Montag, 14. September 2020
Fall: Schwanger und COVID-19-krank: So funktioniert unter diesen Umständen eine erfolgreiche, vaginale Geburt
Monique A. Rainford, Katherine H. Campbell

14. September 2020

Eine 26-jährige schwangere Frau mit einer seit 38 Wochen und 3 Tagen bestehenden Schwangerschaft rief den Notdienst, nachdem sie 3 Tage lang Husten hatte. Sie berichtete auch von zunehmender Atemnot seit dem Einsetzen des Hustens. Sie klagte auch über Müdigkeit, doch sei diese eigentlich nicht schlimmer als in der bisherigen Schwangerschaft.

Bei der Durchsicht der Patientenakte der Frau stellte man fest, dass die Patientin 5 Tage vor ihrem Anruf beim Notdienst eine anstehende Eiseninfusion abgesagt hatte, weil sie sich unwohl fühlte. Zu diesem Zeitpunkt beschrieb sie Übelkeit und Durchfall ohne Erbrechen. Sie führte diese Symptome auf den Verzehr eines nicht ausreichend durchgegarten Hamburgers zurück.

Die Patientin suchte am nächsten Tag ihre Hebamme in deren Praxis auf. Am darauffolgenden Tag erhielt sie dann ihre Eiseninfusion. Ihr Husten setzte am Tag nach der Infusion und 2 Tage vor dem Anruf bei dem Notdienst ein. Die Patientin hatte mehrmals ihre Temperatur kontrolliert, war aber fieberfrei geblieben.

Zur geburtshilflichen Anamnese der Patientin

Sie hatte in früheren Schwangerschaften spontan vaginal entbunden. In der aktuellen Schwangerschaft hatte sich eine Anämie entwickelt, die mit Eiseninfusionen behandelt wurde. Sie hatte anamnestisch 3 Jahre zuvor einen positiven Tuberkulin-Hauttest gehabt, jedoch ein negatives QuantiFERON-TB Gold-Testergebnis (immunologischer Nachweis einer Tuberkulose-Infektion). In ihrem direkten persönlichen Umfeld hatte es eine COVID-19-Erkrankung gegeben.

5 Tage bevor die Patientin beim Notdienst anrief, hatte sie an einem Gottesdienst teilgenommen. Sie stellte fest, dass einer der anderen Teilnehmer 4 Tage nach dem gemeinsamen Kirchenbesuch positiv auf COVID-19 getestet worden war. Die Patientin hatte anschließend Kontakt zu Familienangehörigen der betroffenen Person, darunter eine Mutter und deren Kind im Vorschulalter. Zu dem Kind hatte sie einen Abstand von weniger als 1,5 m gehalten, zur Mutter hatte sie den Abstand gewahrt.

Der Ehemann der Patientin, der ebenfalls in der Kirche gewesen war, entwickelte am selben Tag wie die Patientin selbst einen Husten. Er bekam leichtes Fieber (38,1° C). Ihre 20 Monate alte Tochter bekam ebenfalls Husten, blieb aber fieberfrei.

COVID-19-Diagnose

Nach dem Anruf der Patientin benachrichtigte der Notdienst die Hebamme. Nach weiterer Rücksprache mit der COVID-19-Hotline der Klinik und Benachrichtigung der Hausarztpraxis wurde der Patientin und ihrer Familie empfohlen, sich auf das Corona-Virus testen zu lassen. Der Notarzt, der Kinderarzt und die Hebamme trafen am folgenden Tag mit der Familie in der Not-Ambulanz zusammen. Alle Mitglieder des Teams trugen ihre komplette persönliche Schutzausrüstung (PSA). Jedem der 3 Familienmitglieder wurden mehrere Nasopharynx- und Oropharynx-Abstriche entnommen. Ein Probensatz wurde an ein staatliches Untersuchungslabor und ein weiterer an ein privates Labor geschickt.

In beiden Einrichtungen wurde das Material per PCR untersucht. Ein 3. Probensatz wurde zur Untersuchung auf virale Erreger von Atemwegserkrankungen ebenfalls an ein privates Labor geschickt.

