Freitag, 18. April 2014
Apokryphe Evangelien
Es gibt Hinweise darauf, dass die Evangelien des Thomas und der Maria Magdalena älter sind als als die des Markus, Lukas, Matthäus und Johannes. Sind sie auch echter? In der Konsequenz laufen die auf ein gnostisches Christentum hinaus, mit einer Aussage, die sich etwa so zusammenfassen ließe: "Jeder Mensch ist Sohn oder Tochter Gottes, erkenne Dich selbst und Du wirst im Geist erwachen, Du selbst kannst Dich im Kontakt zu Gott erlösen." Das wäre dann eine Religion ohne Priester und Kirche, so ähnlich wie der Hinayana-Buddhismus der Frühzeit, bloß monotheistisch.

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Muss mal Kierkegaard (ziggev - Modephilosoph !) angehen. Die Krankheit Zum Tode wurde mir empfohlen.

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Wenn es in den 90ern Modephilosophen gab, dann waren das aus meiner Sicht Baudrillard, Rorty und Fukuyama, aber niemals Kierkegaard.

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sog. "Modephilosophen" - ?

Jean Baudrillard / Die Illusion und die Virtualität / Vortrag im Kunstmuseum Bern am Oktober 1993 / Buch: Bern 1995, Benteli Verlag / Auszug (erste Seite):

Jeden Morgen erwacht er mit dem Ruf: «Action!››
Von diesem Moment an ist er im Film befangen.
Er tritt aus dem Szenario des Traums, um in jenes
der Wirklichkeit einzutreten. Immer gibt es
irgendwo eine versteckte Kamera. Sie kann zuge-
gen sein, er kann gefilmt werden, ohne es zu wis-
sen; er kann aber auch aufgefordert werden, dies
eines Tages bei einem beliebigen Fernsehsender
nachzuspielen. Auf jeden Fall ist die virtuelle
Kamera in seinem Kopf; und sein ganzes Leben
hat eine Video-Dimension angenommen. Er
glaubt, als Originalfassung zu existieren, er weiss
aber nicht, dass die Originalfassung heute nicht
mehr ist als nur ein Sonderfall der Verdoppelung
eine Variante für die happy few. Er hat keine
eigene Existenz mehr, er steht im Schatten einer
unmittelbaren Rückvermittlung seiner Taten und
Gesten - auf welchem Kanal auch immer. Früher
hätte man das als Polizeikontrolle erlebt, heute
erlebt man es als Werbeaktion.
Es wäre also unangebracht, ja geradezu eine Falle,
die Reality-Shows aufs Korn zu nehmen und sie
als solche zu analysieren. Denn sie sind nur die
spektakuläre und als solche unschuldige Figur der
Umwandlung des Lebens selbst in eine ununter-
brochene Reality-Show. Es bedarf keines televisi-
ven Mediums, um unsere Probleme in Echtzeit zu
widerspiegeln: jede Existenz ist sich selber tele-
präsent
. Das Fernsehen und die Medien sind
längst aus ihrem medialen Raum herausgetreten.
um das «reale›› Leben von innen her zu bewältigen
und sich dort genau so einzunisten. Wie sich ein (…)

Ja, ein Modephilosoph. Die (virtuelle) Kamera im Kopf, mit Pixelblick rumlaufen; sich zu Zuständen von Informationspartikelchen, aus denen jetzt jene "Cloud" besteht, zu der man geworden ist, transformieren; endlich radikale Selbstzersetzung, Selbstauflösung, endlich vollständiges Verschwinden - hinter dem (virtuellen) Bild, das als nicht weniger rätselhaftes Artefakt zwischen den Resten des Newton-Universums herumflattert …

Baudrillard oben liest sich freilich heute etwas drollig und zugleich prophetisch: Über "Reality-Shows" redet heute keiner mehr. "Die Figur der Umwandlung des Lebens selbst in eine ununterbrochene Reality-Show" - heutzutage ein Gemeinplatz.

Ich würde allerdings zögern, Baudrillard als Philosophen zu bezeichnen. "Mode-"ja; "-philosoph" - mnja.

Fukuyama:

Verhohnepipelung Hegels: Und das auch noch von einem amerikanischen "Philosophen" - eigentlich ja ein Politologe -,während bereits Bertrand Russell festgestellt hatte, dass Hegel eigentlich nur interessant sei der Ergebnisse wegen, die sich (hier im Falle Hegels) ergäben, wenn jemand einen Fehler mache, dann aber konsequent an ihm festhalte.

Habe von Fukuyama im Spiegel zum ersten Mal gelesen, dann kaum je wieder. Wurde allerdings en passant mal erwähnt; für eine solche Klientel, nämlich der der Spiegel-leser, der sich intellektuell und informiert wähnenden, und die solche renitente Lektüre und die peinlich bis unverschämte Großkotzigkeit des Spiegels offenbar nötig haben, um wenigstens einmal noch ihr Selbstbild bestätigt zu bekommen, konnte die Kampagne Fukuyamas natürlich etwas hermachen: allerdings eben nur als Erwähnung und nur als Erwähnung im Spiegel.

