Mittwoch, 23. August 2017
Hintergrundinformation zur afrikanischen Misere
"Mit dem Auftreten der Europäer nahm der Sklavenhandel, der vorher noch begrenzt war, die erste Stelle ein. Es wurde Krieg geführt, um Sklaven zu rauben. Die Europäer verkauften den Königen und Kriegern Waffen und Pferde, mit denen sie Kriege führen und Gefangene machen konnten. Um sich Menschen zu verschaffen, die als Sklaven an die Europäer verkauft werden konnten, wurden die Könige und ihre Krieger zu Räubern. Jetzt gab es in ganz Afrika Krieg, da der Sklave die begehrteste Handelsware war. Die Negerjäger plünderten, töteten und brandschatzten; die Menschen flohen und versteckten sich in den Wäldern und in den Bergen. Die Frauen verloren ihre Männer, und die Kinder verhungerten hilflos im Busch....Der Sklavenhandel hat Afrika um Millionen und Abermillionen Menschen beraubt. .... Mit den Menschen, die in die Sklaverei geführt wurden, verlor Afrika ebenso viele Bauern, Weber und Schmiede.... Die Reeder von Nantes und Bordeaux, Amsterdam und Liverpool und anderen Hafenplätzen häuften unermessliche Vermögen an. Dieser nach Europa strömende Güterstrom, der aus dem Negerhandel stammte, ermöglichte später (im 19. Jahrhundert) die Entwicklung des europäischen Kapitalismus".


Niane, Djibril Tamsir, Jean Suret-Canale und Hermann Venedey, Afrikanisches Geschichtsbuch, Accra 1963.

So, und vor diesem Hintergrund, der von der Zeit Vasco da Gamas bis ins 19. Jahrhundert reichte fand die Kolonialgeschichte überhaupt erst statt, die Afrika dann anderthalb Jahrhunderte auf einem moderneren Niveau ausplünderte. Und nach dieser Ausplünderung eines Kontinents erfrechen sich Europäer, den Afrikanern die mangelnde Effizienz ihrer Wirtschaftssysteme vorzuhalten. Es ist ein sich selbst erzählender Witz, über den niemand lacht

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kleiner Nachtrag zum G20: afrika-hamburg
"Die Reeder von Nantes und Bordeaux, Amsterdam und Liverpool und anderen * Hafenplätzen häuften unermessliche Vermögen an."

* eben auch in Hamburg. Wo sich das Vermögen angesammelt hat, kann man ausgezeichnet bewundern, wenn man mal von der Nordsee die Elbe richtung Hamburg hochfährt. Bei gutem Wetter bescheint die Sonne die Villenanlagen am Nordufer, welche sich schier endlos eine nach der anderen aneinander reihen. (Damals noch die "Prinz Hamlet", eignet sich dazu ein größeres Passagierschiff mit mehreren Decks.) Es handelt sich um die Elbchaussee, wo sich astronomische Vermögen aus Sklavenhandel und -arbeit, Ausbeutung und kolonialer Profitmacherei ansammelten. Allerdings nur schwer nachvollziehbar, wie genau - in Hamburg spricht man ja weniger gern über seine Vermögen. Das know-how - oder soll ich sagen, die kriminelle Energie - der Verschleierung fußt hier offenbar auf einer jahrhundertelangen Tradition.

So entbehrt es ja mMn. nicht einer gewissen Ironie, dass, wie es schien, rein zufällig lediglich ein paar versprengte Gruppen von Randale-Touristen während des G20 in HH in der Elbchaussee ein paar Autos anzündeten.

Andererseits scheint es ja auch ein paar günstigere Einliegerwohnungen in der Elbchaussee zu geben, eine davon hatte immerhin (der notorisch mittellose) Peter Rühmkorf bezogen. - Und die Godeffroys Hamburg-Altonas werden bestimmt nicht ihre Kleinwagen auf den Parkplätzen an der Straße abgestellt haben.

Diese ja möglw. unfreiwillig und lediglich symbolische Aktion hat also eine unfreiwillige Komik, im Gegensatz zu der absurden Vorstellung, dass "die" hamburger "Autonomen" ausgerechnet die Bäckerei auseinandernehmen, wo sie täglich ihre Brötchen kaufen.

http://www.afrika-hamburg.de/globalplayers1.html

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Das ist Stuss was der da über die Sklaverei schreibt. Die Sklaverei in Afrika begann bereits im achten Jahrhundert, und es waren Araber, die sie betrieben, 700 Jahre bevor die Europäer sich beteiligten. der arabomuslimische Sklavenhandel dauerte viel länger als der europäische und betraf wesentlich mehr Menschen. Bei Bersarin habe ich einen Text dazu von einem Senegalesen verlinkt.

Die Sklaverei ist eben keine Erfindung der Europäer, sondern eine uralte soziale Institution, die bis zum 17. Jahrhundert von niemand in Frage gestellt wurde. Kritik an der Sklaverei ist eine Errungenschaft der europäischen Aufklärung,und es waren Europäer (vor allem Engländer), die sie abgeschafft haben. Die Sklaverei wurde auch von den Afrikanern selbst untereinander praktiziert, s. etwa hier:

http://westafrikaportal.de/koenigreichdahomey.html

Es ist doch bezeichnend, das afrikanische Politiker Entschädigung für die Sklaverei von Europa und den USA gefordert haben, aber nie von Saudi-Arabien, obwohl die noch reicher sind als wir. Die wissen natürlich genau, dass die Saudis darüber nur lachen würden, da die Sklaverei im Islam bis heute noch akzeptiert wird.

Und was die Ausplünderung betrifft, so haben unter der nicht nur die Afrikaner gelitten, sondern etwa auch Inder und Mexikaner (über sehr viel längere Zeit), und sie hat ihnen offenbar nicht so sehr geschadet, wie den Afrikanern.

Ich bin grundsätzlich skeptisch gegenüber irgendwelchen Linksintellektuellen aus Ländern der III. Welt, die uns irgendwelche Vorhaltungen machen. Wenn man sich ihre Biografie anschaut, stammen sie praktisch immer aus wohlhabenden Familien. Nur Wohlhabende können in Ländern der III. Welt studieren, ihre Kinder im Ausland studieren lassen können nur die Reichen, und reich wird man in diesen Ländern nur durch Korruption und Diebstahl. Es handelt sich i.d.R. also um Kinder der korrupten Oberschicht, und deren Engagement für die Armen sollte man mit Skepsis betrachten. Diese Leute genießen extreme Privilegien, sie können z.B. einen Armen einfach umbringen und ihnen passiert nichts, weil sie entsprechende Beziehungen haben.

Bezeichnenderweise lehren die Vertreter der "Post colonial Studies" praktisch alle an westlichen Universitäten, weil man in ihren Heimatländern ihre Theorien nicht besonders ernst nehmen würde. Ich sehe darin nur ein Geschäftsmodell, weiter nichts.

Ich meine, warum können die Afrikaner nicht so was auf die Beine stellen wie die EU, also einen Zusammenschluss ihrer Staaten, der nach innen die Handelshemmnisse beseitigt und nach außen ihre Interessen gemeinsam vertritt? Dann könnten sie z.B. der EU den Fischfang vor ihren Küsten verbieten, dort selber fischen und den Fisch für einen höheren Preis verkaufen. Die Südamerikaner haben es ja probiert mit dem Mercosur, klappt aber nicht, weil sie sich auch nicht einigen können.

Ich glaube jedenfalls nicht, dass die deutsche Industrie etwas dagegen hätte, wenn die Afrikaner nicht als Rohstofflieferanten und Empfänger von Entwicklungshilfe auftreten, sondern als Käufer deutscher Autos, Maschinen und Medikamente.

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Höchst naiv gedacht. Weder Europäer noch Inder noch Mexikaner wurden über Jahrhunderte zu Millionen über einen Ozean als Waren deportiert.

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Wer obiges gekauft hat, hat auch gekauft: Was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?

*Legt zum Gruß die Faust an die Schläfe.*

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Ich habe nicht den Eindruck, dass Mangel an Menschen in Afrika ein Problem ist.

Im übrigen sind im 14. Jahrhundert (lange vor Beginn des Kolonialismus) ca. 50% der Europäer an der Pest gestorben, was durchaus ein vergleichbarer Aderlass war.

