Mittwoch, 26. November 2025
Flüchtlingsrat kritisiert Innenministerin: Haft auf Vorrat ist verfassungswidrig
che2001, 16:27h
Nach dem Motto: "Mehr Lager, mehr Haft, mehr Abschiebungen" konkurrieren SPD und CDU in Niedersachsen unter dem Beifall der AFD um die härtesten Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts von abgelehnten Schutzsuchenden. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert dies scharf.
Muzaffer Öztürkyilmaz von der Geschäftsführung des Flüchtlingsrats Niedersachsen:
"Die Vorschläge von Innenministerin Behrens sind nicht nur unnötig, sondern auch verfassungs- und europarechtswidrig. Behörden können schon heute per Vorführhaftbefehl eine Festnahme zwecks gerichtlicher Anhörung veranlassen - auch wenn die Betroffenen (vermeintlich) untergetaucht sind. Wenn die Behörden wissen, dass Haftanordnungen auch ohne vorherige Anhörung möglich sind, wächst die Versuchung, Haftanträge vorsorglich zu stellen, um sich die Arbeit zu erleichtern. Haftanordnungen ohne Anhörung würden das Freiheitsgrundrecht aushöhlen und absehbar noch mehr rechtswidrigen Abschiebungshaftanordnungen produzieren.“
Jüngster Vorschlag der Innenministerin: Abschiebungshaft soll bei Nichtantreffen der Betroffenen gewissermaßen auf Vorrat verhängt werden können. Die CDU fordert gar Fußfesseln. Derweil klagen Rechtsanwält*innen und Menschenrechtsorganisationen ungehört über systematische Rechtsbrüche bei der Verhängung von Abschiebungshaft. "Hundert Jahre eingesperrt" überschreibt Rechtsanwalt Peter Fahlbusch in Anspielung an den Roman von Gabriel García Márquez seine Statistik vom gestrigen Tage über massenhafte rechtswidrige Festnahmen und Inhaftierungen von Geflüchteten in Deutschland und führt aus:
"Seit 2021 habe ich (Stand heute) 2.814 Inhaftierte vertreten. 1.430, dh die Hälfte meiner Mandant*innen befanden sich -jedenfalls teilweise- zu Unrecht in Haft. Manche „nur“ einen Tag, manche eine Woche, manche mehrere Monate, durchschnittlich jede Person knapp 26 Tage. „Hundert Jahre eingesperrt“ – zusammengezählt kommen alle rechtswidrig Inhaftierten auf 37.066 rechtswidrige Hafttage. Ein Jahrhundert Unrecht. All dies geschieht nicht in Macondo, sondern hier - und stößt irritierenderweise auf keine erkennbare Resonanz."
Die Vorschläge der niedersächsischen Innenministerin sind unverhältnismäßig und verfassungswidrig: Abschiebungshaft darf nur nach persönlicher Anhörung angeordnet werden. Die Rechtsprechung ist eindeutig: Haftbeschlüsse gegen abwesende Menschen sind unzulässig, weil jede Haftanordnung einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte darstellt. Menschen sollen die Gründe, die gegen Ihre Inhaftierung sprechen, vorbringen und sich gegen ihre Inhaftierung verteidigen können.
Aber: Behörden können bereits jetzt eine Person zur Fahndung ausschreiben und beim Gericht beantragen, eine Festnahme anzuordnen, um die Personen bei Gericht vorzuführen. Anschließend kann dann der Haftrichter nach persönlicher Anhörung des/der Betroffenen ordnungsgemäß über den Antrag auf Abschiebungshaft entscheiden. Das ist kein Haftbefehl, sondern ein Vorführbefehl. Dieser dient nur dazu, sicherzustellen, dass die Anhörung zur Abschiebungshaft durchgeführt werden kann. Erst nach einer Anhörung kann Abschiebungshaft überhaupt angeordnet werden.
Eine Inhaftierung ist der stärkste Eingriff in das Freiheitsgrundrecht. Deshalb erfordern Freiheitsentziehungen stets eine unmittelbare richterliche Anordnung nach persönlicher Anhörung der/des Betroffenen. Das Bundesverfassungsgericht ist hier seit Jahrzehnten strikt. Haftanordnungen ohne Anhörung verstoßen gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Anhörung von einer Inhaftierung. Die Abschiebungshaft als Sonderhaft ist die schwerste Maßnahme im Ausländerrecht, daher ist ein sensibler und sorgsamer Umgang mit diesem Instrument erforderlich. Es muss auch weiterhin dabei bleiben, dass Menschen grundsätzlich angehört werden, bevor ein Haftbeschluss getroffen wird. Auch die EU-Rückführungsrichtlinie sieht eine richterliche Anhörung und eine richterliche Anordnung der Abschiebungshaft vor.
