Sonntag, 29. Oktober 2017
Mobilität Ost
Auf meinen Harz-Streifzügen stieß ich auf ein kleines Museum, das die Motorwelt der DDR bzw. des alten Ostblocks darstellt. Hochinteressant und liebevoll inszeniert.



Der Panorama-Wartburg, im Volkmund "Eisensänfte" genannt, stellte in der DDR der Sechziger etwas das dar, was im Westen ein Mercedes Kombi war, allerdings mit dem Unterschied dass er auch als provisorisches Wohnmobil genutzt wurde.




Die Pannonia war die führende Motorradmarke Ungarns. Außer MZ wurden in der DDR noch tschechische Jawa (die ich wiederum aus Ägypten kenne) und schwedische Husqvarna, sehr selten russische Ural gefahren.





Das ist kein Fiat Cinquecento sondern ein Moskwitsch. Es existierte auch eine Coupeversion mit seitlichen Lufteinläufen wie bei einem Düsenjäger.




Auch militärisches Gerät der NVA ist zu sehen. Auf Wunsch können Geländefahrten im Panzer veranstaltet werden. Nun ja, ich habe nicht den Kriegsdienst verweigert um heute mir dieses zweifelhafte Vergnügen anzutun. Aber interessant ist dieses Museum allemal. Zum Beispiel erfuhr ich wieso der Trabbi diese seltsame Karosserie aus Duroplast hatte: Die BRD hatte ein Exportverbot für Flachstahlbleche in die DDR verhängt. Begründet wurde dies militärisch. Tatsächlich dürfte eher dahintergestanden haben die Lieferkette Salzgitter-Flachstahl/VW zu stärken. Zur gleichen Zeit lieferten britische Hersteller Triebwerke für sowjetische Kampfjets. Schon eine absurde Zeit....





Unkaputtbar waren sie, die LKW von Tatra und Zil.

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Die Story von Peng
Peng war einer dieser Menschen, die in der Übergangsphase von der Jugend zum Erwachsensein mein Lebensgefühl, Menschenbild und meine Weltsicht prägten. Ein Lebenskünstler und bunter Vogel. Ein Freak, heute würde man Hippie sagen, aber im damaligen Zeitkontext bedeutete Hippie etwas anderes. Er versorgte uns alle mit Dope und wohnt in einem ausrangierten Reisebus, blau-gelb angestrichen mit der Aufschrift "Telepathie ist ein Luftschiff." Er war nicht einfach ein Dealer und Kiffer, für ihn waren die bewusstseinserweiternden Selbsterfahrungen mit ernstem Forschergeist vorgenommene Erkundungen der eigenen Seele und stets auch mit tiefen philosophischen Überlegungen und Diskussionen verbunden. Nicht selten auch mit Gruppensex im bunten Bus.

Eines Tages nun geriet er mit Zuhältern aneinander die in seinem Verkaufsgebiet ein Monopol auch für den Handel mit weichen Drogen beanspruchten und Peng bei den Bullen verpfiffen. Er tauchte im wahrsten Sinne des Wortes unter: Über ein halbes Jahr wohnte er in einem Bombentrichter (die wurden erst nach 1980 zugeschüttet, bis dahin waren sie für uns herrliche Spielwiesen für BMX und Motocross) und Genosse Archie versorgte ihn mit allem was er brauchte. Der Trichter war mit einem Leistengitter abgedeckt über dem sich ein Bundeswehrtarnnetz und Grassoden befanden, und er wohnte relativ gemütlich eingerichtet. Strom kam aus einer LKW-Batterie, die Archie, der seinerseits mit schwarz geschlachteten Schweinehälften dealte regelmäßig auswechselte. Als die kalte Jahreszeit kam brachte Archie Peng dann im Kofferraum in ein kleines Dorf in die Nähe von Freiburg. Auf dem Bock eines bunt bemalten pferdegezogenen hölzernen Zirkuswagens rollte Peng über die französische Grenze, wo sich seine Spur verlor.