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Passend zum Thema
https://www.youtube.com/watch?v=XCsQXQHolBk&feature=youtu.be&t=5m20s

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Der 56. Willy bringt eine Reihe von Argumenten bzw. Argument-Fragmenten - teils von erfrischender Nichtlogik.

ein einzelnes Beispiel:

1) Da führt er den Aderlaß im Mitteleuropa durch die Pest (und andere Infektionskrankheiten) an. Ja, wie recht er damit hat!! OK, nicht mit der Zahl "50 Prozent" - eher 25 Prozent. Aber auch das hat die europäischen Gesellschaften ordentlich durcheinander gewirbelt und auf Jahrhunderte hinweg zurück geworfen.

GENAU das ist ja dann auch ein Argument von Vertretern von "colonial studies".

Bewertung: Brillant argumentiert - und Eigentor.

Im Übrigen litt das europäische Mittelalter (bzw. die Menschen darin) noch unter ganz anderen Dingen. Z.B. gab es eine Verknüpfung einer insgesamt anarchistischen gesellschaftlichen Struktur mit toxischer Maskulinität. Das heißt, Streit und Meinungsgegensätze endeten oft (tatsächlich: sehr oft) tödlich - was die durchschnittliche Lebendauer in etwa genau so stark herab setzte wie die Bedrohung durch Seuchen und Kriege.

2) Das Thema Sklaverei und Afrika ist ein komplexes Thema, bei dem ich nicht immer den Eindruck habe, dass die Vertreter der colonial studies die richtigen Einschätzungen finden. Die sind nach meinen Eindrücken einseitig von der Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels geprägt bzw. einem spezifisch US-amerikanischen Blickwinkel.

Einer der Treppenwitze der ganzen Geschichte ist ja, dass gerade die Beendigung der Sklaverei einer der Hauptantriebsfedern des europäischen Kolonialismus war. Dazu tritt natürlich die menschliche Habgier und die übliche Mixtur von Motivationen aus Seiten der Kolonialisatoren. Es war zudem der Druck europäischer Staaten, wegen dem die Osmanen 1857 die Sklaverei zur Gänze verbaten. Saudi-Arabien schaffte die Sklaverei erst 1963 ab. Zugleich war die Stellung muslimischer Sklaven oft eine andere - zumeist hatten diese Menschenrechte (anders als in den Ölstaaten oder beim IS).

Nur, wie wird man dieser ganzen Geschichte gerecht? Ich weiß es nicht. Die Aufrechnung des ostafrikanischen Sklavenhandels (bei dem es dann übrigens auch muslimisch-christliche Kooperationen gab) mit dem transatlantischen Sklavenhandel rechne ich jedenfalls nicht dazu.


@ Che

Nunja: Immerhin waren rund 500.000 bis 850.000 Europäer Opfer des muslimischen Sklavereisystems. die Weißhäutigen brachten auf den muslimischen Sklavenmärkten oft die besten Preise.

@ Ziggev

Du schreibst in Bezug auf die Elbchaussee bzw. den hanseatischen Händern: "astronomische Vermögen aus Sklavenhandel".

Quellen dafür? Mir wäre es völlig neu, dass ausgerechnet Hanseaten besonders im Sklavenhandel engagiert gewesen waren.

Woher hast du das?

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nunja, dass in Hamburg bzw. dem Dänemark zugehörigen Altona und Wandsbek heftig vom "Überseehandel", von krassester Ausbeutung der Menschen z.B. in Chile (das "Chilehaus" in HH), Dreieckshandel Profitierten, darf schon, zumindest für Hamburger, zur Allgemeinbildung gehören. Von Matthias Claudius (Wandsbeker Bote, "Der Mond ist aufgegangen") stammen etwa die Verse:

Weit von meinem Vaterlande
Muß ich hier verschmachten und vergehn,
Ohne Trost in Müh ind Schande
Ohhh die weißen Männer! klug und schön!
Und ich hab den Männern ohn Erbarm
Nichts getan.
Du im Himmel! hilf dem armen
Schwarzen Mann!



der Link oben gibt fürs erste genug Informationen, auch bitte mal die folgenden Seiten weiterklicken. Abgesehen davon, dass die Figur Schimmelmanns sich hervorragend googlet, hatte ich in der Tat eine weitere Quelle am Wickel:

„Kein Grund zum Feiern“ von Frank Kürschner, Breklumer Hefte, 1991:

„Schimmelmann war nicht irgendein Sklavenhändler, sondern besaß mehr Sklaven als irgendein anderer dänischer Plantagenbesitzer und gehörte auch international zu den bedeutendsten Nutznießer der Versklavung von Menschen.“ „… er stand in Hamburg aber nicht allein. Je stärker die Kritik an dieser mörderischen Sklavenausbeutung wurde, desto diskreter gingen die Beteiligten im 19. Jahrhundert damit um.“ Verdienen und Schweigen.
Kürschner führt aus, dass „das Interesse der Seeleute an diesem Sklavenhandel wohl ziemlich schnell“ erlahmte (wegen der miserablen Bedingungen, trotz hoher Bezahlung), und fährt fort:
„Jedenfalls sah die dänische Regierung sich 1782 veranlasst, in den sonntäglichen Ankündigungen in den Kirchen auch für der Sklavenfahrt zu werben. Eine solche Kanzelankündigung aus Föhr ist überliefert, in der den Schiffskapitänen ein Prämie für jeden in der Karibik angelieferten Sklaven zugesagt wird.“
Zur Elbchaussee ('die Heimat im Herzen und die Reichtümer der Welt in der Brieftasche') fasst er zusammen:
„Es ist nicht möglich, alle amerikanischen Quellen von Reichtum aufzuzählen, die den Besitzern von Villen an der Elbchaussee zu Gebote standen und stehen. Viele der lukrativen Geschäfte rechts und links der Elbchaussee mit Mittel- und Südamerika sowie der Karibik beruhten auf Sklavenarbeit, Hungerlöhnen und wirtschaftlicher Ausbeutung. (…) die Verarmung großer Teile Lateinamerikas und der wachsende Reichtum ans er der Elbchaussee fallen nicht zufällig in die gleiche Zeit“.
Zu Ohlendorff, der neben Laeisz ebenfalls mit Salpeter reich wurde, im diesem gewidmeten Kapitel: „Der nach im benannte Park in Volksdorf ebenso wie die Musikhalle in Hamburg sind mit Geschäften verbunden, die Hamburg reich und Südamerika arm gemacht haben.“ Auch sei nicht zu übersehen, dass Banken in Hamburg an der weiteren Verarmung Mittel- und Südamerikas beteiligt gewesen seien.

Ist schon etwas her, dass ich auf die Schnelle Zugriff auf das Heftchen hatte

https://www.zvab.com/servlet/SearchResults?an=K%FCrschner&tn=Kein+Grund+zum&cm_sp=mbc-_-SRP-_-all

aber insgesamt geht der Autor eher sorgfältig und vorsichtig vor. Der Ton keineswegs herausfordernd oder dergl. Wie das Beispiel mit der Kanzelankündigung zeigt, stehen ihm Quellen zur Verfügung, die zu benutzen er auch sonst nicht zurückschreckt.

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@ ziggev

Sehr herzlichen Dank für deine Antwort!!

Sehr nett, fand ich wirklich toll - so konnte ich überfälligerweise gewisse Bildungslücken schließen. Gegenüber dieser Darstellung lässt sich kaum Widerspruch erheben, allerdings gebe ich zu bedenken, dass der Großteil des Aufschwunges des Hamburger Atlantikhandels recht spät, und zwar schwerpunktmäßig erst nach dem Jahre 1783 begann, mit dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Es wurden in dieser darauf folgenden Zeit riesige Vermögen in Hamburg geschaffen, gerade auch mit Waren wie Kaffee und Tabak (welche auf das engste mit der Sklaverei zusammen hingen).

Das Ende der Sklaverei kam dann relativ schnell, mit dem Umschlagpunkt 1807 (slave trade act) bzw. der immer stärker werdenden Kritik an der Sklaverei von den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts an.

Man könnte also die These vertreten, dass Hamburg nur "relativ kurz" an der Sklaverei bzw. dem daran verknüpften Handel profitierte. Nimmt man allerdings noch Altona in die Betrachtung auf (Dänemark war eine "große" Sklavenhalternation), sowie den entscheidenden Umstand, dass die in dieser Zeit entstandenen Reichtümer für hamburger Händler immens waren, bleibt nicht mehr allzu viel von diesem Einwand übrig.

Ein allzu großer, und sehr beachtlicher Teil der Handelsgewinne bzw. des Reichtums der Hamburger Pfeffersäcke hing eben doch an der Sklaverei.