Es mag Leute gegeben haben, die darauf eingestiegen sein mochten (das "Ende der Geschichte"), und glaubten, Fukuyama habe hier etwas mit Philosophie zu tun; dann aber hat es sich weniger um Modephilosophie gehandelt, nämlich um eine Philosophie, die irgend modisch geworden ist, sondern eher um "Philosophiemode", also darum, dass einem beliebig zu wählenden, jetzt modischem Letzter-Schrei-Topos das Schildchen "Philosophie" umgehängt wird. «Cool, 'Philosophie' (keine Ahnung, was das ist), mal auschecken, wo kann man das kaufen?»

R. Rorty

Obwohl - leider - nicht mehr gelesen, würde ich ihn empfehlen, oder besser: doch mal lesen. Da er in 'Philosophy and the Mirror of Nature' eine "umfassende und grundsätzliche Revidierung der gesamten neuzeitlichen und modernen Philosophie" (Wiki) geleistet haben soll, würde ich ihn schlussendlich mir gern mal zu Gemüthe führen. Schließlich soll er sich hinreichend in angelsächsischer Philosophie ausgekannt haben. Ich würde mir also (abgesehen von Rortys Kritik) einen historischen Abriss der angelsächsischen Philosophie der vorvergangenen Jahrzehnte erwarten: Für "kontinentale" Philosophieinteressierte scheint immer noch ein Antagonismus zw. "kontinentaler" und analytischer Tradition zu bestehen, obwohl ein solcher in der internationalen Szene lange obsolet geworden ist. R. Rorty hätte da sicherlich auf die Sprünge helfen können.

Rorty also ein Modephilosph - den aber offenbar keiner gelesen hat? Sorry, aber ich kann mich manchmal des Eindrucks eines - besonders in Deutschland anzutreffenden - "kontinentalen" Hinterweltlertums nicht erwehren. Nur ein Beispiel: Während es eine nicht abreißende Kette, eine unüberschaubare Menge an Publikationen zur Tierphilosophie etwa aus Amerika gibt, braucht man hierzulande nur Peter Singer erwähnen und schon zieht das Publikum die Schwänze ein: niemand traut sich mehr, philosophisch zu argumentieren. Auf diese Weise ist das Thema Tierphilosophie hierzulande ein totes Thema. Neugier, Interesse, Wissenwollen? Aber doch nicht hier, auf dem Kontinent! Wo kämen wir hin?

Natürlich wirkte es wie eine einer "Mode" entgegenkommende Geste, eine (liberale) Ironikerin einzuführen. Opfer anderer Moden (Postmoderne, Dekonstruktivismus, Gender-Theorie, …) mochten Rorty in der Folge also für einen "Modephilosoph" gehalten haben. Als Typ als solcher aber m.E. völlig ungeeignet.

Kierkegaard

Jasper, Heidegger waren Modephilosophen. Heidegger hat sich eher zu einer schlechten Angewohnheit entwickelt. Kierkegaard ist - wie ich eben recherchierte - als "Existenzialist" wohl eher ein Geheimtipp gewesen. Da vermutlich manchmal Kierkegaard-Rezeption anfänglich vor dem Hintergrund der o.g. Philosophen (und erst Sartre!) geschehen und dann wenigstens z.T. auch durch Rezeption der genannten Modephilosophen motiviert sein wird, dürfen wir wohl oder übel heutige Kierkegaard-Rezeption in selbigem Fahrwasser vermuten.

Da hilft Adornos Kierkegaard-Fleißarbeit auch nicht weiter. (Wir erfahren alles über Adorno, nur nichts über K.) Aber Adorno schien solches Vorgehen wenig auszumachen. Den "Jargon der Eigentlichkeit" verfasste er, als "Sein und Zeit" erst in Auszügen vorlag. Als Folge davon lassen sich die Stellen, wo er sich tatsächlich durch einen oder einige $$ durchgearbeitet hat, auch für den Nicht-(oder nur wenig)-Heidegger-Leser leicht ausmachen.

Durch eine andere Mode, "Adorno-Mode", ist vielleicht Kierkegaard heute doch noch einigen Leuten mehr, als es sonst gewesen wäre, bekannt. Zugegeben: "Modephilosoph in den Neunzigerjahren" passt eigentlich nicht.