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Qiumburga, der Niedersachsen-Orkan
Mein gerade beendeter Harzurlaub und die aktuelle Orkanwelle riefen in mir Erinnerungen wach an Quimburga, den großen Orkan von 1972. Ich wollte gerade zur Schule gehen als meine Mutter mich zurückhielt und sagte bei dem Sturm ließe sie mich nicht aus dem Hause gehen. Wenig später flogen die ersten Dachziegel durch die Gegend, auf dem Flughafen wurde ein bei uns Jungs sehr beliebtes Luftschiff zerstört, und im Harz wurden ganze Wälder entwurzelt. Unseren üblichen Harzurlaub konnten wir nicht im gewohnten Quartier machen weil das komplett mit Forstarbeitern belegt war. In der Schule wurde der Orkan Thema für einen Aufsatz.

Nun googlete ich dieses Ereignis und wurde bei Wikipedia fündig. Haarsträubend fand ich allerdings, wie hier offensichtliche Jungspunde die Verhältnisse der Siebziger Jahre einordneten. Im Kommentarbereich wird dann auch treffend angemerkt 1972 wäre wohl in der Jungsteinzeit gewesen. Moderne Elektronik hätte es noch nicht gegeben, Sturmwarnungen seien kaum möglich gewesen, da es noch keine Wettersatelliten gegeben hätte und Fensehen und Radio nur stundenweise sendeten mit festen Programmen die man nicht verändern konnte. Tatsächlich gab es längst Lifereportagen. Für die Direktübertragung der Mondmissionen wurden damals Übertragungen von Fußballländerspielen unterbrochen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Orkan_Quimburga

Wettersatelliten gibt es seit 1960, schon in den Was-ist-Was-Büchern aus den späten Sechzigern die ich als Kind las wurde ausführlich über sie berichtet. Im Wetterbericht nach der Tagesschau wurde damals statt des heutigen Wetterdiagramms immer ein Satellitenbild gezeigt, d.h. das Originalfoto der Athmosphäre von einem Wettersatelliten.

Einer der unsterblichen Kalauer von Otto Waalkes: In einer Tagesschau-Parodie wird das "Satellitenbild" gezeigt, Kommentar: "Schöner Satellit! Und die langen Antennen - sehr chic!" 1972 existierten Computer die Wettersimulationen vornehmen konnten. Nur gab es damals keine Computer in Haushalten, sondern das waren schrankgroße Geräte, meist noch mit IC-Technologie ohne Mikroprozessoren und ihre Bedienung erforderte die Kenntnis einer Programmsprache wie z.B. Cobol oder Algol. Es gab den eigenständigen Beruf des Computer-Operators. Das Rechenzentrum der Uni war in meiner Nachbarschaft, da wehten Hunderte von Metern die Lochstreifen mit Eingabedaten durch die Gegend. Fernsehen und Radio sendeten auch nicht "stundenweise". Das Fernsehen hatte zwischen 23 und 24 Uhr Sendeschluss, von da an wurde ein psychedelisch anmutendes Testbild gesendet. Wenn wir bekifft waren hieß es "Lasst uns was niveauloses tun" und wir guckten Testbild. Morgens um 10 ging das Programm dann wieder los. Das NDR-Radio hatte von 2 Uhr bis 4 Uhr Sendepause und sendete sonst durchgehend. Hinsichtlich der Baumschäden wird die Problematik der Kiefernmonokulturen in der Heide erwähnt. Den größten Schaden richtete der Orkan aber im Oberharz an, wo ganze Berghänge entwaldet wurden und bis in die Neunziger Kahlschläge zurückblieben. Die Diskussion um Monokulturen, der Übergang zur Femel- und Plenterwaldkultur und das Wiederaufforsten mit Mischwald bezog sich ursprünglich ausschließlich auf die Fichtenwälder des Oberharz. Die Problematik der Kiefernwälder in der Heide wurde erst ab dem Heidebrand von 1975 miteinbezogen.

Schon heftig, was da in einem Lexikonartikel alles nicht gewusst wird.

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