Montag, 6. Oktober 2025
Ferdinand von Schirach zum Oktobermassaker zu Yom Kippur 2023
"Die Massaker der Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 in Israel sind in über 60.000 Videos dokumentiert. Trotzdem schenken viele Menschen Falschinformationen aus den sozialen Medien Glauben. Wie kann das sein?



Am 7. Oktober 2023 zerstören Hamas-Terroristen den Grenzzaun zu Israel. Rund 3000 Kämpfer dringen über den Land-, See- und Luftweg in das Land ein. Die Terroristen schießen wahllos auf Passanten, sie plündern, morden und vergewaltigen in 22 Ortschaften an der Grenze.

Bei Re’im findet gerade ein Musikfestival statt. Die Terroristen stürmen das Gelände und feuern in die Menge. Sie ermorden 364 Festivalbesucher, viele wurden zuvor noch gefoltert und vergewaltigt.

Die „New York Times“ recherchierte sehr umfangreich über die sexuelle Gewalt gegen Frauen. Danach berichten Zeugen von Frauen- und Mädchenleichen mit gespreizten Beinen, abgerissener Kleidung und deutlichen Anzeichen von Missbrauch im Genitalbereich. Videos zeigen zwei tote israelische Soldatinnen, denen offenbar direkt in die Vagina geschossen wurde. Auf einem Foto ist eine Frauenleiche zu sehen, der Nägel in die Oberschenkel und die Leistengegend gehämmert wurden. Eine Festivalbesucherin sagt aus, sie habe sich während des Massakers unter einem Baum versteckt und mit Gras bedeckt, weil ihr in den Rücken geschossen wurde. Sie habe gesehen, wie einer Frau die Hose bis zum Knie heruntergezogen worden sei. Ein Mann habe hinter ihr gestanden und sie vergewaltigt. Jedes Mal, wenn sie zurückgewichen sei, habe er ihr mit einem Messer in den Rücken gestochen. Eine andere Frau, so die Zeugin, sei von einem Terroristen vergewaltigt worden, während ein weiterer Mann mit einem Cuttermesser ihre Brüste abgeschnitten habe. In Be’eri und Kfar Aza wurden in sechs Häusern Leichen von Frauen und Mädchen gefunden. Sie waren nackt, verstümmelt und gefesselt.

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Vor 75 Jahren erschien George Orwells Roman „1984“. Heute denken die meisten Menschen bei dem Titel an den Überwachungsstaat, an „Big Brother is watching you“, „Der Große Bruder sieht dich“. Aber eine andere Idee des Romans reicht weiter.

In dem Roman verändert das „Wahrheitsministerium“ die Sprache der Menschen und damit die Wahrheit. Dieses Ministerium „war ein riesiger pyramidenartiger, weiß schimmernder Betonbau, der sich terrassenförmig dreihundert Meter hoch in die Luft reckte. Von der Stelle, wo Winston stand, konnte man gerade noch die in schönen Lettern in seine weiße Front gemeißelten drei Wahlsprüche der Partei entziffern: ,Krieg bedeutet Frieden / Freiheit ist Sklaverei / Unwissenheit ist Stärke‘.“

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Das Gegenteil der Wahrheit wird geglaubt, wenn sie nur oft genug behauptet wird. Vergangenheit lässt sich verändern, Tatsachen gelten nichts. George Orwell hatte recht. Am Anfang waren es nur alberne Verschwörungstheorien: Die Mondlandung sei von Stanley Kubrick im Auftrag der US-Regierung inszeniert worden. Die Welt würde von Reptiloiden regiert, die sich als Menschen tarnen, wie zum Beispiel Barack Obama, die Queen oder Angela Merkel. Die Erde sei eine Scheibe. Paul McCartney sei schon lange tot, Walt Disney nur eingefroren, und Elvis lebe noch. Dann wurde es ernster. Die Terroranschläge am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York seien von der US-Regierung selbst durchgeführt worden. Der Bevölkerung wären über den Corona-Impfstoff heimlich Mikrochips implantiert worden. Globale Eliten würden Zuwanderungsströme steuern. Putin erklärt, die Ukraine sei ein von Nazis unterwanderter Staat, der Genozid an der eigenen Bevölkerung verüben wolle. Und Donald Trump verkündet noch immer, er habe die Wahl gewonnen.

Opfer werden zu Tätern, Täter zu Opfern
Die sozialen Medien sind weitaus mächtiger, als es ein „Wahrheitsministerium“ je sein könnte. Mit einem Tastenklick werden dort Opfer zu Tätern und Täter zu Opfern gemacht. Wahrheit ist heute nur noch eine Meinung – und man darf ja wohl auch anderer Meinung sein. Die Wirklichkeit scheint nicht mehr zu existieren, selbst bei den schrecklichsten Verbrechen.