(man müsste da vielleicht mal eine genaue Rechnung machen - da kommt nicht viel Erfreuliches bei heraus, denke ich)

Das wusste ich nicht. Ich dachte, die Hamburger Händler stiegen noch etwas später in den Überseehandel ein, und auch, dass dieser von seiner Struktur harmloser gewesen war.

Tja: Man lernt immer noch dazu. Danke dafür, Ziggev!

P.S.
Stelle gerade fest, die Sache ist noch etwas diffiziler. Bis 1798 gab es einen rasanten Aufschwung des hamburger Überseehandels mit dann knapp 300 Schiffen. Durch den Einfluss Frankreichs (nebst Embargopolitik) brach dieser Handel dann aber bis zum Jahr 1814 ein, sodass nur noch 87 Schiffe übrig blieben - die auch nur zum Teil für den Überseehandel bzw. Mittlerhandel mit Spanien eingesetzt wurden.

Der eigentliche Aufschwung des Südamerikahandels in Hamburg fand erst danach statt. Man könnte sagen, dass die indirekte Beteiligung der Hamburger Händler an der Sklaverei insgesamt dann doch eher gering war - bedingt durch historische Zufälle - und ganz gewiss nicht durch den Edelmut der Kaufleute aus Hamburg.

Also alles gut? Nein, eher nicht. Umso größer war dann nämlich der Anteil der Hamburger Händler am deutschen Kolonialtreiben.

http://www.taz.de/!5031841/

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Deutsche Händel im Goldenen Dreieck des Sklavenhandels...
Der "Große Kurfürst" Friedrich Wilhelm I. gründete schon im 17. Jahrhundert die Siedlung "Groß Friedrichsburg" an der Guineaküste, um sich am Sklavenhandel zu beteiligen. Das war ja ein Dreieckshandel: "Tand", also billige Tauschgüter wie Taschenspiegel, Glasperlenketten, Glockenspiele, Rasiermesser und auch vgl. hochwertige, aber im Vergleich zum Tauschgut dann eben doch billige Güter wie Bernstein und Keramik neben Waffen und Munition von Europa nach Afrika gegen Sklaven, die in die Karibik und nach Mexiko und Brasilien sowie die späteren Südstaaten verschifft wurden und Tabak, Zucker, Chili, Kaffee, Kakao, Baumwolle (alles Produkte, die von Sklaven geernet wurden) und nordamerikanische Biber- Waschbär- und Otterfelle zurück nach Europa. Hierbei gehörten deutsche Hansestädte zu den Ausgangs- und Endpunkten, auch wenn der Sklavenhandel selber dort keine Umschlagsplätze hatte. Zwischendurch noch die Piraten, die auf halbem Wege Kauffahrteischiffe überfielen und die erbeutete Ladung in europäischen Hafenstädten verkauften. Wir hatten uns 2007 darüber in Hamburg mal mit dem Lebemann unterhalten. Es kann getrost gesagt werden, dass dieser Dreieckshandel den Kick-Off zur Entwicklung des europäischen Kapitalismus gab, wie im Afrikanischen Geschichtsbuch beschrieben.

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.... und ein Klassiker
Ein Buch, in dem diese Verhältnisse, kaschiert als Abenteuerroman, massiv kritisiert wurden war übrigens Daniel Defoes (ein Whig und früher Liberaler) "Robinson Crusoe", der auf Augenzeugenberichten der beteiligten Freibeuter William Dampier, Alexander Selkirk und Woodes Rogers (ein Piratenkapitän und Privatforscher, ein Steuermann und ein Commodore) basierte.

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Hamburgensien // Barbareskenstaaten
habe Defoe eigentlich eher als "Schwäbische Hausfrau" auf eine karibische Insel versetzt gelesen ... aber nochmal zu Hamburg, meine Stadt:

... sind halt Hamburgensien, die mich ja auch schon soweit betreffen, als der Name meiner Bushaltestelle auf diese Geschichte (einen der profitierenden Protagonisten) verweist. Damit aber nicht genug ...

Geht ja bis in lokale Dorf- bzw. inzwischen Vorstadtgeschichte hinein. Wo hier die Villen stehen, jedenfalls z.T., war vorher Land, das dem örtlichen Bauer gehörte. Im Zusammenhang mit Inflation und Währungsreform wurde ihm das Land geschickt abgeluchst - fast kein Gewinn, 1 demselben bzw. dessen Familie belassenes Haus.

Scheint wirklich zu stimmen, diese Geschichte wurde mir von einem Nachkommen genannter Bauern-Familie erzählt - eine Frage der Zeit, bis man hier zu dieser "historischen" "Schicht" vordringt (eher auf "underground"-Wegen) - aber auch von der Familie, bei der ich bis c.a. 16 gern gesehener Hausgast gewesen bin. Die denkmalgeschützte Villa/Landhaus sei eben im Zuge von Inflation und Währungsreform erworben worden. Dort lernte ich Weintrinken, original Sachertorte in Korbstühlen ganz im "Landhausstil" zu verkosten - logisch mit original zugehörigem Schnaps in stilechten Gläsern. - Ach, Dorfgeschichten. Eine Nachbarin von mir macht mit ihrem Freund in Haushaltsauflösungen. Daher habe ich PC-Flachbildschirm, alle meine Sessel, Phillips-Kaffee-Mühle (1973), Stabmixer, Metall-Nudelsieb und noch viel mehr, fast immer alles auf Bestellung lieferbar - und, wenn´s knapp wird, Zugriff auf den stets gefüllten Wäschekorb mit Konservendosen.

Bei meiner Nachbarin war es ja zunächst darum gegangen, alles, was vom Haushalt ihrer Eltern übriggeblieben war, zu veräußern, nachdem ihre Eltern, zuerst ja Nachbarn obengenannter Reeder-Familie, sich um c.a. 15 Millionen verspekuliert hatten, und dann eben in einer Sozialwohnung weiterwohnten.

Wie oben, man muss nur lange genug hier wohnen, um gewisse "Verbindungen" dieser "historischen" "Schicht" erst "richtig" zu erkennen. So war mein Bruder früher mit der besten Freundin jener Nachbarin zusammen, wie ich jüngst herausfand, in deren (der ersteren) Haus ich ebenfalls ne Zeit lang wohnte (Vater immer in Saudi-Arabien geschäftlich unterwegs, Haus also mit Flügel im Wohnzimmer immer "sturmreif"). Gern ergriffener Beruf der Nachkommen meiner Generation übrigens: Landschaftsgärtner.

Wo ich Hausgast gewesen bin, dort mit der Villa/Landhaus, drehte sich übrigens das Gespräch nicht selten darum, welche/r Sänger/in zu bevorzugen sei: Johnny Cash (die Mutter, welche immer von "original" Johnny Cash-Stiefeln träumte), Donna Summer (die Tochter) oder Janis Joplin (die Söhne, mit denen ich Musik machte, Mutter mit von der Partie).

Die Verbindung kam also über die Musik zustande. So auch zu dem Burschen, hier T., (Mutter, Schwestern immer noch im denkmalgeschützten Fritz-Höger-Landhaus residierend) dessen Onkel (bzw. dessen Familie) bereits Anfang des 18. Jahrhundert genug Geld hatte, um die erste Klassenlotterie in HH (mit?) zu begründen (immer noch bestehend, in Wandsbeker Nähe angesiedelt).

Dessen ghanaischer Nachbar, M., wiederum meinte neulich beim Fußballgucken (WM) auf der Billig-Wohn-Terrasse von T. über dessen Art und Weise, mit Schwarzen zu sprechen, grinsend: "das ist wirklich der einzige, denn ich kenne, der (noch) so spricht!" (Nicht gerade N.-Wort, aber durchaus "traditionell" Unterschiede machend.) M. verdient übrigens nicht schlecht damit, Containerweise Gebrauchsgüter nach Afrika zu verschiffen, verachtet Deutsche, die Sozialhilfe empfangen, und scheint die behördlichen Anfragen, ober er denn nun endlich Deutscher werden wolle, eher als lästig zu empfinden ...

Wie sich irgendwann herausgestellt hatte, habe ich zufällig tatsächlich für diesen Lotterieeinnehmer gearbeitet, mit dessen Neffe ich andauernd musizierte hatte, einer meiner besten (Sauf)Kumpane bis heute. Eben gerade den Food-Sharing-Karton vorbeigebracht bekommen; Lieblingshobby übrigens: Gärtnern.

