Sonntag, 4. Dezember 2011
Back to basics
Nachdem es in den letzten Wochen und Monaten in Kleinbloggersdorf diverse Debatten, schlammschlachten und Altherrenrunde zum Thema Gender und Feminismus gegeben hat möchte ich diesen Beitrag hier verlinken, weil der kurz, knapp und ehrlich umreisst, worum es geht und was eigentlich selbstverständlich sein sollte.

http://genderverrueckt.blogsport.de/?p=5


Um dann aber dennoch Metakritik zu üben, soll heißen: Keine grundsätzliche Kritik, sondern Kritik innerhalb eines bestehenden Konsens.

1) Es kann kein Mann Feminist sein. Feminismus ist eine Wir-selbst-Perspektive, die nur einnehmen kann, wer in einem weiblichen Körper lebt. Männer können Antipats, Bewegte Männer, Männer mit kritischem Rollen-Selbstverständnis sein, aber keine Feministen. Das ist so ähnlich wie mit Critical Whiteness.

2) Was mich wundert, ist die Geschichtslosigkeit und Voraussetzungselbstverständlichkeit des Beitrags. Der Gender-Begriff kommt ja nun gerade von der Unterscheidung zwischen sozialem Geschlecht und Biologischem. Die Begriffe Frauen und Männer werden hier in einer Art und Weise verwendet, die diese Unterscheidung scheinbar nicht kennt.


3) So begrüßenswert ich die Forderung finde, antipatriarchale Diskussionen in Männer-Zusammenhängen zu führen und so wichtig es ist, dass Frauen einerseits autonom ihren eigenen Befreiungsprozess machen, Männer sie aber andererseits nicht in dem Sinne allein lassen, das sie nichts tun, um sich im antipatriarchalen Sinn zu verändern, so habe ich doch auch erlebt, was für haarsträubender Unfug dabei herauskommen kann, wenn es sich im entsprechenden Szenebiotop ereignet.


Das hatte ich auf diesem Blog ja schon einmal geschildert:


Nach der Vergewaltigungsdebatte Ende der 1980er entstand die berechtigte Forderung, Safe Places für Frauen in der linken Szene zu schaffen, und es bildeten sich zahlreiche Männerzusammenhänge, die die Funktion haben sollten, ein antipatriarchales Bewusstsein klarer herauszubilden und sich auch gegenseitig zu kontrollieren, was Sexismus im Alltag angeht. Eine gute, wegweisende Idee, aber was in meinem Erlebensumfeld dabei herauskam war eine selbstrepressive Scheiße. Das ging schonmal damit los, dass die Tendenz, solche Zusammenhänge zu bilden, von den ideologisch heftigeren Leuten in meiner damaligen Szene so interpretiert wurde, dass es eine Tendenz dazu gäbe, dass heterosexuelle Frauen und Männer zwar Liebesbeziehungen untereinander hätten, sonst aber grundsätzlich getrennt lebten (fast wie die Paarungsfamilie bei Morgan), und das sei gut so. Die Tatsache, dass Frauenzusammenhänge nunmal ihrem Wesen nach frei von Männern waren wurde auf Männer eins zu eins übertragen und dann gesagt, dass kritische Auseinanderstzungen mit der eigenen Rolle grundsätzlich immer nur in gleichgeschlechtlichen Zusammenhängen erfolgen könnten. Schon in die gemischte Sauna zu gehen wurde als politisch nicht unproblematisch angesehen. Da gab es dann komische Hierarchisierungen, in denen Frauen- und Männer-WGs gegenüber gemischten die fortschrittlichere, aufgeklärtere Lebensform darstellten (und diese wiederum gegenüber den alleine Wohnenden und den Familien), und in meiner eigenen Männergruppe musste ich mir dann so miefigen Mist anhören wie den, dass die Männer in der Gruppe, die in festen Beziehungen lebten ja wohl weiter wären als die Singles oder die mit häufig wechselnden Partnerinnen, da sie qua Beziehung ja bewiesen hätten, dass sie Frauen besser verstehen würden als der Rest. Dazu kamen Vorstellungen von Sexualität, die ich am Ehesten mit "Tugendterror" charakterisieren würde.


Das war für mich der Punkt, da ich die Reißleine zog und mich aus der studentischen linken Szene ganz entfernte und mir neue Bezugsgruppen im Bereich Antiimperialismus- und Flüchtlingsarbeit suchte, mit hoher sozialer und auch ethnischer Durchmischung.

Jede Revolution scheitert, wenn sie in die Hände moralisierender Kleinbürger gerät, wie wir seit Robespierre wissen.

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Na ja, angesichts der Pointe kann man ja ganz gut sehen, dass sie sie auf Deinen Text selbst anzuwenden wäre. Moralisierendes Kleinbürgertum, was Du hier vorführst.

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@momorules:
Was genau meinst Du? Und warum ist es so schwer bis unmöglich, so eine Schilderung von persönlichen Erlebnissen einfach mal stehen zu lassen ohne Dich in Deinem ach so progressiven Schwuppentum drüber erheben zu müssen (gilt so ähnlich auch für den Kommentar zu Netbitch)? Wenn ich mich jetzt frage, was Momo uns damit sagen will, kann ich da kaum was anderes rauslesen als "Ihr blöden Heten seid so spießig und rückschrittlich!"

Also ich hab Dich wirklich schon in besserer Form erlebt.

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Das lief ja nicht nur unter Männern oder Heteros
In der Frauen-Lesben-Szene erlebte ich so Stilblüten wie bei einer Aktionsbesprechung "Hoffentlich machen die Schwanzlutscherinnen das nicht wieder kaputt", Lesben wurden als qua definition bessere Feministinnen wahrgenommen, weil sie weniger emotionale Rücksichtnahmen gegenüber Männern hätten wie wir Heteras. Im Grunde die Fortführung des maoistischen Keine-Gemeinsamkeiten-mit-dem-Feind-haben Denkens.

Aber: Ich gebe da mal zu bedenken, dass die Leute, die so etwas vertraten, damals überwiegend altersmäßig so zwischen 18 und 25 und bildungsbürgerlich sozialisiert waren (bin ich übrigens nicht). Und behaupte mal, dass Leutz aus solchen behüteten AkademerInnenhaushalten mit 25 noch kein stabiles Erwachsenenich entwickelt hatten. Da wurden Postpubertätsprobleme auf eine politisch-gesellschaftliche Ebene verlagert, das hat aber nix mit feministischer Theorie zu tun. Die Frage, die ich mangels Eingebundenheit nicht beantworten kann, ist die, ob es aktuell anders ist.

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Na ja, Netbitch, in Deiner Position ist es allerdings auch ziemlich simpel, sich über die Lesben, "Stilblüten", zu erheben, so als Schwanzlutscherin - bin ich auch. Dass ich mich frage, an wessen Schützenverein- Stammtisch ich hier gerade gelandet bin, liegt vermutlich an meiner Devianz.

Ist schon erstaunlich, was ihr hier gerade vorführt, dann noch auf " Migranten" eure heile Welt projizierend, die euch von ätzenden Lesben und anderem Gesocks ausgeredet wurde.

Die Reaktion zeigt immer neue Gesichter. Schaut in den Spiegel, dann sehr ihr sie.

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Inhaltlich, auf Faktenbasis, auf das Gesagte direkt eingehen íst wohl nicht dein Ding?

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Nein, wenn die Einschläge der Reaktion immer näher kommen und nun schon hier neokonservative Reden geschwungen werden, pöbel ich einmal kurz und bin dann auch weg. Weil man sich auf bestimmte Diskursvorgaben nicht einlassen sollte. Auch, um den armen Mark nicht mit diesem "ach so progressiven Schwuppentum" zu behelligen. Dominanzkulturen muss ich mir nicht auch da nicht rein ziehen, wo ich lange intensiv kommuniziert habe. Da tue ich dann lediglich expressiv mein Entsetzen kund. Und sage Tschüß.

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Rein verständnishalber gefragt: Was soll hieran neokonservativ sein?

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Hier wurden nirgendwo Feministen als "Lesben und anderem Gesocks" bezeichnet. Auch wurden hier keine Lesben als "Gesocks" bezeichnet.

Allerdings wurde Kritik geübt an bestimmten Übertreibungen und Fehlhaltungen in bestimmten politischer Millieus.

- Rest: vom Autor gelöscht -

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Neocon? Schwanzlutschen? Postpubertät?

Bumsfeld statt Rumsfeld!

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@ Na ja, Netbitch, in Deiner Position ist es allerdings auch ziemlich simpel, sich über die Lesben, "Stilblüten", zu erheben, so als Schwanzlutscherin - bin ich auch. Dass ich mich frage, an wessen Schützenverein- Stammtisch ich hier gerade gelandet bin, liegt vermutlich an meiner Devianz.

Ist schon erstaunlich, was ihr hier gerade vorführt, dann noch auf " Migranten" eure heile Welt projizierend, die euch von ätzenden Lesben und anderem Gesocks ausgeredet wurde.


Ich "erhebe" mich nicht über Lesben, sondern habe Erfahrungen aus meiner eigenen Vergangenheit geschildert, zu denen es gehörte, dass in linksradikal-feministischen Zusammenhängen Lesben deswegen als besonders militante Vorreiterinnen angesehen wurden, weil sie weniger emotionale Bindungen an Männer hätten als Heteras und sich niemals selbst über Männer definieren würden. Heterosexuelle linke Szenefrauen, zumeist sehr jung, imaginierten Lesben projektiv als generelle Vorbilder, so ähnlich, wie frühere linke Generationen sich Guerrillakämpfervorbilder oder Arbeiterhelden inszenierten (der Nickname meines Liebsten ist ein Spiel damit). Das ging so weit, dass stockheterasexuelle Frauen lesbische Phasen sich ausdachten, um Credibility zu erlangen. Es gab einige wenige Lesben, die das dankbar aufgriffen und sich selbst als avandgardistische Führungsfiguren gebärdeten.

Der Begriff "Stilblüten" bezeichnet keine konkreten Menschen, sondern merkwürdige Inszenierungs- und Ausdrucksweisen. Unsere Welt war damals überhaupt nicht heil, für mich begann die Szenesozialisation mit dem Tod von Conny, brutalem Polizeiterror und dessen Verzahnung mit mörderischem Neofaschismus, wo die Konsequenzen, die uns damals niemand glaubte, erst jetzt in einer allgemeinen Öffentlichkeit wahrnehmbar werden. Che sein Kurdistan- und Antira-Engagement (ich habe da nicht so die großen Tickets)
als Projektion vorzuwerfen ist sehr sehr gelinde gesprochen eine Frechheit. Wie viele Flüchtlinge hast Du eigentlich so konkret unterstützt? Wie oft bist Du gegen Nazis auf die Straße gegangen? Standest Du wegen Deines politischen Engagements mal vor Gericht? Das ist nicht als Moralkeule gemeint, sondern als Frage. Allerdings auch als Frage nach Glaubwürdigkeit.

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Wenn Momorulez und Dean sich abgesprochen hätten, wie man eine für Momorulez unangenehme Diskussion tottreten kann, dann wären sie genau so vorgegangen. Objektiv ist das eine konzertierte Aktion:

Erst bringt Momorulez was Abstraktes mit „neo“ und „Schützenverein“ sowie andere sinnfreie Beleidigungen, dann liefert Dean für M. noch ein paar Steilvorlagen (indem er den Eintrag von „genderverrueckt“ extremst ad malum mißinterpretiert und nicht bemerkt haben will, dass die 10 Punkte vorzüglich etwa auch auf die neo“liberale“ Glaubenslehre und ihre Anhänger passen) – und dann macht Momorulez so den Sack zu:
„ (…) der Blogbetreiber kann sich ja mal Gedanken darüber machen, inwiefern er solche Propagandareden vom rechten Rand, das ist von vorne bis hinten PI, was Dean hier schreibt, noch ermutigt und legitimiert, indem er Einträge wie den gestrigen verfasst.“

Mission accomplished!

Der Blogbetreiber müßte sich Gedanken machen jedoch nur unter Zugrundelegung der moralistischen Matrix des Momorulez. Aber gerade die ist es, die zur Kritik steht. Nicht immer, auch nicht immer öfter, aber doch immer mal wieder stellt M.s empirischer Charakter damit seinem intelligiblen ein Bein:

Momorulez schreibt auf seinem Blog einen längeren Kommentar, in dem mehrfach das Wort „Schwarze“ vorkommt. Danach fügt er hinzu, dass sämtliche dieser Stellen durch „PoC“ zu ersetzen seien – wodurch er sich in seinem Moralismus sprachverheddert, denn Noah Sow sagt dazu in ihrem Buch etwas völlig anderes. (Den Diskriminierten zuhören kann auch so stattfinden, dass man einfach mal ihre Bücher liest!)
Wir beobachten hier den „Päpstlicher als der Papst“-Effekt, ein Merkmal dessen, was ich bereits an anderer Stelle als „Lantzschismus“ zu identifizieren vermochte.

Nächster Fall: Momorulez erläutert uns neulich, Antiamerikanismus in D habe auf der Verachtung beruht, welche das Kulturvolk mit seinen Hochdichtern und Tiefdenkern für die oberflächlichen Plastikamis hegte, und dieser Antiamerikanismus habe „gleichzeitig“ stattgefunden mit der begeisterten Rezeption kritischer US-Songwriter.
Das ist moralstarke Geschichtslosigkeit, denn „gleichzeitig“ war da mal gerade garnichts. Den – längst untergegangenen – deutschen Antiamerikanismus pflegten unsere Eltern und Großeltern (Zeitzeuge! Wenn es hier gleich an der Tür klingelt, ist es Guido Knopp.), die die Amis Scheiße fanden, weil wir ohne deren Eingreifen den Krieg gewonnen hätten. Da man das nicht so offen sagen durfte, vollzog man eine kulturalisierende Verschiebung und mäkelte an Oberflächlichkeit und sonstigen kulturellen US-Defiziten herum. Diese Generation konnte aber Joan Baez-Songs allein schon darum nicht gut finden, weil es die zu diesem Zeitpunkt entweder noch garnicht oder hier noch nicht gab, und die Protestsonggeneration war die proamerikanischste und US-begeistertste Generation, die es bis heute auf deutschem Boden je gab. Diese Begeisterung war nicht Gegensatz sondern Grundlage des Entsetzens über die Greuel des Vietnamkriegs.

Dritter Fall: das Solidarische. Solidarität ist, sachlich betrachtet, das kollektive Handeln einer Klasse von Revenuequellenbesitzern. Den hohen Wert und die Effizienz der Solidarität demonstriert uns gegenwärtig die Klasse der Kapitalbesitzer.

Außerhalb des Klassenkollektivs, in welchem er seine Genese und seinen Ort hat, wird der Solidaritätsbegriff problematisch. Ich selber habe ihn nur als moralische Erpressung kennengelernt, als Aggression und Übergriffigkeit. Das ist kein biographisch-historischer Zufall, denn dazu degeneriert der Solidaritätsbegriff notwendig, wenn er außerhalb des Kollektivs in Zusammenhängen eingesetzt wird, denen er nicht entstammt, und innerhalb derer er sozusagen versinnfreit wird. Es war gängige K-Gruppen-Übung, Solidarität vorschriftlich einzufordern und moralisch zu erzwingen. In der Hitliste der Verdammung stand „unsolidarisch“ ganz weit oben. Es ging aber noch besser: Die Steigerung von „unsolidarisch“ war „Entsolidarisierung“, so, als gäbe es eine natürliche Grundsolidarität, aus der der Entsolidarisierer dann in fluchwürdiger Widernatürlichkeit sich entfernt wie nur der Schwule aus dem Naturkollektiv der Fortpflanzer.
Deshalb zucke ich, wenn ich heute „Entsolidarisierung“ lese, weil die Hypermoral der K-Gruppen die 70er offenbar überdauerte. –

Dass „kein Mann Feminist sein“ kann, wie Che sagt, ist sowieso richtig, denn andernfalls könnten wir Weiße gleich mit Batikhemd, Trommel und Rastalocken PoC spielen.

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indem er den Eintrag von „genderverrueckt“ extremst ad malum mißinterpretiert und nicht bemerkt haben will, dass die 10 Punkte vorzüglich etwa auch auf die neo“liberale“ Glaubenslehre und ihre Anhänger passen
Okay. Point taken. Aber ich war grade so schön in Schwung und in die eine Richtung unterwegs...

Und die Gefahr von "kulturrevolutionären" Auswüchsen, sehe ich in Einzelfällen tatsächlich. Außerdem halte ich weiterhin eine ganze Latte weiterer Punkte neben "WHM" für relevant - darunter Herkunft, Einkommen, Ausbildung, soziale Sitation und politische Wirksamkeit.

Hegemonie ist halt nicht einfach, an jeden WHM das Hegemonieausübungsschild dranzupappen. Das hat mehr mit Strukturen zu tun - und wie gesagt, fernab von "WHM" kommen da noch ein Haufen weiterer Punkte, die sich mitunter deutlich stärker auswirken bzw. Herrschaftsverhältnisse konstituieren.

Betreffs Glaubwürdigkeit: Ich habe mir verschiedentlich politisch den Arsch aufgerissen in meinem Leben, und zwar ganz gehörig, um u.a. Migranten, aber auch anderen Benachteiligten die Lage zu verbessern. Ich habe sogar ziemlich viel erreicht.

