Samstag, 9. November 2024
86 Jahre Reichspogromnacht
Oder auch Reichskristallnacht. Der Begriff Reichskristallnacht gilt heute allgemein als politisch unkorrekt, weil "Kristallnacht" ein SA-Begriff war, der sich auf das viele zersplitterte Glas der Schaufensterscheiben jüdischer Geschäfte und der Fenster der Synagogen bezieht. Ein Wort, mit dem die Opfer verhöhnt wurden. Aber "Kristallnacht" ist nicht "Reichskristallnacht". Die Nazis stellten den Pogrom als Ausdruck spontanen Volkszorns dar, aber der Volksmund prägte den Begriff "Reichskristallnacht", um zu zeigen, dass das Reich, das Regime, und nicht das Volk hinter den Untaten stand. Insofern beinhaltet der Begriff Reichskristallnacht ein Momentum von Aufklärung das heute vergessen ist.

Aber egal ob Reichspogromnacht oder Reichskristallnacht, wir gedenken alljährlich dieses düsteren Ereignisses, das das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte, die Shoah einleitete, bisher mit dem selbstverständlichen Bekenntnis "Nie wieder"!

Die gestrigen Ereignisse von Amsterdam lassen allerdings ein banges "Vielleicht bald schon wieder" am Horizont erscheinen. Es waren allerdings keine Deutschen, keine Niederländer, keine europäischen Neonazis, die da Jagd auf Juden machten, sondern arabische Migranten.

Nach dem mir bekannten Ablauf der Ereignisse, so er denn richtig ist hatten zunächst israelische Fußballfans beim Marsch durch Amsterdam ein nationalistisches antiarabisches Lied gesungen, das bei den jüdischen Siedlern im Westjordanland eine Art Kampfhymne darstellt, an einzelnen Häusern palästinensische Fahnen abgerissen und einzelne Araber die dagegen protestierten angegriffen.

Was dann folgte war allerdings ein organisierter Pogrom: Systematisch und gut vorbereitet, von mehreren Seiten angreifend und über die Amsterdamer Innenstadt verteilt griffen meist jugendliche Araber die israelischen Fans, alle israelischen Fans, auch die die mit den Provokateuren nichts zu tun hatten an, jagten sie durch die Stadt, warfen sie in das kalte Wasser der Grachten, verprügelten sie, trachteten ihnen nach dem Leben. Wer so vorgeht hat das strategisch geplant und taktisch trainiert. War der Überfall aus Gaza am 07. Oktober 2023 das größte antisemitische Massaker seit 1945 so war der Pogrom von gestern der größte Pogrom in Westeuropa seit dem Zweiten Weltkrieg. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil dieser Leute islamistisch motiviert war.

Antifaschismus bedeutet nicht nur "Nie wieder Faschismus", sondern auch "Keinen Fußbreit den Faschisten" und "Schlagt die Faschisten wo Ihr sie trefft!".

In dieser Hinsicht versagt die westliche Linke bisher auf der ganzen Linie. Es handelt sich hier nicht nur um einen der widerlichsten Akte des Antisemitismus, durchaus mit dem Handeln der Nazis vergleichbar, sondern auch um eine Manifestation des Islamofaschismus.

Der Islamismus spielt auch in der arabischen und muslimischen Welt die gleiche Rolle wie der Faschismus in Europa.

Es gibt da unterschiedliche Richtungen, die untereinander zum Teil spinnefeind sind:

Bei den Sunniten der Integrismus, der Salafismus, der Wahabismus und der Djihadismus. Integristen wollen durch ein Leben nach den Regeln des Islam und ein Verbot westlicher Filme, Musik und Mode in ihren Heimatländern "kultureller Verwestlichung" entgegenwirken, Salafisten und Wahabiten hängen traditionellen islamischen Rechtsschulen an, wollen eine Justiz nach den Prinzipien der Scharia, teilweise eine mittelalterliche Auslegung der Scharia und vertreten eine wortwörtliche Lesart des Koran ähnlich wie es US-Evangelikale mit der Bibel halten, Djihadisten wollen den Heiligen Krieg gegen Israel und die USA. Al Kaida, IS und diverse Splittergruppen gehören zu dieser Richtung.