Diese "Hamburgensien" sind also, jedenfalls was meine Wenigkeit betrifft, gar so fern nicht. Habe dort selbst mein Geld verdient (wie sich hinterher herausstellte), meine Gegend (und die Leute, wenn man mal genauer hinhört) ist von dieser Geschichte schon zu gewissen Graden geprägt.

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Aber auch einen anderen Aspekt, auf den wir hier stoßen, finde ich nicht minder interessant ! Ich weiß zwar wirklich nicht, was first_dr.dean daran so faszinierend findet, Versklavte - afrikanischer oder europäischer Herkunft - gegeneinander aufzurechnen. Aber einfach nur die Fakten: die von Barabaresken-Staaten zw. 1530 und 1780 Versklavten beliefen sich der Anzahl nach auf ein Zehntel des transatlantischen Sklavenhandels.

https://de.wikipedia.org/wiki/Barbareskenstaat

Es betrieben auch die Malteser Piraterie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Piraterie#Die_Johanniter-_oder_Malteser-Ordensritter

Geschichte ist immer komplexer, als man denkt: so machte auch Cervantes Erfahrungen mit erlittener Sklaverei:

http://www.zeit.de/2012/21/Barbaresken/seite-2

(hier noch ein paar mehr Hamburgensien, etwa dass es eine Sklavenkasse gab (1624), eine Versicherung, nur zu dem Zweck, entführte Hamburger heimzuholen und dergl. sehr umfangreich mehr.)

Diese Geschichte der Piraterie im Mittelmeerraum ist doch einigermaßen interessant: Die imperiale Handelsmacht des Attischen Seebundes (siehe Melierdialog bei Thukydides)

https://de.wikipedia.org/wiki/Melierdialog

funktionierte auch als Eindämmung der vor dem peloponnesischen Krieg allgegenwärtigen Piraterie im Mittelmeer. Auch dass offenbar die Piraterie mit der Ächtung der Sklaverei zu einem Ende kam. Und wenn wir daran denken, dass 1815 zehn amerikanische Kriegsschiffe mit der Drohung, Algier zu zerstören, ausreichten, um vertraglich(!) Tributzahlungen zu beenden. An diesem Beispiel wird ja klar, dass es Amerika allein um wirtschaftliche Interessen ging. Die Welt kommt 2012 zu dem Schluss:

"Ihre Mittel, mit überlegenen Schiffen und schlagkräftigen Truppen eingreifen zu können, erprobten die USA also zunächst in Nordafrika." Und darauf, Wertung miteingeschlossen : "Ob diese Instrumente globaler Herrschaft immer noch greifen, wird sich demnächst zeigen müssen."

https://www.welt.de/kultur/history/article109226817/Schon-vor-211-Jahren-fuhren-US-Schiffe-nach-Libyen.html

Ich bin kein Historiker, aber ich versuche festzuhalten, was wir aus der Geschichte der Barbaresken-Staaten lernen können: 1. wirtschaftliche cum staatliche Stabilität bzw. Aggression vermochten Piraterie einzudämmen - umgekehrt (auch Abnehmen des Einflusses des Osmanischen Reiches in Nordafrika sowie Probleme im "Hinterland" mit nichtmuslimischen "Berbern" u. ä.) begünstigte deren Schwäche wieder Piraterie (und Sklavenhandel?). 2. Dass es sich bei dieser Geschichte durchaus auch um europäische Geschichte handelt. 3. Dass wir diese Geschichte bis zum Attischen Seebund zurückverfolgen können.

Jetzt müssen wir nur noch die Lücke von c.a. 1000 Jahren seit dem Untergang Karthagos i.d. Spätantike bis zu den Barbaresken-Staatem schließen. Eröffnete sich vielleicht ein Macht-Vakuum in Nordafrika auch infolge von Abrodungen/Umweltzerstörungen/"Verwüstungen" im buchstäblichen Sinne und daraus resultierender wirtschaftlicher Schwäche und staatlicher Instabilität ?

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PS: Ich vermute, dass man in der Commerz Bibliothek, "die älteste private Wirtschaftsbibliothek der Welt" ganz gut zum Thema recherchieren kann. Ansässig direkt im Rathaus, Eingang hinten, derselbe zur Börse, wo ich ebenfalls ein Praktikum absolvierte. Jedenfalls saß da immer diese Asiatin - neben anderen Professoren - unten im Archiv und studierte die Bücher über die Fahrten zu der Zeit, die Schiffe und Schiffstypen und dergl. mehr.

auch jüngst hier:

https://www.perlentaucher.de/buch/salvatore-bono/piraten-und-korsaren.html

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es kann getrost gesagt werden...
@ Che

Vorbemerkung:

Ich bin generell von meinem Naturell her so eine Art Häretiker. Das hat viele Nachteile, aber einen Vorteil, nämlich, dass ich unter keinerlei Bekenntniszwängen leide. So kann ich mich zum Beispiel an bestimmter feministischer Theorie aus dem "third wave"-Umfeld regelrecht erfreuen, auch wenn ich größere Anteile dieser philosophischen Richtung für komplett Banane halte.

Das ist wirklich angenehm: Auch dem ollen Marx mag ich manche Erkenntnis/Theorie und Formulierung entwinden - ohne dann gleich zu grundloser Bewunderung im Ganzen niederzubuckeln. Zugleich mag ich bestimmte Argumentationen von Neoliberalen (zu denen sage ich standarmäßig: "Pfui!").

Kaum ein größerer Kopf kann ständig irren (mit Ausnahmen von Leuten wie "von" Mises, die aber nur den mittleren Begabungen zugeordnet werden sollten) - und wirklich niemand kann immer recht haben, verfügt er noch über die allerschönste Ideologie.

Nach langer, umständlicher Vorrede mein Widerspruch

Che, du schreibst: " Es kann getrost gesagt werden, dass dieser Dreieckshandel den Kick-Off zur Entwicklung des europäischen Kapitalismus gab, wie im Afrikanischen Geschichtsbuch beschrieben.

Ich halte von dieser Aussage nicht viel. Sie ist überwiegend komplett falsch, denke ich. Schau dir mal den schönen Kolonialismus Spaniens an!

Da plünderten die Spanier und Portugiesen tonnenweise Gold, Silber und Edelsteine, und zwar in einer Größenordnung, die wirtschaftlich von allergrößter Bedeutung war.

War das ein "Kickstart" für den iberischen Kapitalismus? Keine Spur!!

Der Effekt ist eher mit dem Effekt des Ölreichtums arabischer Staaten (bzw. von Venezuela) zu vergleichen: Der unverhoffte Reichtum wird unproduktiv eingesetzt.

Umgekehrt zeigten sich europäische Staaten ganz besonders "gekickstarted", z.B. das noch Anfang des 19.Jhd. ausgesprochen rückständige Deutschland, die über gar keine volkswirtschaftlichen Kolonialgewinne verfügten.

Warum?

Gute Frage! Ein wesentlicher Faktor waren Bildung, Wissenschaft und technischer Fortschritt, sowie immense Produktivitätsgewinne im Rahmen der industriellen Revolution.

Das ehemals so starke und dominierende osmanische Reich hingegen stagnierte und brach am Ende auseinander.

Warum? Zu wenig Kolonialgewinne/Ausbeutung? Nein! Gewiss nicht. Der Grund war im Kern ein religiöser (imho massiv falsch interpretierter Islam): Aufgrund religiöser Erwägungen wurde der Buchdruck zunächst verboten (!), und dann nur in arabischer Sprache gestattet - was die Bevölkerung von der Wissensverbreitung über Bücher abschnitt.

Wenn der Kickstart über die Ausbeutung afrikanischer Gesellschaften so bedeutend gewesen wäre, dann hätte das osmanische Reich mindestens genauso einen Aufschwung erlebt, wie es in Europa der Fall war.

So war es eben nicht. Im Übrigen wurde deutlich mehr gehandelt als nur Kolonialgüter. Schaut man sich die Umschlagsstatistiken in den Häfen an, dann sollte das ausgesprochen offenbar sein.

So sehr herkömmliche Geschichtsschreibung Mängel hat (und die vielfältigen Ausbeutungsprozesse imho nicht einmal im Ansatz ausreichend beschreibt), so wenig sind die "african studies" auch nur einen Deut besser geeignet zum Verständnis geschichtlicher Prozesse.

Solche Theorien weigern sich zumeist, inhaltlich kritisiert zu werden. Zum Beispiel, weil inhaltliche Kritik ja per se "rassistisch" sei.

