Freitag, 21. Juni 2024
Davor und danach
Ich habe im Lauf der Jahre immer wieder erlebt dass ich auf alte GenossInnen gestoßen bin, die ich seit etwa 2000 nicht mehr gesehen hatte, und in jedem Fall war der Kontakt zuerst sehr herzlich, als die aber erfuhren dass ich jetzt in der Finanzdienstleisterbranche arbeite brachen die meisten den Kontakt zu mir ab.

Ich meine, ich bin immer noch so links wie eh, ich engagiere mich in der Flüchtlingssolidarität und gegen Rechtspopulismus und im Bereich Kritik am Gesundheitswesen, aber aufgrund meines Jobs scheine ich zur Dunklen Seite der Macht zu gehören. Auch das ist nichts Neues.

Schon 2001, ich war damals Marketing Manager eines Software Startups am Neuen Markt, schrieb mir jemand wörtlich: "Genosse! Eine Karriere in der IT-Branche ist keine Karriere, sondern Verrat an der guten Sache!", und in meiner Studienzeit hatte mich ein Freund dafür kritisiert, dass ich mich bei der Georg-von-Holtzbrink-Journalistenschule beworben hatte und gefragt, was er mir überhaupt noch glauben könnte wenn ich mich beim Klassenfeind bewerbe.

Ein Job in der freien Wirtschaft ist für einen Großteil meiner früheren Mitkombattanten grundsätzlich moralisch nicht statthaft, man wird halt Lehrer, Professor, Hortpädagogin, Krankenpfleger, Heilpraktikerin, Physiotherapeutin, Rechtsanwalt, Journalist, Handwerker oder Bandmalocher oder arbeitet idealerweise hauptberuflich für eine NGO, schlimmstenfalls lebt man in freiwilliger Armut von HartzIV bzw. Bürgergeld, aber man arbeitet nicht im kapitalaffinen Bereich.

Als ich mal davon erzählte dass ein befreundetes Paar bei Börse Online schreibt und selber Aktiendeals macht bekam ich zu hören "Du kennst also so richtige Schweine". Wer hingegen Hartz IV bezieht, nebenher schwarz arbeitet und außerdem Hehlerware und Dope vertickt führt ein politisch korrektes Leben. Und ich frage mich was denn böse daran ist wenn ich VW-Arbeitern ihr Eigenheim finanziere oder Leuten ihr Auto, Haus oder Boot versichere oder eine Riesterrente für die Kinder abschließe. Ich bin jedenfalls nicht der Auffassung dass eine linksradikale Gesinnung haben zwangsläufig bedeutet seine Berufswahl und seinen gesamten Lebensstil den politischen Idealen komplett unterzuordnen bzw. eine Mensch-oder-Schwein-Moral zu leben. Aber das sieht ein Großteil der Szene völlig anders.


Und dann gibt es da die Renegaten die völlig umgekippt sind, der stalinistische Antifa-Autonome der heute Kampfjets baut, der kommunistische Ultramoralist der über Potenzierung von Laserstrahlen im Hochvakuum promoviert hat, die Schwanz-ab-Feministin (gegen die Lantzschi nett und gemäßigt ist), die heute als Sub mit ihrem früheren Psychotherapeuten in einer SM-Beziehung lebt.


Und dann die ganz normalen Immer-noch-Genossen, die entspannt im Hier und Jetzt leben, bürgerlichen Karrieren nachgehen und trotzdem links sind und mit dem ganzen Moralfilm nichts zu tun haben.

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Was ist wirklich los im Nahen Oster?
Online-Veranstaltungen: Israel/Deutschland/Palästina
8.7.2024 und
16.07.2024
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Online-Veranstaltungen zur Innen- und Kriegspolitik Israels, den Auswirkungen auf die deutsche Ordnungspolitik und zur humanitären Katastrophe in den palästinensischen Gebieten.



Von Oslo nach Gaza
Israel zwischen Siedler- und Kriegsgewalt, Existenz- und Völkerrecht.
Historische Verantwortung und deutsche Staatsraison als außenpolitische Maxime und innenpolitische Verordnung.
Montag, 8. Juli 2024 • 18 bis 21 Uhr • online
Wo liegt die Vorgeschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts? Welche Verwerfungen drohen in Folge von Besatzung und Krieg der diversen israelischen Gesellschaft - welche Zukunft den Menschen in den von Israel besetzten Gebieten? Was wird aus dem Abraham Prozess? Welchen Einfluss haben oder verlieren die Vereinten Nationen?

Historische Verantwortung Deutschlands ist Staatsraison - und rechtfertigt alternativlosen Bekenntniszwang? Welche Interessen bestimmen hierzulande die Auseinandersetzungen zur Politik Israels? Welche Risiken birgt der Streit zwischen Apartheitanklage hier und Antisemitismusvorwurf dort für den gesellschaftlichen Zusammenhalt?

Diese und weitere Fragen beschäftigen die Beiträge und die gemeinsame Diskussion beider Referent*innen und ihren Austausch mit den Teilnehmenden bei dieser Online-Veranstaltung.

Referent*innen:

Moshe Zuckermann, Prof. em., Universität Tel Aviv, Israel.
Charlotte Wiedemann, Journalistin und Buchautorin, Berlin.
Moderation: Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.

Anmeldung: https://eveeno.com/111080327

Angemeldete erhalten vor dem Event per eMail einen Web-link zur Online-Veranstaltung.

Download: Veranstaltungsflyer v. 8.7.2024



Von Rafah bis Jenin
Gewalt und humanitäre Katastrophe in den palästinensischen Gebieten
Dienstag, 16. Juli 2024 • 18 bis 21 Uhr • online
Seit dem besonders unter israelischen Zivilist*innen opferreichen Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 begann ein verheerender Krieg in dem seit Jahrzehnten abgeriegelten Gaza-Streifen. Systematische Angriffe auf zivile Ziele, die Vorenthaltung humanitärer Hilfe, die gezielte Zerstörung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung und zahlreiche Attacken gegen Gesundheitseinrichtungen gehören zu den Waffen dieses Krieges mit zigtausenden Opfern. Angesichts dieser humanitären Katastrophe bleiben die politischen Reaktionen internationaler Verbündeter Israels, wie der USA und Deutschlands, verhalten. Unterdessen eskalieren auch im Westjordanland die Vertreibung palästinensischer Gemeinden und die militärische Eskalation.

Es berichtet Riad Othman von der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international e.V. und geht in den Austausch mit den Teilnehmenden.

Referent:

Riad Othman, Nahost-Referent bei medico international e.V.
Moderation: Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.

Anmeldung: https://eveeno.com/324034212
Angemeldete erhalten vor dem Event per eMail einen Web-link

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