Samstag, 10. Januar 2015
BFE und “Cop Culture” – Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit zwischen Männlichkeitsritualen, Korpsgeist und Anonymität
25.1.2015 | 18 Uhr | Hörsaal im Auditorium, Weender Landstraße 2 Göttingen

Referent: Prof. Dr. Rafael Behr, Akademie der Polizei Hamburg
Moderation: Christoph Lohnherr, Journalist

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit amnesty international Göttingen statt und wird unterstützt von der Grünen Hochschulgruppe Göttingen.

Alle Infos finden Sie auch auf der Homepage der Grünen Jugend Göttingen:
http://gj-goettingen.de/bfe-und-cop-culture-die-beweissicherungs-und-festnahmeeinheit-zwischen-maennlichkeitsritualen-korpsgeist-und-anonymitaet/

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Veranstaltungsankündigung:

„Gerade im Hinblick auf das Konfliktpotenzial durch gewaltbereite Störer bei Demonstrationen ist die Einführung einer zusätzlichen BFE ein klares Signal für eine konsequente Sicherheitspolitik." - Uwe Schünemann (CDU), damaliger Innenminister Niedersachsens, auf der Einführungsveranstaltung der Göttinger Beweissicherungs- undFestnahmeeinheit (BFE) am 29.11.2012.

Zwei Jahre nach ihrer Stationierung in Göttingen hat der Konflikt um die umstrittene Polizeieinheit seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Bei dem Versuch, die Abschiebung des aus Somalia über Italien nach Deutschland geflüchteten Abidwaali S. durchzusetzen, verletzte die Göttinger BFE im April 2014 mehr als ein Dutzend Abschiebungsgegner*innen durch Schmerzgriffe, Faustschläge und Pfefferspray. 50 Gruppierungen und zahlreiche Einzelpersonen fordern aktuell in einem offenen Brief an die rot-grüne Landesregierung die
sofortige Abschaffung der Göttinger BFE. Kritisiert werden insbesondere überzogene Gewaltanwendung und der "Korpsgeist" der BFE, der eine Verfolgung von Polizeigewalt angesichts fehlender Kennzeichnungspflicht unmöglich macht.

Doch was ist dran an den schwerwiegenden Vorwürfen? Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) stellte sich hinter die Göttinger
BFE und erklärte, diese sei nicht die "Prügeleinheit", zu der sie immer wieder erklärt werde.

Der Referent, Prof. Dr. Rafael Behr, ist Dekan des
Fachhochschulbereichs der Akademie der Polizei Hamburg. Er leitet dort die Forschungsstelle Kultur und Sicherheit (FoKuS).
Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Organisationskultur und Empirische Polizeiforschung. Seine Arbeit trägt maßgeblich zur Erforschung der Polizistenkultur ("Cop Culture") bei, das heißt der Herausbildung eines informellen Wertesystems aus Männlichkeitsritualen und gruppenprozessualen Phänomenen wie Korpsgeist
innerhalb der Polizei. Rafael Behr war vor seiner akademischen Laufbahn selbst 15 Jahre Polizist. Seine Dissertation verfasste er auf Grundlage von Tiefengesprächen mit einer Frankfurter BF-Einheit. Neben seiner Tätigkeit an der Hamburger Polizeiakademie setzt er sich unter anderem
für die Einführung einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht für
Polizeibeamt*innen ein.

In der Podiumsveranstaltung wird die innerhalb der Polizei und speziell in BFEn herrschende Cop Culture, auch im Hinblick auf die Auswirkungen von Anonymität, beleuchtet. Abstrahiert von der Situation in Göttingen wird diskutiert, inwiefern das hinter dem Agieren und der Grundkonzeption von BF-Einheiten stehende Verständnis von Polizeiarbeit im Kontext des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit problematisch für einen demokratischen Rechtsstaat ist.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit amnesty international (ai) statt. ai ist eine weltweit agierende unabhängige Menschenrechtsorganisation und fordert in Deutschland insbesondere die Einrichtung unabhängiger Ermittlungsstellen für Fälle von Polizeigewalt und die Einführung einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht.

Moderiert wird die Veranstaltung von Christoph Lohnherr. Der Journalist ist Redakteur beim Stadtradio Göttingen.

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Hintergrundinfos:

Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten sind spezialisierte Einheiten
der Bundespolizei und der Bereitschaftspolizeien der Länder. Sie
bestehen aus circa 40 Beamt*innen, der Frauenanteil liegt
durchschnittlich unter 5 Prozent. Haupteinsatzgebiete sind
Demonstrationen und andere Großveranstaltungen, bei denen sie
mutmaßliche Straftäter*innen aus größeren Menschenmengen festnehmen
sollen. Sie agieren oft in rechtlichen Grauzonen, insbesondere durch
ihren Einsatz von sogenannten "Zivilen Tatbeobachtern". In fast allen
Bundesländern gibt es mindestens eine BFE (Niedersachsen: 5) oder
vergleichbare Einheiten.

BFEn geraten seit langem bundesweit immer wieder in den Fokus der
Kritik. Bei den umstrittenen Polizeieinsätzen anlässlich
gesellschaftlicher Großkonflikte wie Castor-Transporten, Stuttgart 21
und den Protesten gegen die Naziaufmärsche in Dresden spielten sie eine
maßgebliche Rolle. Immer wieder werden zahlreiche Verfahren wegen
Körperverletzung ohne Ergebnis eingestellt, da die BFE-Beamt*innen nicht
identifiziert werden konnten.

Ende 2014 wurde ein saarländischer BFE-Beamter wegen Körperverletzung
im Amt und Strafverfolgung Unschuldiger zu 18 Monaten Gefängnis auf
Bewährung verurteilt.

In Göttingen gerieten insbesondere zwei BFE-Einsätze massiv in die
öffentliche Kritik und führten zu Diskussionen im Landtag: Die
gescheiterte Durchsetzung einer Abschiebung im April 2014 und Anfang
2012, als Beamt*innen der BFEn Hannover und Göttingen innerhalb und vor
dem ZHG der Universität zahlreiche Demonstrant*innen verletzten, die
friedlich gegen eine Veranstaltung mit Innenminister Schünemann
protestiert hatten. Acht Anzeigen wegen Körperverletzung wurden auf
Grund der (angeblichen) Nichtermittelbarkeit der BFE-Beamt*innen
eingestellt

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