Im Schiismus gibt es einen schiitischen Integrismus, einen an Ali Schariati orientierten Linksislam und die mächtigste und destruktivste Richtung, den Khomeinismus - das Regime im Iran und die Hizbollah.

Die Unterschiede sind interessant und wert, festgehalten zu werden, aber letztendlich verhält es sich damit wie mit den Unterschieden zwischen Mussolini-Faschismus, Nationalsozialismus, Austrofaschismus, Franqismus, Falange, Peronismus und Nationalbolschewismus - der Eine taugt nichts und der Andere ist nichts wert.

Dass die westliche Linke auf dem islamistischen Auge teilweise blind ist hängt einerseits mit höchst kruden antirassistischen Theorien im akademischen Umfeld zusammen und dann mit einer traditionellen Palästina-Solidarität, die teils noch auf das Bündnis der Linken mit dem arabischen Nationalismus aus der Zeit der antikolonialen Befreiungskämpfe zurückgeht und teils mit dem Antiimperialismus der 1970er Jahre, als die damaligen Militärdiktaturen Südamerikas, Apartheid-Südafrika, Schah-Iran und Israel ein informelles Bündnis bildeten, das von der westlichen radikalen Linken als "Imperialistische Front" wahrgenommen wurde. Abgesehen davon, dass westliche Guerrilleros, wegen mir auch Terroristen sich schon damals von extremen Splittergruppen der palästinensischen PFLP instrumentalisieren ließen sind dies Konfliktlinien, die in einem Fall 60 und im anderen 45 Jahre alt sind - höchste Zeit, diesen Müll loszuwerden.


Wobei die arabische Linke, mit der man einst verbündet war, ja selbst zumindest teilweise zu den Opfern und Gegnern des Islamismus gehört.

Leider beherzigt die palästinensische Linke im Augenblick nicht eine zentrale Aussage eines ihrer früher mal einflussreichen Führer:

"Die Hamas macht keine Politik.
Sie führt auch keinen bewaffneten Kampf. Was sie macht, ist die sinnlose Aneinanderreihung irrationaler Racheakte."

Nayef Hawatmeh, Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP)

https://www.youtube.com/watch?v=owTXUKWok0w

https://www.youtube.com/watch?v=AlUWaW7KgYU

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Wo viele Fußballfans zusammen sind, möglicherweise alkoholisiert, benehmen sie sich i.d.R. nicht besonder fein, das ist klar, gilt auch für Israelis.

Aber das relativiert doch nichts. Was haben denn diese Araber eigentlich in Amsterdam verloren?

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Sie sind Migranten die dort leben.

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Obwohl sie niemand eingeladen hat, und führen sich jetzt auf, als würde die Stadt ihnen gehören.

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Nun, sie sind dort geboren und aufgewachsen. Und letztlich ist es das Gleiche, ob nun arabische Migranten Jagd auf israelische Touristen oder deutsche Skinheads Jagd auf arabische Migranten oder kenianische Townshipbewohner Jagd auf Schwule machen. Für die Opfer fühlt sich das genauso an. Adorno hat in der Dialektik der Aufklärung in dem Kapitel "Elemente des Antisemitismus" sehr gut beschrieben, wie solch gruppenbezogener Menschenhass zustandekommt.

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Dann sollten sie den weiteren Teil ihres Lebens in den Herkunftsländern ihrer Eltern verbringen.

