögeln? Ich hab' total Lust auf dich!"

Alfie gibt ihr einen langen, tiefen Zungenkuß. "Ich auch!" kommt es danach von ihm zurück. "Doch was ist mit Henning? Gäbe es da nicht Probleme?" "Er
sagt, nein." erwidert sie. "Wir führen eine offene Beziehung mit erlaubten Seitensprüngen und ohne Eifersüchteleien. Ob er es so ernst damit meint wie ich, habe ich meine gelinden Zweifel. Aber das ist ein Stück weit auch sein Problem, oder eures untereinander. Ich war ursprünglich mal hinter dir her, und heute nacht will ich dich! Also: willst du auch oder nicht?" Um ihrer Frage oder besser Forderung Nachdruck zu verleihen, greift sie ihm kurzentschlossen in die Unterhose und an die Eier, fängt an, sie sanft durchzukneten. Alfies Reaktion ist die nämliche. Sein Schwanz eregiert sofort. Er küßt sie wiederum und faßt an ihre Brüste (sie trägt keinen BH), massiert sie kräftig und streicht dann mit den Händen ihre Seiten entlang nach unten, umfaßt ihre Leisten, streichelt mit dem Zeigefinger ihren Bauchnabel. Britt wirft den halbgeöffneten Schlafsack hinter sich - er bleibt an den scharfen Kanten von Francos Stahlskelett hängen -, reißt den ebenfalls halboffenen Schlafsack von Alfie auf und setzt sich über ihn. Mit festem, entschlossenem Griff zieht sie ihm die Unterhose aus, ihre eigene hat sie gerade mit ein paar geschickten Beinbewegungen abgestreift. Alfie spürt ihre gespannten, muskulösen Oberschenkel an seinen Hüften. Nun gibt es kein Halten mehr. Er dringt in sie ein, sie streckt sich über ihn, ihre eregierten Brustwarzen berühren sich, dann richtet sich Britt jäh auf, blickt wie triumphierend, siegreich gewissermaßen, auf Alfie herab und ergreift seine Schultern, massiert sie mit festem Griff ihrer Finger durch. Gleichzeitig bewegt sich ihr Becken auf und ab, mit ruhigen, langsamen Bewegungen. Ausgerechnet in diesem Moment, in beginnender Ekstase, spürt sie, wie sie etwas am linken Fuß zwickt - ein Stück Reißverschluß von ihrem Schlafsack, das zwischen ihren Zehen hängengeblieben ist. Mit einem ärgerlichen Stoß schüttelt sie das Ding ab. Krachend stürzt die Stahlskulptur, an der der Schlafsack hängt, zu Boden, quer über Britts Unterschenkel. Gleichzeitig springt einer von den Bewegungsmeldern an, mit denen Franco seine Kunstwerke gesichert hat. Sofort flammen im Zimmer alle Lichter auf. Franco, Curt und Miranda sind schnell auf den Beinen, kommen herbeigestürzt und sehen auf die beiden kläglichen Gestalten herab, die da völlig überrumpelt aufeinander liegen. Franco grinst sein unverschämtestes Grinsen, was bei ihm viel heißen will. "Du magst mich für ein sexistisches Arschloch halten, mia cara," meint er prustend, "aber ich habe den Eindruck, du kriegst nie genug!" Ausnahmsweise hat es Britt völlig die Sprache verschlagen, während Alfie langsam und gedehnt herausbringt: " S c h ei ß e ! "

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Ich finde, der mir bekannte Terminus "Stummelbumsen" klingt eindeutig lustiger als "Zigarettenfick".

Abgesehen davon: bin auf das komplette Oeuvre gespannt.

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Der Ausdruck ist sozusagen dokumentarisch. Ansonsten wirst Du Dein Exemplar bekommen, sobald erschienen.

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Zum Glück ...
... hab' ich 'ne Vorhautverengung, so dass ich gar nicht erst in solche Situationen komme. Aber einen Schlafsack hab' ich trotzdem.

http://gegenstimme.blogg.de/eintrag.php?id=373

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Wie gemein. Aber lustige Geschichte.

@ j.k.: Ganz ehrlich, heut zu Tage kann man so was behandeln lassen!

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Seit es das Judentum gibt :-))

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Respekt, Che, ich hatte geargwöhnt, Du gräbst irgendwelche alten Kneipen-Abschlepp-Geschichten aus ;-)

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