Montag, 18. Mai 2015
Alter Schwede!
In wohl kaum einem Land gibt es so strenge Gesetzesregelungen bezüglich sexuellen Übergriffen, sexualisierter Gewalt und frauenfeindlichem Verhalten wie in Schweden. Der Paragraph, nach dem Assange wegen Vergewaltigung belangt werden kann ist schwedisches Sondermodell, nirgendwo sonst wäre das Vergewaltigung. Dass Prostitution zwar legal ist, Freier sich aber strafbar machen gibt es auch nur dort. Nun lässt sich das je nach Standpunkt - ich habe mangels Wissen da erst mal keinen - wahlweise entweder als besonders stark ausgeprägtes genderkritisches gesellschaftliches Bewusstsein interpretieren oder aber als eine Kombination aus protestantischem Moralismus und sozialbürokratischem Regulierungswahn, insbesondere in Kombination mit den dortigen Anti-Alkoholbestimmungen. Dass feministische Positionen offensichtlich starken Einfluss auf die schwedische Gesetzgebung haben finde ich ja erstmal gut, dennoch stellen sich für mich zunächst unbeantwortbare Fragen. In meiner Wahrnehmung war Schweden für mich früher ein Land mit besonderer sexueller Freizügigkeit, meine große Schwester riet mir mal, wenn ich im Urlaub One-Night-Stands oder Spontansex haben wollte sollte ich nach Schweden fahren, nirgendwo sonst sei das so selbstverständlich wie da. Und da stellt sich mir dann die Frage: Sind das zwei Seiten einer Medaille, eine sexuell offene Gesellschaft mit zugleich rigorosem Vorgehen gegen übergriffigen Sexismus (wäre ja gut) oder ist da etwas völlig umgekippt? Weiß jemand was dazu?

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In Norwegen ist es genauso, Prostitution ist verboten, aber nur für die Freier. Feminismus ist dort ebenfalls sehr stark, aber es gibt auch eine gegenläufige Tendenz:

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/harald-eia-gegen-den-gender-mainstream-das-wurde-haesslicher-als-ich-gedacht-habe-11899907.html

Zitat: "Interessant ist, dass man meinen sollte, in einer gleichberechtigten Gesellschaft gebe es keine Unterschiede mehr. Aber das Paradoxe ist, dass in einer sehr freien Gesellschaft neue Unterschiede auftauchen. Und zwar angeborene Unterschiede. Wir müssen die biologischen und genetischen Fakten beachten, denn sie sind heute von größerer Bedeutung als früher."

Demnach würde also die größere Liberalität in Sachen Sex eben nicht zur Angleichung von Männern und Frauen führen (wie in bestimmten feministsichen Strömungen ja gewünscht), sondern im Gegenteil natrüliche Unterschiede stärker hervortreten lassen.

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Hugh, der Monothematiker hat gesprochen
Lieber Willy,

es ist nichts Neues, dass bei Dir immer alles auf die biologischen Unterschiede hinausläuft, das beantwortet aber meine Frage nicht.

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Wenn ich die Berichte meiner Bekannten richtig verstanden habe, ist Schweden, was "die" Sexualmoral betrifft, ein ziemlich durchschnittliches europäisches Land.

So wie wir.

Neben offenen und in der Sexualität total entspannten Leuten gibt es auch viele "normale" und auch relativ viele normal verklemmte Menschen, ganz wie bei uns - ähem, ganz wie bei mir.

Der Ruf Schwedens in Bezug auf die sexuellen Verhältnisse resultiert, vermute ich, nicht unbedingt aus den wirklichen Verhältnissen. Eine gewisse Progressivität würde ich dennoch dort sehen, und ja, vielleicht ist es so, dass gesellschaftliche Progressivität dazu beiträgt, dass sich feministische Positionen leichter durchsetzen.

Ob nun die Regelungen in Schweden das Optimum sind, oder - das wäre meine Vermutung - doch etwas überzogen sind, das entzieht sich meiner Beurteilungskompetenz. Ein großer Freund von Prostitution bin ich nicht - aber ich sehe auch nicht unbedingt die Praktikabilität und den gesellschaftlichen Nutzen eines Totalverbots.

Mein Ansatz wäre eher der Versuch, die - real i.d.R. beschissenen - Verhältnisse zu zivilisieren.

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Nein, Schweden ist überhaupt nicht durchschnittlich
Hinsichtlich der Sexualmoral sind alle skandinavischen Länder im europäischen Vergleich ziemlich offen, frei und lax. Dazu gehört, dass die sexuelle Revolution dort viel höhere Wellen schlug als auf dem übrigen Kontinent, der One-Night-Stand nach der Party oder irgendwo in Strandnähe im Gebüsch gehörte in den 70ern und 80ern in Schweden sozusagen zum guten Ton, es gab mehr FKK als textile Badestrände, in der gemischten öffentlichen Sauna mit wildfremden anzubandeln galt als völlig normal.

Die ersten Club-Bordelle kamen aus Skandinavien, am Anfang waren das Clubs im Wortsinn, wo Vereinsmitglieder (Gnihih, Mit-Glieder) eintraten, um Sex mit vom Club angestellten Huren zu haben.

Und das kippte dann umso rigider um - schwedische Feministinnen sind oftmals weit härter drauf als ihre deutschen Schwestern, der institutionalisierte Antisexismus schwedischer Provenienz kennt die ganze Bandbreite angewandter PC-Moral wie Du, Che, das noch in Unitagen erlebt hast auf einer offiziellen Ebene. Die genauen Gründe für diese Entwicklung kenne ich aber nicht. Also: Ob das gute Gründe sind im Sinne von Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, übel,sexistischen Strukturen usw. oder eher mit allgemeinem Rigorismus und gesellschaftlicher Verhärtung zu tun hat oder teils-teils.

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