Da ich´s nun schon mal rausgesucht hatte, und mein Scanner (und die OCR) gerade so schön funtioniert, hier mal was aus "Die Krankheit zum Tode" (Erster Abschnitt. A):

«Der Mensch ist Geist. Aber was ist Geist? Geist ist das Selbst. Aber was ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnis, daß das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern daß das Verhältnis sich zu sich selbst verhält. Der Mensch ist eine Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Zeitlichem und Ewigem, von Freiheit und Notwendigkeit, kurz, eine Synthese. Eine Synthese ist ein Verhältnis zwischen zweien. So betrachtet ist der Mensch noch kein Selbst.
Im Verhältnis zwischen zweien ist das Verhältnis das Dritte als negative Einheit, und die zwei verhalten sich zum Verhältnis und im Verhältnis zum Verhältnis; so ist unter der Bestimmung Seele das Verhältnis zwischen Seele und Leib ein Verhältnis. Verhält sich dagegen das Verhältnis zu sich selbst, dann ist dieses Verhältnis das positive Dritte, und dies ist das Selbst.
Ein solches Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, ein Selbst, muß entweder sich selbst gesetzt haben oder durch ein anderes gesetzt sein. Ist das Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, durch ein anderes gesetzt, dann ist das Verhältnis wahrscheinlich das Dritte, aber dieses Verhältnis, das Dritte, ist dann doch wiederum ein Verhältnis, verhält sich zu dem, was da das ganze Verhältnis gesetzt hat.
Ein derart abgeleitetes, gesetztes Verhältnis ist das Selbst des Menschen, ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält und, indem es sich zu sich selbst verhält, sich zu einem anderen verhält. Daher kommt es, daß zwei Formen für eigentliche Verzweiflung entstehen können. Hätte das Selbst des Menschen sich selbst gesetzt, dann könnte nur von einer Form die Rede sein, von der, nicht man selbst (…)»

Gottesbeweis aus Verzweiflung, - nicht schlecht ;-)

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Standardwerk von Baudrillard
Der symbolische Tausch und der Tod, eine Art Abrechnung mit Marx, Freud, dem Existenzialismus und dem Konstruktivismus. War in den 1990er Jahren irrtümlich eine Art Rechtfertigungsphilosophie für Börsenyuppies, obwohl dieses Buch den Kapitalismus radikalst in Frage stellte, was die aber nicht kapierten. Läuft darauf hinaus, dass alle ökonomischen Systeme sich aus der Furcht daraus speisen, sterben zu müssen und der Illusion, den Tod durch Anhäufung von Geld verhindern zu können. Wobei Baudrillard radikaler Antiimperialist war, der sich selbst als links vom Kommunismus stehend definierte.

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Adorno und Kierkegaard gehen wohl wirklich gern zusammen. Die Person, die mir das Buch empfahl, empfahl mir vor Jahren auch Adornos Dialektik Der Aufklärung.

Übrigens ein sehr interessanter Mensch, jemand der zum Nihilismus wie Anarchismus neigt. Er erwähnte öfter den Verrat der Kommunisten, im spanischen Bürgerkrieg.

Danke Che für den Buchtipp.

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"Wobei Baudrillard radikaler Antiimperialist war, der sich selbst als links vom Kommunismus stehend definierte."

Wie einer sich selbst definiert ist ja immer so eine Sache. Anarchisten definieren sich z.T. auch dann als links vom Kommunismus, wenn sie eher so libertär daherkommen. Wer zu oft links abbiegt......

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Es kommt halt drauf an, was Du genau unter "libertär" verstehst, aber ich definiere mich auch so wie die von Dir Angesprochenen.

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Bezeichnen sich Fans von Rothbard und Ayn Rand nicht auch als libertär? Libertarismus, heißt es nicht so?

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Ja, aber das sind keine Anarchisten. Anarchisten und Anarchosyndikalisten bezeichnen sich selber als libertäre Sozialisten in Abgrenzung zu den autoritären Sozialisten, also den Mlern. Rotbard-Anhänger nennen sich selbst Libertäre, Ayn-Rand-Anhänger Objektivisten, wobei sie sich ins libertäre Lager rechnen, die halten sich aber nicht für links. Im politischen Spektrum der USA stehen die ultrarechts. Es ist eine Besonderheit der politischen Sektenlandschaft in Amerikanien dass ein Großteil der radikalen Rechten dort absolut basisdemokratisch und dezentral, grass-roots-mäßig aufgestellt ist. Es gibt dort Evangelikale, die homophob und frömmelnd bis dorthinaus sind, aber nur ihre kleine demokratisch strukturierte Gemeinde im Blick haben und Big Business und Big Government genauso ablehnen wie Anarchisten das tun. Die militias die am Liebsten Missippi Burning ein zweites Mal veranstalten würden und auch reale Menschenjagden auf Schwarze veranstalten sind ebenfalls grass-roots-mäßig organisiert. In dieses Spektrum gehörten auch Leute wie der Una-Bomber oder Timothy McVeigh, der das Oklahoma-City-Building in die Luft gejagt hat (Bin Ladens Leute haben von denen gelernt). Die Rechtsterroristen in den USA halten sich für libertär.

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