Nun dann: Dann gehören derartige Ideen halt einfach ignoriert.

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Lieber Ziggev, danke für diese großartigen Einblicke, sdehr inspirierend für mich, werde daraus noch was machen, ebenso wie aus den Anregungen von Bersarin.

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Dean, wie bei Dir so üblich liest Du mir nicht zu. Ich habe nichts davon geschrieben, dass die iberoamerikanische Gold-Tabak-Kaffee-Kakao-Chili-Ausplünderung etwas mit dem Entstehen des europäischen Kapitalismus zu tun gehabt hätte. Sondern im Afrikanischen Geschichtsbuch steht, dass die Faktorierung der Einkünfte aus dem Dreieckshandel in europäischen Hafenstädten die Grundlagen des europäischen Kapitalismus schuf. Ohne den Baumwollhandel hätte es keine britischen Textilfabriken gegeben, und die Dampfmaschine wäre zu nichts Anderem als zum Trockenpumpen von Bergwerksschächten benutzt worden. Ohne den Siebenjährigen Krieg keine europaweite Massenproduktion britischer Baumwollstoffe, keine Spinning Jenny, kein mechanischer Webstuhl, keine deutschen Leineweber und Weber in Schlesien, alles unmöglich ohne Ost- und Westindienhandel. Das Afrikanische Geschichtsbuch wurde zu einem Zeitpunkt verfasst, als es "african studies" noch gar nicht gab, der Held des Tages hieß Juri Gagarin oder Albert Schweitzer, und Deine Ausführungen dazu gehören noch nichtmal ignoriert.

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ach, Che, bitte verlinke mir doch, für den Fall, dass es sich lohnt, bersarins Link.

Anstatt weiterhin Philosophiegeschichte zu referieren oder mehr oder weniger wortgetreu wiederzugeben - eine Krankheit seit den 90ern, als man sich nach dem Mauerfall von der internationalen Entwicklung (die gerade den deutschen, kontinentalen Kontakt suchte) tragischerweise abzukoppeln suchte und also nichts geringeres als einen eklatanten Rückfall in einen deutschtümelnden roll-back als einzige Zuflucht für minderbemittelte Philosophen hochzujazzen beliebte - anstatt also Philosophiegeschichte mit Philosophieren zu verwechseln, sollte er sich doch wieder auf sein Metier, dem Referieren altbekannter Topoi (z.B. Hegels) besinnen.

Sobald er sich aber ins politische Feld hineinbewegt, frage ich mich, ob es sich wirklich lohnt, und sei es auch nur für meine persönlichen Zwecke, seinen Äußerungen eine eingehendere Analyse angedeihen zu lassen. (Aber ich denke noch drüber nach, ob nicht doch.) Wie bei summacumlade schon betont, halte ich den bersarinschen roll-back für einen der gefährlichsten heutigen Tages.

- Übrigens, wie ich gerade hörte, hat jetzt jedenfalls eine der Töchter der o.g. Familien eine regelrechte "Partie" gemacht. Eine Handwerkerin mit Sohn. Und - as far as I know - die einzige. Alle anderen (wenn nicht bereits koksend in der hamburger Börse abgestürzt, - naja, ich hoffe, die Immobilien retteten dann doch wenigstens ein paar "Essentials") sind Gärtner geworden ...

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Das ist der Thread hier:

https://bersarin.wordpress.com/2017/08/15/deutscher-buchpreis-2017-die-lange-aber-feine-liste/#comment-12264


Ich teile übrigens Deine Bersarin-Kritik in keiner Weise, aber darüber wird an anderer Stelle zu diskutieren sein.

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ok

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Ich bestreite den Ursache-Wirkungszusammenhang
Che,
ich teile einfach bestimmte Sichtweisen nicht. Teils aus Mangel an Wissen und Hintergrundwissen, teils aus Entfremdung aus linken Zusammenhängen, teils eben daher (das ist mir der liebste Anteil), weil ich mich generell gerne von Denk- und Argumentationsgewohnheiten löse.

Da schlägt ein gewisser autistischer Prozess bei mir voll durch.

Wie nun konkret?
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Es ist ja richtig: Die Textilindustrie stand am Anfang der industriellen Revolution so ziemlich im Zentrum. Nur: Wie verhielten sich Ursache und Wirkung zueinander?

Man könnte auch genau die gegenteilige These vertreten, nämich, dass die Mechansierung bzw. der technische Fortschritt am Anfang (!) stand, und der Baumwollbedarf sich als Folge eben so deutlich erhöhte - bis dahin, dass damit dann der beschönigend "transatlantisch" genannte Ausbeuterhandel entfaltete, mit allen hässlichen Seiteneffekten.

Die zugrunde liegenden Prozesse, technischer Fortschritt, deutliche Beschleunigung technisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse:

Die fand ohnehin statt. Es dauerte noch eine Zeit lang, bis man Eisen und Stahl wirklich effizient verhütten konnte, bis die Fortschritte in der Chemie gemacht wurden, welche am Ende die gesamte Produktionsweise gründlich veränderten.

Alle diese zugrunde liegenden Prozesse hätten auch stattgefunden, sogar auch der Kapitalaufbau, ohne auch nur einen einzigen Gramm amerikanischer Baumwolle.

Ich bin mir dabei sogar völlig sicher (was in geschichtlichen Zusammenhängen eigentlich deutlich zu vorwitzig ist). Dazu kenne ich Teile der Technikgeschichte allzu gut und im Detail. Um es mal aus meiner Lesart (eine Mixtur, die sich zu stärkeren, eventuell übertrieben gewichteten Anteilen aus Technik- und Wissenschaftsgeschichte speist, aber auch aus sozialgeschichtlichen Faktoren wie Landflucht etc, sowie Veränderungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen wie eben Marktbildungsprozesse, Akkumulation, Eigentums- und Wettbewerbsordnung im Wechselspiel mit staatlicher Entwickung/Veränderung)
zu lösen, von der ich vermutlich zu stark eingenommen bin, allgemein lässt sich leider nur Folgendes sagen:
„Fast drei Jahrhunderte der empirischen Forschung und des Nachdenkens durch eine Abfolge der besten Köpfe in den Geschichts- und Sozialwissenschaften haben zu keiner allgemeinen Theorie der Industrialisierung geführt.“


(Patrick K. O’Brien, Industrialisation, 1998)

Im Übrigen habe ich immer noch ein gewisses Faible für marxistische Lesarten der Industrialisierungsgeschichte - so sehe ich ebenfalls teils sogar sehr deutliche Verarmungstendenzen in der Industriearbeiterschaft, welche von kapitalismusbesoffenen Sozialforschern und Literaten so gerne bestritten werden.

Denjenigen, die bei diesen geschichtlichen Prozessen den Blutzoll zahlten, bzw. den Nachfahren dieser Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer mit ihnen verbunden fühlen, die werden ohnehin ihre eigenen Lesarten entwickelt haben.

Und so merkwürdig das Ganze auch ist, man stößt bei all diesen Fragen ganz schnell auf ideologische Vorhaltungen und Vorbehalte.

Da habe ich es dann wieder ganz einfach: Erstens weiß ich sehr genau, wie immens viel mir an Wissen auf diesem Sektor fehlt, und zweitens, störe ich mich nicht im Geringsten daran, wenn ich die Gelegenheit erhalte, einen alten Irrtum durch einen Neueren zu ersetzen oder jedenfalls durch etwas, das wahrhaftiger ist.

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Ich bestreite den Ursache-Wirkungszusammenhang
Che,
ich teile einfach bestimmte Sichtweisen nicht. Teils aus Mangel an Wissen und Hintergrundwissen, teils aus Entfremdung aus linken Zusammenhängen, teils eben daher (das ist mir der liebste Anteil), weil ich mich generell gerne von Denk- und Argumentationsgewohnheiten löse.

Da schlägt ein gewisser autistischer Prozess bei mir voll durch.

Wie nun konkret?
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Es ist ja richtig: Die Textilindustrie stand am Anfang der industriellen Revolution so ziemlich im Zentrum. Nur: Wie verhielten sich Ursache und Wirkung zueinander?

Man könnte auch genau die gegenteilige These vertreten, nämich, dass die Mechansierung bzw. der technische Fortschritt am Anfang (!) stand, und der Baumwollbedarf sich als Folge eben so deutlich erhöhte - bis dahin, dass damit dann der beschönigend "transatlantisch" genannte Ausbeuterhandel entfaltete, mit allen hässlichen Seiteneffekten.