Insofern empfinde ich es als einen Affront, wenn Leuten gestattet wird, die sich objektiv in einer weit besseren Lage befinden, sogar in fast jeder Hinsicht, die politische weitaus weniger geleistet haben und weitaus weniger persönliche Opfer erbracht haben, um etwas Positives zu bewegen, mir sogar noch "Euthanasiefantasien" unterstellen dürfen.

Damit komme ich nicht klar.

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Es ist Jahre her, da schrub ich einmal, Momorules müsste eigentlich Schwierigkeiten mit der Meinungsfreiheit haben, und dies bestätigt sich hier. Im Russischen gibt es das Wort Prawda, das Wahrheit bedeutet, aber eine ganz bestimmte Art Wahrheit meint: Eine Wahrheit, die einer bestimmten Sache oder auch Partei nützt und dann ausgesprochen wird, wenn sie der Propaganda dienlich ist, aber verschwiegen, wenn sie dem eigenen Anliegen schadet. Genauso sehe ich es, wenn es mir quasi verboten werden soll oder von mir scheinbar eine Art Selbstzensur verlangt wird, wenn es um das Erzählen unangenehmer und peinlicher Erinnerungen an die Schattenseiten linker Subkulturen und deren Sexualmoral geht. Ich soll so etwas nicht schreiben, weil das dann einen Dean motiviere, im kathedermäßigen Dozententonfall reaktionäres Kram auszubreiten, das in erster Linie seinen Nullpeil zu Genderfragen dokumentiert (sehe ich so) und weil die gesellschaftlichen Mainstreamer, die keine linke Szene kennengelernt haben, dann beim Lesen bestätigt sehen, was Kristina Schröder so erzählt, die Binnenwelten linker Subkulturen seien aber gesellschaftlich völlig irrelevant.

Aha. Für mich PERSÖNLICH, und das hier ist MEIN Blog, ist aber völlig irrelevant, wie die Erlebniswelten von Mainstreamern aussehen, und die irrelevante Subkultur ist ein sehr wesentlicher und prägender Bestandteil meines Lebens, was für Leute wie Netbitch, Workingsclasshero, Tuc, Entdinglichung und Andere hier genauso gilt. Bin mal gespannt, was passieren würde, wenn ich die gleiche Irrelevanzperspektive auf Schwule oder Juden anwendete.

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Natürlich ist das DEIN Blog. Ganz PERSOENLICH sogar. Und es steht dir völlig frei, hier mittels eigener Einträge, durch Verlinkungen und tatkräftige Unterstützung deiner Kommentataren_innen eine No-Go-Area zu errichten.

Wenn der Wunsch systematisch marginalisierter Menschen nach Schutz vor Hasspredigern wie Dean stalinistisch ist so be it.
Aber dass dereinst Schwule in der Lage sein sollen, dein peinliches gesuhle in Revolutzerfolklore, das sich tatsächlich fast wortgleich bei der Schröder findet, per Ordre Mufti aus dem Netz zu schmeissen, will ich erst mal sehen.

Mal ganz davon abgesehen, wie Grossartig die Frage nach gerichtsfester Glaubwürdigkeit aus dem Munde von Doppeldoktoren und Karrieretussen ist. Das ist schon genauso gut wie Bertelsmannautor_innen die über strukturelle Gewalt refferieren. Während andere um ihrer selbst willen tagtäglich vor Gericht stehen. Ihr ganzes Leben lang. Die haben dann allerdings weder staatlich beglaubigte Revolutzernachweise, noch akademische Titel und schon garkeine Führungspositionen.

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Führungsposition habe ich auch keine, weiß noch nicht einmal, was ich im nächsten Monat verdiene. Ich hangele mich halt durch, von einem Abschluss zum Anderen, selbst und ständig.

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Hurra, Hurra! Der Mann mit der Axt ist da!
Wenn der Quartalsirre Loellie seine durchgeknallte Phase hat, kann man da nichts machen. Das muß man hinnehmen wie schlechtes Wetter.

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Ach Gottchen, jetzt noch die Meinungsfreiheit-Nummer, das wird ja immer raysonesker.

Wobei dann komischerweise wie üblich die Meinung, dass es politisch folgenschwer ist, wenn irgendwelche Subkulturerfahrungen, Subkulturen, die sich wenigstens noch mit gesamtgesellschaftlicher Marginalisierung beschäftigt haben, mit strukturell reaktionären Argumenten abgewatscht werden im Rahmen eines gemütlichen Heteroklüngels, als solche nicht gilt, sondern als Form des Stalinismus - als hätte ich hier eine Nomenklatura im Rücken, um irgendwen vor das Schaugericht zu zerren. Hier hat doch der eine oder andere jeden Blick für gesellschaftliche Realitäten verloren.

Das macht dieses Blog einfach unglaubwürdig, that's all. Was schade ist, hier findet sich ja auch viel Gutes.

Und das ist der politischen Sache nicht dienlich, wenn.

Dann sind Abschiebungsforderungen und korrektiven Vergewaltigungen vorgängige Diskurse vielleicht demnächst auch unter "Meinungsfreiheit" zu verbuchen. Merkst Du es noch?

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Drei Minuten der Besinnung würden Dir zeigen, dass Che weit davon entfernt ist, mit einem formalistisch entleerten Begriff der Meinungsfreiheit diskriminierende Inhalte zu rechtfertigen.

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Dann sind Abschiebungsforderungen und korrektiven Vergewaltigungen vorgängige Diskurse vielleicht demnächst auch unter "Meinungsfreiheit" zu verbuchen. Merkst Du es noch?
Die Leute hier stehen also ziemlich kurz davor, "korrektive Vergewaltigungen" zu fordern.

Ähem: Was merkst du eigentlich noch, Momo?

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Jesses und Marie, kaum komme ich mal ein paar Tage nicht dazu, in meine Lieblingsblogs 'reinzuschauen, geht hier ein Hauen und Stechen ab, das mich an meine schlimmste Szenevergangenheit in den 80ern erinnert. Ich tue jetzt einfach mal so, als ob ich den ganzen Kommentarkram nicht gelesen hätte und werfe ein paar Überlegungen zu Ches ursprünglichem Text ein - was dann vielleicht trotzdem die Schlacht in den Kommentaren aus einer anderen Perspektive erscheinen läßt.

Zunächst einmal: Das was Che aus Göttingen beschreibt habe ich genau so auch hier in Freiburg erlebt. Und was als durchaus berechtigte In-Frage-Stellung eines autonomen Machismo begann, verwandelte sich immer mehr in einen persönlichen Kleinkrieg, in dem der mehr als berechtigte Ausgangspunkt der Debatte zusehends verloren ging; stattdessen dominierten Selbstinszenierungen exzeptioneller Radikalität, unter deren Deckmantel dann persönliche Abneigungen und Animositäten sich als vermeintliche politische Auseinandersetzungen tarnten.

Ich selbst habe das nur als zunächst interessierter, dann zunehmend angewiderter Beobachter wahrgenommen. Im Gegensatz zu Che, der offensichtlich selbst in das Räderwerk dieser Debatten geriet, war ich persönlich davon nie betroffen; das lag sicherlich auch daran, daß meine damalige und auch noch heutige Liebste mit diesem Szenegedöns nichts am Hut hatte.

Mein Blick ist deshalb - in dieser Debatte - eher der eines Ethnologen (was - ich gebe es gerne zu - selbst eine spezifische Machtposition darstellt). Dieser nicht neutrale, aber außerhalb liegende Beobachtungsstandpunkt erlaubt es allerdings, sich weniger von den scheinbaren Inhalten der Debatte blenden zu lassen, als vielmehr ihre Form selbst ins Visier zu nehmen. Und da ich nicht nur ein alter Bolschewik, sondern auch ein alter Dialektiker bin, weiß ich, daß die Form dem Inhalt nicht äußerlich ist.

Um zu verstehen, daß es hier ein Form-Problem gibt, muß deshalb an eine Debatte erinnert werden, die zumindest hier in Freiburg direkt auf die Sexismusdebatte folgte: Die Antisemitismus-Debatte. Wie bei der Sexismusdebatte gab es einen nur allzu begründeten Anlaß: Gewisse Freiburger antimperialistische Kreise vertraten in Flugblättern und auch im alternativen Radio Dreyeckland unter dem Deckmantel einer Israel-Kritik übelsten Antisemitismus. Daraus entwickelte sich dann eine Antisemitismusdebatte, die zunächst eine sehr aufklärerische Wirkung hatte, dann aber zusehends in antideutschen Irrsinn abdriftete.

Rein formal haben wir beide Male das selbe Entwicklungsmuster: Innerhalb der linken Szene gibt es massive Probleme, die schon geraume Zeit existieren, aber im Rahmen einer allgemeinen Szenesolidarität unter den Teppich gekehrt werden (der autonome sexistische Machismo, der Antisemitismus gewisser antiimperialistischer Kreise). Es kommt zu einer gewissen Kulmination des Problems, eine signifikante Gruppe innerhalb der Szene ist auf einmal nicht mehr bereit, dieses Problem zu tolerieren.

Jetzt beginnt die Debatte: Die Gruppe, die das Problem nicht mehr tolerieren will, stellt zwar eine Minderheit dar, aber sie hat gute Argumente. Die Gruppe, gegen die sich ihre Empörung richtet, stellt ebenfalls eine Minderheit dar: Wirkliche sexuelle Übergriffe durch autonome Machos waren ebenso marginal wie die knallharten antiimperialistischen Antisemiten. Das große Mittelfeld schwankte zwischen einer widerwilligen Akzeptanz der Kritik und einer grundlegenden Szenesolidarität.

Der Punkt, um den es mir dabei geht: Man kann die ganzen Debatten überhaupt nicht verstehen, wenn man sie im Raster "hegemoniale Mehrheit" versus "marginalisierte Minderheit" betrachtet. Das Ganze fand von vornherein im Rahmen einer subkulturellen Minderheit statt, und die ganze Dynamik erschließt sich nur dann, wenn man sich klarmacht, daß der ganze Raum, in dem die Debatte stattfand, marginalisiert war. Denn nur daraus erklärt sich der double bind, in dem sich die zwischen den beiden Polen der Auseinandersetzung sich befindende Mehrheit dieser subkulturellen Sphäre befand: Die Szene selbst funktionierte einerseits nur, wenn sie wie Pech und Schwefel gegen die Mehrheitsgesellschaft zusammenhielt. Interne Kritik, so berechtigt sie auch sein mochte, wurde als Infragestellung des Ganzen interpretiert. Andererseits konnte die Kritik aber auch nicht weggewischt werden, weil die Problematik nicht von der Hand zu weisen war.

In dieser ideologischen Pattsituation wurde dann in der Regel nicht inhaltlich-sachlich entschieden, sondern anhand persönlicher Beziehungsgeflechte. Persönliche Freundschaften mit der "Problemgruppe" oder der "Kritikgruppe" waren entscheidender als die Auseinandersetzung mit der Problematik. Das aber wieder führte an Stelle einer Diskussion zum Bekenntniszwang. Statt um Auseinandersetzung ging es um Gefolgschaft. Weil um das unentschlossene Mittelfeld gekämpft wurde, polarisierten beide Seiten - leider auch die Seite der Kritiker. Wer nicht für sie war, war gegen sie.

Die Kritik, die in ihren Anfängen völlig berechtigt war, begann hyperbolisch zu werden. Am antideutschen Beispiel: Weil es antisemtische Israel-Kritik gab, wurde im Kontext dieser Polarisierung jede Kritik an Israel als antisemitisch denunziert, denn wer nicht auf der Seite der eigenen Fraktion stand, bekannte sich ja offensichtlich zur anderen Fraktion, und die war ja antisemitisch... Alles, was nur ein Jota von der eigenen Position abwich, wurde sofort verdächtigt, der anderen Position zuzugehören.

Diejenigen, die bereit waren, zu differenzieren, und nicht bereit waren, sich einem Lager zuzuordnen, sondern für sich selbst zu denken und Entscheidungen zu treffen, wurden Opfer einer Diskursstrategie, die nur schwarz oder weiß zuließ. Die einzige Möglichkeit, die es in einer solchen Situation gab, war diejenige, die Che gewählt hatte: Den Diskurszusammenhang selbst zu verlassen und sich politische Bezugsgruppen zu suchen, die über diese Polarisierungen nur den Kopf schütteln konnten.

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Und was wissen wir, wenn wir das wissen? Es ist doch einigermaßen offenkundig, dass das Problem dieser "Szenen" nun gerade das ist, dass sie die kritikwürdigen Mechanismen des gesellschaftlichen Mainstreams völlig aus den Augen verloren haben und sich stattdessen in irgendwelchen studentischen Hochburgen ihre Strategiespiele lieferten. Was aber dann gar keine Frage "kleinbürgerlicher Moral" ist, so kritisierenswert die ja sein mag, das ist eine Tragödie, diese reine Selbstreferenz.

Das ist nun aber gerade das, was mich dann zur Kritik treibt: Das wird dann hier im Blog in einem Kontext präsentiert, in dem auch allgemeine Fragen des Sexismus, Rassismus, Homophobie, Klassismus behandelt werden, die mit diesen Szeneimmanenzen gar nix zu tun haben. Als Bild des geläuterten Linken, der sich über solche Fragen erhoben hat.

Das nun aber IST ein allgemein gesellschaftliches Problem, das ja nun alle möglichen Leute in allen möglichen Institutionen durch diese Autonomenzentrum und studentischen Zirkel sozialisiert wurden, die nun bei solchen Themen in tatsächlich in eine groteske Abwehrhaltung fallen, einige waren ja heute hier, mit anderen hatte ich heute einen deprimierend-verblüffenden Mailverkehr - und irgendwann kungeln dann alle lieber mit der Katholischen Kirche und halte eine formale Toleranz den Devianten gegenüber aufrecht, kommen mit der Prawda, Umerziehungslagern und sonstwas für Unverschämtheiten um die Ecke und fallen über Feministinnen her.

Das ist dann einerseits das Fortsetzen dieser Selbstbezüglichkeit, ansonsten aber ÜBERALL in post-linken, linksliberalen etc.-Kreisen derart massiv vorhanden, dass mir da nur noch noch Angst und bange wird. Und WIEDER wird nicht versucht, das ganze in Relation zu realen gesellschaftlichen Verhältnissen gesehen. Und WIEDER sind es die üblichen, auch gesamtgesellschaftlich ANDEREN, die da ach so repressiv regiert hätten, ich meine, die Identität ist doch augenfällig derer, die da als die Bösen auftauchen.

Bei Antirassismusfragen passiert das Che nicht, da ist er nach wie vor viel zu aktiv, muss ich mich ja nicht einmal wöchentlich vor verneigen.

Ansonsten behält bemerkenswerterweise als einziger einen klaren Kopf der Nörgler, der nicht diese Kaderschmieden durchlaufen hat.

Ansonsten ist das aber einfach nicht mehr auszuhalten, dass mittlerweile selbst Konservative moderater auf Feminismus, Queeres etc. reagieren als die ach so heroischen Recken der Linken. Das ist doch völlig absurd. Ich kriege da tatsächlich Panik.

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Und was wissen wir, wenn wir das wissen?
Zum Bleistift, dass die Integrationskraft bürgerlich-heterosexistischer Denkweisen viel größer ist, als wir libertären Linken vor den hier geschilderten Entwicklungen annahmen. Was der Che da aus seiner Männergruppen-Erfahrung beschreibt ist doch im Wesentlichen, dass Tüpen, die sich in der Absicht, patriarchale Strukturen bei sich selber zu überwinden in kürzester Zeit bei deren Reproduktion landeten, darauf hatte der dann keinen Bock und hat sich von den Leuten verabschiedet unmd in einem völlig anderen Zusammenhang, auch sozial völlig anders geerdeten Zusammenhang Erfüllung gefunden. So what?

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Na, da ist dann allerdings der Schritt zum Plädoyer für eben diese Lebensweisen, deren Anziehungskraft ja so groß sei, nicht weit, weil das alles ja eh nicht normal-menschlich gewesen sei und nur aufgesetzt. Hält halt keiner aus, diesen Irrsinn. Wenn man zudem noch demonstriert, wie man das alles selbst hinter sich ließ.

Wobei tatsächlich mit den kleinbürgerlichen Lebensweisen gar kein so großes Problem habe, sondern mit der Herabwürdigung von Alternativen. Die da, wie Du ja gerade bestätigt hast, geschieht.

Dass Du da "So what?" schreibst, das überrascht mich.

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Nein, eben nicht. Sondern sich mit Ausgegrenzten, z.B. Punks, Flüchtlings, sog. "Pennern" usw. zusammenzusetzen und das ganze Bildungsbürgermoralopack nicht mehr ernst zu nehmen.

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Wenn das die Pointe war, war sie zumindest nicht so heraus gearbeitet, dass ich es verstanden hätte - was dann auch an mir läge. Zu Punk versus Disco brauche ich ja, glaube ich, nix mehr schreiben :) ... i will survive :D ...

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Punks heißt in diesem Kontext "Leute, die auf der Straße leben und sich H in die Vene drücken" und keine Musikrichtung.

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Hmm.
ich meine, die Identität ist doch augenfällig derer, die da als die Bösen auftauchen.
Ist das so?

