Freitag, 4. Dezember 2009
Was tun, wenn´s brennt?
Ruhig bleiben, in diesem Fall. Selten habe ich sinnlosere Aktionen gesehen, die allenfalls dazu geeignet sind, Riesenrazzien auszulösen und insgesamt der linken Szene sehr schaden werden. Abgesehen mal davon, dass offensive Gewalt gegen Leute, die dafür sogar in die Falle gelockt werden nichts ist, was sich irgendwie noch mit Widerstand gegen Polizeiübergriffe legitimieren ließe. Ich hoffe mal, dass da ein paar Leute zur Vernunft kommen und keine Eskalationsspirale in Gang gesetzt wird.

http://www.n-tv.de/politik/Angriff-auf-BKA-Polizei-Zoll-article624641.html

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stimme dir da voll zu ... EZLN oder ORPA haben so was erst nach 10 Jahren Aufbau- und Basisarbeit gemacht

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da gibt´s auch noch diesen schönen ZEITlichen zusammenhang...

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-12/autonome-konflikte

(interessant auch die kommentare)

generell stimme ich dir bedingt zu, wir sind hier schließlich nicht in griechenland. andererseits hätte in anderen zeiten sowas wie die hausräumung in berlin neulich solche reaktionen gleich im dutzend gezeitigt.

edit: sagte ich gerade "griechenland"?

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Nun, als ob uns in den 80ern solche Aktionen fremd gewesen wären, im Gegenteil. Ich seh da jetzt keine großes Ding drin. Heute wird da einfach nur ein viel größeres Fass aufgemacht und jeder Farbbeutel zum Terror hochstilisiert. Klammheimliche..

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Damals wären, vgl. Mo, bundesweit Einkaufszeilen entglast worden. Aber in die Falle locken von Cops, um sie ernsthaft zu verletzen? Außerhalb des 1.Mai in Kreuzberg und der Startbahn West wüsste ich das nicht. Die Anlässe waren auch Andere, etwa der Tod von Günther oder Conny oder die Bombardierung von Tripolis und Bengasi.

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Ich komm halt aus 80er-RheinMain-Startbahn, hier war schon einiges etwas roher, auch außerhalb vom Mord an Günther. Aber das hatte natürlich auch eine recht breite Basis, im Gegensatz zu heute.

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OK, und ich war damals halt in Göttingen, wo man immer bündnisorientiert war und sich als Folge von Dingen wie den Startbahnschüssen die Autonomen hinsichtlich Gewalt gegen Leute selber deeskaliert haben. Deren Politik ist teilweise ja zu einer Mischung aus den Themenfeldern von Pro Asyl, ai und Greenpeace geworden, mit Straßentheater als zentraler Aktionsform, allerdings immer noch vermummten Schwarzen Blöcken, die aber nichts Böses tun.

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politisch und auch ethisch find ich die aktion die polizisten rauszulocken und dann mit steinen einzudecken katastrophal. selbst wenn da eine aussage hinterstünde, ein konkreter bezug bestünde, doch es gab ja nicht einmal ein flugblatt oder ähnliches dazu, ist das ja wohl alleruntererste schublade.

andererseits scheinen "die autonomen" (als sei das so ein homogener block) wieder stärker zu werden, was im prinzip so schlecht nicht ist. mal sehen, was da noch so kommt.

drittens scheint diese diskussion einen generellen trend zu beühren, in sachsen wird sehr ernsthaft die einschränkung des versammlungsrechts diskutiert, mindestens bundesweit steht als einzig interessante forderung im bildungsstreik der freiraum da, etc. mal schauen, irgendwie bin ich gespannt (grundlos?).

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@che:

meines wissens gab`s einen derartigen hinterhalt auch mal in hb, wo ein streifenwagen in eine falle gelockt wurde; das wurde ein paar jahre später dann von einer jugendgang - ohne explizit politischen bezug - wiederholt.

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Es gab auch mal einen Riot am Gifteck, wo ein Saturn-Markt geplündert wurde und Huren nebenbei den Mercedes eines Luden knackten und diverse Akten entsorgten. Da wurden irgendwelche Rechnungen beglichen. Dass aber in Bremen Beamte der Staatsgewalt unmittelbar an Leib und Leben bedroht wurden wäre mir neu. Insofern erinnert mich die oben verlinkte Aktion (ohne in das hysterische Geschrei der Springer-Presse einstimmen zu wollen oder nach Repression zu schreien) schon an die Gründungsphase der RAF.

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@Heinrich:"andererseits scheinen "die autonomen" (als sei das so ein homogener block) wieder stärker zu werden, was im prinzip so schlecht nicht ist. mal sehen, was da noch so kommt." --- Das habe ich seit der Mobilisierung zu Heiligendamm bemerkt und finde ich sehr interessant, ja allerdings. Könnte ja durchaus so sein, dass die Linke sich angesichts der merkwürdigen Entwicklung der im Bundestag vertretenen Parteien radikalisiert.