Die zugrunde liegenden Prozesse, technischer Fortschritt, deutliche Beschleunigung technisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse:

Die fand ohnehin statt. Es dauerte noch eine Zeit lang, bis man Eisen und Stahl wirklich effizient verhütten konnte, bis die Fortschritte in der Chemie gemacht wurden, welche am Ende die gesamte Produktionsweise gründlich veränderten.

Alle diese zugrunde liegenden Prozesse hätten auch stattgefunden, sogar auch der Kapitalaufbau, ohne auch nur einen einzigen Gramm amerikanischer Baumwolle.

Ich bin mir dabei sogar völlig sicher (was in geschichtlichen Zusammenhängen eigentlich deutlich zu vorwitzig ist). Dazu kenne ich Teile der Technikgeschichte allzu gut und im Detail. Um es mal aus meiner Lesart (eine Mixtur, die sich zu stärkeren, eventuell übertrieben gewichteten Anteilen aus Technik- und Wissenschaftsgeschichte speist, aber auch aus sozialgeschichtlichen Faktoren wie Landflucht etc, sowie Veränderungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen wie eben Marktbildungsprozesse, Akkumulation, Eigentums- und Wettbewerbsordnung im Wechselspiel mit staatlicher Entwickung/Veränderung)
zu lösen, von der ich vermutlich zu stark eingenommen bin, allgemein lässt sich leider nur Folgendes sagen:
„Fast drei Jahrhunderte der empirischen Forschung und des Nachdenkens durch eine Abfolge der besten Köpfe in den Geschichts- und Sozialwissenschaften haben zu keiner allgemeinen Theorie der Industrialisierung geführt.“


(Patrick K. O’Brien, Industrialisation, 1998)

Im Übrigen habe ich immer noch ein gewisses Faible für marxistische Lesarten der Industrialisierungsgeschichte - so sehe ich ebenfalls teils sogar sehr deutliche Verarmungstendenzen in der Industriearbeiterschaft, welche von kapitalismusbesoffenen Sozialforschern und Literaten so gerne bestritten werden.

Denjenigen, die bei diesen geschichtlichen Prozessen den Blutzoll zahlten, bzw. den Nachfahren dieser Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer mit ihnen verbunden fühlen, die werden ohnehin ihre eigenen Lesarten entwickelt haben.

Und so merkwürdig das Ganze auch ist, man stößt bei all diesen Fragen ganz schnell auf ideologische Vorhaltungen und Vorbehalte.

Da habe ich es dann wieder ganz einfach: Erstens weiß ich sehr genau, wie immens viel mir an Wissen auf diesem Sektor fehlt, und zweitens, störe ich mich nicht im Geringsten daran, wenn ich die Gelegenheit erhalte, einen alten Irrtum durch einen Neueren zu ersetzen oder jedenfalls durch etwas, das wahrhaftiger ist.

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Es dampfmaschint, wenn das Zeitalter der Dampfmaschine gekommen ist.
Die Griechen kannten sie bereits, sogar in Form einer sehr archaischen Dampfturbine, und setzten sie zu genau zwei Zwecken ein: Als eine Art Partygag und zum magischen Öffnen von Tempeltoren auf Wink des Priesters. Niemand wäre auf die Idee gekommen sie zu wirtschaftlichen Zwecken einzusetzen, denn dafür hatte man Sklaven.

Der Baumwollbedarf erhöhte sich aus benennbaren Gründen: Weil man die immer größer werdenden stehenden Heere in Uniformen hüllen musste und der Stoff hierfür gut und billig sein musste, was ohne industrielle Produktion und mit anderen Fasern nicht möglich gewesen wäre. Die Kämpfe Großbritanniens und Frankreichs um die Vorherrschaft auf der Welt waren hier der Motor, und letzterer, die Dampfmaschine, kam nicht zufällig, sondern zwangsläufig und als historische Notwendigkeit zu diesem Zeitpunkt zum Einsatz. In einer primitiven Variante hatte sie als "Bergmanns Freund" schon ein halbes Jahrhundert vorher eine Nischenexistenz als Lenzpumpe in Erz- und Kohleschächten geführt. Auch die Steinkohleförderung hängt mit den Kriegen zusammen: Nachdem die Eichenwälder der britischen Inseln praktisch komplett abgeholzt waren, um Englands "Hölzerne Mauern", die von Kanonen starrenden Men O´War zu bauen gab es zum Befeuern von Eisenhütten und Geschützgießereien nicht mehr genügend Brennmaterial - man hätte den kompletten Rest an Wäldern sonst vollständig in Holzkohle verwandeln müssen. Hier gibt es keine zufälligen Koinzidenzen sondern nur Zwangsläufigkeiten. Und nicht die Technik bringt Veränderungen hervor, sondern der technische Fortschritt folgt ökonomischen Prozessen.

BTW: Eine Fabrikbesichtigung erzeugt keine Kapitalismustheorie.

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Sorry, aber ich muss nachhaken, ... ich finde hier beim Lesen einen doch sehr laxen Gebrauch des Begriffes der "historischen Notwendigkeit" in verschiedenen Abwandlungen, bishin dazu, dass es hier "keine zufälligen Koinzidenzen [gebe], sondern nur Zwangsläufigkeiten"!

Absurder geht es nicht - ich verlange nach zumindest Anfangsplausibilität !

Als Historiker müsstet Du mir diese abstruse Redeweise doch irgendwie erklärlich machen können, so hoffe ich jedenfalls.

Zunächst eine grobe Charakterisierung meiner Probleme, die ich mit einer solchen Phraseologie (denn mehr kann es nicht sein) habe. Es scheint, dass hier hinter des Kulissen ein unsichtbarer Geist am Wirken sei, der zu gewissen Ergebnissen, komme was wolle, hinstrebe, allmächtig genug, die für die betreffenden Resultate erforderlichen Bedingungen aus dem Hut zu zaubern.

Nur kurz zur Erinnerung: In der Logik lernen wir den Begriff der Notwendigkeit etwa wie folgt zu verstehen. Nämlich praktisch genau entsprechend einer sog. conditio sine qua non - also einer unerlässlichen Bedingung, ohne deren Erfülltheit die jeweilige Folge schlicht gar nicht hätte eintreten können. Eine notwendige Folge wäre also demgemäß eine 'contradiction in terms'. Notwendig sind zunächst nur Bedingungen. Das ist sehr wichtig. Aber weiter.

Ich will ja versuchen, den rein logischen Exkurs möglicht kurz zu halten. Er hilft aber vielleicht, meine Verwirrung zu erklären, und damit den genaueren Sinn meiner Frage (wie "historisch notwendig, zwangläufig" in Absetzung zur reinen logischen Begriffsbildung alternativ zu verstehen sei).

Schauen wir uns also ein paar historische Beispiele an, wo aus den Bedingungen notwendig auf gewisse Folgerungen geschlussfolgert wurde. Z.B. ontologische Gottesbeweise (Descartes, Leibniz). Lax formuliert, wurde aus dem Inbegriff der Vollkommenheit Gottes dessen Existenz "notwendig" 'gefolgert'. Hier sind wir, bitte nicht vergessen, rein begriffslogisch unterwegs. Wenn Gott den Inbegriff aller Vollkommenheit darstellt, so müsse auch dessen Existenz mitinbegriffen sein. Mit anderen Worten, wenn Gott nicht existieren würde, wäre der Begriff des Inbegriffs der Vollkommenheit nicht realisiert. Leibniz behauptete, dies deduzieren zu können. Beim "notwendigen" Schluss auf die Existenz Gottes handelt es sich also in Wirklichkeit um einen deduktiven, begriffslogischen Rückschluss! Das Wort "folgern" darf also i.S. einer Vorwärtsbewegung nicht missverstanden werden. Im rein logischen Modell schließen wir "mit Notwendigkeit" immer bloß auf die sine qua non-Bedingungen, sofern wir von irgendeiner Folgerung ausgehen.

Bleiben wir bei diesem Schema, so würde das bedeuten, dass, wenn wir behaupten, dass ein Ereignis E notwendig eintreten musste, es eintrat,
damit die Entwicklung einen bestimmten Gang hatte nehmen können. Ereignis E musste also 'notwendig' eintreten, weil die Entwicklung, die dann eintrat, vorherbestimmt gewesen ist ? Nur dann, wenn ich das behaupte, kann ich den Begriff der Notwendigkeit im logischen Sinne aufrechterhalten.