Ja, vielleicht. Wenn ich mir Gedanken darüber mache, welche Leute in den linken Gruppen, bei denen ich mich mindestens 10 Jahre meines Lebens intensiv betätigt habe, sich hinterher bzw. mittendrin als hochgradig bigotte Arschlöcher mit Führungsanspruch und Streben nach Diskursherrschaft heraus gestellt haben, dann stimmt das so im Groben.

Kinder besserer Eltern.

Für die war - teils - die Tätigkeit in stark linken Gruppierungen eine Art "politischer Abenteuerspielplatz", bei der sie so lustig raufen konnten. So in etwa. Weil, gerade die schlimmsten Arschlöcher unter diesen, die wussten ja auch, dass all das nur eine vorrübergehende Phase ist. Anschließend wartet die gut situierte bürgerliche Existenz auf sie.

Ist natürlich etwas grob, das so zu sehen. Aber, so alles in allem, so im Nachhinein: es kommt schon so ungefähr hin. Jedenfalls verblüffend oft...

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hatte Momorulez nicht in dem Blog, als um den Antiamerikanismus ging, nicht selbst von Selbstgerechtigkeit gesprochen, die „nunmehr jedes Feld zu okkupieren und zum eigenen zu machen“, was im Keime eben jene Haltung sei, die dazu führe, „dass Weiße PoC darüber belehren wollen, was Rassismus sei“?

Typisch linke Sebstgerechtigkeit, ich glaube zu wissen, was damit gemeint ist. Biographisches lass ich jetzt besser weg.

Wenn Weiße PoC erklären, was unter Rassismus zu verstehen sei - vollkommen absurd, wenn dies nicht als Demütigung zu verstehen sein soll - dazu noch von "irgendwie Linken", dann bietet Momorulez, um dem auf die Spur zu kommen, eine Antwort an, die doch ziemlich genau das beinhaltet, was ihm nun vorgeworfen wurde. Nämlich Selbstgerechtigkeit. (Was vielleicht auch mein unbewusster Vorwurf war, – deshalb mein Rumgeeiere drüben? Ganz sicher bin ich mir nicht.) Aber das ist doch interessant! Überdies ärgert er sich hier über Beschreibungen ebendieses Phänomens. Fiel mir nur so auf. Sein letzter Kommentar ist da für mich erhellend, warum. Überhaupt kommen jetzt von allen Seiten Erklärungsversuche, die mir dieses Phänomen begreiflicher machen. Netbitchs postpubertärte Selbstgfindungs-Vermutung. Fand ich z.B. interessant. Biographisches jetzt weggelassen, aber wie ödete mich das alles an!

Nun gibt es aber noch eine interessante Sache: Als Ursache oder als Symptom für einen ursächlichen Zusammenhang für linke (?) Selbstgerechtigkeit bietet Momorulez ein Szenario an, in dem ein nationalistischer Antiamerikanismus in Teilen der Friedensbewegung, wie ich es jedenfalls sehe, eine Verfallserscheinung der Linken, die Selbstgerechtigkeit, „nunmehr jedes Feld zu okkupieren und zum eigenen zu machen“, befördert habe. Eine Haltung, die eben den genannten Rassismus bereits als Keim in sich trug. Nun, das halte ich für plausibel. Im Zuge dessen, dass die links/rechts-Dichotomie (scheinbar) sich aufzulösen begann, jedenfalls für die Wahrnehmung des Mainstreams, wurde die Linke immer schwächer, konnte schließlich Walser seine Paulskirchenrede halten.

Weiter führt er aus, es habe vielleicht doch „in diesem Szenario 1977-83"; eine Art, hmnja, das meint er nicht: Neuanfang gegeben, in dem „sich sehr Unabgegoltenes verbirgt?“ Das hatte mich verwundert, denn dann sähe Momorulez ja Chancen dort, wo es sich um eine Verfallserscheinung der Linken in Form z.B. eines nationalistischen Antiamerikanismus in Teilen der Friedensbewegung handelt, er also ins stalinistische Umerziehunglager gehört hätte, das umgekehrt ihm wiederum bereits vorgehalten wurde. Oder die 5. Kolonne Moskaus hat nicht sorgfältig genug gearbeitet. Denn es passt doch ganz gut zu dem Antiamerikanismus der Kriegverlierer, auf den sich der Nörgler konzentriert, wenn Momorulez einen Antiamerikanismus, „mit teils nationalistischem Einschlag“ in der Friedenbewegung ausmacht, und hinzufügt, es sei versucht worden, „historisch geläutert das „gute Deutschland“ zu inszenieren“ : Verdrängung der eigenen Schuld am Holocaust, „wir sind wieder wer“.

Antiamerikanismus hat es nun aber zumindest als Vorwurf gegeben in jener Zeit. Eher allerdings aus der Fünfte-Kolonne-Historikerstreit-Ecke. Das zielte eben auch auf linke Verdrängung (Faschismus ist die notwendige Folge von Kapitalismus und Imperialismus, was habe ich also mit dem Holocaust zu tun). Diese linke Verdrängung, oder die Bereitschaft dazu, hat es allerdings gegeben. Vielleicht hat diese linke Verdrängung doch etwas mit der für „die Linken“ so typische Selbstgerechtigkeit zu tun. Sie hatte immerhin noch lange eine erhebliche Anziehungskraft, da waren ja immer diese Leute gewesen, in den 60ern, 70ern, die automatisch einfach immer recht hatten, dazu das Empörungspotenzial, das sich flugs angeeignet werden konnte. Da ist nichts zu machen, ist im linken Paket vielleicht ja immer noch mit drin.

Ich sehe darin heute eher etwas wie eine Mode, überhaupt verkam "links" irgendwie zur Mode, eine Haltung, die mittlerweile Folklore geworden ist. Abgesehen davon, dass bei einigen ehemalige Linken, die plötzlich konservativ sind, über Katholizismus faseln, sich auf einmal alles geändert hat, nur die habituelle Selbstgerechtigkeit nicht, gehört sie doch schon fast zum guten Ton. intellektuelle Überheblichkeit, früher mal der Renner, macht sich immer noch gut, und gekonnt inszeniert, ruft sie regelmäßig in den Kommentarspalten Begeisterung hervor.

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Der Zeitzeuge spricht
Eine der großen, bleibenden Leistungen der APO bestand darin, dem deutschen Volke den Antiamerikanismus so gründlich auszutreiben, dass er bis heute nicht mehr aufgetreten ist. Als nämlich der linke Bürgerschreck was gegen die USA hatte, warf der Bürger seine antiamerikanistischen Reste über Bord und stellte sich auf die Seite "unserer amerikanischen Freunde".

Ich weiß nicht, woher diese Sehnsucht nach Antiamerikanismus kommt. Es gibt ihn in D längst nicht mehr. Ihr werdet damit leben müssen.

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Der Zeitzeuge hat meiner Meinung nach recht. Und die imo eher ulkigen Deutungsversuche des M. decken sich so gut wie garnicht mit meinen Erfahrungen. Was natürlich auch zufallsbedingt sein mag, denn das Verallgemeinern persönlicher Erfahrungen ist ja mitunter eine Falle.

Aber wirklich, mit "der" Friedensbewegung kenne ich mich, der so gemeinte "Irgendwie-Linke", aus Binnenperspektive nun wirklich gut aus. Ihr dürft sogar von einem ehemaligen "Führungskader" reden dabei. Habe Demos organsiert, bundesweite Koordinationen mit-gemacht und gemacht, Friedensinitiativen gegründet, Sprecherämter inne gehabt. Und so Zeugs halt. Und das über einen ziemlich langen und intensiven Zeitraum hinweg.

Ich weiß ja nicht, ob das nun wirklich für die These "Irgendwie-Linker" spricht.

Was die Thesen des M. betrifft, tatsächlich gab es in dieser zeitweise sehr breiten Bewegung auch, vereinzelt wie bedeutungslos, nationalistisch eingestellte Leute. Das kennt M. ja auch aus seiner eigenen Zeit. Und vielleicht kennt er ja noch die vereinzelten Wertekonservativen mit leicht nationalistischer Ausrichtung, die es in dezidiert grünen Zusammenhänge gab.

Deutlich häufiger war innerhalb der Bewegung so eine Art "diffuser Antiamerikanismus" mit Reagan als eine Art Inkarnation des Bösen - das ging aber mit Nationalismus, jedenfalls in der Friedensbewegung, so gut wie nie zusammen. Dieser "diffuse Antiamerikanismus" war zugleich auch "diffus antinational", genau genommen, ziemlich häufig internationalistisch eingstellt.

Wir haben Leute aus dem Ostblock rangekarrt (mitunter ging das), Bücher herüber geschmuggelt, oder uns mit ihnen auf geheimen Kanälen rückgeschlossen, oft über Kirchengruppen. Cuba si. Lateinamerika-Gruppen. Und und und.

(vielleicht war die Friedensbewegung in dieser Hinsicht tatsächlich ein bedeutender Faktor, der zu einer gewissen staatskritischen Politisierung der Kirche und ihrer Gruppen in der DDR beitrug - was mit einem Timelag von rund 15 Jahren wiederum zu einem beachtlichen Faktor beim Zerfall der überwiegend stalinistisch organisierten DDR wurde - zumal auch in der konkreten Form: "Friedensgebete", die sich zu einem Kristallisationspunkt entwicklelten)

Vergleichsweise bedeutender als die in der Rückschau überbewerteten vereinzelten Nationalisten waren dann schon, imho ganz objektiv, Kräfte innerhalb der - ähem - Schaltzentralen der Friedensbewegung. Da gab es Leute, die man in gewisser Hinsicht, trotz aller ehrlichen Überzeugung, als "Kolonne Moskaus" bezeichnen könnte. Dass DKP u.ä. allerdings "die" Friedensbewegung gesteuert hätten, das ist ein rechtsbürgerlicher Mythos ohne Boden.

Tja und jetzt? Als "irgendwie-Linker" (wer entscheidet das eigentlich? Gibt es dafür ein Amt, oder eine Behörde, die diesen Stempel verleiht) sind natürlich meine Erfahrungen nicht weiter beachtlich.

Nehme ich an. Genauso verhält es sich mit dem anders (fast schon persönlich) gebrandmarkten "Neokonservativen" Che. Seine persönlichen Erfahrungen gelten ja auch als nichts. Und bei Netbitch (die einem Etikett bislang gut entkommen konnte) ist es ganz ähnlich.

Da sitzt nämlich einer an seinem Schreibtisch, der entscheidet darüber, wessen persönliche Erfahrungen gelten, und wer sich in eine Diskussion einbringen darf. Und auch: Womit.

Ich ende bei sowas, wenn ich mir darüber Gedanken mache, eigentlich schon wieder bei zwei zentralen Begrifflichkeiten:

1. Übergeschnapptheit
2. Kinder besserer Eltern

Weil, ganz ehrlich, beide Punkte nicht nur konkret gegeben sind (das kann ja noch Zufall sein), sondern imho auch systematisch.

Ja, so sehe ich das.

P.S.

Es war für mich beim Schreiben sehr schön, mal wieder an die alten Zeiten in der Friedensbewegung zu denken. Für mich war das eine sehr schöne Zeit. Aber es wurden ja auch gesellschaftliche Türen aufgemacht, zu dieser Zeit. Die Nachsiebziger K-Gruppen zerfielen zu geschichtlichen Staub und es bildete sich etwas Neues, ein neuer Anfang.

Wenn ich so recht darüber nachdenke, es würde im Jahr 2011 heftig skurril wirken, wenn sich die Grünen in Hamburg "Alternative Liste" nennen würden. Die haben sich hier vor Ort mächtig verbürgerlicht - wer damals offen begrüßt wurde (z.B. Behindertengruppen), gilt heute eher als Störfaktor.

Die Zeiten haben sich erneut gewandelt, und vielleicht zeigt sich darin (in der Verbürgerlichung der Grünen beispielsweise) auch genau das, was Netbitch oben gesagt hat. Es fühlt sich nur etwas komisch an, diesen Prozess unter "Integrationskraft der bürgerlichen Gesellschaft" zu verbuchen. Aber, so kann mensch das wohl nennen. Ich würde das eher "Verdrängungskraft der bürgerlichen Gesellschaft" titulieren, aber - der Prozess an sich ist imho unbestreitbar.

Ach, und was haben wir damals von gleichrangigen Dialog geträumt, von der Überwindung von Machtstrukturen im Miteinander, von fairen und respektvollen Umgang miteinander, von - ja - "Friedlichkeit" im Umgang mit uns selbst und vieles mehr.

*seufz*

Lang ist es her.

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first_dr.dean, mit "irgendwie links" meinte ich dich nicht. ich will da bloß einfach vorsichtig sein, denn was nun links ist, was nicht, dazu kann ich wohl eher wenig beitragen.

also in den 70ern sah es mein Vater gar nicht gern, dass meine Oma mir ein T-Shirt schenkte, das aussah, als sei es aus der stars & strips Flagge gemacht, und dass ich damit noch rumspielte. (genauso wie ich mich schämen musste als Kind, wenn ich mit Spielzeugwaffen spielte.) da ich ein paar Jährchen jünger bin als ihr, bekam ich das alles gewissermaßen lediglich aus der Entfernung mit. meinen Vater möchte ich aber in Schutz nehmen, falls er etwas hinterher war. gerade rübergemacht, ging der zu Anti-Ulbricht-Protestveranstaltungen, war Zwischenrufer, wenn der redete, trank Coka-Cola, wählte CDU und war zuerst ein armer Schlucker. ich denke, es muss unter linken ebenso schlichte Gemüter gegeben haben wie es das meine, kindliche gab. als ich dann irgendwann hörte, dass Leute wie W.D. Brinkmann von Amerika träumten/schwärmten, war mir das in der Tat etwas Neues (Jahrzehnte nach seinem Tod) oder wurde als Gegensatz eines (vermeintlichen) Antiamerikanismus dargestellt. ogottogott, soviel Unwissenheit meinerseits, bis heute. abgesehen von der APO, nicht gerade diejenigen, die den alten Antiamerikanismus hätten tradieren können, waren wir, wenn es darum ging, dass es einen neuen nicht gegeben habe, immer in der Pop-Sphäre. Protest-Songs, Pop-Dichtung. ich bin noch nicht ganz überzeugt.

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Wie mir mal wieder das Wort im Munde herumgedreht wurde
@ Wenn man zudem noch demonstriert, wie man das alles selbst hinter sich ließ.

Wobei tatsächlich mit den kleinbürgerlichen Lebensweisen gar kein so großes Problem habe, sondern mit der Herabwürdigung von Alternativen.



"Nein, eben nicht. Sondern sich mit Ausgegrenzten, z.B. Punks, Flüchtlings, sog. "Pennern" usw. zusammenzusetzen und das ganze Bildungsbürgermoralopack nicht mehr ernst zu nehmen.

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momorules, Donnerstag, 8. Dezember 2011, 00:15
Wenn das die Pointe war, war sie zumindest nicht so heraus gearbeitet, dass ich es verstanden hätte - was dann auch an mir läge." --- Ich meinte, das im Eingangstext ganz klar geschrieben zu haben. Ich verließ die Männergruppe und überhaupt die studentische Linke, um mich sozial und ethnisch anders zusammengesetzten Gruppen anzuschließen, und das war keine Resignation und erst recht keine Verbürgerlichung, sondern eher eine Radikalisierung. Konkret löste ich mich aus homogen deutschen, überwiegend, wenn auch nicht in Gänze mittelschichtig sozialisierten studentischen linken Gruppen, um mich Solchen anzuschließen, die zum harten Kern der autonomen Szene gehörten.


Das war zum Einen eine Gruppe, die auf ein vom Frauen-Lesben-Zentrum und zwei Ladenprojekten gegründetes Koordinationsplenum gegen Abschiebungen zurückging. Aus den Resten dieses Plenums war eine Gruppe entstanden, die nicht nur politisch aktiv war, sondern auch einen sozialen Lebenszusammenhang darstellte, und tonangebende Leute waren da zum Beispiel ein iranischer Arbeiter, der der Kumalah (Revolutionäre Organisation der Werktätigen Kurdistans) angehört hatte und im Teheraner Evin-Gefängnis gefoltert worden war und eine proletarisch sozialisierte weiße deutsche Dauerarbeitslose, die nach 10 Jahren Sozialhilfe ihr eigenes Eine-Frau-Unternehmen gründete.

Die zweite Gruppe bestand überwiegend aus irakischen Kurden. In der Dritten, aus dem Schnittstellenbereich der beiden Anderen gegründet war ich der einzige Deutsche. Hinsichtlich des Blicks auf Marginalisierte aus der Richtung heterosexueller weißer Deutscher muss man mir bei diesem Hintergrund nichts Dolles erzählen, wirklich nicht.

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Ach, noch ne Erinnerung, ein Freund spielte mit seiner Band in der Bahnhofsmission, danach feierten wir wild im Keller mit ein paar Obdachlosen, ich spielte „These Boots Are Made For Walkin“, Löffel klapperten auf Tischplatte, und … weiß ich nicht mehr, bis mir die Finger bluteten. Und da war ein großer Raum. Rechts in Großen Kisten, eher Raumteiler, lagen Klamotten, links waren Äpfel gelagert: Vitamine für alle! Vorne stand mittig plaziert ein Schreibtisch mit Laptop (glaube ich mich zu erinnern) und einer Lampe als einzige Lichtquelle im Raum. Und da war dieser junge Typ, ganz in Schwarz, die Haare kurtz, schwarzgefärbt, und das Ganze wirkte wie in einem Film, der in den 30ern spielt. Der Komissar, Funktionär, der Verwalter, ich weiß auch nicht. Wenn diese Stilisierung aber beabsichtigt war, dann war sie gelungen. Da stand ich und bewunderte. Cool, alles unter Kontrolle, sich um die Basics kümmern, eine andere Welt, und 30erjahre-Chic. Na, und dann kam diese suberprächtige Blondine aus Schweden rein, megacool, auch noch solcherart international vernetzt. Also, ich war schon etwas neidisch ...