Die Hebamme überprüfte die Herztöne des Fetus, die normal waren, und befragte die Patientin eingehend. Die positiven Testresultate aus den Labors erreichten die Patientin und ihren Ehemann am Folgetag. Die Ergebnisse der Bestätigungstests gingen 5 Tage später ein und waren ebenfalls positiv. Die Tests der Tochter waren negativ bis auf einen positiven oropharyngealen Abstrich. Die Patientin wurde telefonisch über diese Ergebnisse informiert.

Geburtsvorbereitung
8 Tage nach ihrem ersten Anruf beim Notdienst besuchte die Patientin die Hebamme, die sie in voller PSA in einem Unterdruckraum empfing. Es bestand ein erheblicher Husten. Ansonsten fühlte sich die Patientin besser. Sie wurde über die Klinikregel informiert, wonach eine gesunde Pflegekraft verfügbar sein muss. Sie wurde angewiesen, die Hebamme zu kontaktieren, wenn sie in den Wehen läge, und sich bei Ankunft in der Klinik an die für Geburten zuständige Pflegekraft zu wenden.

So könne sie gleich am Klinikeingang vom Entbindungsteam in angemessener Schutzkleidung empfangen werden. Die Krankenhausleitung wurde über den Fall und die positiven Testergebnisse informiert. Für die Wehenphase und die Entbindung der Patientin wurden Pläne aufgestellt.

Das Pflegepersonal kontaktierte die Patientin die gesamte Woche über alle 48 Stunden und überwachten sorgfältig ihre Symptome. Für einen erneuten Test wurden Infektiologen hinzugezogen. 14 Tage nach Einsetzen der Symptomatik hatte die Patientin weiterhin leichten Husten. 10 Tage nach ihrem ersten positiven Testergebnis wurde sie dann erneut getestet. Die Ergebnisse dieses Tests kamen nicht mehr vor dem Entbindungstermin an.

Der Ehemann wurde nicht erneut überprüft, weil seine Symptome vollständig verschwunden waren und seit ihrem Auftreten 14 Tage verstrichen waren. Er wurde vom Infektionspräventionsteam des Krankenhauses als klinisch unbedenklich eingestuft.

Die Entbindung

16 Tage nach ihrem 1. Anruf beim Notarzt kontaktierte der Ehemann der Patientin die Bereitschaftshebamme. Die Schwangerschaft hatte jetzt 40 Wochen und 5 Tage bestanden und die Patientin lag in den Wehen. Das Ehepaar wurde vom Krankenhausteam am Eingang der Klinik empfangen und erhielt Masken. Die Patientin wurde in einen Unterdruckraum gebracht. Die Betreuung übernahm ein kleines Team in voller PSA. Um den direkten Kontakt auf das Nötigste zu beschränken, wurde die Versorgung der Patientin durch Videoschaltungen ergänzt.

Die Geburt eines gesunden Jungen verlief komplikationslos und erfolgte bereits 40 Minuten nach der Ankunft in der Klinik. Der Säugling wurde in einen Unterdruckraum gebracht und von der Mutter getrennt. Der Vater durfte jedoch zu seinem Kind, wobei er eine Maske trug. Der Säugling erhielt über eine Spritze Sojamilch zu trinken. Man entschied, den Säugling nicht zu testen, da die Ergebnisse keinen Einfluss auf die klinische Versorgung haben würden.

Post partum
Der Säugling wurde in den ersten 14 Lebenstagen als vermutlich positiv betrachtet. Am 3. Tag post partum telefonierte die Patientin mit dem Kinderarzt per Video, der so den Zustand des Säuglings beurteilte. Der Säugling blieb gesund und wurde gestillt. Am 7. Tag nach der Geburt wurde die Patientin telefonisch zum Verlauf befragt. Es ging ihr gut. Auf der Edinburgh Postnatale Depression Skala (EPDS) erreichte sie einen Wert von 7. Sie hatte eine Bindung zu dem Säugling entwickelt und kam trotz der Trennung während des Klinikaufenthaltes gut mit dem Stillen zurecht. Zu einem Zeitpunkt 6 Wochen nach der Geburt sollte eine weitere telefonische Visite erfolgen.

Am 14. Tag nach der Geburt entschied die Mutter, die Vorstellung des Säuglings in der Praxis durch eine weitere Telefonvisite zu ersetzen, um eine Corona-Exposition ihres Kindes nach Möglichkeit zu verhindern. Zu diesem Zeitpunkt berichtete die Mutter, dass der Säugling tagsüber etwa alle 2 Stunden und nachts etwa alle 3 Stunden ausschließlich gestillt wurde. Die von dem Säugling produzierten Urin- und Stuhlmengen waren für den Kinderarzt angemessen.