Wenn man weiß, welche Entwicklungen sich tatsächlich zugetragen haben, ist es ein Leichtes, diejenigen Bedingungen auszumachen, die hatten eintreten müssen, sodass sie sich auch tatsächlich zutrugen. Eine "Zwangsläufigkeit" der Entwicklung oder dergl. zu behaupten, bedingt aber einen vollkommen anderen Begriff der Notwenigkeit. Diese Differenz nicht einmal zu bemerken, macht mich nun über die Maßen misstrauisch, was die intellektuelle Redlichkeit oder Tüchtigkeit der Proponenten eines solchen meist sehr vagen Begriffs der Notwendigkeit betrifft. Aber weiter:

Natürlich vertrauen wir letztlich auf die durch die Alltagserfahrung verbürgte Verlässlichkeit, dass bei bestimmten Gegebenheiten mit einiger Sicherheit bestimmte Folgen eintreten. Hier betreten wir das weite Feld der induktiven Logik. D.h. es geht um die Verlässlichkeit gewisser Vorhersagen. Sind Bedingungen a,b,c gegeben, kann ich mit einiger Sicherheit die Folge(n) d, e, f vorhersagen.

Für die Verlässlichkeit solcher Voraussagen werden aber standardmäßig möglichst genau definierte Anfangsbedingungen modelliert. Also: 'Immer (und nur dann) wenn a,b,c, ... dann x, y, z. Solche Modelle werden dann halt immer wieder empirisch überprüft, ob man nicht irgendwelche b's, c's usw. als nicht notwendig oder hinreichend 'rausschmeißen kann usw. Beispielsweise leuchtet dann, so eine etwas laxere Sprechweise, mit Notwendigkeit die Lampe bei Stromzufuhr bei der und der Schaltung - sofern keine anderen Störungen vorliegen! Also eine vollkommen andere Situation als bei historischen Prozessen, für die eine solche Kontrolle der Anfangsbedingungen und damit die Annahme einer "notwendigen Kausalbeziehung" nur in sehr wenigen Fällen, wenn überhaupt, nicht schlicht als ein Ding der schieren Unmöglichkeit betrachtet werden muss.

Wir haben es mit notwendigen und hinreichenden Bedingungen zu tun. Und ich bin alles andere als ein Feind von Empirie. Der Begriff der Notwendigkeit jedoch, wofern auf die (kausal bedingten) Folgerungen bezogen, ist hier immer noch um Weiten schwächer als der rein logische.

Die Erfindung des Webstuhls jetzt also mag ja notwendig für die weitere Entwicklung des Kapitalismus, wie wir ihn kennengelernt haben und erleben mussten, gewesen sein; aber zu behaupten, dass sie "zwangsläufig" passieren musste, "notwendig" aus den vor ihr bestehenden Bedingungen, lässt sich weder anhand des rein logischen Begriffs der Notwendigkeit noch als kausale Gesetzmäßigkeit durchführen. (Gegenbeweis ?)

Wie, bitte, soll ich mir das vorstellen? Eine Totalität von historisch gegebenen Bedingungen, die eine gewisse Spannung aufbauten, und welche sich qua Erfindung des Webstuhls als Katalysator oder Kristallisationspunkt irgendwie löste ? Nochmal, wir haben es mit hinreichenden Bedingungen zu tun, auch wenn sie im Nachinein den Anschein zu erwecken vermocht haben mögen, nach einer solchen Erfindung zu schreien. Und bei kausalen Erklärungen, die auch nur entfernt den Begriff der Notwendigkeit rechtfertigen, handelt es ich um streng reglementierte, idealisierte Modelle.

Wie hätte denn Beweis, dass der Webstuhl notwendigerweise nicht hätte nicht erfunden werden können, geführt werden sollen ? Wir hatten "ermöglichende", hinreichende Bedingungen für seine Erfindung. Dafür, dass er erfunden wurde, lassen sich auch unter ihnen bestimmt auch notwendige ausmachen. Sorry, aber mehr gibt der Begriff der Notwendigkeit nicht her. - Es sei denn, ich vertrete eine teleologische Geschichtsauffassung.

Und wie jede Irrationalität lässt sie sich nur durch eine noch größere Irrationalität rationalisieren. Die Zukunft verursacht die Vergangenheit - das ist's was behauptet werden müsste. Aber um diesen Umstand zu verschleiern, versucht man die Schwäche der eigenen Argumentation durch die Emphase des eigenen logischen Fehlers zu kompensieren: "Notwendigkeit", "Zwangsläufigkeit" gerade dort, wo sie genau nicht stattfindet.

Verzweiflung also meinerseits: was um Himmels Willen kann damit im gemeinten Kontext gemeint sein, wenn nicht deren Proponenten sich in Eintracht mit einer quasi göttlichen Perspektive wähnen ?

...

Aber auch die Empirie spricht eine andere Sprache. Zuerst wurde die Webmaschine erfunden. Dann dauerte es noch eine gewisse Zeit, bis ein finanziell knapper Kerl (war es ein böhmischer Adliger? - Es war, glaube ich, ein australischer Farmer englischer Abstammung) mit seinen Schafzüchtungen die Nachfrage für Kriege nach Stoffen erkannte, und dann ging die Geschichte, wie standardmäßig beschreiben, ihren Gang.

William Smith

https://de.wikipedia.org/wiki/William_Smith_(Geologe)

Sohn eines Schmieds und Autodidakt hatte beim Herumkrabbeln in irgendwelchen Schächten für den Kohleabbau oder, engagiert als Vermesser, beim Betrachten verschiedener Erdschichtungen bei Kanalbauten eine 'Erleuchtung' - auf ihn geht die Stratigraphie zurück.

https://de.wikipedia.org/wiki/Stratigraphie_(Geologie)

Er erstellte unter großen Mühen und mit großer Aufopferungsbereitschaft für ein neues wissenschaftliches Paradigma die erste geologische Kartierung Großbritanniens - die natürlich überaus nützlich war, um die Kohlevorkommen möglichst optimal auszubeuten. Gerade desh. wurde über lange Jahre ihm seine Leistung aberkannt, die, wie damals üblich, natürlich irgendwelche Adlige für sich in Anspruch nahmen.

Es ist natürlich vollkommen lächerlich, dass Smiths Geistesblitz, der übrigens die erdgeschichtliche Datierung nach biblischen Vorbild ad absurdum führte und dem gerade desh. nicht geringe Vorbehalte entgegenschlugen, einer übergeordneten "Notwendigkeit" folgte.

Derartiges zu glauben, entbehrt - as a matter of facts -
jeder Plausibilät. Oder, um mit anderen Worten zu sprechen, die Borniertheit, mit der das Element des Zufalls in der Geschichte geleugnet wird, ist einfach lächerlich. Wenn die Geschichte zu irgendetwas zwingt, sollten solche Thesen der Notwendigkeit aufrechterhalten werden, dann zu einem wiehernden Gelächter.

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Da Du Marx nicht kennst weißt Du nicht, was eine HISTORISCHE NOTWENDIGKEIT ist, das ist Dein Problem. Von einem solchen idealistischen Determinismus wie Du ihn mir da unterstellst bin ich sehr weit entfernt, hier geht´s um brute economical facts.

