Dienstag, 10. September 2024
In the hood
Ich wohne ja gerne in meiner Nachbarschaft. Ich lebe in einem alten Handwerkerviertel. Die 1885 bis 1900 gebauten Häuser gehörten alle früher Handwerksmeistern, die ihren Betrieb in einem zweiten Gebäude hinter dem Hof hatten. In der Belle Etage wohnten die Eigentümer, in den Obergeschossen die Gesellen, unterm Dach die Lehrlinge. Diese Struktur hat sich in veränderter Form erhalten: Im Erdgeschoss wohnen die Eigentümer und Vermieter, die Hauswirte genannt werden und zumeist persönliche Verhältnisse zu ihren MieterInnen haben, diese wohnen in den oberen Stockwerken. Junge Familien mit Kindern, RentnerInnen, Studierende, Doktorierende und MigrationsarbeiterInnen.


Die Werkstätten sind parkartigen Großgärten gewichen, hinter jedem zweiten Haus. Nebenan gibt es ein Gebäude, da sind im Erdgeschoss Institute der Uni, im ersten Obergeschoss Studentenappartments, die Etagen darüber sind ein Laufhaus. Daneben ist ein Kiosk, der von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen und einer Palästinenserin betrieben wird, die haben, obwohl das keine Kneipe ist Tische auf der Straße stehen, da sitzen nachts Brasilianerinnen und Tamilen und einer aus Mauritius und kippen sich was hinter die Binde. Extrem multikulturelles Viertel ohne große Konflikte, auch wenn seinerzeit in einer Moschee etwas weiter in der Nachbarschaft Mohamed Atta und seine Mordbuben gebetet hatten.

Kürzlich sitzlag ich abends lesend auf dem Sofa, als ich das Piepen eines Brandmelders vernahm und dann durchdringenden Kokelgeruch. Da kam mir dann auch schon die C. aus dem Obergeschoss in Negligé und Bademantel entgegen, die sagte, dass eine Box ihrer Anlage zu brennen begonnen hat und sie das gerade noch löschen konnte. Da kam auch schon der B. aus dem Stockwerk unter uns herauf, der mal Einsatzleiter bei der Feuerwehr gewesen war und kümmerte sich um die Schadensbegrenzung. So sind wir - gute Nachbarn, ein Haus mit integrierter Feuerwehr und integrierter Lebensberatung (der G.).

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