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Dienstag, 8. Januar 2019
Flüchtlingshelfern wird das Leben schwer gemacht - Solidarität ist eine Waffe
che2001, 13:57h
Über den folgenden Link gelangt man zu einem Beitrag von Alexander Budde, der im Deutschlandfunk gesendet wurde. In diesem Beitrag wird der aktuelle Stand zusammengefasst.
https://www.deutschlandfunk.de/asylpolitik-ringen-um-loesung-bei-nachforderungen-von.1769.de.html?dram:article_id=437642
Alexander Budde, NOZ:
Flüchtlingshelfer sollen Millionen zahlen
Allein in Niedersachsen wurden fast 1000 Bescheide an Bürgen verschickt
Sie wollten Flüchtlingen helfen – und bekamen dafür eine saftige Rechnung vom Staat präsentiert. Sogenannte Flüchtlingsbürgen sehen sich mit teils horrenden Forderungen der Jobcenter konfrontiert. Einigen droht der Ruin, wenn die Politik keine Lösung findet.
Osnabrück Auf mindestens 13 Millionen Euro belaufen sich die Bescheide, die Jobcenter allein in Norddeutschland an etwa 1300 Flüchtlingsbürgen verschickt haben. Flüchtlingshelfer oder Verwandte ermöglichten mit ihrer Unterschrift auf sogenannten Verpflichtungserklärungen den Syrern eine sichere Einreise nach Deutschland. Nicht per Boot übers Mittelmeer, sondern per Flugzeug und mit gültigem Visum. Die Erklärungen waren dafür Voraussetzung.
Mit ihnen verpflichteten sich die Bürgen, für sämtliche Unterhaltskosten der Flüchtlinge aufzukommen. Womit damals wohl keiner der Unterzeichner rechnete: Genau dieses Geld will der Staat in Form der Jobcenter jetzt zurück. Im ganzen Land sind entsprechende Bescheide verschickt worden. Die regionale Verteilung fällt unterschiedlich aus, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten René Springer. Berücksichtigt sind dabei 303 Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit und Kommunen gemeinsam betreiben.
So ergingen beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern bislang gerade einmal 22 Bescheide in Höhe von etwa 210 000 Euro und damit etwas mehr als in Bremen, wo es 15 Bescheide in Höhe von 140 000 Euro waren. Deutschlandweit unübertroffen ist aber Niedersachsen. Hier wurde besonders offensiv für Bürgschaften geworben. Laut Bundesregierung ergingen in Niedersachsen 764 Bescheide in Höhe von 7,2 Millionen Euro. Hinzu kommen noch die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft, die nicht dem Bundesarbeitsministerium unterstehen. Auf Anfrage teilt das Sozialministerium in Hannover unserer Redaktion mit: Diese Jobcenter haben zusätzlich 226 Bescheide verschickt und fordern insgesamt 2,4 Millionen Euro. Fast zehn Millionen Euro sollen also allein die Bürgen in Niedersachsen zahlen.
Vollstreckt werden die Forderungen bis auf Weiteres nicht. Bundesregierung und Länder suchen seit Monaten nach einer Lösung, wie die Bürgen um die Zahlung herumkommen können. Schließlich ging seinerzeit in den Ländern niemand davon aus, dass die Rechnung irgendwann präsentiert wird . Allgemeine Annahme war, dass der Staat einspringt, sobald der Flüchtlingsstatus geklärt ist.
Was damals klar schien, ist es heute keineswegs mehr. Verwaltungsgerichte in Deutschland entscheiden in erster Instanz mal für Bürgen, mal gegen sie. Allein in Niedersachsen sind mehrere Hundert Verfahren anhängig.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zeigte sich zuletzt noch „vorsichtig optimistisch, dass wir vor Weihnachten eine Lösung hinbekommen“. Das hat offenbar nicht geklappt. „Eine Einigung mit dem Bund zeichnet sich bereits ab, lediglich die Details müssen noch geklärt werden“, heißt es aber aus dem Innenministerium. Angestrebt werde, dass Bund und Länder sich die Kosten teilen. Die Bürgen wären damit aus dem Schneider.
Kommentar
Staat hat Gutgläubigkeit ausgenutzt
In Deutschland herrschen Recht und Ordnung. Zumindest weitgehend. Das bekommen jetzt auch die Flüchtlingsbürgen zu spüren. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Jobcenter sich an die aus ihrer Sicht geltenden Gesetze halten und Bescheide erlassen. Selbst wenn das im Einzelfall mit der Privatinsolvenz des Bürgen gleichzusetzen ist. Das ist nun einmal das Wesen einer Bürgschaft.
So weit, so einfach. Tatsächlich ist es komplizierter, und genau deswegen stellt sich die Frage, ob die Bürgen mit den Kosten alleingelassen werden dürfen. Wohl nicht. Schließlich waren es auch Vertreter des Staates, die Bürgen ermunterten, Menschen per Unterschrift auf einer Verpflichtungserklärung aus dem Bürgerkriegsgebiet zu retten. Beispielsweise in Form von Landesaufnahmeprogrammen und ungeachtet der unklaren Rechtslage. Vertreter desselben Staates präsentieren jenen Helfern nun die Rechnung. Was für ein Chaos – und geradezu bezeichnend für das Gesamtdurcheinander in der Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Jenseits des Einzelfalls stellt sich die Frage nach der Verantwortung von Fürsprechern aus Politik und Gesellschaft. Was ist das für ein Signal, wenn für eine vermeintlich risikofreie Lösung geworben wird, die dies aber keinesfalls ist? Hier wurde Gutgläubigkeit ausgenutzt und dadurch letztlich Vertrauen und Glaubwürdigkeit zerstört. Wer künftig um Hilfe gebeten wird, der wird es sich zweimal überlegen.