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Das liest sich zwar durchaus interessant, aber was hat das mit dem Thema dieses Threads zu tun?

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Che, ich glaube nicht, dass dir Momo das Wort im Munde verdrehen wollte. Ich habe ihn an der Stelle anders verstanden: Momo wollte dem Eindruck entgegen wirken, er sei gegenüber "kleinbürgerlichen" (so nannte er das) Lebensentwürfen intolerant. Immerhin ist das ein Vorwurf, der hier im Raume steht - nicht zuletzt von mir wurde dieser Eindruck geschaffen.

Es ging ihm an der Stelle ganz und gar überhaupt nicht darum, Che, dir jetzt an den Karren zu fahren.

(und seine von Invektiven gekennzeichneten übergeschnappten Ausfälle, ähm, sorry: Das war halt eine Überreaktion von ihm. Hat neben seiner ausgeprägten "Dean-Allergie" wohl auch schlicht damit zu tun, wie sehr er sich durch eventuelle homophobe Potentiale bedroht fühlt)

@ Ziggev

Ich fand deine Schilderungen interessant. Hat - für mich - durchaus auch noch etwas mit "back to basics" zu tun. Marginalisierung hat verschiedene Gesichter.

P.S.
Nachdem mir gestern wirklich sterbenselend war, wegen verschiedener Malaisen, bin ich heute wieder halbwegs auf den Damm. Wünsche allen hier schon einmal ein schönes, erlebnisreiches und behagliches Wochenende!

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Mag ja sein. Nur ist es halt so, dass dieser Wechsel von einem ins andere Lager die politisch wildeste Zeit in meinem Leben einleitete, und dass das dann anderswo als so ne Art Verspießerung wahrgenommen wird ist echt ein Treppenwitz. Für mich war ja etwa die Männergruppe ein Spießerhaufen.

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Wie sich solche Lebenserinnerungen als Bestätigung eines Lebensstils mit bürgerlicher Familie im Mittelpunkt lesen lassen sollen ist mir in der Tat völlig unklar. Aber ich war damals ja selber mit dabei und insofern Teil des von Dir geschilderten Geschehens. Tuc und Entdinglichung müssten hierzu ja noch Einiges sagen können, eigentlich.

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Diese arme Sau!
momorulez verstehe ich an dieser Stelle so, dass er das Ergebnis dieser Entwicklung, also Deine (und Netbitchs - wenn sie hier miteinbezogen werden darf), Situation heute im Zusammenhang als kleinbürgerliche Flucht in gesicherte Verhältnisse empfindet. Oder, vielleicht, die Sehnsucht danach. (Denn: Wie es sich tatsächlich verhält, hast Du ja bereits geschildert; ich hatte den Eindruck, dass solche "kleinbürgerliche Sehnsucht", so sie denn überhaupt je existierte, eher nicht in Erfüllung gegangen ist, sondern, in punkto Sicherheit, de facto eben gerade nicht.)

Im dritten und vierten Abstz oben scheint er mir eine Paralle zu ziehen zu Weisen, sich zu verhalten, die ich kurtz so beschreiben möchte: nach all den wilden frühen radikallinks engagierten Jahren habe ich jetzt schließlich meine Schäfchen ins Trockene gebracht und kann jetzt, mit dem großen Abstand, es mir auch leisten, all jene frühen Verwirrungen und Wirrnisse, die das so mitsichbrachte, zu kritisieren, mich "darüber zu erheben". Was ihn, wie mir scheint, angekotzt, ist, dass er in der Lesart, also die Art und Weise, wie er dieses Blog nichtumhinkommend ließt, Ähnlichkeiten entdeckt zu Kotzbrocken wie Mattussek et al.

BTW, diesen Katholizismus á la Mattussek hatte ich bereits mit 17 durch - nachdem mich die "linke" Selbstzufriedenheit von meinen Mitschülerinnen derart abgestoßen hatte, die auf der Beziehungsebene lautete, das sind hier Hierachrichien, du hast keine Ahnung, und solange du dich nicht unterordnest, haben andere (z.B ich) das Sagen. - Bald hatte ich diesen katholischen Freund, mit dem ich damals all das, bevor ich 20 war, durchexerziert hatte, was dieser Mattussek jetzt als lauwaren Aufguss wieder bringt, für die echt miderbemittelten. Ach, ebendiese Mitschülerin war schon wärend meiner Schulzeit mit meinem Kunst- - und Tutor - also Vertrauenslehrer zusammen, was alle außer mir wussten. (An meiner Schule, in einer von Bonzen und Neureichen, Junge Union und Schlimmeres im Speckgürtel durchsetzten Gegend, eine der wenigen begehrenswerten, und, so meine Illusion, erreichbaren Frauen.) Später ein recht glückliches Paar, 80 qm Wohnung in Eppendorf (gute Gegend), Auto putzen am Wochenende, edle Fischgerichte, auch unter der Woche, usf. (In Sachen Katholizismus wurde die ganze Sache nochmal interessant nach der Lektüre von Kierkegaard, und nochmal nachchecken (der Versuch), wie war das eigentlich mit der sog. "konservativen Revolution" und etwa Heidegger -> Husserl?)

Und diese Sehnsucht eines Mattusek, jetzt hab ich´s ja, nach Sicherheit, und das Abfeiern auf die plumpeste Art, ist - ich kenn jetzt keine Steigerung - "kleinst"bürgerlich. Diese arme Sau!

@ mein oben eingeschobene Erinnerng, "These Boots Are Made For Walkin". Ein naher Verwandter, ein Kritischer Psychologe (mit großem "K"), berichtete mir von seiner Bewundrung für die kommunistischen Aktivisten, die er während seines Praktikums in der Drogenhilfe kennengelernt hatte. Ich ging den kürzeren Weg, ich wurde gleich Penner, ohne K-Gruppen und solch Zeugs. Duschte mich, bevor ich die Wohnung verließ, damit ich wenigstens einmal am Tag nicht fror im Winter. Arbeitete, 680 DM im Monat, Miete abziehen, Nachtarbeit als Drucker, als Penner, (mist, eigentlich wolltest du ja studieren) ich muss schon sagen, ich verwahrloste zusehends, als solcher für Penner spielen, z.B. der Gitarrist der o.g. Band schon lange tot, was meiner Bewunderung für die "kommunsitischen" Leute, die ich damals bewunderte, keinen Abbruch tut. (die ganze Scheiße geht jetzt wieder los, Kontopfändung wg. 80 € Betriebskostennachzahlungsrückstand f. d. Wohnung seit 2 Monaten, die wollen mich hier raushaben ...)

Die (intellektuelle) Überheblichkeit gegenüber jenem o.g. Verwandten, der früher manchmal Foucaoult zu zitieren pflegte, habe ich jedenfalls ganz abgelegt.

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Du solltest ein eigenes Blog anlegen, das liest sich doch alles hochinteressant!

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Ziggev, Du darfst mich gerne miteinbeziehen!
Kleinbürgerlich allerdings ist bei mir nix: Extrem proletarisch sozialisiert, mit einem heutigen Job, den ich eher als upper middelclass bezeichnen würde, und Lebensgewohnheiten, zu denen ich dekadente Boheme sage. Meine gesicherten Verhältnisse sind etwas, das ich gegen meine mir ansozialisierte Klassenbestimmung erkämpft habe, und was mir bei momorulez sauer aufstößt, ist eine bis in die Poren zu spürende akademische middelclass-Haltung, die ständig anderen Leuten ihre soziale Stellung zuweisen will. Kam ja auch bei Shifting Reality zwischen momorulez und alterbolschwewik mal rüber. Nebenbei war das oben bei Che ja auch der Punkt: Dass er irgendwann auf Linke, die aus Akademermittelschichtsfamilien stammten keinen Bock mehr hatte und sich dann neue Kreise gesucht hatte.

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groß/bürgerlich, vielleicht auch großkotzig
Was ist das eigentlich genau, "kleinbürgerlich"? Was genau steckt dahinter, wenn jemand dieses oft sehr phrasenhaft eingesetzte Wort verwendet?

Ich glaube, ernsthaft, für viele Abkömmlinge besserer Eltern ist diese Formulierung eine wahre Freude. Denn einerseits sind sie ja nie davon betroffen, von der Herkunft "kleinbürgerlich" zu sein (und das ist angenehm), andererseits können sie damit so en passant ihre Kenntnisse über soziologische Zusammenhänge, das Dritte Reich, und dessen Zustandekommen andeuten und zugleich die geistige Minderbemittlung "der" als Kleinbürger Gekennzeichneten andeuten.

Wenn ein akademischer Mittelschichtler zu dir sagt, dass du ja ein "Kleinbürger" seiest oder dich in diese Richtung entwickeln würdest, dann ist das seine, spezielle Weise, "du unterer Wurm!" zu dir zu sagen. Dir wird damit dein Platz zugewiesen.

Lustig (sozusagen) ist dabei, dass sehr viele derjenigen, denen Kleinbürgertum vorgeworfen wird, tatsächlich eher proletarischer Herkunft (Arbeiter, kleine Angestellte, Prekariat u.ä.) sind.

Das nimmt diesem Sprachspiel ein wenig den Zauber...

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Was mir halt, auch in dieser Diskussion hier, zunehmend auf die Nerven geht, ist dieser wirklich unangenehme Ichismus, diese Selbstreferentialität der Selbstheroisierung, die ich so ziemlich als Gegenteil von Politik begreifen würde. Wenn eine Intervention, bei der Geschichtsschreibung von Konflikten in einer Studentenstadt doch vielleicht mal zu berücksichtigen, welche Rolle PoC und Queer People spielten und welche Rolle z.B. die Kolonialgeschichte, dann als irgendeinen Mittelklassenphänomen missgedeutet wird, ist das einfach eine Selbstimmunisierung und zudem über den Umweg einer vermeintlich Herrschaft der Blidungsbürger eben doch wieder nur die Nummer in unseren Diskussionszusammenhängen, der Tunte irgendeinen Herrschaftsanspruch überzustülpen, um sich im eigenen Sportwagen zu verschanzen. Was eben auch Pointe der Christina Schröderesken Anekdötchenschlacht war.

Das ist nun allerdings so erschütternd typisch deutsch und derart mainstreamiges Selbetrugsgeschehen, taz und Co, dass man es eigentlich getrost ignorieren könnte, wenn es nicht in ALLEN, wie bereits geschrieben, Post-Irgendwielinken Klüngeln exakt das gleiche wäre, wie jeder weiß, der sich gelegentlich die Mühe macht, da mal PoC oder queere Inhalte zu platzieren: Es wird IMMER mit der Unterstellung eines Herrschaftsanspruches gekontert, um reale Herrschaftsverhältnisse zu tarnen.

Das für mich persönlich deprimierende ist, mir jahrelang den Mund fusselig geredet zu haben, und der einzige neben Ziggev, der auf anderen Ebenen ansetzt, der gepeilt hat, worum es mir geht, ist der Nörgler.

Mich bestätigt das in der Annahme, was PoC-Freunde auch schon oft angemerkt haben: Diese Irgendwielinksozialisierten zwischen 35 und 50 kann man politisch einfach vergessen bzw. sie sind in vielen Fällen eher politische Gegner geworden.

Mein Schlusswort hier unter Heten. Musealisiert euch ruhig weiter selbst. Und freue mich von nun an über alles, was Netbitch sauer aufstößt :) ...

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zu viel Kreativität, imho
...um reale Herrschaftsverhältnisse zu tarnen.
So, so. Darum also?
...um sich im eigenen Sportwagen zu verschanzen.
Wahrlich eine "Pointe", wie du die Leute hier markierst.
Diese Irgendwielinksozialisierten zwischen 35 und 50 kann man politisch einfach vergessen
Tröstlich: So bleiben dir noch jede Menge U35er & Ü50er.

Beeindruckend, wie jedes Wort entweder an dir abprallt, wie an Stahl, oder von dir iterativ in eine neue und oft sogar entgegen gesetzte Bedeutung gewandelt wird. Ganz stark!

ad "Heten", und was du uns damit sagen willst:

Die Schwulen in meinem Schw.chor (ich dort als "Quotenhete") lachen dich schon seit längerem aus, M.! Von einem "undoing blanketism" könntest du großartig profitieren. Es ist von dir weder fair, noch angemessen, die Kommentatoren/innen hier in den gleichen Sack zu stecken.

Du peilst das einfach nicht.

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Eigentlich wollte ich ja die Klappe halten, nachdem sich das hier alles beruhigt hatte und Momorulez mit dem ihm eigenen Tunnelblick völlig verkannt hat, was ich mit meinem Kommentar über die Polarisierungsmechanismen in Subkulturen sagen wollte. Aber da‘s ja doch munter weitergeht, hier noch einmal im Klartext, an Momorulez:

Wir diskutieren hier nicht in der großen weiten Welt, auch wenn das Intenet diese Illusion nahelegt, sondern in Kleinbloggersdorf. Und zwar nicht auf dem Marktplatz in Kleinbloggersdorf, sondern in einer kleinen Seitengasse, die, wenn mich nicht alles täuscht, sogar eine Sackgasse ist. Und innerhalb dieser Handvoll von Leuten, die hier diskutieren und den vielleicht noch einmal zwei, drei Handvoll Leuten, die dann noch mitlesen, laufen genau die Mechanismen ab, wie ich sie aus der linken Szene der 80er kenne.

Wenn wir uns also die Rollenverteilung anschauen, gibst Du den „white guy“ (während sich Dr. Dean sich in die Rolle des „black guy“ trollt). Prinzipiell teilen alle, inklusive des trollenden Dr. Dean, Dein Anliegen und halten es im Allgemeinen für berechtigt. Die konkrete Ausformulierung führt dann allerdings oft genug dazu, daß Abwehrreaktionen mobilisiert werden. Und das liegt nicht daran, daß es sich um unbewußte oder bewußte Abwehrstrategien Privilegierter gegenüber diskriminierten Minderheiten handelt – auch wenn es zu Deiner Diskurstrategie gehört, dies zu leugnen (ich weiß genau, daß ich mir mit diesem Kommentar genau diesen Vorwurf einfangen werde). Es liegt vielmehr daran, daß die Angriffe jeden Bezug zur Realität der Diskussion vermissen lassen. Da ist dann vom „Schützenverein- Stammtisch“ die Rede, es wird unterstellt, es würden „neokonservative Reden geschwungen“, man würde „Abschiebungsforderungen und korrektiven Vergewaltigungen vorgängige Diskurse“ unter Meinungsfreiheit abbuchen und so weiter. Das sind rhetorische Übertreibungen, die tatsächlich Abwehrhaltungen provozieren, aber einfach deshalb, weil sie Blödsinn sind.

Und dabei geht es mir nicht darum, Dir einen Herrschaftsanspruch zu unterstellen (dennoch ist das der nächste Vorwurf, den ich mir jetzt einfangen werde); aber ich unterstelle Dir, daß Du in einem völlig festgefahrenen Schwarz-Weiß-Denken in einer Weise polarisieren willst, in der die jeweiligen Diskussionspartner gar nicht mehr als Individuen wahrgenommen werden, sondern nur noch als unterschiedslose Masse von Repräsentanten der „Dominanzkultur“. Und dann stehen Christina Schröder und die netbitch auf einmal für genau dasselbe ein, wenn nicht die netbitch noch schlimmer ist.

Polarisierung ist aber nicht die Fortsetzung einer echten Diskussion mit verschärften Mitteln. Der Nörgler beispielsweise ist auch jemand, der in Diskussionen sehr hart zuschlägt. Aber er schlägt präzise zu, hält sich an dem fest, was jemand wirklich gesagt hat (okay, meistens), seziert das minutiös und haut es einem dann um die Ohren. Das tut weh, aber der Schmerz ist lehrreich. Bei den Polarisierungsscheingefechten, wie sie die linke Szene in den 80er gespalten hat, und die ich im kleinen hier wieder entdecke, ging es aber nicht um eine harte, aber faire Diskussion, sondern um etwas ganz anderes: Eine simple Freund-Feind-Unterscheidung und damit letztlich Herstellung von Gefolgschaft. Innerhalb eines solchen Diskursregimes gibt es dann nur noch zwei Sorten Menschen: Diejenigen, die für uns sind, und diejenigen, die gegen uns sind. Ticket-Denken haben Horkheimer und Adorno das genannt.

Dahinter steht diese grundfalsche Einforderung von Solidarität, von der Nörgler gesprochen hat, als er meint: „Ich selber habe ihn nur als moralische Erpressung kennengelernt, als Aggression und Übergriffigkeit.“ Wir werden hier – hoffentlich – immer Differenzen haben und diese in der Diskussion austragen, sonst gäbe es auch keinen Grund, weiterzulesen und zu -schreiben. Aber Voraussetzung dafür ist, daß nicht mit haltlosen Unterstellungen und Gleichsetzungen operiert wird.