Muzaffer Öztürkyilmaz
Geschäftsführung
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.,
Muzaffer Öztürkyilmaz von der Geschäftsführung des Flüchtlingsrats Niedersachsen:
"Die Vorschläge von Innenministerin Behrens sind nicht nur unnötig, sondern auch verfassungs- und europarechtswidrig. Behörden können schon heute per Vorführhaftbefehl eine Festnahme zwecks gerichtlicher Anhörung veranlassen - auch wenn die Betroffenen (vermeintlich) untergetaucht sind. Wenn die Behörden wissen, dass Haftanordnungen auch ohne vorherige Anhörung möglich sind, wächst die Versuchung, Haftanträge vorsorglich zu stellen, um sich die Arbeit zu erleichtern. Haftanordnungen ohne Anhörung würden das Freiheitsgrundrecht aushöhlen und absehbar noch mehr rechtswidrigen Abschiebungshaftanordnungen produzieren.“
Jüngster Vorschlag der Innenministerin: Abschiebungshaft soll bei Nichtantreffen der Betroffenen gewissermaßen auf Vorrat verhängt werden können. Die CDU fordert gar Fußfesseln. Derweil klagen Rechtsanwält*innen und Menschenrechtsorganisationen ungehört über systematische Rechtsbrüche bei der Verhängung von Abschiebungshaft. "Hundert Jahre eingesperrt" überschreibt Rechtsanwalt Peter Fahlbusch in Anspielung an den Roman von Gabriel García Márquez seine Statistik vom gestrigen Tage über massenhafte rechtswidrige Festnahmen und Inhaftierungen von Geflüchteten in Deutschland und führt aus:
"Seit 2021 habe ich (Stand heute) 2.814 Inhaftierte vertreten. 1.430, dh die Hälfte meiner Mandant*innen befanden sich -jedenfalls teilweise- zu Unrecht in Haft. Manche „nur“ einen Tag, manche eine Woche, manche mehrere Monate, durchschnittlich jede Person knapp 26 Tage. „Hundert Jahre eingesperrt“ – zusammengezählt kommen alle rechtswidrig Inhaftierten auf 37.066 rechtswidrige Hafttage. Ein Jahrhundert Unrecht. All dies geschieht nicht in Macondo, sondern hier - und stößt irritierenderweise auf keine erkennbare Resonanz."
Die Vorschläge der niedersächsischen Innenministerin sind unverhältnismäßig und verfassungswidrig: Abschiebungshaft darf nur nach persönlicher Anhörung angeordnet werden. Die Rechtsprechung ist eindeutig: Haftbeschlüsse gegen abwesende Menschen sind unzulässig, weil jede Haftanordnung einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte darstellt. Menschen sollen die Gründe, die gegen Ihre Inhaftierung sprechen, vorbringen und sich gegen ihre Inhaftierung verteidigen können.
Aber: Behörden können bereits jetzt eine Person zur Fahndung ausschreiben und beim Gericht beantragen, eine Festnahme anzuordnen, um die Personen bei Gericht vorzuführen. Anschließend kann dann der Haftrichter nach persönlicher Anhörung des/der Betroffenen ordnungsgemäß über den Antrag auf Abschiebungshaft entscheiden. Das ist kein Haftbefehl, sondern ein Vorführbefehl. Dieser dient nur dazu, sicherzustellen, dass die Anhörung zur Abschiebungshaft durchgeführt werden kann. Erst nach einer Anhörung kann Abschiebungshaft überhaupt angeordnet werden.
Eine Inhaftierung ist der stärkste Eingriff in das Freiheitsgrundrecht. Deshalb erfordern Freiheitsentziehungen stets eine unmittelbare richterliche Anordnung nach persönlicher Anhörung der/des Betroffenen. Das Bundesverfassungsgericht ist hier seit Jahrzehnten strikt. Haftanordnungen ohne Anhörung verstoßen gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Anhörung von einer Inhaftierung. Die Abschiebungshaft als Sonderhaft ist die schwerste Maßnahme im Ausländerrecht, daher ist ein sensibler und sorgsamer Umgang mit diesem Instrument erforderlich. Es muss auch weiterhin dabei bleiben, dass Menschen grundsätzlich angehört werden, bevor ein Haftbeschluss getroffen wird. Auch die EU-Rückführungsrichtlinie sieht eine richterliche Anhörung und eine richterliche Anordnung der Abschiebungshaft vor.
Muzaffer Öztürkyilmaz
Geschäftsführung
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.,
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