Donnerstag, 21. November 2013
Bericht von Parastou Forouhar aus dem Iran
Am 22. November jährt sich das brutale Verbrechen an Darioush und Parvaneh Forouhar zum fünfzehnten Mal.
Ich reiste am Mittwoch, den 13. November in den Iran um auch dieses Jahr diesen bitteren Tag in diesem Land zu verbringen, das der Ort der Erinnerungen, Bemühungen und Hoffnungen meiner Eltern gewesen ist. Ein Land, das sie mehr als ihr Leben geliebt haben. Wie immer reiste ich mit Beharrlichkeit und Hoffnung im Gepäck um in diesem Jahr vielleicht eine Öffnung in dieser permanenten Unterdrückungsmaschinerie vorzufinden und am Jahrestag des Verbrechens diesen beiden mutigen Menschen zu gedenken.

Zunächst gab es im Zusammenhang mit der Organisierung einer Gedenkveranstaltung gute Anzeichen. Die positive Reaktion der Verantwortlichen im Innenministerium und der Teheraner Stadtverwaltung auf unseren schriftlichen Antrag nährte den Optimismus. Am Samstag, den 16. November wurde ich nach einem Telefonat für den nächsten Tag zu einem der Büros des Geheimdienstministeriums der Islamischen Republik bestellt. Was mir bei dieser Besprechung mitgeteilt wurde, war so doppeldeutig und obskur, dass ich erst nach hartnäckigen und wiederholten Nachfragen den wahren Inhalt der Aussage erfahren konnte.

Zunächst hieß es, dass eine Gedenkveranstaltung zu Hause erlaubt sein würde. Nach einigen Ausführungen zur Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Ordnung, die von beiden Seiten akzeptiert wurde, fügte man hinzu, dass die „Teilnahme von Grüppchen von Konterrevolutionären und verdächtigen Elementen, die Verschwörung und Erzeugung von Spannungen im Sinne haben, verhindert werden wird“.
Da ich die Bedeutung solcher obskuren und mit Beschuldigungen aufgeladenen Begriffe nicht erschließen konnte, versuchte ich ihre Absichten durch konkrete Nachfragen zu verstehen. Schließlich begriff ich, dass sie mit den erwähnten Bezeichnungen eine ganze Reihe von politischen Persönlichkeiten und allgemein respektierten Angehörigen von politischen und kulturellen Institutionen unseres Landes mit großer Vergangenheit, die einen Großteil der Andersdenkenden unserer Gesellschaft ausmachen meinten. Ich erinnerte sie daran, dass meine Eltern als anerkannte politische Persönlichkeiten des Landes immer für die Rechte von Andersdenkenden eingetreten sind und dass ihre Gefährten und Sympathisanten zwangsläufig zu diesem Kreis gehörten und das Recht hätten an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen. Aber ich bekam keine Antwort darauf.

Als Antwort auf meine Frage, wer dann überhaupt, wenn die politischen Gefährten meiner Eltern und ein Großteil der Andersdenkenden an der Teilnahme gehindert werden, die Erlaubnis bekommen würde, unser Haus zu betreten, sagte man mir: „Verwandte und enge Freunde und Nachbarn“. Wahrscheinlich müsste dieser Personenkreis vor Betreten unseres Hauses den Beamten den Personalausweis, einen Stammbaum zum Nachweis der Verwandtschaft und Unterlagen zum Beweis der Nachbarschaft vorlegen. Schade, dass ich vergaß das zu fragen.

Was ich hier berichte ist der festgelegte, erlaubte Rahmen für die Durchführung einer Gedenkveranstaltung für Darioush und Parwaneh Forouhar, der mir offiziell eröffnet wurde.

Meiner Ansicht nach ist diese Methode eine Tarnung all jener ungerechten, gegen uns verhängten Verbote der letzten sieben Jahre. Sie wollen das Verbot durchsetzen, es aber nicht offen aussprechen und dafür einen falschen Namen benutzen. Ich war in den vergangen Jahren immer und immer wieder mit diesen Begriffsverdrehungen und Verfälschungen konfrontiert. Die Verdrehung von Tatsachen seitens der Verantwortlichen der Justiz unter der Bezeichnung einer gerichtlichen Überprüfung der Akte des Mordes an meinen Eltern ist der offensichtlichste und schmerzlichste dieser Fälschungen gewesen.

Sich solchen Verdrehungen und befohlenen Zwängen zu unterwerfen, bedeutet eine Beleidigung der Überzeugungen und Werte, die Leben und Tod von Darioush und Parvaneh Forouhar geprägt haben. Eine dilettantische und gelenkte Veranstaltung zum Jahrestag der Ermordung der beiden ist eine Beleidigung ihres Mutes und ihrer Standhaftigkeit. Man kann ihrer gedenken, indem man gegen diese Tyrannei protestiert und nicht in dem man sich dem Zwang ausliefert.

Obwohl ich auch in diesem Jahr gegen die Sanktionen und Verbote für eine Gedenkversammlung protestiert habe, blieb dieser erfolglos.
Nun, sie haben die Macht und machen die Unterdrückung zu ihrem Profession. Wir haben Geduld und richten unsere Hoffnung auf die Zukunft.
Hätten wir doch auch gelegentlich den Mut und die Tapferkeit unserer getöteten Widerstandskämpfer.