Zu den Massakern am 7. Oktober 2023 in Israel gibt es über 1500 Zeugenaussagen, über 60.000 Videos – unter anderem aus den beschlagnahmten Körperkameras der Terroristen – und zahllose Fotos der Morde, Folterungen und Vergewaltigungen. Trotzdem glauben über 90 Prozent der Palästinenser im Gazastreifen und Westjordanland, die Hamas habe in Israel keine Gräueltaten verübt. Twitter, TikTok und Telegram werden mit Terrorpropaganda, Falschinformationen und Antisemitismus überschwemmt. Und das funktioniert: Auf der Sonnenallee in Berlin feiert am Abend des 7. Oktober das palästinensische Netzwerk Samidoun den Angriff der Hamas. Süßgebäck wird dabei an Passanten verschenkt. In London, Stockholm, Barcelona, Washington, New York, Chicago, Sydney und anderen Städten jubeln Menschen über den Terroranschlag auf Israel. Schon zwei Wochen nach den Morden gehen in London 100.000 Demonstranten für die Palästinenser auf die Straße. Die Terroristen nahmen am 7. Oktober 2023 in Israel 251 Geiseln. An dem Tag, an dem ich diesen Text schreibe, sind nach Zählung der Zeitung „Haaretz“ noch immer 66 Menschen in der Gewalt der Hamas, 35 Entführte wurden bereits für tot erklärt. Die jüngste Geisel ist ein Baby. Der Junge war achteinhalb Monate alt, als er entführt wurde.

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In Orwells „1984“ heißt es: „Wenn Sie sich ein Bild von der Zukunft machen wollen, dann stellen sie sich einen Stiefel vor, der ein menschliches Gesicht zertrampelt – unaufhörlich.“

Diese Stiefel sind heute die sozialen Medien."

Ferdinand von Schirach wurde 1964 in München geboren, studierte Jura in Bonn und arbeitete als Rechtsanwalt in Berlin. Mit Kurzgeschichten, Theaterstücken und Drehbüchern wurde er als Schriftsteller bekannt. Heute ist von Schirach ein vielfach ausgezeichneter Bestsellerautor und gilt als einer der außergewöhnlichsten Stilisten.

Dieser Text darf auf ausdrücklichen Wunsch des Autors unentgeltlich nachgedruckt werden.

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Napoleons „Schmächtigkeit“, sein wildes Sexleben und sein 3-cm-Penis
– berühmte Körperteile Teil 2
Wolfgang Paik, Medscape/Univadis

Von Mohammeds Barthaaren über Adolf Hitlers Hoden bis hin zu Buddhas Zähnen – diese Artikelreihe bietet einen Überblick über die berühmtesten Körperteile der Menschheitsgeschichte. Teil 2 beschäftigt sich mit der Männlichkeit von Napoleon Bonaparte.

Napoléon: Sinnbild der Männlichkeit

Wie männlich war Napoleon Bonaparte (1769 – 1821)? Die Antwort auf diese Frage mag entscheidend von der implizierten Männlichkeitsdefinition abhängen. Ausreichend biografische Informationen existieren jedoch, um auf einige der möglichen Spielarten dieser pauschalisierenden Frage konkret zu antworten.

Während der Französischen Revolution erwies sich der junge Soldat Bonaparte als militärisches Talent ersten Ranges. Später wurde er General der Ersten Französischen Republik, Erster Konsul Frankreichs und schließlich Kaiser der Franzosen, König von Italien und Protektor des Rheinbundes.


Über die Persönlichkeit, die Bonapartes steile militärische und politische Karriere ermöglichte, schreibt der niederländische Historiker Pieter Geyl: „It is impossible that two historians, especially two historians living in different periods, should see [Bonaparte’s] personality in the same light.“ (dt.: „Es ist unmöglich, dass zwei Historiker, insbesondere zwei Historiker, die zu unterschiedlichen Zeiten gelebt haben, [Bonapartes] Persönlichkeit in gleicher Weise beurteilen.“)

Unumstritten sei, dass Bonaparte „ehrgeizig“, „hoch intelligent“, „außergewöhnlich gut organisiert“ gewesen sei und über „ein exzellentes Gedächtnis“ verfügt habe. Letzteres habe es ihm erlaubt, während kritischer Schlachten „schnell eine Folge komplexer Befehle zu erteilen“, ohne die Übersicht über die Stellung sich bewegender Truppen zu verlieren.

Arthur Wellesley (1769 – 1852), Erster Duke von Wellington, schrieb zu seiner Zeit, Bonaparte besäße die Fähigkeit, „seinen Mitmenschen zu schmeicheln“, wenn es ihm dient, sie aber „öffentlich zu demütigen“, wenn sie seine Ansprüche zu verfehlen drohen. Dies mache Bonapartes Anwesenheit auf dem Schlachtfeld „40.000 Soldaten wert“.

Wer Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen als entscheidende männliche Eigenschaften erachtet, dürfte Bonaparte daher als besonders männlich ansehen.


Napoléon war „schmächtig“ und „abgemagert“
Einen noch stereotypischeren Maßstab für die Männlichkeit stellt die körperliche Stärke dar. Der Schweizer Offizier Johann Ludwig Wurstemberger (1783 – 1862), der Bonaparte zwischen 1797 und 1798 begleitete, notierte sich zu dessen Gestalt: „Bonaparte [at 29 years old] was rather slight and emaciated-looking“ (dt.: „Bonaparte sah [mit 29 Jahren] eher schmächtig und abgemagert aus.“)

Von seinen Soldaten wurde Bonaparte oft le petit corporal (dt.: der kleine Unteroffizier) gerufen. In späteren Gemälden erscheint der Kaiser Napoléon neben seinen Offizieren oft winzig.