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Was heißt denn, keine Eskalationsstufe in Gang setzen? Die Gegenseite hat mit der schieren Existenz des Spätkapitalismus bereits hinlänglich eskaliert. Ab demnächst wird zusätzlich die „Finanz“krise die unmittelbaren Lebensinteressen der derzeit ohnedies schon Prekarisierten scharf betreffen, und "unser geliebter Führer" Kim Yong Il macht gerade vor, wie man vermittels Währungsschnitt den Mittelstand vernichtet. Wenn dann am Standort D Unter- und Mittelschicht sich zusammenrotten, weil der Staat anders als nach der Methode Kim Yong Il seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, dann werden wir über andere Dinge sprechen, als nur über das Ankokeln von diesem oder jenem Polizeiwägele.
Und wir werden uns noch wundern, wie schnell die Raysons und Stefanolixe auf „Sozialismus“ umschwenken und mit roten Fahnen durch die Straßen rennen, wenn's ihrer Revenuequelle und ihrer Kreditseele an den Kragen geht, nämlich dann, wenn sie dahinter kommen, wer und was sie tatsächlich bedroht. Um Mißverständnisse zu vermeiden, darf ich betonen, dass sie mir dadurch keineswegs sympathischer würden.

Gestern lese ich, dass es allein in Hamburg im Jahre 2008 1200 Tätlichkeiten zwischen Hartz Vierern und H4-Behördenmitarbeitern gegeben hat. Die Menschen wehren sich bereits, jedoch noch individualisiert. Die hier in Rede stehenden Vorgänge sind interpretierbar als erste Ansätze einer Systematisierung und Kollektivierung des Widerstands, und was diese Interpretation betrifft, so sind da die staatlichen Sicherheitsorgane 'ganz bei mir': „neue Qualität“, „strategisch geplant“ sind die Worte, die ich aus berufenem Mund in dem ntv-Link lese.
Deswegen hat man doch D längst nach Riot-Kriterien durchkartiert bis runter auf einzelne Straßen.

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Klar, die Gründe für eine Revolte sind längst vorhanden, wie Du ja auch sehr gut benannt hast. Mir ging es hier um die Art und Weise. So rum gesehen ist die Systematisierung und Kollektivierung des Widerstands nicht weit genug.

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Bin da ja ganz beim Nörgler - dass ich Gewalt schon aus Prinzip ablehne, brauche ich ja nicht extra jedes Mal betonen, entwickle aber zumindest immer dann, wenn ich bei monomaus, lese, doch ein gewisses Verständnis - nein, was ich eigentlich sagen wollte: Korrelativ zu dem, was Noergler beschreibt, darf man ja nicht vergessen, wie viel Polizeistaatlichkeit sich seit 2001 verschärft und verstärkt im ganz normalen Alltag etabliert hat.

Die ganzen neuen Polizeigesetze, die Platzverweispolitiken, die ganzen Formen von Präventivjustiz und das zunehmende Bewusstsein darüber, dass Polizeigewalt sowieso nicht geahndet wird und als Vorhut eines Kampfes herrschender Klassen gegen Teile der eigenen Bevölkerung Einsatz findet, die zeigt halt Wirkung - die konkrete Wirkung da in der Lerchenstraße finde ich ja auch zum Kotzen, trotzdem. Hamburg ist ja seit Schill in der Hinsicht auch wirklich extrem.

Man kann nicht einerseits den sozialen Kessel anheizen und dann immer glauben, dass, wenn man den Deckel nur fest genug zudrückt, es schon nicht überkochen wird.

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Kein Widerspruch
Ich habe vor zwei Jahren selber die E-Schichten der Hamburger Polizei in Action erlebt und mir wurde angst und bange. Und nicht erst seit 2001 - die waren vorher schon fürchterlich. Ich erinnere mich deutlichst an schwere Übergriffe im Schanzen-und Karolinenviertel im Zeitraum 1990-92.

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Dem wurde dann Legimation und Gesetzeslage nachgeschoben. Und der Hamburger Kessel hat noch bundesweit Empörung und ja auch Verurteilungen nach sich gezogen, oder irre ich? Die Zeiten sind definitiv vorbei.

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Nur gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sie wiederkommen. Man sehe mal das Jahr 1967 aus der Perspektive des Jahres 1956...

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Kolportage
Da haben viele Medien im Eifer des Gefechts ein wenig falsch berichtet. Schaut man sich die aktuellsten und seriösesten Berichte über den Vorfall in Hamburg an, so merkt man, dass ein In-die-Falle-locken wohl nicht stattgefunden hat, stattdessen wurde mit einem Fahrradschloss die Tür verbarrikadiert und eine Polizistin angegriffen, nachdem sie einen Vermummten festnehmen wollte.

Kann man zu stehen wie man will, aber "Menschenleben"* wurden hier nicht in "Kauf" genommen.