Quelle: "noz Premium" : http://www.noz.de/nozpremium
https://www.deutschlandfunk.de/asylpolitik-ringen-um-loesung-bei-nachforderungen-von.1769.de.html?dram:article_id=437642
Alexander Budde, NOZ:
Flüchtlingshelfer sollen Millionen zahlen
Allein in Niedersachsen wurden fast 1000 Bescheide an Bürgen verschickt
Sie wollten Flüchtlingen helfen – und bekamen dafür eine saftige Rechnung vom Staat präsentiert. Sogenannte Flüchtlingsbürgen sehen sich mit teils horrenden Forderungen der Jobcenter konfrontiert. Einigen droht der Ruin, wenn die Politik keine Lösung findet.
Osnabrück Auf mindestens 13 Millionen Euro belaufen sich die Bescheide, die Jobcenter allein in Norddeutschland an etwa 1300 Flüchtlingsbürgen verschickt haben. Flüchtlingshelfer oder Verwandte ermöglichten mit ihrer Unterschrift auf sogenannten Verpflichtungserklärungen den Syrern eine sichere Einreise nach Deutschland. Nicht per Boot übers Mittelmeer, sondern per Flugzeug und mit gültigem Visum. Die Erklärungen waren dafür Voraussetzung.
Mit ihnen verpflichteten sich die Bürgen, für sämtliche Unterhaltskosten der Flüchtlinge aufzukommen. Womit damals wohl keiner der Unterzeichner rechnete: Genau dieses Geld will der Staat in Form der Jobcenter jetzt zurück. Im ganzen Land sind entsprechende Bescheide verschickt worden. Die regionale Verteilung fällt unterschiedlich aus, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten René Springer. Berücksichtigt sind dabei 303 Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit und Kommunen gemeinsam betreiben.
So ergingen beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern bislang gerade einmal 22 Bescheide in Höhe von etwa 210 000 Euro und damit etwas mehr als in Bremen, wo es 15 Bescheide in Höhe von 140 000 Euro waren. Deutschlandweit unübertroffen ist aber Niedersachsen. Hier wurde besonders offensiv für Bürgschaften geworben. Laut Bundesregierung ergingen in Niedersachsen 764 Bescheide in Höhe von 7,2 Millionen Euro. Hinzu kommen noch die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft, die nicht dem Bundesarbeitsministerium unterstehen. Auf Anfrage teilt das Sozialministerium in Hannover unserer Redaktion mit: Diese Jobcenter haben zusätzlich 226 Bescheide verschickt und fordern insgesamt 2,4 Millionen Euro. Fast zehn Millionen Euro sollen also allein die Bürgen in Niedersachsen zahlen.
Vollstreckt werden die Forderungen bis auf Weiteres nicht. Bundesregierung und Länder suchen seit Monaten nach einer Lösung, wie die Bürgen um die Zahlung herumkommen können. Schließlich ging seinerzeit in den Ländern niemand davon aus, dass die Rechnung irgendwann präsentiert wird . Allgemeine Annahme war, dass der Staat einspringt, sobald der Flüchtlingsstatus geklärt ist.
Was damals klar schien, ist es heute keineswegs mehr. Verwaltungsgerichte in Deutschland entscheiden in erster Instanz mal für Bürgen, mal gegen sie. Allein in Niedersachsen sind mehrere Hundert Verfahren anhängig.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zeigte sich zuletzt noch „vorsichtig optimistisch, dass wir vor Weihnachten eine Lösung hinbekommen“. Das hat offenbar nicht geklappt. „Eine Einigung mit dem Bund zeichnet sich bereits ab, lediglich die Details müssen noch geklärt werden“, heißt es aber aus dem Innenministerium. Angestrebt werde, dass Bund und Länder sich die Kosten teilen. Die Bürgen wären damit aus dem Schneider.
Kommentar
Staat hat Gutgläubigkeit ausgenutzt
In Deutschland herrschen Recht und Ordnung. Zumindest weitgehend. Das bekommen jetzt auch die Flüchtlingsbürgen zu spüren. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Jobcenter sich an die aus ihrer Sicht geltenden Gesetze halten und Bescheide erlassen. Selbst wenn das im Einzelfall mit der Privatinsolvenz des Bürgen gleichzusetzen ist. Das ist nun einmal das Wesen einer Bürgschaft.
So weit, so einfach. Tatsächlich ist es komplizierter, und genau deswegen stellt sich die Frage, ob die Bürgen mit den Kosten alleingelassen werden dürfen. Wohl nicht. Schließlich waren es auch Vertreter des Staates, die Bürgen ermunterten, Menschen per Unterschrift auf einer Verpflichtungserklärung aus dem Bürgerkriegsgebiet zu retten. Beispielsweise in Form von Landesaufnahmeprogrammen und ungeachtet der unklaren Rechtslage. Vertreter desselben Staates präsentieren jenen Helfern nun die Rechnung. Was für ein Chaos – und geradezu bezeichnend für das Gesamtdurcheinander in der Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Jenseits des Einzelfalls stellt sich die Frage nach der Verantwortung von Fürsprechern aus Politik und Gesellschaft. Was ist das für ein Signal, wenn für eine vermeintlich risikofreie Lösung geworben wird, die dies aber keinesfalls ist? Hier wurde Gutgläubigkeit ausgenutzt und dadurch letztlich Vertrauen und Glaubwürdigkeit zerstört. Wer künftig um Hilfe gebeten wird, der wird es sich zweimal überlegen.
Quelle: "noz Premium" : http://www.noz.de/nozpremium
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