Dienstag, 1. Februar 2022
Nocebo-Effekt erklärt Nebenwirkungen bei Impfungen
Von Michael van den Heuvel, Medscape


Letzten Freitag informierten Prof. Dr. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters, Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach und RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler Journalisten über die aktuelle Lage.



Karagiannidis bezeichnete SARS-CoV-2 als das ?schlimmste Virus der Lungenheilkunde der vergangenen 20 Jahre?. Auf Intensivstationen sehe man mittlerweile einen ?Omikron-Effekt?: Delta werde zunehmend durch Omikron verdrängt. Zwar sei die Hospitalisierungsrate noch ?akzeptabel?. Hohe Inzidenzen belasteten nun aber vermehrt Krankenhäuser. Auch der DIVI-Experte betonte, wie wichtig Impfungen seien. In Frankreich etwa habe nur 1% aller COVID-19-Patienten auf Intensivstationen einen Booster Shot bekommen.

Beim strittigen Genesenenstatus bemühten sich Lauterbach und Wieler, Harmonie zu zeigen. Zuvor hatte der Minister kritisiert, das RKI habe den Genesenenstatus ?über Nacht? auf 3 Monate verkürzt, ohne ihn zu informieren. Jetzt sprach Lauterbach nur noch von einem ?Kommunikationsproblem? ohne inhaltlichen Dissens und betonte: ?Bei Omikron haben wir das Problem, dass derjenige, der sich an der Delta-Variante infiziert hatte, sich schon nach 3 Monaten an Omikron infizieren kann.? In anderen EU-Staaten gilt der Genesenenstatus nach wie vor 6 Monate lang. Antworten auf die Frage, auf welche Studien sich sein Ministerium beziehe, blieb Lauterbach schuldig.

Impfungen: Der Nocebo-Effekt könnte 3 Viertel aller Nebenwirkungen erklären
Forscher haben in zahlreichen Studien Nebenwirkungen von COVID-19-Impfungen beschrieben. Eine Metaanalyse in JAMA kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass rund drei Viertel aller unerwünschten Effekte eine Folge des Nocebo-Effekts sein könnten, speziell leichte, häufige Beschwerden.

Insgesamt erhielten 22.578 Probanden eine Placebo-Impfung; weitere 22.802 Personen bekamen zugelassene COVID-19-Vakzine.

Nach der 1. Dosis traten bei 35,2% (95%-KI 26,7%-43,7%) der Placebo-Empfänger unerwünschte Effekte auf, oft Kopfschmerzen (19,3%; 95%-KI 13,6 %-25,1 %) bzw. Müdigkeit (16,7%; 95%-KI 9,8%-23,6%). Nach der 2. Dosis berichteten 31,8% (95%-KI 28,7%-35,0%) der Placebo-Empfänger über solche Beschwerden. ?Das Verhältnis zwischen Placebo- und Impfstoffarmen zeigte, dass Nocebo-Effekte 76,0% der systemischen unerwünschten Effekte nach der 1. COVID-19-Impfstoffdosis und 51,8% nach der 2. Dosis ausmachten?, fassen die Forscher zusammen.

?Die Studie ist der Beleg, dass die Erwartung der frisch Geimpften, Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Müdigkeit zu spüren, zu einem starken Auftreten ebendieser Nebenwirkungen führt?, sagt Prof. Dr. Ulrike Bingel von der Universitätsmedizin Essen sowie vom Sonderforschungsbereich 289 ?Treatment Expectation?. Und Prof. Dr. Winfried Rief von der Universität Marburg ergänzt, der Noceboeffekt sei gerade bei COVID-19-Impfungen besonders ungünstig. ?Wenn wir diese Nocebo-Reaktionen nachweisen und erklären, hoffen wir, die Sorgen vieler rund um die Impfung zu zerstreuen.? Denn gerade die Angst vor Nebenwirkungen werde häufig als Grund angegeben, sich nicht impfen zu lassen.

Wie ist Omikron entstanden? Mäuse unter Verdacht
Weltweit stellen sich zahlreiche Forscher die Frage, wie sich Omikron entwickelt hat. Sie wissen mittlerweile, dass diese Variante aus der B.1.1-Linie stammt, aber Mutationen aufweist, die in Alpha, Beta, Delta oder Gamma nicht vorkommen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die 27 Mutationen der Spike-Region innerhalb von nur 18 Monaten aufgetreten sind, d. h. 3,3-mal schneller als andere Varianten. Darüber hat Medscape Español berichtet.

Obwohl es mehrere Hypothesen gibt, ist eine mögliche Erklärung, dass das Virus einen tierischen Wirt hatte und auf Menschen zurück übertragen worden ist; das hat kürzlich von einer Gruppe von Wissenschaftlern in Peking untersucht.

Mutationen des Omikron-Spike-Proteins ähneln Mutationen, von denen bekannt ist, dass sie die Anpassung des Virus an Mäuse fördern. Sie zeigen eine erhöhte Affinität zum Angiotensin-Converting-Enzyme-2-Rezeptor der Maus. Das macht einen neuen Evolutionspfad recht wahrscheinlich.

Die Übertragung von SARS-CoV-2 vom Menschen auf Tiere ist ein Ereignis, das Virologen seit Beginn der Pandemie immer wieder befürchten, weil es zu neuen Mutationen und Varianten führt. Im März 2021 wurde in den Niederlanden ein Ausbruch von SARS-CoV-2 in mehreren Nerzfarmen gemeldet; mindestens ein Arbeiter hatte vor dem Ausbruch COVID-19-assoziierte Symptome.

Der Nachweis viraler RNA und viraler Genomvariationen in inhalierbarem Staub auf den Nerzfarmen deutete darauf hin, dass Staub oder Tröpfchen ein Mittel zur Virusübertragung zwischen Nerzen und dem beruflichen Expositionsrisiko für die Arbeiter auf den Farmen waren, was darauf hindeutet, dass ein Arbeiter das Virus von Nerzen aufnahm. Aufgrund des Risikos der SARS-CoV-2-Übertragung zwischen Tieren und Menschen wurde mehrfach beschlossen, infizierte Tiere zu keulen, jüngst 2.000 Hamster und andere kleine Säugetiere in 34 Geschäften in Hongkong.

COVID-19-Vakzin als Nasenspray: Klinische Studien ab Ende des Jahres
Ein nasaler Impfstoffkandidat könnte bereits Ende 2022 klinisch getestet werden, wie Medscape Édition Française schreibt. Er unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von bereits zugelassenen Vakzinen.

"Die intranasale Anwendung ermöglicht es, eine Immunantwort im Bereich der Nasenhöhle zu induzieren. Das Virus könnte frühzeitig gestoppt werden, da es sich nicht mehr vermehren kann, wodurch eine Infektion anderer Personen vermieden wird", erklärte Prof. Isabelle Dimier-Poisson von der Universität Tours. "Mit den intramuskulären Impfstoffen sind wir vor den schweren Formen von COVID-19 geschützt, aber wenn wir infiziert sind, können wir die Menschen in unserer Umgebung anstecken".

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Nocebo-Effekt erklärt einen großen Teil von LongCovid aber keine anaphylaktischen Schocks, Auto-Immun-Krankheiten, Irritierungen des Immunsystems, die sich durch Auftreten von Herpes zoster und Gürtelrose äußern, Rezidive bei Tumoren, Todsfälle, Embolien und Thrombosen sowie Myocarditis und Pericarditis.

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