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Mal ab davon, dass ich mir solche bildungsürgerlichen Zurechtweisungen verbiete :D - ich diskutiere hier 5 Jahre rum, und alles, was zurück kommt sind die Identitätsprobleme und Selbstmusealisierungen heterosexueller Irgendwielinker bei gleichzeitig wirklich frappierender Ignoranz, die sich jeglicher Kenntnisnahme von Geschriebenem verweigert, sobald es mal um Selbstkritik geht. Und wenn es zu Konflikten im innerirgendwielinken Feld kam, war gerade ein einziges Mal Solidarität angesagt, wenn es um Fragen nach Schwulen oder Lesben ging.

Ich habe mit euren Szeneklüngeln allenfalls peripher was zu tun gehabt und weiß deshalb auch nicht, was für Mechanismen da so funzten, adaptiert haben kann ich sie gar nicht; es wird schlicht nicht bemerkt, wo man Christina Schrödisiert wird.

Der einzige Grund, warum ich da überhaupt noch mal drauf antworte, ist, dass Du bei Shifting reality ja noch irgendwie drauf reagiert hattest, was Dich von Netbitch und Che schon mal deutlich unterscheidet.

Hier mag ja so was wie eine formale Akzeptanz nicht-heterosexuellen Lebensentwürfen gegenüber herrschen; wenn es ans Eingemachte geht, nämlich um das, was Heteronormavität INHALTLICH zusammen hält, kommt einfach der selbe Murks wie überall und es werden irgendwelche Strategien erfunden und nun auch noch Zensuren verteilt.

Manchmal wird das noch theoretisch irgendwie eingeholt, aber im praktischen Diskurs wie auch in der narzißtischen Sekbststilisierung dann aber boykottiert.

Nee, sorry, meine Bündnispartner suche ich lieber woanders, da kann man Blogs wie dieses getrost vergessen.

Ich habe mir auch abgewöhnt, die Diskursvorgaben Heterosexueller, wie ich das Einwirken des gesellschaftlichen Mainstreams auf mich nun zu formulieren und zu verstehen habe und welche Vergleiche da erlaubt, welche verboten sind, noch ernst zu nehmen. Diese ewige Abwehrnummern gebe ich mir nicht mehr.

Wie heißt es so schön: "Nie darfst Du so tief sinken, den Kakao, durch den man Dich zieht, auch noch zu trinken".

So, nun aber wirklich Tschüß.

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@ Che, habe ja jetzt meine eigene kleine Spielwiese, auch als Angebot einer Auslagerungsdatei zu verstehen.

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Eigentlich müsste Momorules sich ja jetzt freuen
Denn mir stößt etwas sauer auf, nämlich der Löres, den er selbst schrub.

@Wenn eine Intervention, bei der Geschichtsschreibung von Konflikten in einer Studentenstadt doch vielleicht mal zu berücksichtigen, welche Rolle PoC und Queer People spielten ... usw.ist nämlich ein vollendetes Eigentor. Bzgl. Queer lasse ich das ja gelten, aber eben nicht PoC, die Momo gerade gnadenlos instrumentalisiert, um in diesem Konflikt der moralisch Gute zu sein. So etwa die Hälfte der Beiträge auf diesem Blog handelt von Flucht- und Asylthemen und antirassistischer Solidarität, es kommen auch Flüchtlings selber zu Wort. Der Eingangstext dieses Threads handelt davon, wie Che mit einer weißdeutsch mittelschichtigen StudentInnenszene brach, um sich stattdessen in eine proletarisch und migrantisch geprägte Flüchtlingssoliszene hineinzubegeben.


Die unfreiweillige Ironie, die darin liegt, ausgerechnet an dieser Stelle sich moralisierend über das Fehlen der PoC-Perspektive aufzuregen ist schon nicht von schlechten Eltern.
Btw. was meine Eltern angeht waren das eine Supermatrktverkäuferin und ein Postbote, ich würde meine Sozialisation proletarisch nennen. Wer mir wirklich während meiner ganzen Schul- und Studienzeit gehörig auf die Eierstöcke ging waren Bildungsbürgersprößlinge mit ihrem Dünkel, ihrer Definitionsmacht und ihrem moralisierenden Oberton. Und das exekutiert Momo gerade par excellence.

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Mir kommen ja glatt die Tränen, wenn ich ansehen muss, wie hundsgemein diese bösartige Tunte zu euch ist.

Ihr Arme!

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bei gleichzeitig wirklich frappierender Ignoranz, die sich jeglicher Kenntnisnahme von Geschriebenem verweigert, sobald es mal um Selbstkritik geht.
Wie kommt es dann, dass Che (d)einen Text, der Selbstkritik "von Heten" massiv einfordert: zustimmend verlinkt?

Hmm?

@loellie

Du bist halt zu nah am Wasser gebaut. Ach, und wie M. ein vorbildlicher Selbstkritiker; ich beneide dich darum.

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tut mir einen Gefallen
und streitet woanders oder wannanders weiter. Ich habe eben gerade meine Mutter in die Notaufnahme eingeliefert und musste sie, im Augenblick stuhl- und harninkontinent, sauber machen während sie mich anschrie. Für diese Debatte habe ich jetzt nicht die Reserven.

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Ich hätte jetzt einen wirklich bösen Kommentar abgelassen, halte mich aber daran, das sein zu lassen anhand Deiner Situation. Alles Gute für die Mutter!

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Kommentieren könnt Ihr schon, aber nicht erwarten, dass ich mich beteilige und bitte nicht eskalieren. Ansonsten Löschtaste. Danke für die Wünsche!

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Übrigens, um noch mal was loszuwerden was mir wichtig ist: Es ging mir in dem Kontext keineswegs darum, Männergruppen an sich anzugreifen oder das Anliegen von Genderverrueckt, was ich für ein tolles Blog halte zu kritisieren. Sondern vielmehr darum, anhand eigener Erfahrungen zu problematisieren, dass es nicht immer reicht, Arbeit an der eigenen Geschlechtsrollensozialisierung in bester selbstkritischer absicht zu betreiben - in dem von mir damals erlebten Szenario kam eine sich selbst legitimierende Männerbündelei heraus, die sehr klassisch überkommene Rollenverhaltensweisen zementierte, und natürlich war der Erste der aus der Männergruppe rausflog der Dropout.

Für mich war die Lehre die, einen weiten Bogen um die genuin aus akademischen Mittelschichtlern zusammengestzten Zirkel zu machen und eher die buntgemischten Zusammenhänge zu suchen. Eine Entscheidung, die ich nie bereut habe.

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Stehst Du denn unter einem Rechtfertigungsdruck? Das, worum es Dir nicht geht anzunehmen erscheint mir als reichlich abwegig.

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Die Diskussion wäre nicht dermaßen eskaliert wenn alle das so sehen würden.

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Die Diskussion wäre nicht derart eskaliert, wenn einer nicht so übel alles sublimieren würde.

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noch mal was zum oder vom kleinen bürger
zunächst: ich habe ganz und gar nichts gegen Kleinbürger. Einer meiner besten Freunde ist zutiefst kleinbürgerlich in dem Sinne, dass Ordentlichkeit, Sauberkeit, Bescheidenheit, strenge Beobachtung eines sparsamen, sparsamsten Lebenswandels – die es ihm ermöglichen, bei seiner Maloche - schwere körperliche Arbeit - und einem Einkommen von Hartz4 + 100 oder 150 €, fast ein menschenwürdiges Leben zu führen – weniger allein das Ergebnis seiner selbstverantworlichen Lebensführung sondern bei ihm immer auch das Resultat jener Maximen zu sein scheinen, welche sonst auch gern Sekundärtugenden genannt werden, derart unverrückbar und unbedingte Befolgung gebietend, dass nach menschlichem Maßstab hieraus notwendig auf eine solche Erhabenheit des Gesetzes, aus dem dieses hervorging, alleinig geschlossen zu werden vermag, dass die Ehrfurcht und die Notwendigkeit, mit welcher sie sie in der menschlichen Seele erzeugt, den einzigen Schluss erzwingt, dass dieses Gesetz nichts anderes als der kategorische Imperativ sei.

Er war es, der eines Tages vorbeischneite und mir das Jobangebot aus dem Regional-Käseblatt vom anderen Ende der Stadt auf den Tisch knallte, als das einzige, was ich an mir noch halb spürte, die Verzweiflung in meiner damaligen Lebenslage war, das Soziamt nicht helfen wollte, ich halb verhungert nach 6 Wochen Grippe nicht krankenversichert ohne Job nicht wusste, wie ich die Miete bezahlen sollte. Da war dieser Kleinbürger der einzige, eigentlich jemand mit Ausbildung im graphischen Bereich, der offensichtlich noch einen Gedanken an mich verschwendete.

Ich hingegen bin, dies sei an dieser Stelle zugegeben, ein wenig snobistisch, welches Eingeständnis in seiner Koketteriererei – als wäre ich gleichsam noch stolz darauf und dass ich das überdies noch öffentlich eingestehe – imho zutiefst kleinbürgerlich ist. Es ist dies eine peinliche selbstzufriedene Selbstzurschaustellung. (Um einmal einen Satz mit bersarinscher Syntax beginnen zu lassen.) Insofern sehe ich einen Unterschied in der Verwendung von "Kleinbürger" und "kleinbürgerlich". Solche Selbstzufriedenheit hat doch im Grunde eine Zufriedenheit zur Ursache, die eine Zufriedenheit mit den oder in den Verhältnissen ist, oder? Wenn erlaubt, leihe ich mir hier die Worte Adornos aus; als kleinbürgerlich empfinde ich es, wenn einem die ästhetische Intuition abhanden gekommen ist, dass es kein richtiges Leben im falschen gebe. Jenem bekannten gegenüber, den ich oben Kleinbürger nannte, erwähnte ich einmal diese Worte Adornos, ich bin mir nicht sicher, ob ich bei ihm offene Türe einrannte oder nicht, ich glaube aber, der hat da keine "Intuition'", der weiß das.

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Schöne Erzählung
Ich kann das auch noch viel enger eingrenzen: Überwiegend protestantische Lehrer- Pastoren- und Juristenkinder aus ländlichen Kleinstädten, für die Göttingen schon die große weite Welt war. Das waren so die Kreise, und das Kontrastprogramm dazu dann die Mischung langzeitarbeitslose Malocher meets Handwerker meets Bürgeerkriegsflüchtlinge meets Exiliraner und kurdische Peschmerga meets Krankenschwester. Diese Mischung war dann die Szene, mit der man wirklich etwas machen konnte und in der ich mich lange sauwohl fühlte.

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Ich mag jetzt nicht nachschlagen, aber war nicht der "Kleinbürger" eigentlich etwas ganz anderes als ein Unterschichtler, im Sinne von "kleiner Bürger"? Kleinbürger: Das war doch die von Marxisten als politisch unzuverlässig betrachtete Zwischenschicht zwischen Proletariat und Bürgertum. Handwerker, kleine Geschäftsinhaber, Einzelhändler, kleinere Gewerbetreibende, Selbstständige. Diese Menschen inszenierten sich (vor hundert Jahren, ähem) in Abgrenzung vom Proletariat trotz eines relativ knappen Einkommens nach Möglichkeit als gediegene Wohlstandsbürger, orientierten sich teils sogar am Großbürgertum, dessen Habitus sie ungeschickt nachzuahmen versuchten. Tatsächlich war dieser untere Mittelstand sehr oft von autoritären Charakteren geprägt, hündisches Buckeln nach oben (z.B. Offiziere, Bürgermeister, staatliche Autoritäten) kam hier genauso vor wie das Treten nach unten, die wenigen Angestellten, die man hatte, vor allem aber Kinder und Frau. Politisch "unzuverlässig" war dieser Kreis, obwohl im tatsächlichen Wohlstand kaum wirklich vom Proletariat zu trennen, eben weil er sich gezielt vom Proletariat abzugrenzen suchte und in Krisenzeiten, meist aber auch schon außerhalb, von existentiellen Abstiegsängsten gepeinigt war. So blühte in dieser gleichfalls ungebildeten wie verunsicherten Schicht das Vorurteil, und dieses richtete sich genauso gegen gesellschaftliche Randgruppen, als auch jene Superreichen ("Plutokratie"), die für diese Schicht sowohl unerreichbar wie verdächtig erschien. In ihrer ständigen Angst und Suche nach Sicherheit war diese Schicht politisch verführbar von jedem, der ihren Sorgen und Ängsten Ventil und Ausweg bot.

Also doch kleine Bürger, aber als solche kleinlich, ohne jegliche Großzügigkeit, ohne geistige Unabhängigkeit, autoritätshörig und -suchend wie keine andere Schicht. Keine bürgerlichen Herren ihres Schicksals, welche sich selbst ihre Bestimmung suchten oder eine Lebensaufgabe, ohne einen Bildungsbegriff, der die Person und ihre Möglichkeiten zu fördern suchte, sondern bloße Getriebene des Schicksals, ohne jede haltbare Verankerung, ohne Geist und materielle Basis: jeder Krise doppelt und dreifach ausgeliefert.

Che ist also ein Kleinbürger. Wie ich. Wie Netbitch. Zutiefst autoritätsergeben und darum sogar "neokonservativ", ohne die Fähigkeit, eigene Gedanken zu denken oder gar zu formulieren. Als Kleinbürger sind sie nur Papageien, welche die Wörter lediglich wiederholen von demjengen, den sie als Autorität achten. Kaiser. Dorfpfaffe. Reichskanzler. Hitler. Wer auch immer. Denkende Menschen sind sie nicht, sondern reine Wortaufsageapparate, unfähig, aus eigenen Kräften heraus etwas politisch zu gestalten.

Wirklich?

@ Ziggev

Ich finde es ja immer klasse, wenn du deine Erfahrungen schilderst.
...weniger allein das Ergebnis seiner selbstverantworlichen Lebensführung sondern bei ihm immer auch das Resultat jener Maximen zu sein scheinen, welche sonst auch gern Sekundärtugenden genannt werden, derart unverrückbar und unbedingte Befolgung gebietend, dass nach menschlichem Maßstab hieraus notwendig auf eine solche Erhabenheit des Gesetzes, aus dem dieses hervorging, alleinig geschlossen zu werden vermag, dass die Ehrfurcht und die Notwendigkeit, mit welcher sie sie in der menschlichen Seele erzeugt, den einzigen Schluss erzwingt, dass dieses Gesetz nichts anderes als der kategorische Imperativ sei.
Der Abschnitt erinnert im Duktus sehr an Jakob Wassermann.

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Kleinbürger: La petite bourgeoisie bezeichnet in der Tat genau das, was Du da beschreibst. Im weiteren Sinne bezeichnet Kleinbürger aber auch ganz generell Mittelschichten in der Abgrenzung vom Großbürgertum, also: Kapitalisten und höheres Bildungsbürgertum (Professoren, Ministerialbeamte, Richter und Staatsanwälte, Notare). Die Bezeichnung Spießer meinte ursprünglich die städtischen Kleinbürger, die mit Spießen bewaffnet Militärdienst leisteten im Unterschied zu den Hellebardieren, Bogen- und Armbrustschützen und Artilleristen (angeworbene Söldner) und Fußkämpfern in voller Rüstung (Doppelsöldner) und adligen Panzerreitern (Ritter).

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Wenn Netbitch schreibt, sie sei "proletarisch sozialisiert", dann müßte sie ein Medienereignis sein, denn voll im Job, Bloggerin, sexaktiver Maniac, und das alles als Seniorin im Alter von 120 Jahren wäre ein Schmankerl, das Boulevard und Talkshow sich nicht entgehen ließen.

Zumal der Alte Bolschewik vertut sich kräftig bei seiner Selbsteinordnung ins Wurzelproletarische: Er kommt leider viele Generationen zu spät.
Die Fehlbewertung der eigenen Situierung ist freilich menschlich verständlich, denn sie beruht auf der Sehnsucht nach jener Zeit, da der Arbeitsmann noch nicht die gesellschaftliche Anerkennung als gleicher Bürger genoß, und damit etwas sehr Wertvolles besaß, das ihm gänzlich abhanden kam: ein Kampfziel.

Was ich hier lese, läßt mich annehmen, wir schreiben nicht 2011, sondern 1911, wenn nicht 1811. Sie sind aber vorbei, die Zeiten, als Berta Krupp „die Königin von Essen“ war und sich auch genauso auf einem Riesengemälde abbilden ließ, und als Romane wie „Maschinenfabrik N&K“ erschienen, wo der Muster-Proletar sein Klassenbewußtsein mit Tiefensätzen wie „Schauermann blievt Schauermann“ dokumentierte.

Unterdessen nämlich sind die vormals „Kleinbürger“ und „Proletarier“ im Sinus-Milieu der „Traditionalisten“, dem Milieu der alten Kleinbürgerwelt und der verkleinbürgerten traditionellen Arbeiterkultur erfaßt, während das aktuelle Kleinbürgertum das Milieu der „bürgerlichen Mitte“, der angepaßte Mainstream ist.

Soweit meine kleinen Winke aus soziologischer Sicht, damit wir wissen, worüber wir sprechen.
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Ziggev beschreibt armselige Charaktere:
"nach all den wilden frühen radikallinks engagierten Jahren habe ich jetzt schließlich meine Schäfchen ins Trockene gebracht und kann jetzt, mit dem großen Abstand, es mir auch leisten, all jene frühen Verwirrungen und Wirrnisse, die das so mitsichbrachte, zu kritisieren, mich 'darüber zu erheben'.