"Es sind nicht die Zuwanderer und Flüchtlinge aus der Ukraine, aus Südamerika oder Südostasien, sondern die vor allem seit 2015 eingewanderten Menschen aus Syrien, Afghanistan, aus Nordafrika und dem Libanon, die in der großen Mehrheit ein gefestigten Hass auf Israel und Juden haben. Die weitere Einwanderung aus dieser Region zu unterbinden, die sukzessive Rückführung dieser Personen und der Stop jeder staatlichen und gesellschaftlichen Einbindung der Islamverbände – die alle dem legalistischen Islamismus zuzuordnen sind – und vor allem das Ende der Auslandsfinanzierung dieser Verbände, wären erste Schritte um dieser Form des Antisemitismus wirksam entgegen zu treten." (Jonas Dörge)

"Wer Europa einer Kultur überläßt, die auf „judenreinen“ Siedlungsgebieten besteht, der wird natürlich irgendwann Pogrome erleben." (Eckhard Mackh)

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Geboren und aufgewachsen aber lehnen die europäische Kultur ab.

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Das Kapitel heißt allerdings "Elemente des ANTISEMITISMUS" und nicht "Elemente der Gewalt" Und da haben wir eben den Unterschied zu einer grundsätzlichen Gewaltbereitschaft gegenüber dem Fremden. Der Antisemitismus ist eine seit Jahrhunderten eingeübte Praktik, darin mehr als nur die Wut gegen das Andere mitschwingt.

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Wie immer war Adorno da sehr dialektisch
Er entwickelte erst alle spezifischen Entstehungsbedingungen des Antisemitismus, um ihn andererseits als archetypisches Muster für gruppenbezogenen Menschenhass an sich zu setzen. Ticketmentalität, in der der Antisemitismus nur eine Funktion, kein Inhalt an sich mehr ist.

"Der Jude ist austauschbar, er könnte ebensogut Katholik oder Vagabund sein. Auch die Täter könnten jederzeit sich unter den Opfern finden."


Das ist eine Materie mit der ich mich wirklich gut auskenne, war Prüfungsthema bei meiner Promotion.

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Zufälligerweise ist das eine Materie, in der ich mich ebenfalls gut auskenne, da ich seit 40 Jahren zu Adorno forsche.

Das Herausbrechen einzelner Zitat ohne jeden Kontext ist eine undialektische Methode. Dazu kommt,daß dieser Satz in dieser Apodiktik ganz einfach falsch ist. Diese Dekontexttualisierung erinnert mich sehr an den Umgang mit jenem Satz, daß es nach Auschwitz unmöglich sei, ein Gedicht zu schreiben und daraus dann ein Diktum gemacht wurde, daß man nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben könne und dürfe - was Quatsch ist und was Adorno nie in dieser Apodiktik gesagt hat. (Nebenbei: wo genau steht dieses Zitat von Adorno?)

Das Ticketdenken und Gewalt gegen andere ist EIN Aspekt unter vielen, auch wenn dem eine Struktur zugrunde die sowohl ökonomisch als auch sozialpsychologisch zu erklären ist. Dennoch ist die Verfolgung der Schwarzen in den USA strukturell und von der Qualität her etwas anderes als die Verfolgung von Juden seit Jahrhunderten in Europa. Wer hier einfache Analogien aufmachen oder Gleichsetzungen betreiben will ebnet die differentia specifica ein.

Das Wegdialektisieren von Antisemitismus zugunsten eines schwammigen Gewaltbegriffs, darunter der Neger genauso wie der Vagabund gefaßt wurde, war eben nicht Adornos Anliegen. Es erinnert dieses Vorgehen sehr an den Historikerstreit der 1980er Jahre und an jenen zweiten Historikerstreit, wo nun postkoloniale Akteure versuchen, die Shoah irgendwie unter die Kolonialverbrechen einzureihen - was, wenn man es diskursanalytisch mal betrachtet, eben auf eine Verwässerung hinauslaufen soll, um mit solchen Methoden die Narrative des Postkolonialismus auf dem Tickt "Juden" zu installieren.