*das soll den Polizisten jetzt nicht das Menschseinabsprechen, sondern bezieht sich auf die Formulierung

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Hast Du einen Link zu den aktuellsten und seriösesten Berichten?

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(...) andererseits scheinen "die autonomen" (als sei das so ein homogener block) wieder stärker zu werden, was im prinzip so schlecht nicht ist. mal sehen, was da noch so kommt.
Klare Antwort: Noch mehr Deppen und Hools.

Je hirnfreier Aktionen ablaufen, umso stärker der Zulauf der Hirnbefreiten.

(Laotse)

Dieser Zusammenhang funktioniert übrigens auch auf der anderen Seite, jedenfalls in Hinblick auf die gewählten Einsatzmittel. Angriffe auf harmlose Polizeistationen mögen bestimmten Leuten einigen "Kick" garantieren, sind aber keine sonderlich schlauen Antworten auf gesellschaftliche Problemlagen oder auf hysterische Reaktionen bei Farbbeutelwürfen.

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Einspruch, Euer Ehren
Der Begriff "Die Autonomen" bezeichnet zunächst einmal ein ganz diffuses Spektrum an nicht parteiförmig und nicht gewerkschaftlich ausgerichteten Linken mit teils anarchistischen, teils operaistischen und teils eher aus dem Moment spontaner Empörung und allgemeinem Antikapitalismus denn einer konkreten weltanschaulichen Ausrichtung sich bewegenden Linken. Die autonomen Zusammenhänge, denen ich ein gutes Jahrzehnt angehörte und immer noch verbunden bin zum Beispiel betreiben ehrenamtliche Sozialarbeit für Flüchtlinge, führen Theoriedabatten zur Klassenfrage, die im Zeitalter der Bachelor- und Masterstudiengänge den akademischen Diskurs längst abgehängt haben und organisieren Gegengipfel, schmeißen aber keine Mollies. Ebenso wie Haudruff-Fraktionen, deren Aktionen ich oft sinnlos oder kontraproduktiv finde sind diese Teil der autonomen Bewegung.

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Ich bin mir nicht sicher, inwiefern der Begriff "Autonome" heute tatsächlich noch eine Rolle spielt, wenn er im engeren Sinne betrachtet wird und unabhängig von identitären Selbstbeschreibungen. Der Häuserkampf etwa ist ja eher ein Abwehrkampf gegen Gentrifizierung und ziemlich weit in der Linken verbreitet. Ansonsten wird er eben als Restkategorie verwandt: Antideutsch? Ne! Dann bin ich eben autonom... Vielleicht im Zusammenhang mit dieser Polarisierung in der Linken muss die Entwicklung gesehen werden.

Der "Schwarze Block" bzw. seine ritualisierte Erscheinugsweise heute, auf den du offenbar anspielst, fasst es jedenfalls viel zu kurz. Dass mit dem Konzept der Autonomie, dem (im Gegenteil zu den kritischen Kritikern von der antideutschen Fraktion) Versuch auch den kapitalistischen Normalalltag irgendwie lebbar zu gestalten, eine gewisse Ablehnung der Gewaltlosigkeit als Tugend einhergeht, ist nichts Neues. Nur trifft es "Deppen" und "Hools" eben überhaupt nicht.

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gibt durchaus gar nicht so wenige autonome GewerkschafterInnen bzw. gewerkschaftlich arbeitende Autonome ... denke, dass in den 1980ern und in den frühen 1990ern eine gemeinsam geteilte (politische wie Alltags-) Kultur eines der wichtigsten verbindenden Elemente der Szene war, was einerseits die Attraktivität der ganzen Sache ausmachte, andererseits es für Menschen, die kulturell "anders drauf" waren schwierig machte, von "den Autonomen" akzeptiert zu werden ... weiterhin wichtig war, dass es Übergangsfelder mit anderen Szenen und Strömungen gab (Punks, grüne Fundis, aktivistische K- und T-Gruppen-Reste, "Alternative", etc.)

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Heinrich Osbert, ich gebrauche den Begriff "Autonome" gewohnheitsgemäß im Sinne der 80er und 90er Jahre, wobei ich selber einer Gruppe angehört habe, die programmatisch an der Schriftenreihe "Autonomie Neue Folge" ausgerichtet war und sich daher selbst als autonome Gruppe im ursprünglichen Sinn des Begriffes verstand (waren einige Redaktionsmitglieder der "Materialien für einen Neuen Antiimperialismus" und der "Wildcat" dabei).

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Che, schon klar. Finds dann nur schwierig festzustellen, über wen mensch eigentlich redet, wenn so Kategorien ohne sich vorher darüber zu verständigen ausgetauscht werden. Ohnehin sehr schwierig bei der Beschrieibung des linken Spektrums nicht bei einer Differenzierung auf Breiniveau stehen zu bleiben ;-)

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