Tatsächlich gibt es diese trostlosen Zeiterscheinungen, die irgendwann in einem Anfall von Intellektualheroismus, wie sie sagen, "dazugelernt" haben, wobei das Dazulernen darin besteht, unter bruchloser Beibehaltung des bornierten Dogmatentums einfach bloß die Option zu wechseln.
Netbitch, Workingclasshero, Che und Alter Bolschewik sind davon aber das gerade Gegenteil: Sie bestehen – antiopportunistisch und intransingent – darauf, dass das einmal als wahr Erkannte auch wahr bleibt.

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apropos "protestantische Lehrer- Pastoren- und Juristenkinder" ... wenn eine Antifagruppe sich aus diesen zusammensetzt, so bildeten die Lehrerkinder (zumal von VR-LehrerInnen) dort in aller Regel die stärkste Gruppe aber auch die "Unterschicht" des Zusammenhangs, welcher in aller Regel der Realität näher war als die Sprösslinge von Profs oder Steuerberatern ... ansonsten vermittelte bei einer Reihe von Genossen aus "besserem Hause" auch der Zivildienst wertvolle Erfahrungen mit der Realität

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Ich bestehe darauf, "antiopportunistisch und intransingent" ist aber auch Momorulez. Das ist keiner, der seine Überzeugungen opportunistisch wechselt. Opportunistische Überzeugungswechsler sehe ich hier keine.

Was die 100-Jahre-Zeitdifferenzproblematik betrifft, sind wir uns einig. Ich denke zudem, dass sich das Bildungssystem so stark gewandelt hat, dass die Figur eines bildungslosen, autoritätsergebenen Kleinbürgers überwunden ist. Auch zeigen die modernen Millieustudien, dass der "angepasste Mittelstand" einen sogar überproportionalen Akademikeranteil hat, und in zahlreichen weiteren Merkmalen kaum noch dem alten Kleinbürger entspricht.

All das ändert aber wenig daran (finde ich), was jemand meint, der andere als geistig minderbemittelte Kleinbürger tituliert - aus Gründen zumal, die kaum nachvollziehbar sind, wenn man einmal meine Person aus dieser Betrachtung ausnimmt.

Eigentlich: Sehe ich hier eigentlich nur einen Konflikt zwischen Momorulez und mir. Momors schlechter Stil ist es nun, aus Deans Kritik an seinem Text abzuleiten, dass Che, Netbitch und andere hier mit Dean zu vergleichen seien, und sich modernen Formen von Feminismus, Querness und Critical Whiteness verschließen würden.

Das, was Momorulez "Abwehr" nennt (die Kritik an seinem Text) ist hier nur das Werk eines Einzelnen: mir. Im Grunde genommen müsste darum auch der ganze Konflikt (bzw. Shit Storm) dadurch lösbar sein, dass man mich aus diesem Konflikt entfernt.

Denn ich bin es, der aus Momorulez Sicht inakzeptable Auffassungen vertritt. Niemand sonst, Momo.

@ Momorulez

Würdest du denn deinen Konflikt mit Che und den anderen beenden, wenn ich mich aus diesem Blog endlich verpissen würde? Ich denke, das wäre in deinem Sinne. Und der Friede wäre wieder hergestellt.

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"Ich bestehe darauf, 'antiopportunistisch und intransingent' ist aber auch Momorulez."
Das ist richtig, aber darum ging es bei meinem Kommentar überhaupt nicht.

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Moin, Nörgler, natürlich hast Du damit recht, daß es ein klassenbewußtes Proletariat in Deutschland seit hundert Jahren nicht mehr gibt. Und persönlich würde ich mich ja auch eher als Bildungsbürger mit einem Ressentiment gegen Bildungsbürger sehen.

Aber die Sozialisation war - zumindest in den 60er und 70er Jahren in Oberschwaben sehr unterschiedlich, je nachdem zu welcher gesellschaftlichen Gruppe man gehörte. Wir Kinder aus der Werksiedlung lagen immer in ziemlichem Clinch mit den Klndern aus der Eigenheimsiedlung nebenan. Später dann, auf dem Land gab es die Differenzen zwischen den Bauernbuben und -mädels (unter die ich mich mischte) mit der städtischen Lehrer-, Anwalts- und Kleinunternehmer-Kindern.

Dahinter stecken schon sehr unterschiedliche Wertesysteme und Verhaltensweisen, die sich in anderen Kontexten - etwa in der Politszene der 80er Jahre - dann auch wieder unterschiedlich manifestierten. Mit den Klassendifferenzen des 19. Jahrhunderts haben diese natürlich nur noch von Ferne etwas gemein, aber es waren auch Erfahrungen, die mir zeigten, daß die vielbeschworene nivellierte Mittelstandsgesellschaft ein Mythos ist.

Lustigerweise bin ich aber, anders als Che und Netbitch, gerade bei den Sexismusdebatten der späten 80er und frühen 90er Jahre gar nicht so sehr überzeugt von der "Klassen"-These (weshalb ich hier in dieser Diskussion auch mit keinem Ton eingegangen bin). In meiner Wahrnehmung schien die Trennlinie in diesen Fragen entlang religiöser Linien zu verlaufen: Protestantische vs. katholische Sozialisation. Aber das mag eine süddeutsche Marotte gewesen sein...

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Bei dem lus ich gerade zu meiner Überraschung, ich hätte gesagt, Schwule sollten sich nur zu schwulen Themen äußern und nicht zu PoC-Themen, während ich tatsächlich schrub, auf diesem Blog würden durch die starke Ausrichtung auf Flucht-und Asylthemen und auch die Tatsache, dass ab und an Flüchtlings hier selbst zu Wort kämen ständig PoC-Themen veröffentlicht, daher könne er Che nicht unterstellen, dass er diese missachte. Was ist das denn für ein seltsamer Dreh?

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Alter Bolschewik, jetzt mal oben von Buxtehude aus gesprochen war das natürlich wieder etwas anders - Katholiken gehörten dort zu den bedrohten Arten - aber in meiner Jugend waren vor allem die Anwalts- und Studienratskinder für mich oft ziemlich nervend, die Leutz vom Hafen und aus der Schanze hingegen ziemlich toff, da würde ich gar nicht unbedingt Arbeitermillieu sagen sondern Subkultur, entscheidend war, dass die nicht die hohe Nase der Besserkinder trugen. Später, in Göttingen habe ich mich nach einiger Zeit auch mit Poppern und Yuppies gut verstanden. In der Szene gabs die Moralfraktion dann ganz massiv, das war schon überwiegend eine protestantische Angelegenheit, und allerdings eine ganz furchtbare Frau, die ihre Sozialisation in der katholischen Kirche hatte und ihre Inquisitionsmoral dann in ein pseudofeministisches Gewand gepackt. Packen ließen sich solche Leute allerdings mit Butler. Das war wirklich eine Freude, mit dekonstruktivistischer Theorie die moralischen Fundamentalismen bestimmter Szenefraktionen auseinanderzumontieren.

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In der Tat, der Spruch von der "nivellierten Mittelstands-gesellschaft" findet in der Wirklichkeit keinerlei Halt, und die Sinus-Milieus zeigen genau das.

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@Alterbolschewik "Wir Kinder aus der Werksiedlung lagen immer in ziemlichem Clinch mit den Klndern aus der Eigenheimsiedlung nebenan. Später dann, auf dem Land gab es die Differenzen zwischen den Bauernbuben und -mädels (unter die ich mich mischte) mit der städtischen Lehrer-, Anwalts- und Kleinunternehmer-Kindern." ----- So ähnlich war das mit uns Kindern aus dem Handwerkerviertel direkt neben dem Univiertel auch, zumal in unserer Clique viele Türken waren und bei den "Bürgerlichen", wie ich sie später auf dem Gymnasium nannte nicht. Dabei waren meine Eltern eher bürgerlich, aber mit dorfproletarischen Wurzeln. So die richtige Aversion gegen ein sich selbst verabsolutierendes provinzkleinbürgerliches Studimilieu entwickelte ich in einer bestimmten Phase meines Studiums. Da wurde zwar auf Antifademos gegangen und internationale Solidarität hochleben gelassen, aber zu meinen kurdischen Freunden setzten die sich nicht, die Bürgerstudis.


Ganz stark prägten mich dann die Erfahrungen meines langjährig besten Freundes und mehrjährigen Mitbewohners, der einer Bremer Arbeiterfamilie mit Hafengeruch entstammte und der gegenüber Akademernachwuchs ein ganz starkes Konkurrenz- und auch Minderwertigkeitsgefühl empfand. Der nahm durch jede Pore die petites distinctions wahr. Als wir mal bei unserem Geschichtsprof eingeladen waren und ihn eine Komilitonin fragte, wie seine letzte Hausarbeit ausgefallen war empfand er das als eine Art Unterwerfungsgeste: Die Bürgertochter fragt den Arbeitersohn nach seiner Note in der Erwartung, diese sei schlecht. Die ganze Nachhausfahrt ging es dann um dieses Thema. Mir war an der Frau nur aufgefallen dass sie hübsch war und ich hatte an der Frage nichts Besonderes gefunden, aber das ging ihm anders.

Und der bezeichnete sich auch 2000 noch voll Stolz als "Proletarier".

Und solche Erlebnisse der Minderwertigkeit der eigenen Qualifikation gegenüber Angehörigen von Bildungseliten bestätigten mir andere Studierende aus Arbeiterhaushalten auch.

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@Che:
Sehr schönes Beispiel, das auch im Hinblick auf das andere Dauerthema dieses Threads Fragen aufwirft: Hat der Kollege mit dem working-class-background automatisch Recht mit seiner Lesart, weil er ja in dem Fall der Diskriminierte ist und somit als einziger autorisiert, die Diskriminierung als solche festzustellen?

Nachtrag: Oder anders gefragt: Wenn man nun mal so einen Hammer hat wie etwa working-class-background oder eben das, was Max Goldt mal den "unterhaltsamen kleinen Defekt" genannt hat - berechtigt oder verpflichtet das den Betreffenden, die ganze Welt nur noch als Nagel zu betrachten?

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unter LehrerInnenkindern (von denen nur eine Minderheit Studienratskinder sind) ist meiner Erfahrung nach ansonsten speziell die Abgrenzung nach "oben" gegen die "kulturlosen" Emporkömmlinge und "Altreichen" ziemlich stark ausgeprägt, hier kann mensch auf Grund des in Schule und Familie akkumulierten kulturellen Kapitals trefflich Distinktionsgewinne realisieren und sich dabei irgendwie "proletarisch" fühlen ... ansonsten hat die Fehlinterpretation des Viehmann-Textes Anfang der 1990er zum Abschied vom Proletariat seitens vieler klein- und bildungsbürgerlicher Linker beigetragen, was auch noch dadurch begünstigt wurde, dass diese zumeist nie in einer wirklichen Beziehung weder zur offiziellen noch zur 'anderen' ArbeiterInnenbewegung standen

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Den Autor Viehmann kenne ich nicht.
Wie war das mit der Verabschiedung vom Proletariat? Habe ich gar nicht mitbekommen.

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Drei zu Eins
Autor des Buches Drei zu Eins: http://www.idverlag.com/BuchTexte/DreiZuEins/DreiZuEins.html


Befasst sich mit der triple oppression, also Klassenwiderspruch, Patriarchat und Rassismus. Ich würde da aber nicht von einem Abschied vom Proletariat sprechen, sondern von der Neuzusammensetzung der Klasse anhand dieser drei Fluchtpunkte. Also so haben wir das jedenfalls immer gesehen.

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Um mal an den Noergler anzuknüpfen
Auch das Bildungsbürgertuim ist so im strenge Sinne des Wortes eine Gesellschaftsschicht, die es nicht mehr gibt: Ein Milieu von Rechtsanwalts- Lehrer- Professoren- und Arztfamilien, das im 18. Jahrhundert die Aufklärung trug und im 19. Jahrhundert einen Gegenpol zum Besitzbürgertum, den Kapitalisten bildete. Ich denke, nach dem NS kann man in Deutschland im strengen Sinne nicht mehr von einem Bildungsbürgertum sprechen. Die Manns gehörten zu dessen letzten VertreterInnen.

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Viehmann und seine MitdiskutantInnen haben das sicherlich nicht als Abschied vom Proletariat intendiert, viele Vorstadt-Autonome und -Antifas haben das aber so interpretiert und dann letztendlich nur noch diejenigen als potentielles revolutionäres Subjekt angesehen, die mindestens unter drei Unterdrückungsverhältnissen litten (von Funny van Dannen dann in die Populärkultur eingeführt) ... vom Bildungsbürgertum blieben nur noch Artefakte wie die Goethe-, Schiller- und Kleist-Werkausgaben im Vitrinenschrank (Lessing war vorsichtshalber 1933 in die zweite Reihe gestellt worden) übrig

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Ah ja, ich erinnere mich, da wurden damals dann ja tatsächlich Opferkonkurrenzen hergestellt. Die behinderten schwarzen Frauen als einzige wahre Unterdrückte usw. Die Phase dauerte aber zum Glück nicht lange.

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wobei der vorherige Bezug zum Proletariat so mancher Autonomer letztendlich nicht mehr als ein Bezug war, der inhaltlich höchstens mit einigen Versatzstücken aus RZ-Kommuniques, Anti-IWF-Readern, den 'Materialien' sowie aus 'Es lebt noch eine Flamme' von Klan/Nelles unterfüttert wurde ... bei uns in der Gruppe hat dann bspw. der gemeinsame Schutz von Flüchtlingsheimen mit IGMlerInnen und z.T. auch mit Mitgliedern eines lokalen türkischen Sportvereins als Korrektiv gewirkt

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Nach meinem Bruch mit den Studizusammenhängen war das in meiner Umgebung anders: In meiner wichtigsten neuen Bezugsgruppe waren Leute aus Arbeiterfamilien, die nie eine Uni von innen gesehen hatten und von Sozi und Schwarzarbeit lebten. Signifikant war, dass dieser gemischte Gruppenzusammenhang (es gehörten auch Studis und Privilegiertensprösslinge dazu, z.B. auch eine Architektin, eine Ärztin, das Tolle war die Mischung) die Idee entwickelte, gemeinsam mit den Flüchtlingen in den Sammellagern politische Perspektiven zu entwickeln, während das den geschlossen studentischen linken Gruppen nie in den Sinn kam. Meine vorherige Bezugsruppe brachte es ja noch nicht mal fertig, zu meinen kurdischen FreundInnen einen vernünftigen Kontakt zu pflegen.

@Materialien: In dieses neue Umfeld gehörten Leute, die die nicht lasen, sondern schrieben.

Charakteristisch für Göttingen war allerdings immer eine Dauerbündnis von Antifas mit Teilen des DGB.

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Warum der Lohnarbeiter keine Revolutionäre mag
"Auch das Bildungsbürgertum ist so im strenge Sinne des Wortes eine Gesellschaftsschicht (...)"
Che will nur sticheln wegen meines unvollendeten Textes zum Begriff des Bildungsbürgertums ;-)
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"Viehmann und seine MitdiskutantInnen haben das sicherlich nicht als Abschied vom Proletariat intendiert", nein, bestimmt nicht, denn die (ich habe in Ches Link ein bißchen rumgelesen) glauben unverdrossen weiter daran, der "Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital" sei der Nucleus des Revolutionären – 150 Jahre Träumerei am Bewegungskamin und noch kein Ende. Da kann man 1000x mit Marx erklären, dass der Lohnarbeiter Leute nicht mag, die der Reproduktion des Kapitals ans Leder wollen, weil er weiß, dass seine Reproduktion von der des Kapitals abhängig ist – weswegen auch "der vorherige Bezug zum Proletariat" genauso dämlich ist wie der nachfolgende.

Leider siehst Du den Unterschied nicht, den Che immer wieder macht: Beim "gemeinsamen Schutz von Flüchtlingsheimen" geht es darum, armen Schweinen zu helfen, denen mit Anlauf in den Arsch getreten wird – nicht um die Revolution.

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Solidarität!
Revolutionär dabei ist es vielleicht, erstens, sich genau denen hinzuwenden, die tatsächlich besonders am Arsch sind (und zwar an Stelle selbstbespaßender Formen linker Politfolklore), zweitens, den Bereich der Text- und Diskussionsfabrikation zugunsten echter, gelebter Solidarität auch mal zu verlassen.

Als politische Ausdrucksform bildungsbürgerlich, pardon, ist es in meinen Augen, den Focus zu stark auf Texte, Diskussionen, Kampf um Worte und Diskurse zu richten -
und praktisch dann aber einen weiten Bogen um gelebte Solidarität zu machen. Unter "Solidarität" verstehen diese Bürgersöhne eigentlich nur Bekenntnisse. Worte.

So pauschal, wie eben von mir formuliert, ist das natürlich falsch bzw. übersteigert. Aber in meiner Erinnerung war es bei den politischen Studentengruppen immer so (wirklich: immer), dass die tatsächlichen Praktiker oft, wirklich sehr oft eine elternseits nicht-akademische Herkunft hatten.

Episodischer Zufall? Ich weiß es nicht.

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Hatte gerade ein Telefonat mit einem alten Genossen geführt, in dem er genau das bestätigte.

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Che, hast du mal überlegt, ob diese ganze Betonung von Identitätsfragen und „Diversität“, von Rasse und Gender usw. nicht evtl. ein großer Irrtum ist, oder gar ein infamer Trick?