Adorno und Horkheimer schreiben in einem Entwurf:

"Die Forderung, den deutschen Antisemitismus in seiner Totalität darzustellen, geht aus dem Wesen dieses Antisemitismus hervor. Er ist 'total': er setzt es sich zur Aufgabe, alle nur denkbaren Bereiche des Lebens zu durchdringen und zielt auf den Untergang der Juden ab. Darin unterscheidet er sich prinzipiell von allen früheren Formen des Antisemitismus. Diese waren 'partiell'; sie haben sich die Aussperrung der Juden aus bestimmten Lebensgebieten, die Diffamierung jüdischer Konkurrenten, wohl auch die brutale Gewaltaktion angelegen sein lassen. Aber sie haben niemals die Existenz der Juden überhaupt durch umfassende definitive Maßnahmen ausrotten wollen. Erst mit der totalen Erfassung des gesellschaftlichen Lebens durch den Staat im Faschismus wird auch der Antisemitismus total und ein System. Alle Elemente des Hitlerismus kommen schon in früheren antisemitischen Bewegungen vor, aber dadurch daß er ausnahmslos alle enthält und dem einen Ziel unterstellt, ist er etwas prinzipiell Neues. Dem kann nur umfassende und systematische Erkenntnis Rechnung tragen." (Adorno/Horkheimer, Nationalsozialismus und Antisemitismus)

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Im Sinne einer solchen Einebnung/Verallgemeinerung/Verwässerung war meine Anmerkung nun wieder nicht gemeint. Eher in dem Sinne, dass der Antisemitismus von der Struktur her ein Grundmuster darstellt, dass Analogien zu anderen Formen gruppenbezogener Menschenverachtung zulässt.

Bei Gelegenheit schaue ich mal in meine Aufzeichnungen aus meiner Studien-und Promotionszeit ob sich da noch Brauchbares findet. Auch hinsichtlich des Kontextes in dem ich dieses Zitat damals gelesen hatte.

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Auf alle Fälle gibt es Analogien und Adorno/Horkheimer reflektieren hier zugleich auf Mechanismen: es ist bei ihnen beides, wie in der klassischen Defintionslehre: Definitio fit per genus proximums et differntia specifica. Und dabei läßt sich der Haß gegen Juden, mithin der alte Antisemitismus/Antijudaismus und die durch die Nationalsozialisten gesetzte neue Form eines eliminatorischen Antisemitismus eben nicht einfach in allgemeine Strukturen überführen, darin Kolonialismus, Antisemitismus, Rassismus, Gewalt gegen das Andere, der Genozid an den Armeniern, die Massaker bzw. der Genozid an den Herero und Nama, die Verfolgung von Schwarzen aus Namibia durch schwarze Südafrikaner auf die immer gleiche Struktur zurückführen. Denn ansonsten verschwinden die qualitativen Unterschiede.Gewalt ist jeder dieser Akte und doch sind, trotz des Oberbegriffs diese Akte von Gewalt spezifisch motiviert und die Shoah nimmt aufgrund ihrer Organisation einen besonderen Charakter ein. Weshalb es gute Gründe gibt, von der Singularität der Shoah, des industriellen Massenmordes an den Juden zu sprechen.

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Da stimme ich Dir in vielen Punkten zu und es ist gut, daß Du diesen Artikel geschrieben hast - was mir zeigt, daß es bei der Linken durchaus differenzierende Stimmen gibt, die das Problem eines migrantisch-muslimischen Antisemitismus wahrnehmen.

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Wie gesagt - mein Grundsatzartikel zum Thema Hamas und Gazakonflikt kommt erst noch und lässt auf sich warten, da ich als pflegender Angehöriger meines Vaters, beruflich eingespannter Selbstständiger, Zahnpatient der sich gerade seinen Mund sanieren lässt und aktiver Sportler multipel eingespannt bin.

