Mittwoch, 23. Juli 2025
5 Tipps: Menschen ohne Krankenversicherung behandeln – darauf sollten Ärzte achten
che2001, 17:18h
Michael van den Heuvel, Medscape
Interessenkonflikte 23. Juli 2025
Zwar gilt in Deutschland seit dem Jahr 2009 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Dennoch gibt es laut Schätzungen von Ärzteorganisationen und Hilfswerken weiterhin Hunderttausende Menschen ohne Versicherungsschutz: EU-Bürger ohne Anspruch auf Sozialleistungen, Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus oder ehemals privat Versicherte mit Beitragsschulden. Hinzu kommen wohnungslose Menschen, Geflüchtete oder Menschen mit aufenthaltsrechtlichen Problemen.
Für Ärztinnen und Ärzte wirft dies zentrale Fragen auf: Wie können Behandlungen erfolgen? Wer trägt die Kosten? Und wie gelingt es, Hilfsangebote zu vermitteln, ohne Patienten zu gefährden?
1. Behandlungspflicht bei medizinischen Notfällen
Ärztinnen und Ärzte sind in akuten Notfällen zur Hilfe verpflichtet – unabhängig davon, ob die betroffene Person versichert ist oder nicht. Diese Pflicht ergibt sich nicht nur aus dem ärztlichen Berufsrecht (§ 1 Abs. 2 MBO-Ä), sondern auch aus dem Strafrecht (§ 323c StGB, unterlassene Hilfeleistung).
Als Notfälle gelten dabei nicht nur lebensbedrohliche Situationen, sondern auch akute Schmerzen, Infektionen oder psychische Krisen. In solchen Fällen darf die Behandlung nicht von der Vorlage eines Versicherungsnachweises abhängig gemacht werden. Wichtig ist jedoch, dass die medizinische Versorgung sorgfältig dokumentiert wird.
Auch wenn keine akute Lebensgefahr besteht, kann ein dringender Behandlungsbedarf vorliegen. Ärztinnen und Ärzte sollten dann stets individuell entscheiden – im Zweifel im Sinne der Patientensicherheit.
Können Patientinnen und Patienten ohne Krankenversicherung die Behandlungskosten nicht selbst tragen, bleibt häufig nur der Weg über sogenannte Clearingstellen. Das finanzielle Risiko tragen in solchen Fällen meist die Behandler.
2. Patienten den Kontakt zu Clearingstellen vermitteln
Clearingstellen beraten Menschen, die keinen oder einen ungeklärten Versicherungsstatus haben – unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus oder Lebenslage. Die Mitarbeitenden prüfen, ob ein Anspruch auf gesetzliche oder private Krankenversicherung besteht, unterstützen bei der Antragstellung und begleiten den gesamten Klärungsprozess. Ist eine Rückkehr ins reguläre System nicht möglich, vermitteln sie medizinische Hilfe über humanitäre Angebote.
Finanziert werden die Clearingstellen u.a. aus städtischen Zuschüssen, kirchlicher oder privater Trägerschaft und Spenden. In einigen Bundesländern – etwa in Berlin, Hamburg oder Rheinland-Pfalz – werden sie mittlerweile durch Landesprogramme unterstützt.
Beispiele:
Condrobs Clearingstelle Gesundheit (München)
Clearingstelle Krankenversicherung RLP (Rheinland-Pfalz)
Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen (Berlin)
Übersicht der BACK (Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme-Behandlungsschein- und Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung)
Clearingstelle Gesundheitsamt Frankfurt
Clearingstelle Migration & Gesundheit Köln
Caritas/Diakonie Clearingstelle Hannover
3. Anonymen Krankenscheine garantieren die Kostenübernahme
Das Konzept des anonymen Krankenscheins wurde entwickelt, um Menschen ohne Krankenversicherung oder mit unsicherem Versicherungsstatus in Deutschland schnell, unkompliziert und vertraulich den Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen.
Zwar schreibt das Asylbewerberleistungsgesetz in akuten Fällen eine medizinische Minimalversorgung vor, doch die Abrechnung läuft über Sozialämter, die gesetzlich zur Meldung an Ausländerbehörden verpflichtet sind. Das führt zu Angst, Verzögerungen oder zum Verzicht auf dringend benötigte Hilfe.