Den österreichischen Arzt und Psychiater Alfred Adler (1870 – 1937) inspirierte dieser scheinbare Widerspruch zwischen Persönlichkeit und Physis dazu, Bonaparte retrospektiv einen Minderwertigkeitskomplex zu attestieren, der wesentlich durch dessen geringe Körpergröße und eine sexuelle Dysfunktion bedingt gewesen sei. Aus dieser These entwickelte sich später das Konzept des Napoleon-Komplexes.


Mittlerweile wissen Historiker, dass Bonaparte nicht unterdurchschnittlich groß war. Mit 1,686 Metern war er mehr als 8 Zentimeter größer als der durchschnittliche Franzose seiner Zeit. Junge Soldaten maßen meist zwischen 1,65 und 1,69 Metern. Dass Bonaparte in Gemälden dennoch klein erscheint, liegt wahrscheinlich daran, dass er sich gern von besonders hochgewachsenen Soldaten bewachen ließ. Bisher bekannten Daten zufolge war keiner seiner Leibwächter kleiner als 1,76 Meter.

Napoléons Sexleben war wild, aber widersprüchlich
Als belastbarer erweist sich da Adlers zweite Teilthese. Obgleich Belege für eine sexuelle Dysfunktion des jungen, aufsteigenden Bonaparte fehlen, deutet einiges darauf hin, dass Sexualität eine überproportional wichtige Rolle in dessen Leben spielte.

Seine ersten sexuellen Erfahrungen sammelte Bonaparte als 18-jähriger Unterleutnant mit Pariser Straßendirnen des Palais Royals. Seiner ersten Frau Joséphine de Beauharnais (1763 – 1814) blieb er 2 Jahre lang treu. Auf dem Feldzug nach Ägypten traf er auf die frisch vermählte Marguérite Pauline Fourés (1778 – 1869). Nachdem er Fourés Ehemann, einen Leutnant, mit einem wichtigen Brief nach Frankreich fortgeschickt hatte, begann er eine Affäre mit Fourés.

2 Jahre später ließ sich Bonaparte mit der berühmten Mailänder Opernsängerin Giuseppina Grassini (1873 – 1850) ein. Später hatte Bonaparte unter anderem Affären mit den Schauspielerinnen Marguerite-Joséphine Georges (1787 – 1867) und Catherine-Joséphine Duchesnois (1777 – 1835) sowie mit der Frau eines älteren Staatsrats, Adèle Duchâtel (1782 – 1860).

Die junge genuesische Tänzerin Carlotta Gazzani (1789 – 1827) ernannte Napoleon zur Vorleserin für de Beauharnais, um Gazzani leichter beischlafen zu können. Frauen seiner Offiziere verführte Bonaparte ebenso wie jene anderer Politiker.

Zu Bonapartes sexueller Leistungsfähigkeit schreibt der Politiker und Schriftsteller Marie Henri-Bheyl (1783 – 1842), der einen Akt Bonapartes beobachtet hatte, jedoch: „Der Kaiser, der, den Degen an der Seite, an einem kleinen Tisch saß, unterzeichnete Erlasse. Die Dame trat ein; ohne sich stören zu lassen, bat er sie, sich aufs Bett zu setzen. […] Die Hauptsache der Zusammenkunft dauerte nicht drei Minuten. Oft stand sein Mameluck hinter einem Wandschirm.“

Der Chirurg und Schriftsteller Robert McNair Wilson vermutet, spätestens ab seinen Fünfzigerjahren müsse Bonaparte unter einer testikulären Atrophie und Impotenz gelitten haben. Selbst als die Gräfin von Ornano, Maria Walewska (1786 – 1817), mit der er bereits ein außereheliches Kind gezeugt hatte, ihn im Jahr 1814 heimlich im Exil besuchte, habe er ein separates Gemach für sie herrichten lassen.

Einen letzten Denkanstoß zum Thema Männlichkeit liefert Bonapartes Penis, der durch eine Autopsie im Jahr 1821 gewonnen worden und bis heute erhalten geblieben sein soll. Für eine Dokumentation des britischen Fernsehsenders Channel 4 wurde der Penis, damals im Besitz des Urologen John Kingsley Lattimer, ohne Kamerabegleitung vermessen. Das Ergebnis: 1,0 inch (2,54 cm) ist das Glied des französischen Monarchen lang. Zu Lebzeiten könnten es 3 bis 4 cm gewesen sein.

Fazit

Der Penis gilt vielen als Sinnbild männlicher Schaffenskraft und Herrschaft. Der Fund des Penis‘ eines der einflussreichsten und am häufigsten idealisierten Männer der Weltgeschichte, Monarch Napoléon I., bietet jedoch ‚Anlass, Peniskult und alte Stereotypen zu überdenken.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de




https://deutsch.medscape.com/s/artikelansicht/4915352

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