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ich bin adorno-technisch bis auf einige zitate nicht sehr belesen, daher hier eine frage an die adorno-insider: unterscheidet er zwischen antisemitismus und antijudaismus? mein geschichtstheologischer prof hat uns immer eingeimpft, wie wichtig dieser unterschied sei, da es beim antisemitismus um rasse und blut, beim antijudaimus aber um religiöse überzeugung und praktiken geht. der antijudaimus ist historisch gewachsen, schon seit den ersten momenten der entstehung des christentums in auseinandersetzung zwischen den judenchristen und den hellenistisch geprägten heidenchristen (paulus versus petrus). der antisemitismus hingegen betrachtet den jüdischen menschen als an sich depravierten, minderwertigen biologischen organismus, das bedeutet, überzeugungen oder religion spielen keinerlei rolle. deshalb schützte in der ns-zeit auch das konvertieren nicht vor verfolgung. wir haben also einmal einen religionswissenschaftlichen diskussionsgegenstand, und einmal einen biologischen.

letztlich ist das natürlich klein-klein und very special interest - und in diesem kontext ganz egal. menschen orientieren sich, insbesondere diejenigen mit schwachem selbstwert, an bezugsgruppen - ob das nun eine religion, eine fußballmannschaft oder eine alkoholisierte peer-group ist. greift jemand diese bezugsgruppe an (körperlich, verbal, durch die zugehörigkeit zu einer anderen bezugsgruppe oder eine persönlich anderslautende meinung), muss derjenige bekämpft werden, weil er die sicherheit und den wert der gruppe und damit des einzelnen bedroht. das sieht man auch an der faktenresistenz von fake-news-jüngern. je mehr fakten man diesen zuwirft, desto aggressiver in der regel die reaktionen.

ich rate einmal ins blaue hinein, dass die meisten der täter im o.g. fall männlich waren, denn der mann als täter ist das normmodell - in fast allen religionen und gesellschaften. ich halte das ja für einen grob vernachlässigten ansatzpunkt, auch wenn es um jede andere form von gewalt geht. hier ist natürlich trotzdem religion ein hochinteressanter aspekt, da in quasi allen religionen der mann als das dominante und höherwertige geschlecht dargestellt wird, was sodann mit einem entsprechenden rollenverständnis einhergeht - und zwar bis heute. ein schweres erbe.

sorry, falls das jetzt alles ein wenig o.t. war.

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Bei Adorno findet sich diese Unterscheidung meines Wissens nicht, zumindest nicht in dieser Strenge, wenngleich er sehr wohl den Unterschied zwischen einem eher traditionellen Antisemitismus und einem solchen, der auf die Vernichtung der Juden hinausläuft, erfaßt. Bei Adorno geht es immer auch um die ökonomischen und sozialpsychologischen Bedingungen, auch und vor allem im Sinne der Entfremdungs- und Verdinglichungsanalyse.

Adorno/Horkheimer haben mit ihrer DA und ihren Forschungen im Blick auf die F-Skala, die heute umstritten beurteilt wird, eher heuristische Arbeit bzw. eine philosophische Analyse betrieben – weniger Detailarbeit eines Historikers wie etwa Peter Longerich in seiner umfangreichen Studie zum Antisemitismus.

Der Aspekt des Männlichen ist ein hinzutretender Punkt, mehr nicht. Daß er oder auch solche Slogans wie patriarchale Gewalt nicht ausreichen, sieht man gut an den Meldungen, wenn Neonazis ein Asylheim überfallen: dann schreiben wir nicht „Männergruppe überfiel Asylheim“, sondern wir nennen den mutmaßlichen Täter. Und wenn Neonazis eine Araberin vergewaltigen oder migrantische Araber eine Deutsche, dann müssen diese Fälle spezifiziert werden. Und wenn wir über Männlichkeitsdispositive reden, dann hat auch die jeweilige kulturelle Sozialisation etwas damit zu tun. Zumal wir im Westen ab einer bestimmten Generation eher eine weiche Männlichkeit haben, was bis hin zur Woke-Kultur reicht.

