Donnerstag, 10. Juli 2014
True blogging is dead! Isn´t it?
Dieses Blog gibt es nun fast 11 Jahre lang und es hat seine Höhen und Tiefen erlebt. Den meisten Traffic gab es hier von 2006 bis 2010, in der Zeit der großen Diskussionsschlachten mit wirtschaftsliberalen und neokonservativen Bloggern, die damals als großes Bündnis daherkamen und denen "wir", d.h. eine lockere Allianz linksliberaler, sozialdemokratischer, grüner, feministischer und linksradikaler Bloggerinnen gegenüberstanden. Die tiefsten und menschlich anrührendsten Diskussionen fallen eher in die Zeit davor, als der inner circle der hier Diskutierenden aus Leuten bestand, die im echten Leben miteinander befreundet waren.

Seither ist viel passiert. Der Traffic sank von Tausenden von Besucherinnen am Tag auf vielleicht ein gutes Dutzend, und kommunikationstechnisch habe ich manches falsch gemacht - indem ich nämlich Blogs, mit denen Differenzen unüberbrückbar waren bzw. Diskussionen zu nichts mehr führten entlinkte und dadurch meinen Rezipientenkreis selber einschränkte.

Mit anderen, ehemals verbündeten bis befreundeten Bloggern lebte ich mich auseinander. Da war einer, mit dem ich in vielen weltanschaulichen Fragen übereinstimmte oder zwar querlag, über gemeinsame Interessen im Bereich politische Philosophie aber doch auch große Gemeinsamkeiten hatte und der irgendwann holterdipolter nicht nur mit mir sondern auch praktisch allen StammkommentatorInnen hier brach. Seine Eigenschaft, inhaltlich begründete, themenbezogene Kritik an von ihm geäußerten Standpunkten als Mißachtung seiner Persönlichkeit oder sogar existenziellen Angriff auf ihn zu mißdeuten bei einer Grundstimmung des Dauerbeleidigtsein und seiner völligen Fehleinschätzung emotionaler Reaktionen Anderer machten zumindest eines deutlich: Die kommunikativen Grenzen des Mediums Blog sind eng. Da Minenspiel, Tonfall, Lautstärke, Gestik nicht stattfinden scheinen die Mistverständnisse, wie Genossin Netbitch in ihrem blumigen Deutsch das nennt vorprogrammiert zu sein.


Blogger entwickeln sich, Bündnisse lösen sich auf, Wege diversifizieren sich. Wenn ein alter Weggefährte inzwischen schreibt als hätte man Elsässer mit Broder gekreuzt kann ich nur noch den Kopf schütteln.

Es scheint aber auch so zu sein dass die Hochzeit der politischen Blogs (wobei das Meinige immer auch ein persönliches ist und keiner Programmatik folgt) schon wieder vorbei ist.

Das Hochkommen von Twitter hat die Blogs in den Hintergrund gedrängt, wobei ich mich allerdings frage, wie denn bei einem Kurzmitteilungsdienst diskutiert werden solle. Aber vielleicht sind wirkliche Diskussionen mit Standpunkt und Gegenstandpunkt ja gar nicht erwünscht. Das Verhalten etlicher FilterblasenbewohnerInnen lässt das ja vermuten. Große Bloggerzeit 2003 - 2010, ich trauer Dir nach.

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noch mehr Einflußfaktoren:

blogger.de: das ist so gemacht, daß nur registrierte Nutzer teilnehmen können. Dirk Olbertz wollte das so. Er wünschte sich wohl gepflegte Salons und keine lärmenden Trollhorden.

der Puls der Zeit: Damals ging es um viele Themen: HartzIV, Jugoslawienkrieg etc. Irgendwann beschäftigte man sich mit Metadiskussionen um Feminismus, Antifaschismus u. dergl. Eigentlich war Dotcomtod wohl Ausgangspunkt. Inzwischen haben sich unter der Hand noch viel schwerere Krisen entwickelt als die Dotcomkrise. Die Welt ist fragiler, reaktionärer, schwulenfeindlicher, aggressiver und unsicherer geworden. Hier dagegen geht es um Sinn und Unsinn von foucaultistischer Sprachpolitik. Die Welt um einem herum interessiert nur noch am Rande.

Die Beitragenden haben plötzlich so viel zu tun

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@"Hier dagegen geht es um Sinn und Unsinn von foucaultistischer Sprachpolitik." --- Nein, darum geht es nur manchmal. Es geht hier auch um Geschichte, Essen, Bergsteigen, mein persönliches Leben und ganz viel um Antirassismus, um Syrien, Kurdistan und so. Dotcomtod war ein sehr wichtiger Einsteiger, leider ist die darum gestrickte Community zerbrochen. Der für mich wichtigste Kommunikator endete im Dauerkoma.

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