Dieser Fall ist ein Beispiel für eine erfolgreiche vaginale Entbindung einer Frau mit COVID-19. Obwohl die Patientin während ihres Klinikaufenthaltes von dem Säugling getrennt war, konnte sie sich erfolgreich an ihr Baby binden. Sie hielt diesen Erfolg den Pflegenden in dem Krankenhaus zugute, die das Baby so ernährten, dass das spätere Stillen nicht beeinträchtigt wurde. Zudem verwies sie auf ihre früheren Erfahrungen als Gebärende und die Fähigkeit ihres Mannes, sich während des Krankenhaus-Aufenthaltes um das Baby zu kümmern.

Dieser Fall ist auch deshalb bemerkenswert, weil das Virus bei dem 20 Monate alten Kind der Patientin nur durch einen Oropharynx-Abstrich nachgewiesen werden konnte. Obwohl viele Familienangehörige mit COVID-19 infiziert waren, war das Outcome der Familie gut, und das Neugeborene blieb trotz des Zeitpunktes der mütterlichen Infektion symptomfrei.

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Coronavirus-Studie mit über 30.000 Isländern: Konstante Antikörper-Titer über 4 Monate
Dr. Thomas Kron


Die Antikörper-Reaktion ist nach einer Studie im NEJM bei isländischen Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion innerhalb von 4 Monaten nach der Diagnose konstant geblieben. Die Autoren um den Genforscher Dr. Kari Stefansson (deCODE Genetics–Amgen) schätzen das infektionsbedingte Sterberisiko auf 0,3% [1].

Wie stark eine Antikörper-Reaktion bei Infektion mit dem neuen Coronavirus ausfällt und wie lange sie anhält, sind insbesondere für die Impfstoff-Entwicklung und für kommende Impfprogramme wichtige Fragen. Befürchtet wird unter anderem, dass infizierte Patienten relativ rasch wieder Antikörper-negativ werden und sich erneut infizieren könnten. Eindeutige Antworten gibt es bislang nicht.

Die Autoren der vorliegenden Studie wollten daher die Seroprävalenz von SARS-CoV-2 in der isländischen Bevölkerung und den Antikörper-Verlauf innerhalb der ersten 4 Monate nach der Infektion ermitteln.

30.000 Isländer untersucht
Die Wissenschaftler bestimmten bei 30.575 isländischen Bürgern (8,4% der Gesamtbevölkerung) mit 6 Assays die Titer der spezifischen Antikörper gegen SARS-CoV-2. Zu den 6 Assays gehörten auch 2 Pan-Ig-Assays. Seropositivität wurde dann angenommen, wenn beide Pan-Ig-Assays positiv ausfielen.

Darüber hinaus wurden 2.102 Proben von 1.237 Personen bis zu 4 Monate nach der Diagnose mit einem quantitativen PCR-Test (qPCR) untersucht.

Zudem bestimmten die Forscher die Antikörper bei 4.223 Personen mit Virus-Exposition, die sich daher in Quarantäne befanden, sowie bei 23.452 Personen ohne bekannte Virus-Exposition.

Über 90% der Genesenden seropositiv
Von 1.215 Personen, die sich von der Infektionskrankheit erholt hatten, waren 1.107 (91,1%) seropositiv. Die Antikörper-Titer, bestimmt mit den 2 Pan-Ig Assays, stiegen innerhalb der ersten beiden Monate nach der Diagnose (durch aPCR) an und blieben bis zum Ende der Studie auf dem erreichten Titer-Niveau.

Von den Personen in Quarantäne waren 2,3% seropositiv, von den Personen ohne bekannte Virus-Exposition waren es 0,3%.

Nach den Schätzungen der Forscher steckten sich 0,9% der Isländer mit dem neuen Coronavirus an. Tödlich war die Erkrankung bei 0,3%.

56% aller Infektionen wurden laut Schätzungen der Forscher durch einen qPCR-Test diagnostiziert; bei 44% der Infizierten in Island wurde die Infektion mittels PCR-Test hingegen nicht erkannt.

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