Männlichkeitsausprägungen haben immer auch etwas mit der Herkunft und den politischen und sozialen Strukturen im Land zu tun, mit dem also was man mit Hegel als den objektiven Geist in einer Gesellschaft bzw. mit Überbauphänomenen wie der Religion bezeichnen kann. In Ländern, wo an Schulen und in den Medien seit Jahrzehnten der Haß auf Juden gepredigt wird und/oder ein doktrinäres religiöses Korsett den Menschen eingeimpft wird: Das sind alles Aspekte, die für eine Analyse zentral sind und da reicht die Bestimmung "Mann" nicht ganz hin. Auch was die Gewalt betrifft, die auch Frauen ausüben. An der Ausbildung des patriarchalen muslimischen Mannes haben im übrigen auch die Frauen einen hohen Anteil: siehe hier: Zana Ramadani „Die verschleierte Gefahr: Die Macht der muslimischen Mütter und der Toleranzwahn der Deutschen“.

Zudem haben sie etwas mit Rollemmustern zu tun, die wir in der einen oder in der anderen Form gelernt haben und die wir auch überwinden können. Komplexes Thema, das man nicht auf Slogans reduzieren sollte. Gerade dann, wenn einem die Tätergruppe nicht so recht in den Kram paßt, sind es eben auch Strategien, um abzuwiegeln und Diskursverschiebungen zu erzeugen. Man spricht dann lieber über Männergewalt im allgemeinen, als über Sozialisationsbedingungen und kulturelle Kontexte.

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In den Elementen des Antisemitismus wird kurz auf die Unterschiede zwischen religiösem und rassistischem Antisemitismus eingegangen, wie auch die massenpsychologischen und ökonomischen Hintergründe behandelt werden. Ich kann das nachher mal einpflegen, bin gerade wieder unter Zeitdruck. Nur so viel, jetzt mal unabhängig von Adorno: Der Antisemitismus der Nazis basierte vor allem auf einer Verbindung der Rassenhygiene, einer damals zur etablierten Biologie gerechneten, sozialdarwinistisch-eugenischen Lehre, die die gesamte Menschheit rassistisch hierachisierte und dabei "erblich unerwünschte" Teile der Bevölkerung biologisch ausmerzen wollte (Eugen Fischer, deutscher Anthropologe, ab 1933 Rektor der Berliner Universität: "Ausmerzung des Judentums, obwohl Juden nicht insgesamt minderwertig seien wie etwa Neger") mit einer paranoiden antijüdischen Weltverschwörungslehre in der Tradition der "Protokolle der Weisen von Zion". Hitler hatte das rassenhygienische Standardwerk "Menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene", den Baur/Fischer/Lenz in der Festungshaft in Landsberg gelesen und in seine aus seiner Wiener Zeit stammende antijüdische Weltsicht eingebaut.

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danke, exakt das meinte ich.

männlichkeit ist natürlich keine alleinige erklärung für solche ausschreitungen. aber solange weltreligionen den anspruch haben, gesellschaftliches miteinander zu regulieren, zählt dazu ebenfalls die kritische beschäftigung mit ihren männlichen rollenbildern.

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@sistermorphine, ich habe da wie gesagt auch noch etwas nachzuliefern, aber das geht bei meinem aktuellen Lebensrhythmus immer nur sehr schleppend. Bitte um Verständnis!

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@c17h19no3: Sehr richtig: Männlichkeitsbilder haben immer etwas mit der jeweiligen kulturellen Ordnung zu tun. Auch mit der Religion. In diesem Fall eben mit dem Islam. Und auch mit dem Bruch und dem Konflikt von Weltbildern. Solches Gebaren wie manche muslimische Jugenmänner es in Deutschland an den Tag legen: das würden sie in ihrer Heimat niemals wagen. Da hätte ihnen der Imam und der eigenen Vater eine deftige Ohrfeige verpaßt. Und im Westen dann eben: Lost in Translation.

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