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Die historische Notwendigkeit der Industriellen Revolution in England, oder: Krieg und Handel als Eltern aller Dinge
Also noch mal kurz zusammengefasst: Um ihre riesige Flotte zu bauen mit der sie Kriege in aller Welt führten haben die Briten die zusammenhängenden Eichenwälder ihrer Inseln praktisch komplett abgeholzt. Damit fehlte der zum Betreiben von Eisenhütten und Geschützgießereien bis dahin nötige Rohstoff: Eichenkohle. Also musste man in die Tiefe und Steinkohle schürfen, wollte man nicht aus der europäischen Geschichte katapultiert werden. Sehr bald waren die Schächte so tief dass von Hand, Pferden oder Schöpfrädern betriebene Pumpen nicht mehr ausreichten die Schächte, die sofort unter Wasser fielen trockenzuhalten. Zu diesem Zweck, also als reine Pumpmaschine, wurde 1698 die Dampfmaschine erfunden. Und sie wurde auch etwa 70 Jahre zu keinem anderen Zweck verwendet, bis es zu einer besonderen Konstellation kam: England hatte den Siebenjährigen Krieg gewonnen und war zur Großmacht Nr. 1 aufgestiegen. Es beherrschte Indien und hatte damit Zugriff auf die größten Baumwollressourcen der Welt. Gleichzeitig gab es eine ungestillte Nachfrage nach Stoff für die Uniformen der im Vergleich zu früheren Zeiten riesigen stehenden Heere, der gleichzeitig strapazierfähig, einfach zu färben und preisgünstig sein musste. In dieser Zeit wurden in England die Spinnmaschine und der mechanische Webstuhl erfunden. England wurde zur Uniformschneiderei der Welt und die Dampfmaschine zum Antrieb für die neuen Textilfabriken. Hier kamen Faktoren zusammen die es nirgendwo sonst auf der Welt gab und die der Grund dafür waren, dass sich die Industrielle Revolution zunächst in England entwickelte, nicht in Frankreich, Preußen, Österreich oder Russland. Diese Faktoren waren: Eine hochentwickelte Ingenieurskunst und wissenschaftliche Denkweise im Lande Newtons (und nicht dem der Inquisition), die geschilderte Entwicklung die von einer Ressourcenverknappung zur Kohleförderung und zur Dampfmaschine geführt hatte, eine liberale Wirtschaftsordnung in der Patente und Konzessionen nach rationalen Prinzipien über vom Parlament eingesetzte Kommissionen vergeben wurden (keine willkürliche königliche Privilegienvergabe wie anderswo) und ein weltweites Handelsimperium, dass Großbritannien in die Lage versetzte, die globale Nachfrage auch zu bedienen und eine weltweit operationsfähige Flotte um die nationalen Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Sowohl das zum Aufbau dieser Strukturen investierte Kapital als auch das Handelsnetzwerk selber waren im Zusammenhang mit dem Dreieckshandel verdient bzw. aufgebaut worden. Um hier Zwangsläufigkeiten und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen brauche ich kein begriffs- und formallogisches Bramarbasieren.

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@Dean: Dass Du einem idealistischen, nicht empirisch-materialistischen Ansatz das Wort redest konnte ich ja schon öfter feststellen, wenigstens die zeitliche Reihenfolge sollte aber stimmen. Du hattest ja schon beim Thema Novemberrevolution gewaltig gepatzt, als Du die Gründung der USPD, aus der der Spartakusbund hervorgegangen ist, auf die Zeit nach der Novemberrevolution datiert und von KPD-Räten gesprochen hattest, obwohl die KPD noch gar nicht gegründet worden war.

https://che2001.blogger.de/stories/1022991/

Im hier vorliegenden Fall geht allerdings Dein Vertrauen in die Technikgeschichte so weit, dass die Existenz der Zeitmaschine Voraussetzung des Geschehenen wäre: "Man könnte auch genau die gegenteilige These vertreten, nämich, dass die Mechansierung bzw. der technische Fortschritt am Anfang (!) stand, und der Baumwollbedarf sich als Folge eben so deutlich erhöhte - bis dahin, dass damit dann der beschönigend "transatlantisch" genannte Ausbeuterhandel entfaltete, mit allen hässlichen Seiteneffekten." ------ Dieser transatlantische Handel, zumindest in Form des "Goldenen Dreiecks", spielte sich schwerpunktmäßig 1550 - 1780 ab. Wann fand denn die Mechanisierung statt?

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stimmt ja, und wer würde dem nicht beipflichten: "von nix kommt nix" (principle of sufficient reason). Bei der Entwicklung Englands hin zu einer imperialen Handelsmacht wäre es natürlich lächerlich, die Gründe hierfür durchgängig als zufällig zu bezeichnen. Und gerade in diesem Fall kann ich anhand Deiner Darstellung gut nachvollziehen, wie hier einander bedingende Faktoren wieder weitere Entwicklungen oder Faktoren ("zwangsläufig") bedingten usw.

Andererseits scheinst Du Dich von ganz simplen (aber nicht unbedingt monokausalen) Modellen von Kausalität - und in ihrer formallogischen Konzeption ja absichtlich fast trivialisierten Form - frei machen oder solche ignorieren zu müssen, um behaupten zu können, dass es nur Notwendigkeit oder Zwangsläufigkeit gebe. Ich vermute, dass daher mein Verdacht herstammt, etwas sei am Werke, was Du "idealistischen Determinismus" nennst. Zu leugnen, dass es eben auch eigenständige Faktoren für gewisse Entwicklungen geben könnte, eigenständig i.S.v. zufällig hinzukommenden, ist eben alles andere als empirisch gedacht.

first_dr.deans Versuch, die Kontingenz aller historischen Tatsachen durchzuführen, scheint mir auch einigermaßen ungelungen. Das Ansinnen, dieselbe aber in toto zu leugnen, scheint mir jedoch wieder lediglich auf kontingente und nicht notwendige Ursachen (i.S.v. Zwangsläufigkeit) zurückführbar zu sein.

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noch ´n Nachtrag zu den Balkanesken-Staaten
zuerst Selbstkritik: Wenn schon "analytisches" Idiom, dann auch brillant-konzis, was mir nicht gelang. "Bramarbasieren" lasse ich also gelten. Ich wollte Dir ja nur Gelegenheit geben, mir mal eine contradiction in terms wie "historische Notwendigkeit" zu erklären. Soll mir jetzt aber nicht mehr so wichtig sein. (Steht Dir aber natürlich immer noch frei, das zu tun.)

Habe nämlich jetzt erst die verlinkte Diskussion bei bersarin kurz überflogen. Und erkenne vage, was Du damit meintest, "damit mal was zu machen" (so in etwa). Neinneinnein. Auch wenn ich es für unvergleichlich leichter halte, sich ein paar Begrifflichkeiten aus der Logik draufzuschaffen, im Vergleich zu etwa marxistischer Terminologie, müssen wir das hier nicht wirklich weiterführen.

Es wurden drüben nicht unähnliche Themen diskutiert; mein achtungsvoller Eindruck ist, dass ich Dich bei Deinen Einlassungen unterstützen würde. (aber nur kurz überflogen.)

Was immer nur so wenige verstehen, ist, dass für mich als eines der höchsten Wahrhaftigkeitskriterien dieses ist, dass die Wahrheit, auf die sie abzielen, unbedingt Gaudi bereiten muss. So erzähle ich natürlich gern von alten Bekanntschaften aus meiner Vorstadt; von meiner Stadt. Irgendwie sind die Hamburger aber trotz Dreieckshandel immernoch stolz auf ihre Stadt. "Hamburgensien". Natürlich musste aber die Schimmelmann-Büste abgebaut werden. Keine Frage.

Du darfst Dir also meine Bezugnahme auf die "Barbaresken-Staaten" ruhig als eine Variation auf Trivialmythen der 50er oder 60ger Jahre á la "Der Rote Korsar" denken. Noch witziger wäre es natürlich, könnte man die Geschichte der Piraterie im Mittelmeer bis zum Untergang Karthagos zurückverfolgen. Es handelt sich bei mir also um rein historisches Interesse.

Als ginge es darum, bei sich selbst und anderen möglichst schlechte Laune zu erzeugen, hält man anders an einer rein ideologischen Diskussion fest, denn dann kann jeder, sein eigenes Süppchen kochend, zu Zwecken der Abgrenzung umso brillantere Argumente, unwahrscheinlichere Zitate bringen, was dem einzigen Zweck dient, das eigenen Ego zu stärken. Gaudi und Fun gehen aber nur, wenn das Ego mal ausgeschaltet bleibt. Und deshalb führen nur Gaudi und Fun zu wahrem wissenschaftlichem Interesse und sachlicher Diskussion. (ziggevscher Wahrheitsbegriff.)

Z.B. erzählte ich, dass es mir Spaß mache, als Lernhelfer für die deutsche Sprache für Flüchtlinge unterwegs zu sein, mich mit den Leuten wohlfühle, natürlich anekdotisch angreichert, wie auch sonst - und wurde glatt der Lüge bezichtigt.

Ok, letzter Absatz gehört wieder eigentlich nach drüben; aber irgenwie scheinen alle die Rorty-Putnam-Feyerabend-Diskussion vergessen zu haben (concerning Relativismus). Nun, was soll´s. Deine Ankündigung, etwas aus meinen aus reinen Gaudi-Gründen vorgetragenen Anmerkungen zu den "Barabaresken-Statten" (allein der Name!) bzw. dem Zusammenhang, der, wovon ich ausgehe und ging, Dir bekannt gewesen sein dürfte, zu machen, in Zusammenhang mit der Diskussion drüben, hält dann doch mein Interesse an diesem ganzen ideologisch gefärbten Kladderadatsch wach. see you !

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