Freitag, 19. Januar 2024
Leseempfehlung: Eva Illouz, Undemokratische Emotionen
Eva Illouz ist eine französisch-israelische Soziologin und Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie an der École des hautes études et sciences sociales in Paris. In Ihrem aktuellen Werk "Undemokratische Emotionen" beschäftigt sie sich mit den massenpsychologischen Grundlagen des Rechtspopulismus. Dies bezogen auf ihr eigenes Land, Israel und Benjamin Netanjahu. Unmittelbar vor dem Hamas-Überfall befand Israel sich ja in einer inneren Zerreißprobe, ausgelöst durch Netanjahus Angriff auf die israelische Rechtsstaatlichkeit. Die Strukturen und historischen Voraussetzungen dieser Auseinandersetzung analysiert sie von der Kritischen Theorie her kommend: "Obwohl die Niederlage des Faschismus offiziell besiegelt sei, so Adorno, bestünden die gesellschaftlichen Voraussetzungen für faschistische Bewegungen fort. Die Hauptschuld dafür laste er der unverändert herrschenden Konzentrationstendenz des Kapitals an, bedeute sie doch nach wie vor die Möglichkeit der permanente Deklassierung von Schichten, die ihrem subjektiven Klassenbewusstsein nach durchaus bürgerlich seien, die ihre Privilegien, ihren sozialen Status festhalten möchten und nach Möglichkeit ihn verstärken. Diese von Abwärtsmobilität bedrohten Gruppen seien es, die zu einem Hass auf den Sozialismus oder das, was sie Sozialismus nennen tendieren, das heißt, sie verschieben die Schuld an ihrer eigenen potentiellen Deklassierung nicht etwa auf die Apparatur, die das bewirkt, sondern auf diejenigen, die dem System, in dem sie einmal Status besessen haben, jedenfalls nach traditionellen Vorstellungen, kritisch gegenüber gestanden haben." Damit werden die Kernaussagen sowohl der Studien zum autoritären Charakter als auch der Elemente des Antisemitismus aus der Dialektik der Aufklärung in wenigen Sätzen zusammengefasst. Und der Ressentimentcharakter der israelischen Rechten unterscheidet sich in nichts von dem der Antisemiten - eine Rechte, die außerhalb der zionistischen Bewegung steht.

"Die heutige israelische Partei Likud (Zusammenschluss) wird immer als eine extreme Version ihrer Vorgängerin, der von Menachem Begin geführten Cherut-Partei, bezeichnet. Doch vergessen wir dabei, dass die Cherut zumindest anfangs als Terrororganisation betrachtet wurde, die außerhalb des zionistischen Konsenses stand. Am 4. Dezember 1948 veröffentlichte eine Gruppe amerikanischer Intellektueller anlässlich von Begins Staatsbesuch in den USA ein vernichtendes Urteil über seine Partei. Darin hieß es unter anderem: Zu den beunruhigendsten politischen Phänomenen unserer Zeit im neugegründeten Staat Israel gehört die Entstehung der "Freiheitspartei" (Tnu´at haCherut), einer politischen Partei, die in Organisation, Methoden, politischer Philosophie und gesellschaftlicher Anziehungskraft Nazi- und faschistischen Parteien sehr nahekommt. Sie wurde aus Mitgliedern und Anhängern der ehemaligen Irgun Zwai Leumi gebildet, einer terroristischen, rechten, chauvinistischen Organisation in Palästina... Der Vorfall von Deir Yasin veranschaulicht den Charakter und die Vorgehensweise der Freiheitspartei. In der jüdischen Gemeinschaft hat sie eine Beimischung von Ultranationalismus, religiöser Mystik und rassischer Überlegenheit gepredigt. Wie andere faschistische Parteien hat sie sich als Streikbrecher betätigt und auf die Zerstörung freier Gewerkschaften hingearbeitet. Stattdessen hat sie Standesverbände nach dem Vorbild des italienischen Faschismus angeregt.

Während der letzten Jahre sporadischer Gewalt gegen die Briten haben die IZI und die Stern-Gruppen in der jüdischen Gemeinschaft in Israel ein Terrorregime errichtet. Lehrer wurden verprügelt, wenn sie sich gegen sie äußerten, Erwachsene wurden erschossen, wenn sie ihren Kinden verboten, sich ihnen anzuschließen. Mit ihren Gangstermethoden, Prügelattacken, eingeworfenen Scheiben und weitverbreiteten Raubüberfällen haben die Terroristen die Bevölkerung eingeschüchtert und ihr einen schweren Tribut abverlangt. Die Mitglieder der Freiheitspartei haben keinen Anteil an den konstruktiven Errungenschaften in Palästina gehabt. Sie haben kein Land wiederewonnen, keine Siedlungen gebaut und lediglich die jüdischen Verteidigungsmaßnahmenbeeinträchtigt.

Unterzeichnet war dieser Brief von Geistesgrößen wie Albert Einstein, Hannah Arendt und Sidney Hook. In den Augen dieser liberalen Juden war die Cherut eine gefährliche rechtsradikale Partei... Begin wurde von Ben Gurion sogar mit Hitler verglichen".

Ich kann dazu ergänzen, dass es ein Buch von Hannah Arendt gibt in dem sie sich mit diesem politischen Flügel beschäftigt, es trägt den vielsagenden Titel "Sprengstoff-Spießer".

Ich finde, dass dies sehr interessante Informationen zum Hintergrund Netanjahus und des Likud aus linker israelischer Sicht sind.

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