Es lebe die Erinnerung an jene, die ihr Leben für die Freiheit Irans gegeben haben.
Parastou Forouhar
Teheran, den 18.11.2013

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Geheimdienst macht Druck auf Asylbewerber
von Christian Fuchs, John Goetz, Niklas Schenck, Alexander Tieg und Jan Lukas Strozyk
Friedland ist eine kleine Gemeinde im Südosten Niedersachsens. Hier sieht es aus wie anderswo in der Provinz, es gibt einen roten Backsteinbahnhof und einen Einkaufsmarkt in der Ortsmitte, davor einen Kreisel: rechts geht es nach Göttingen, geradeaus ist das "Grenzdurchgangslager" ausgeschildert. Hier kamen nach dem Zweiten Weltkrieg Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten unter, später diente das Lager an der innerdeutschen Grenze als Anlaufstelle für DDR-Flüchtlinge. Heute sind hier vor allem Asylbewerber aus Krisenregionen im Nahen Osten und Afrika untergebracht.
Und auch der deutsche Geheimdienst hat hier ein Büro. Genauer, die "Hauptstelle für Befragungswesen" (HBW), eine Einrichtung, die eng mit dem Bundesnachrichtendienst zusammenarbeitet und direkt dem Kanzleramt unterstellt ist. In Keller von Haus 16 befragt die HBW Flüchtlinge und Asylbewerber aus Afghanistan, Syrien oder Somalia - und teilt die Informationen dann mit den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens. Die lassen die Informationen in die Planungen militärischer Operationen einfließen. Das haben Recherchen des Norddeutschen Rundfunks und der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) im Rahmen des Projekts "Geheimer Krieg" ergeben.
Die HBW betreibt in Friedland nur eine Außenstelle. Die Zentrale der geheimen Organisation ist in Berlin, in der vierten Etage eines unauffälligen Gebäudes am Hohenzollerndamm. Von dort koordinieren die Deutschen das systematische Aushorchen von Asylbewerbern und pflegen den Kontakt zu den Partnerdiensten: Allen voran der US-Militärgeheimdienst "Defense Intelligence Agency" (DIA). "Tripartite Debriefing Programme", dreiteiliges Vernehmungsprogramm, heißt die Zusammenarbeit mit der DIA und dem britischen Geheimdienst intern. Die ausländischen Agenten werden Asylbewerbern nach Informationen von NDR und SZ als Praktikanten vorgestellt. Unter anderem sollen die Befragungen auch in Nürnberg, Chemnitz und Hannover, sowie in sechs Auffanglagern für Flüchtlinge durchgeführt werden.
Rund 40 Angestellte arbeiten bei der HBW, jedes Jahr führen sie 500 bis 1.000 Vorgespräche. Ungefähr eins von zehn Gesprächen ist für die HBW-Agenten von besonderem Interesse. Dann versenden sie eine weitere Einladung oder rufen den Asylbewerber an: Er könne Deutschland helfen, ob er bereit wäre, ein paar Fragen zu beantworten. Die HBW interessiert sich dann vor allem für die politischen Verhältnisse in der Heimatregion, aber auch für die Lebensumstände einzelner Personen, etwa mutmaßlicher Extremisten. Was mit den Informationen passiert, darüber werden die Befragten nicht aufgeklärt. Offiziell sind die Befragungen freiwillig, Anwälte haben dem NDR und der SZ allerdings berichtet, dass eine Teilnahme sich positiv auf die Bewertung des Asylverfahrens auswirke.
Besuch in der Hauptstelle für Befragungswesen
Die NDR Reporter statten der Hauptstelle für Befragungswesen einen Besuch ab. Die Behörde soll Informationen von Asylbewerbern abschöpfen und mit dem Bundesnachrichtendienst kooperieren.
Bundesregierung verweist auf Geheimhaltung
Die Bundesregierung äußert sich zu der Hauptstelle für Befragungswesen nur sehr zaghaft und verweist bei Presseanfragen auf die Geheimhaltung. Mit einer "Beantwortung der Fragen würden Einzelheiten zur Methodik bekannt, die die weitere Arbeitsfähigkeit und die Aufgabenerfüllung von HBW und BND gefährden würden", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Auch gegenüber der Bundestagsfraktion der Grünen bemüht sich die Regierung, nicht zu viel zu verraten. In einer Kleinen Anfrage wird die Verbindung zwischen BND und HBW wortreich wie nichtssagend zugleich erklärt: "Dieses Verhältnis berührt das Staatswohl und ist daher in einer zur Veröffentlichung vorgesehenen Fassung nicht zu behandeln, was nicht bedeutet, dass die Behauptung, die Hauptstelle für Befragungswesen sei dem Bundesnachrichtendienst zuzuordnen, zutreffend ist oder nicht."
Victor Pfaff ist Asylrechtsanwalt in Frankfurt und Mitbegründer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Für ihn ist das Vorgehen der Befragungsstelle ein "Missbrauch des Asylverfahrens und des Vertrauens, welches man von dem Antragsteller erwartet". Die verdeckte Informationssammlung verstößt nach Pfaffs Ansicht gegen deutsches und europäisches Asylrecht sowie gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Auch der innenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Michael Hartmann, kritisiert das Vorgehen. NDR und SZ sagte er, "es wäre keinen Moment hinnehmbar, wenn auch nur indirekt gezielte Tötungen ermöglicht würden durch eine Befragung deutscher Sicherheitsbehörden".

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