Walter Benn Michaels von der Universität Chicago argumentiert so in zahlreichen Texten und begründet seine Ansicht recht gut (finde ich). Z.B.:

“Race, on the other hand, has been a more successful technology of mystification. In the US, one of the great uses of racism was (and is) to induce poor white people to feel a crucial and entirely specious fellowship with rich white people; one of the great uses of anti-racism is to make poor black people feel a crucial and equally specious fellowship with rich black people. Furthermore, in the form of the celebration of ‘identity’ and ‘ethnic diversity’, it seeks to create a bond between poor black people and rich white ones. So the African-American woman who cleans my office is supposed to feel not so bad about the fact that I make almost ten times as much money as she does because she can be confident that I’m not racist or sexist and that I respect her culture. And she’s also supposed to feel pride because the dean of our college, who makes much more than ten times what she does, is African-American, like her. And since the chancellor of our university, who makes more than 15 times what she does, is not only African-American but a woman too (the fruits of both anti-racism and anti-sexism!), she can feel doubly good about her.“

http://www.lrb.co.uk/v31/n16/walter-benn-michaels/what-matters

oder hier:

“it is exploitation, not discrimination, that is the primary producer of inequality today. It is neoliberalism, not racism or sexism (or homophobia or ageism) that creates the inequalities that matter most in American society; racism and sexism are just sorting devices. In fact, one of the great discoveries of neoliberalism is that they are not very efficient sorting devices, economically speaking. If, for example, you are looking to promote someone as Head of Sales in your company and you are choosing between a straight white male and a black lesbian, and the latter is in fact a better salesperson than the former, racism, sexism and homophobia may tell you to choose the straight white male but capitalism tells you to go with the black lesbian. Which is to say that, even though some capitalists may be racist, sexist and homophobic, capitalism itself is not.“

http://newleftreview.org/?view=2731

Also “Die Afro-Amerikanerin, die mein Büro sauber macht sollte sich nicht darüber ärgern, dass ich zehn mal soviel verdiene wie sie, denn sie weiß, dass ich kein Rassist oder Sexist bin und ihre Kultur respektiere.“ Und eine Gesellschaft, in der niemand mehr wegen Rasse oder sexueller Orientierung diskriminiert wird, ist damit legitimiert, unabhängig davon, wie viel materielle Ungleichheit es gibt..

Ich finde das ist evident. Warum hat sich Frau Von der Leyen so vehement für die Frauenquote (natürlich in den Unternehmensvorständen) eingesetzt und gleich vehement gegen den Mindestlohn? Warum leisten sich Zeitungen, die sich vehement gegen Rassismus und Diskriminierung stark machen einen völlig neoliberalen Wirtschaftsteil? (So die Zeit und die Süddeutsche Zeitung)?

Wobei ich den Antirassismus- und Homophobie-Aktivisten gar keine unlauteren Absichten unterstellen möchte, aber ich denke sie laufen einfach in eine Falle. In den USA sieht man das wahrscheinlich deutlicher als hier. Irgendwann einmal wird es in jedem DAX-Vorstand eine Quote für Frauen, Farbige, Homosexuelle, Muslime und was sonst noch geben, und die Malocher (aller Hautfarben) haben witerhin das Nachsehen.

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Das sind einfach Strategien der Spaltung nach dem Prinzip des Teile und Herrsche. Funktioniert ja auch sehr gut. Dem gilt es Strategien der Solidarität entgegenzusetzen, und die kommen nicht mit einem amorphen Klassenbegriff aus, da ist so etwas wie die Perspektive der Dreifachunterdrückung Klasse-Rassismus-Sexismus sehr hilfreich.

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Als in den 80ern (ich weiß nicht einmal mehr das Jahr) in einem nicht kleinen Teil von Los Angeles Bürgerkrieg herrschte, beeilten sich die einschlägig Interessierten, von "Rassenunruhen" zu sprechen. Tatsächlich rebellierten arme Schwarze und arme Weiße gegen die anderen Schwarzen und Weißen.

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Im Mai 1992 war das. Ich weiß das noch sehr gut, da wir damals in Göttingen die Rodney-King-Soli-Demo organisiert hatten.

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edit: lassen wir es ruhen

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Es geht da ja weniger um linke politische Inhalte, sondern um persönliche Befindlichkeiten, die verkleidet werden. Das ist das immergleiche Thema, wie wir wissen. Wobei ich diese Perspektivwechselsache und anderes, was Momorulez so schreibt, schon ziemlich bedenkenswert finde.

Lustig aber ist der mühsame Erich auf metalust. Eine prima Realsatire, absolut lesenswert. Der arme che wird da in ganz neuem Licht präsentiert :-)

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edit: lassen wir es ruhen

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@ K & K, Genova

Ich kapiere nicht, warum sich Momorulez jetzt so in Che verbeißt.

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tja, dr. dean, auch wenn öffentliche erörterungen über abwesende, unbekannte eigentlich sich verbieten sollten: edit: und sich wohl in der Tat verbieten

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Ach, Leute.
Mit dieser Pathologisierung macht mans sich ja auch bisschen arg einfach. Ich habe ja mitunter auch Schwierigkeiten nachzuvollziehen, was Momo zu solchen Grätschen treibt, aber was wissen denn wir von den permanenten Marginalisierungserfahrungen, welche dieser "unterhaltsame kleine Defekt" (Max Goldt über das Schwulsein) mit sich bringt? Muss einen das nicht ansatzweise paranoid oder zumindest hypersensibel machen, sich immer wieder den gleichen Dominanzmustern der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft gegenüber zu sehen - und würde uns was abbrechen dabei, anzuerkennen, dass wir das mangels entsprechender existenzieller Erfahrung auch nicht wirklich beurteilen können?

Genau da, wo wir schubladisieren, das ist krank, hysterisch oder sonstwas, da zelebrieren wir doch den Heten-Hegemon in Reinkultur, üben Definitionsmacht aus und bestätigen sein Weltbild. Es ist doch nicht so, dass uns diese Abwehrreflexe völlig fremd wären - und da wo Momo das klar benennt, hat er leider in vielem recht, so ungern ich mir das auch eingestehe.

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Und weil das so ist ist es besser, ihn einfach mal in Ruhe zu lassen und zu dem Thema mal nichts weiteres zu bloggen.

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nur abschließend: Für mich sind psychische Störungen nichts verwerfliches. Da kenne ich mich nämlich aus. Ziemlich gut sogar...und natürlich ist das alles nachvollziehbar für mich. Dennoch einfach nur traurig und schade. Und nen schönen Flashback hatte ich auch noch. habe ich aber gerade sowieso.

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OK., um noch mal auf das zurück zu kommen, was ich oben geschrieben habe: Ich denke, ein weißer, heterosexueller Lohnabhängiger und ein schwarzer, homosexueller Lohnabhängiger und, sagen wir mal, eine indische hereosexuelle Lohnabhängige haben mehr gemeinsame Interessen (und überhaupt mehr Gemeinsamkeiten) als ein schwarzer, homosexueller Lohnabhängiger und ein weißer homosexueller Kapitalist.

Sprich: ich denke, dass die Betonung von Identitäten und die Forderung nach deren Respektierung falsch ist. Sie reisst künstliche Gräben zwischen Menschen auf, die Gemeinsamkeiten haben.

Aus meiner Sicht ist es überhaupt kein Wunder, dass die Betonung auf Identität sowohl von rechten Denkern (etwa Huntington) kommt, wie von den Diskursfritzen.

Und ich zitiere noch mal Michaels:

"“The commitment to difference that dominates certain postmodern or historicist discourses, that commitment is real and is bad. It's bad in two ways. One is it's just theoretically confused. The other is it's politically bad. It makes you think everything in the world is organized around identity groups, however constructed (socially or anti-essentially or whatever), and thus that the crucial thing to do is to respect them. Whereas the whole point about class differences was to get rid of them. Race-gender-class is a false trilogy. Race and class or culture and class don't work the same way. One reason is that class is not something we think of as worthy of our respect, whereas the whole point of cultural difference is that you're supposed to respect it. What we have now is a commitment to redescribing everything in our world as if it were a form of cultural difference.”

“Being on the left is not an identity—holding beliefs is not the same as having an identity. That's the whole point of these essays: the point of posthistoricist identity is to try to anchor your beliefs in your identity so your beliefs become epiphenomena of your identity. I think that's completely mistaken. The two things are deeply separable; it's not an identity to be on the left and not an identity to have a religion.”

„An example of this is the way that a lot of people in the academy have made racism our great problem and therefore anti-racism the solution. I just think that's deeply mistaken. What people like about racism as the problem is that the solution is tolerance or the celebration of difference. In effect, you've got people teaching kids who are privileged, whether at Berkeley or at Hopkins, or even kids who are less privileged, as at UIC, that the fundamental thing for them is to respect difference, not to eliminate inequality. And if you're from the right, that's good news for you!”

http://www.theminnesotareview.org/journal/ns55/michaels.htm

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Nunja, so sehr ich das aus meiner "Peer group" leidlich kenne, Willy: Auch das Kritisieren des Überbetonens und Funktionalisierens identititäter Kategorien ist problematisch. Denn erstens handelt es sich dabei nicht zuletzt auch um Subjektivitäten - wie also den Maßstab gerecht anlegen? Zweitens kann auch die Kritik am Überbetonen und Funktionalisieren von Identitäten funktional sein, und zwar auf eine ausgesprochen ungute Weise.

@ Mark

Ich freue mich, dass du hier Momo bzw. dessen Verhalten verteidigst!

Imho hat die Chose konkret aber nichts mit sexuellen Orientierungen zu tun oder seinem Dasein als Homosexueller. Es hat auch nicht damit zu tun, dass Che Momorulez angegriffen hätte. Es mag ja sein, dass gewisse Ungerechtigkeiten gegenüber dem jeweiligen Hegemonen seitens von Marginalisierten schon mal auftreten können - als Wut, Ärger oder was auch immer: Das entschuldigt aber weder jedes aggressive Fehlverhalten, und auch nicht das Indieeckestellen von Che als heterosexueller Sexist usw. usf.

Mark, woher willst du wissen, dass es seine Diskriminierungserfahrungen sind?



Es ist doch so - ohne dass ich damit Che vorgreifen will: Momorulez ist und bleibt hier jederzeit willkommen. Wenn er sich wieder etwas eingekriegt hat und wieder weniger aggressiv, verletzend und unfair auftritt, umso mehr.

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@ dean, nun ja. ich gebe da eher willy recht. In den USA gibt es eine ausgefeilte kritik an der Postmoderne VON LINKS, und die sollte man hören. Auch ich halte wenig davon Politik und persönliche Identität zu sehr zu vermengen; seit jahren verfechte ich die These, der satz, das Politische sei privat und vicve versa sei die größte anzunehmende Dummheit der Linken. Und zwar deshalb: Weil ich mich dann nicht mehr politisch engagiere, sondern um mein persönliches Seelewnheil kämpfe. Nehmen wir mal an, ich habe Vorschlag a, um rassismus zu bekämpfen, Du Vorschlag b. Normalerweise wäre das jetzt unaufgeregt zu prüfen. Genau das aber findet in innerlinken Strukturen häufig nicht statt. Sondern: es kommt zum Kampf, sozusagen bis aufs Blut, und der (gegenseitige) Rassismus-Vorwurf trudelte so sicher ein wie das Amen in der gähnend leeren Kirche. Und das nicht erst seit gestern. Das hat, sorry Che, auch nix mit Mittelstandsmännern in linken Männergruppen November 86 in der Plundergasse sowieso hinten links zweiter Stock zu tun. Das ist durchgängig so gewesen, seit jahrzehnten, jahrhunderten, die ganze 68er Bewegung ist daran zerbrochen, die Linke der Weimarer Republik hat sich auf die Tour selbst zerlegt mit all ihren K-Gruppen (die damals anders hießen) etcetc Und da war für mich, persönlich, in meinem leben immer der Punkt, wo ich mir sagte: "Okay, Ihr Lieben, ich wähl Euch ja! Aber das muss ich mir nicht antun. Ich geh Rimbaud lesen, tschüss!"

Ich halte das wirklich für eine der zentralen Probleme der Linken: Diese, verzeihung, scheiss Vermengung von politischen Konzepten mit persönlicher Identität.

edit: "ich denke, dass die Betonung von Identitäten und die Forderung nach deren Respektierung falsch ist." (willy) Nee, respektieren sollte man sie immer. Kost´ ja auch nix. Warum sollte ich einen Schwulen, eine Lesbe in ihrem jeweiligen Sosein auch nicht respektieren? Nur: Das Grüßen von Gessler-Hüten lasse ich mir nur ungern abfordern. Zum Beispiel: "Du musst Dich kritisch mit Deiner heterosexualität..." ich muss goa nix. Ich muss respektieren, niemanden angreifen, and thats all.

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Eigentlich wollte ich mich hier nicht mehr zu Wort melden, aber die Diskussion scheint mir ziemlich zu entgleisen, deshalb doch noch einen Einwurf:

Es geht nicht an, und zwar ganz kategorisch, Momorulez zu pathologisieren. Selbst wenn er völlig gaga wäre - was er nicht ist-, hätte das trotzdem in einer rationalen Diskussion nichts zu suchen. Denn damit wird seine Rede ganz grundsätzlich entwertet, als irres Gestammel außerhalb jedes Diskurses lokalisiert und damit jede Möglichkeit zur Gegenrede verunmöglicht (selbst Marks gutgemeinter Hinweis auf mögliche Traumatisierungen schlägt in diese Kerbe).

Momorulez Aussagen sind deshalb erst einmal ernstzunehmen. Er behauptet bestimmte Dinge, und es ist zu prüfen, ob diese Behauptungen stimmen (sie stimmen nicht, vielmehr liegen ihnen an den Haaren herbeigezogene Assoziationsketten und Unterstellungen zu Grunde - außer im Fall einiger Kommentare von Dean). Derartige Behauptungen kann man als unwahr kritisieren, und die Kritik kann dabei auch gar nicht scharf genug sein.

Aber die Unterstellung in einer öffentlichen Diskussion, diese Fehlurteile seinen das Resultat einer psychischen Störung (oder durch eine solche zu entschuldigen), nimmt ihm den Status eines gleichberechtigten Diskussionspartners, macht ihn zum bloßen Objekt und ist damit noch übler als Momorulez eigenes kritikwürdiges Diskussionsverhalten.

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@ alterbolschewik

Hmmja. Im Detail würde ich dir widersprechen, z.B. hinsichtlich der Tragweite derartiger Erörterungen. Es wird ja jemand nicht völlig diskursunfähig erklärt, seine Standpunkte als grundsätzlich panne, wenn man sein Streitverhalten, ähm, nun wirklich ziemlich übel findet. Außerdem teile ich nicht ganz die Tabuisierung derartiger Themen. Wir alle haben ja, hier oder dort, mehr oder minder, Defekte. Ich kenne mich zum Beispiel ganz wunderbar mit Depressionen aus...

Macht mich das zum Irren? Ich finde nicht.

Trotzdem muss ich dir insgesamt recht geben, alter Bolschewik. Es wirkt herabwürdigend, bloßstellend, derartige Dinge öffentlich zu erörtern. So treffend ich meine Charakterisierung auch fand...

Ich lösch es.

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schließe mich der Löschung an -

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@alter Bolschewik:
Einspruch im Prinzip angenommen, wobei ich mich da schon auf einschlägige Eigenaussagen Momos beziehe und das nicht einfach aus der Luft nehme. Mein latenter Hang zu ungestützten Online-Ferndiagnosen hat in den vergangenen Jahren doch stark nachgelassen. ;-)

Und noch zu Dr. Deans Frage:
Mark, woher willst du wissen, dass es seine Diskriminierungserfahrungen sind?

Nun ist der Zweifel bekanntlich aller Weisheit Anfang. Ich behaupte weder es zu wissen noch es nicht zu wissen. Aber warum sollte ich das Momo nicht zugestehen, wie er seine Erfahrungen selber einordnet? Das heißt ja nicht zwingend, dass ich mir seine Lesart zu 100 % zu eigen mache. Ihm aber erst mal erläutern zu wollen, was er eigentlich fühlt und erlebt, genau das wäre doch das Paradebeispiel für hegemonialen Hetendiskurs.

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Dean
"@ K & K, Genova

Ich kapiere nicht, warum sich Momorulez jetzt so in Che verbeißt. "

Und ich verstehe nicht, wieso du dich so in Momorulez verbeißt. Bist du nicht der Typ, der unter anderem Sonnenschein oder Sonnenstrahl oder so ähnlich hieß und monatelang behauptete, er sei Pfandflaschensammler, damit er auf metalust überhaupt noch posten durfte? Und hattest du vorher nicht diverse andere nicks? Oder verwechsle ich dich? Das ist ja ein Affentheater.

Ansonsten geht das mit den Pathologisierungen in der Tat zu weit. Ich meinte mit meiner Bemerkung von wegen "persönliche Befindlichkeiten" nichts pathologisches. Das ist ja eh ein merkwürdiger Begriff.

Wie ich das strukturell sehe, habe ich ja diverse Male beschrieben.