Wie gehen Patienten dabei vor? Am Beginn steht die vertrauliche Beratung in einer Clearingstelle (siehe oben). Dort wird geklärt, ob ein regulärer Versicherungsanspruch besteht oder wie gegebenenfalls der Weg zurück in die Regelversorgung gestaltet werden kann. Liegt keine Versicherung vor, erhält die Person einen anonymen Krankenschein. Der Schein ersetzt Überweisung oder Rezept und kann in teilnehmenden Praxen oder Krankenhäusern genutzt werden. Die Kosten tragen kommunale Fonds oder Partnerorganisationen.
4. Patienten auf ehrenamtlich tätige Vereine oder Verbände hinweisen
In vielen Städten gibt es darüber hinaus ehrenamtlich getragene medizinische Angebote, etwa Sprechstunden für Menschen ohne Versicherung oder mobile Praxen für Wohnungslose, beispielsweise das Medibüro Berlin.
Organisationen wie Ärzte der Welt, Armut und Gesundheit in Deutschland e. V. oder die Malteser koordinieren solche Angebote. Sie stellen auch Infomaterial, Dolmetscher und rechtliche Beratung bereit.
5. Rechtssichere Behandlung als Selbstzahler mit Honorarvereinbarung
Unabhängig davon haben Ärzte immer die Möglichkeit, Patienten als Selbstzahler zu behandeln. Sie sollten mit Erkrankten eine schriftliche Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ abschließen, am besten vor der Behandlung.
Die Vereinbarung sollte enthalten:
den voraussichtlichen Umfang der Behandlung,
die abgerechneten Ziffern (ggf. mit reduziertem Steigerungssatz),
die ungefähren Gesamtkosten,
die Zustimmung des Patienten.
Besonders bei einkommensschwachen Menschen empfiehlt es sich, moderate Gebührensätze anzusetzen. Ärztliche Leistungen können bei Bedarf auch teilweise unentgeltlich erbracht werden – rechtlich ist das zulässig.
Verantwortungsvoll handeln – mit rechtlicher Sicherheit
Bleibt als Fazit: Menschen ohne Krankenversicherung sind Teil des ärztlichen Alltags. Die Herausforderung besteht darin, medizinisch verantwortlich zu handeln, ohne sich rechtlich oder wirtschaftlich zu gefährden. Mit Honorarvereinbarungen, Netzwerken und lokalen Hilfsangebote lässt sich diese Aufgabe oft meistern.
Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, langfristige oder kostspielige Behandlungen unentgeltlich durchzuführen. Aber sie sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen – und Betroffene in das Versorgungssystem zurückführen, indem sie ihnen wichtige Kontakte vermitteln.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4915178#vp_3
Interessenkonflikte 23. Juli 2025
Zwar gilt in Deutschland seit dem Jahr 2009 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Dennoch gibt es laut Schätzungen von Ärzteorganisationen und Hilfswerken weiterhin Hunderttausende Menschen ohne Versicherungsschutz: EU-Bürger ohne Anspruch auf Sozialleistungen, Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus oder ehemals privat Versicherte mit Beitragsschulden. Hinzu kommen wohnungslose Menschen, Geflüchtete oder Menschen mit aufenthaltsrechtlichen Problemen.
Für Ärztinnen und Ärzte wirft dies zentrale Fragen auf: Wie können Behandlungen erfolgen? Wer trägt die Kosten? Und wie gelingt es, Hilfsangebote zu vermitteln, ohne Patienten zu gefährden?
1. Behandlungspflicht bei medizinischen Notfällen
Ärztinnen und Ärzte sind in akuten Notfällen zur Hilfe verpflichtet – unabhängig davon, ob die betroffene Person versichert ist oder nicht. Diese Pflicht ergibt sich nicht nur aus dem ärztlichen Berufsrecht (§ 1 Abs. 2 MBO-Ä), sondern auch aus dem Strafrecht (§ 323c StGB, unterlassene Hilfeleistung).
Als Notfälle gelten dabei nicht nur lebensbedrohliche Situationen, sondern auch akute Schmerzen, Infektionen oder psychische Krisen. In solchen Fällen darf die Behandlung nicht von der Vorlage eines Versicherungsnachweises abhängig gemacht werden. Wichtig ist jedoch, dass die medizinische Versorgung sorgfältig dokumentiert wird.
Auch wenn keine akute Lebensgefahr besteht, kann ein dringender Behandlungsbedarf vorliegen. Ärztinnen und Ärzte sollten dann stets individuell entscheiden – im Zweifel im Sinne der Patientensicherheit.
Können Patientinnen und Patienten ohne Krankenversicherung die Behandlungskosten nicht selbst tragen, bleibt häufig nur der Weg über sogenannte Clearingstellen. Das finanzielle Risiko tragen in solchen Fällen meist die Behandler.