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Geht´s hier echt um Politik? ... Wieso Pathologisierung? Das ist Empathie, Einfühlungsvermögen - auf allen Seiten.
Nur eben etwas respektlos geäußert. Che ist, Momo ist, Hartmut ist, Dean ist ... und ziggev ist ... jetzt mal der Eso-Spinner. Hier nun zwei uralte Meditationtechniken:

FEEL THE CONSCIOUSNESS OF EACH PERSON AS YOUR OWN CONSCIOUSNESS. SO, LEAVING ASIDE CONCERN FOR SELF, BECOME EACH BEING.

WHEN A MOOD AGAINST SOMEONE OR FOR SOMEONE ARISES, DO NOT PLACE IT ON THE PERSON IN QUESTION, BUT REMAIN CENTERED.

Suggestion: Die eigenen Ressentiments, wie alle Gefühle. als Besucher betrachten und ihnen Einlass gewähren. - Bei sich selbst, denn das ist ja ein Allgemeinplatz, dass jede/r selbst die Gefühle generiert. Lediglich beobachten - früher oder später suchen sie sich einen anderen "Wirt" ...


Hat sich als ganz gut herausgestellt, um die eigenen Ressentiments zu bekämpfen.
R. (Psychol.) das Wiedererleben eines (durch das Wiederbeleben verstärkten) meist schmerzlichen Gefühls.

- Che z.B. möchte Momorulez in Ruhe gelassen haben; jetzt meine MOOD-Projektion: er will selber mal wieder etwas durchatmen.

Denn R. mit seinem sich-selbstverstärkenden Tendenz führt im Ergebnis zum Selbsthass, der wieder verdrängt werden soll, was wieder Ressentiments erzeugt, et cetera-p.-p..

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Und deshalb lasst Momorulez bitte in Ruhe
Ich mache jetzt den Thread zu. Ich habe ja nicht vorgehabt, ihn absichtlich zu kränken und ich will auch nicht, dass jemand anders ihn kränkt. Das Alles ist ohnehin schon panne genug.

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@Willy, das kannst Du in der South Bronx Schwarzen aus einem der projects erzählen und dann hier berichtenm, was Du erlebt hast;-)


Ich halt´s da ganz mit der triple oppression und dem Begriff der sich international neu zusammensetzenden Klasse.

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Mehr Musealität bitte
Che, von mir aus könntest Du hier gerne mal so eine Art kurze Autobiografie posten, interessant ist das allemal. Wir könnten wie in guten alten Zeiten daraus ja auch einen schönen facettenreichen Oligolog machen, nach jenem Muster: http://che2001.blogger.de/stories/382362/

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Wenn das gewünscht wird mache ich das sehr gerne, demnächst in diesem Theater.

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Der Witz ist ja, dass der Hausherr die gleiche Story mit der Männergruppe vor Jahren schon einmal auf Shifting Reality gebracht hatte und momo damals überhaupt keine Negativreaktionen gezeigt hatte.

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Ich habe von Momorulez ja sehr viel gelernt und auch tolle Diskussionen mit ihm geführt. Aber es gibt so einen Grundkonflikt, der mit Shifting Reality begann und 2009 mit dem "Cassandra-Eklat" kulminierte, bei dem eine Kommentatorin sich sehr unglücklich äußerte. Cassandra kenne ich gut, und ich kenne sie seit 18 Jahren, da vermag ich sehr gut zu beurteilen, wie sie drauf ist. Und wie sie nicht drauf ist. Was Momorulez und Loellie da gemacht hatten ist die Bewertung der ganzen Person aufgrund einzelner missverständlicher Äußerungen. Zwar ist sie religiös, und sie ist das auf eine nicht unbedingt besonders historisch-kritische Weise. Aber was sie definitiv nicht ist ist eine massiv homophobe religiöse Fundamentalistin. Sie hatte in der Schüler-Lehrer-Angelegenheit gesagt, ein Lehrer dürfe nicht die religiösen Überzeugungen seines Schülers ins Lächerliche ziehen, und es wäre besser gewesen, er hätte ihn einen Aufsatz über Darwin schreiben lassen. An anderer Stelle äußerte sie Bewunderung für ein paar evangelikale Christen aus Ghana (genauer gesagt, eine ganz eng eingegrenzte, benennbare Gruppe von EinwanderInnen, die in Deutschland leben, und innerhalb dieser Gruppe werden Schwule akzeptiert). Daraus machten Momorulez und Loellie dann die Behauptung, sie würde sich für Leute begeistern, die Schwule wie sie umbringen wollten. Das ist einfach definitiv falsch, kontrafaktisch, es stimmt nicht.

Und ihnen in diesem Punkt zu widersprechen ist auch keine heteronormative Zurückweisung schwuler Positionen, es ist schlichtweg der Hinweis auf Tatsachen, die anders sind, als M. und L. annehmen. Während sie beide mangels Kenntnis der Realperson hinter Cassie Blogstatementauslegung betreiben, kenne ich die Realperson und kann es beurteilen. Statt da moralisch aufgeladene Homo-Hetero-Diskursanalyse zu betreiben hätte man mir ja einfach glauben können, dass meine realweltliche Personenkenne zuverlässig ist. Ich hätte damals zu Momorulez am Liebsten gesagt „Weißte was, ich gebe Dir jetzt die Telefonummer von Cassandra, dann kannste da anrufen und klären, was da zwischen Euch schiefhängt,“ und vielleicht wäre das so auch besser gewesen, anstatt dass da nun schon eine jahrelange Online-Feindschaft gepflegt wird. Und Cassie nun schon seit Jahren beständig mit Ausdrücken wie Drecksau, faschistoide Kuh usw.
bezeichnet wird - im richtigen Leben organisiert die gerade eine Antira-Aktion. Aber angerufen hätte er wahrscheinlich eh nicht.

Der Tragikomödie nächster Akt: Cassie die Zweite

Eine ganz neue Dynamik kam ins Geschehen, als Cassie, die nicht erst seit heute mit Argusaugen darauf schaut, wenn Momorulez historische Zusammenhänge falsch darstellt nun eine Verbindung zwischen mehreren Beiträgen auf seinem Blog zog und gewaltig auf die Pauke haute. Die Tatsache, dass Momorulez das heutige Zusammenleben mit einem Hund mit dem Leben auf einem mittelalterlichen Angerhof vergleicht, das natürlich genauso gesehen wird wie unser heutiges Verhältnis zu Tieren, der Vergleich des Lesens von EBooks und Twittern mit dem Lagerfeuer-Palaver in der Steinzeithöhle (die nie ein Ort des Wohnens gewesen ist), endlich das Gleichsetzen lustvoller Tänze und Gesänge von Fußballfans mit schamanistischen Bräuchen unserer Vorfahren, die diesen von christlichen Missionaren ausgetrieben wurden (stimmt boß nicht, die Germanen und Kelten hatten keine schamanistischen Bräuche, die Praktiken der frühen Christen waren extatisch, und das Austreiben solcher Praktiken durch Missionare spielte sich erst unter den Kolonialregimen ab), diese Mischung sei Cassandra zufolge völkisch. Für Momorulez stellt diese auf einem winzigen Blog ohne nennenswerten Impact veröffentlichte Beitrag einen existenziell schweren Angriff dar, der sofort mit der evangelikalfaschistischen Pink-Swastika-Ideologie in Zusammenhang gebracht wird, für Cassandra ist es hingegen einerseits eine inhaltliche Kritik an Texten, andererseits hat das Ganze für sie so die Größenordnung einer frotzelnden Teetischplauderei. Und ich würde mal sagen, da hat eine Historikerin, die sich den ganzen Tag mit völkischen Autoren und den Nachkriegskontinuitäten von deren Geschreibsel beschäftigt ein bißchen zu tief ins Vergrößerungsglas geschaut. Da ich, wie ich es gelernt habe, Beider Standpunkte hermeneutisch zu verstehen versuchte und mich daher nicht auf eine Seite schlug, Momorulez aber Solidarität einforderte verschlechterte sich das Verhältnis zwischen uns.


Nun also der Vorwurf, ich würde Kristina-Schröderisieren. Das Ticket zieht Momorulez nicht zum ersten Mal, so vor etwa einem Jahr meinte er das zu einer Insiderstory aus dem Göttinger FrauenLesbenzentrum bei Netbitch. Scheinbar löst bei ihm die Kombination „Irgendwas Kritisches mit Gender“, „linke Subkultur“ und „geht nach hinten los“ automatisch diese Reaktion aus. Seiner Argumentation kann ich ja noch folgen, was allerdings nicht bedeutet, dass ich das alles schlüssig und richtig fände. Diese lautet etwa so: Die Darstellung völlig überzogen moralinsaurer Diskurse zu Gender- oder Sexismusthemen aus gesellschaftlich überhaupt nicht wirkungsmächtigen linken Subkulturen würde von realen Sexismen und sonstigen Machtverhältnissen in dieser Gesellschaft ablenken, gleichzeitig würde die Darstellung des Scheiterns oder Entgleisens innerlinker Diskurse zu Genderthemen diejenigen bestärken, die anders leben wollen immer schon für deviant gehalten hätten und damit die Ideologie der bürgerlichen Familie stärken, und damit läsen sich solche Blogeinträge dann wie das Kristina-Schröder-Interview zum Thema Feminismus, und deshalb sollte man so etwas nicht öffentlich bloggen oder zumindest sehr grundsätzlich überlegen, wie solche auch noch recht alten Szeneerlebnisse öffentlich zu verarbeiten seien.

Und das sei in einer Zeit, in der die Sarrazins und Fleischhauers unterwegs sind noch einmal ganz anders zu kommunizieren als in den 1990ern.

Also mal abgesehen davon, dass ich einen überzeugten Vollspießer ohnehin mit meinen Argumenten nicht erreichen werde ist mir ein solch strategisches Umgehen mit meinen Lebenserinnerungen fremd. Ich blogge, weil ich eine Story habe. Ziel meines Beitrags war ja auch nicht, etwas gegen Männergruppen zu sagen (tatsächlich arbeite ich gerade momentan mit einem Männerbüro zusammen) oder dagegen zu sein, sich kritisch mit Genderfragen auseinanderzusetzen, meine Kritik richtete sich vielmehr gegen eine ganz bestimmte Art von linker StudentInnenszene (die es auch heute noch gibt), die sich durch folgende Merkmale auszeichnet: Akademisch-mittelschichtig sozialisiert, rein deutsch, weiß und nur mit Leuten verkehrend, auf die das auch zutrifft. Die sich sozialistisch geben, aber über „die Prols“ ablästern, die „Hoch die internationale Solidarität!“ skandierten, aber mit meinen kurdischen Freunden kein Wort redeten und die auf einer Party auch räumlich mieden (bzw. in einer anderen Variante einer kurdischen Genossin erstmal feministisches Bewusstsein beibringen zu wollen, und das war ne alte Guerrillakämpferin, die sich von deutschen Studis erstmal gar nichts erklären ließ und nicht das kleine konservativ-islamische Hascherl, für das sie sie automatisch hielten) und eben eine Männerguppe gründeten, aber nichts Eiligeres zu tun hatten, als den einzigen Dropout dort rauszuschmeißen.


Eine bigotte Bürgerprößlingslinke, von der ich mich seinerzeit aus guten Gründen entfernt hatte. Momorulez fabulierte ja etwas daher von der Legitimierung der eigenen Spießigkeit bei Linken meiner Generation, zu der Beiträge wie der hier oben dienen würden, tatsächlich aber leitete der damalige Bruch mit meinem bisherigen Studimilieu die radikalste Phase meines Lebens ein, was hier alles auch schon gesagt wurde. Und wer von mir annimmt, ich schriebe Negatives über meine eigene Männergruppenerfahrung, um eigene rollenspezifische Angepasstheit heute zu legitimieren, der hat in all den Jahren absolut nichts von mir begriffen und kann mir dann auch gestohlen bleiben.

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Back to Basics:
Kommt alle miteinander gut ins Neue Jahr!

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Auch so.

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Das mit den deutschen Studentinnen, die der Kurdin Feminismus beibringen wollten ist ein echter Klassiker, das mit den Internationalisten, die mit den Verdammten dieser Erde nicht reden wollen auch.

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kleine Zwischenbemerkung
@ Che, "stimmt boß nicht, die Germanen und Kelten hatten keine schamanistischen Bräuche,"

da horchte ich auf, denn ich erinnerte mich an die Aussage einer Verwandten (die auf sowas steht), dass der Karneval keltischen Ursprungs sei. Und wie gerne sind manche bereit, im Zeitalter New-Age-mäßiger Beliebigkeit voreilig Schlüsse zu ziehen bzw. per Assoziationskette beim Schamanismus zu landen, etwa Fussball-Ekstasen-Schmanismus. (btw., ich finde es völlig in Ordnung, Parallelen zu suchen und zu finden, wenn jetzt nun nicht alles dann für bare Münze genommen wird - einfach mal etwas rumexperimentieren ...) So fragte ich mich, was denn nun unter Schamanismus zu verstehen sei; landete bei Wickipedia, wo sich die Autoren auch sehr, sehr vorsichtig dazu äußern.

Von dort aus landete ich dann aber doch hier:

Wicki: Schamanismus in systematisierten Religionen

"...obwohl Eliade die Kelten in seinem Werk ebenfalls nicht aufführt (in anderen, späteren Veröffentlichungen aber durchaus die Verbindung der Druiden mit alten Schamanismusvorstellungen für denkbar hält[87]), deren Religion, wenigstens in der Frühform, doch noch als zumindest randständig schamanisch geprägt bezeichnet werden kann. Das bestätigt Herodot, dessen einschlägige Darstellungen sich inzwischen in anderen Fällen als weitgehend korrekt erwiesen haben. Er schrieb, die Skythen und ihre Nachbarvölker, wozu auch die Kelten gehörten, ließen sich durch Schamanen leiten, ..."

Und, btw., die Zweite: diese o.g. Verwandte ist die einzige, die nicht in den Genuss der bei allen anderen vollkommen erfolgreichen "Entnazifizierungsmaßnahmen" (hier im Effekt waren das längere Englandaufenthalte als Au Pair) nach dem Krieg gekommen ist, weil zu jung, und bei der ich immer wieder völkische Denkmuster feststellen meinte.

Die Dritte: Danke, dass du meine "Außenwahrnehmung" als solche neulich erkannt hast. Was mich echt nervt, ist, dass solche Leute wie Fleischhauer, Matussek jetzt billig ankommen mit der Scheiße, mit der ich in postpubertärem Alter bereits durch war, und ich mit meinem jahrelang aufgeschobenen "Rachefeldzug: was die Linken mir alles angetan haben - jetzt werden sie mit Häme überzogen, sanfte Ironie a lá Karasek (Sex vorm IKEA-Regal auf Flokati-Teppich) bringt es einfach nicht" zu spät komme bei den heutigen Verhälnissen. *heul*, *flenn*, manchmal wird es einem ja gar so leicht gemacht, in vergangene, spießbürgerliche Verhaltensweisen zurückzufallen!

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@ziggev: Randständig schamanisch kann man sagen, dass wären dann aber auch Religionen wie der Daoismus und der Shintoismus. Aber sich schamanistisch trommelnd in Extase tanzen, das Bild passt halt nicht. Ich teile hier aber nun auch weder die Position Cassandras noch die von Momorulez. Richtig ist allerdings, dass die Herstellung falscher historischer Kontinuitäten, möglichst negativ extrapolierend in eine mythische Vorvergangenheit zu den zentralen Denkmustern der Völkischen gehört. Was Momorulez da gemacht hat ist aber nicht dieses, sondern eher ein frei assoziierendes Rumspielen, das ich für völlig harmlos halte. Wie gesagt, zu tief ins Vergrößerungsglas geschaut, meine Meinung.

Fleischhauer, Matussek, Schröder usw. machen etwas Anderes als ich, meine Darstellung von Innenaufnahmen aus linken Subkulturen dient ja nicht deren Denunziation, wenn auch öfter mal augenzwinkernder Selbstbespiegelung oder durchaus auch dem Spott auf den eigenen Laden. Wobei ich hier allerdings einen ernstzunehmenden Bruch mit einer bestimmten Subszene beschrieben hatte, der mich in eine weitaus sympathischere und glaubwürdigere Teilszene hineinführte. Schreibe ich später noch mehr zu, muss jetzt kurz weg.

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@are: Das, was die gemacht haben, war genau das, was Momorulez wiederholtestens mit "Flüchtlingssolidarität ohne Flüchtlinge, Antisexismus/Antihomophobie ohne Schwule und Lesben" bezeichnet hatte. Und ich bleibe dabei, das hat sehr viel mit der sozialen Zusammensetzung dieses Milieus zu tun, weitgehend homogen aus provinziellen kleinbürgerlichen Akademikersprösslingen bestehend, während die autonome Szene, die ich vorher kannte sehr viel durchwachsener war (hoher Anteil von Arbeiterkindern und Leuten aus AHi/Sozizusammenhängen) und die Antira-Zusammenhänge, in die ich dann ging ebenfalls (akademische Mittelschicht gemixt mit sozial Marginalisierten, Leuten aus Pflegeberufen, selbstständigen HandwerkerInnen und Flüchtlings) Die Mischung macht´s, das glaube ich wirklich.


Und bin zutiefst mißtrauisch gegenüber Linken, die keine Basiserfahrungen mit Angehörigen marginalisierter Gruppen haben. Ich würde auch sagen, dass die durchschnittliche soziale Kompetenz von Leuten aus Arbeiterfamilien mit Gewerkschaftshintergrund zumeíst höher ist als die von Mittelschichtssprösslingen (der ich selber bin).

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