2. Patienten den Kontakt zu Clearingstellen vermitteln
Clearingstellen beraten Menschen, die keinen oder einen ungeklärten Versicherungsstatus haben – unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus oder Lebenslage. Die Mitarbeitenden prüfen, ob ein Anspruch auf gesetzliche oder private Krankenversicherung besteht, unterstützen bei der Antragstellung und begleiten den gesamten Klärungsprozess. Ist eine Rückkehr ins reguläre System nicht möglich, vermitteln sie medizinische Hilfe über humanitäre Angebote.
Finanziert werden die Clearingstellen u.a. aus städtischen Zuschüssen, kirchlicher oder privater Trägerschaft und Spenden. In einigen Bundesländern – etwa in Berlin, Hamburg oder Rheinland-Pfalz – werden sie mittlerweile durch Landesprogramme unterstützt.
Beispiele:
Condrobs Clearingstelle Gesundheit (München)
Clearingstelle Krankenversicherung RLP (Rheinland-Pfalz)
Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen (Berlin)
Übersicht der BACK (Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme-Behandlungsschein- und Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung)
Clearingstelle Gesundheitsamt Frankfurt
Clearingstelle Migration & Gesundheit Köln
Caritas/Diakonie Clearingstelle Hannover
3. Anonymen Krankenscheine garantieren die Kostenübernahme
Das Konzept des anonymen Krankenscheins wurde entwickelt, um Menschen ohne Krankenversicherung oder mit unsicherem Versicherungsstatus in Deutschland schnell, unkompliziert und vertraulich den Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen.
Zwar schreibt das Asylbewerberleistungsgesetz in akuten Fällen eine medizinische Minimalversorgung vor, doch die Abrechnung läuft über Sozialämter, die gesetzlich zur Meldung an Ausländerbehörden verpflichtet sind. Das führt zu Angst, Verzögerungen oder zum Verzicht auf dringend benötigte Hilfe.
Wie gehen Patienten dabei vor? Am Beginn steht die vertrauliche Beratung in einer Clearingstelle (siehe oben). Dort wird geklärt, ob ein regulärer Versicherungsanspruch besteht oder wie gegebenenfalls der Weg zurück in die Regelversorgung gestaltet werden kann. Liegt keine Versicherung vor, erhält die Person einen anonymen Krankenschein. Der Schein ersetzt Überweisung oder Rezept und kann in teilnehmenden Praxen oder Krankenhäusern genutzt werden. Die Kosten tragen kommunale Fonds oder Partnerorganisationen.
4. Patienten auf ehrenamtlich tätige Vereine oder Verbände hinweisen
In vielen Städten gibt es darüber hinaus ehrenamtlich getragene medizinische Angebote, etwa Sprechstunden für Menschen ohne Versicherung oder mobile Praxen für Wohnungslose, beispielsweise das Medibüro Berlin.
Organisationen wie Ärzte der Welt, Armut und Gesundheit in Deutschland e. V. oder die Malteser koordinieren solche Angebote. Sie stellen auch Infomaterial, Dolmetscher und rechtliche Beratung bereit.
5. Rechtssichere Behandlung als Selbstzahler mit Honorarvereinbarung
Unabhängig davon haben Ärzte immer die Möglichkeit, Patienten als Selbstzahler zu behandeln. Sie sollten mit Erkrankten eine schriftliche Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ abschließen, am besten vor der Behandlung.
Die Vereinbarung sollte enthalten:
den voraussichtlichen Umfang der Behandlung,
die abgerechneten Ziffern (ggf. mit reduziertem Steigerungssatz),
die ungefähren Gesamtkosten,
die Zustimmung des Patienten.
Besonders bei einkommensschwachen Menschen empfiehlt es sich, moderate Gebührensätze anzusetzen. Ärztliche Leistungen können bei Bedarf auch teilweise unentgeltlich erbracht werden – rechtlich ist das zulässig.
Verantwortungsvoll handeln – mit rechtlicher Sicherheit
Bleibt als Fazit: Menschen ohne Krankenversicherung sind Teil des ärztlichen Alltags. Die Herausforderung besteht darin, medizinisch verantwortlich zu handeln, ohne sich rechtlich oder wirtschaftlich zu gefährden. Mit Honorarvereinbarungen, Netzwerken und lokalen Hilfsangebote lässt sich diese Aufgabe oft meistern.
Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, langfristige oder kostspielige Behandlungen unentgeltlich durchzuführen. Aber sie sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen – und Betroffene in das Versorgungssystem zurückführen, indem sie ihnen wichtige Kontakte vermitteln.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4915178#vp_3
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