Freitag, 7. August 2015
Am Boden zurück
che2001, 18:53h
Die Hochtour ist vorbei. Jede Menge Kraft getankt für den Rest des Jahres und das Nächste, und das heißt bei mir auch immer: Nahezu restlos verausgabt. Unterwegs in einer Gegend, in der Bäche überqueren hindurchwaten bedeutet, in der Wege gehen heißt Fußspuren zu verfolgen und in der Navigation mit Kompass, Höhenmesser und Landkarte erfolgt. Die Bilder können vermitteln wie das aussieht - der Stich der Sonne auf der Haut, das Geraune von Wind und Stein, die Gerüche lassen sich so nicht weitergeben. Eine einzige Bergwiese ist Lebensraum für Millionen Blumen und Tausende Arten von Blumen, ein Zirbenwald verströmt einen einzigartigen Geruch, der mit nichts Anderem vergleichbar ist.
Alleine im Fels unterwegs sein ist dann ein Abenteuer für sich. Mit nichts als einem Klettergurt, einem Klettersteigset, zwei Schlingen und zwei Schraubhaken ist zwar Selbstsicherung möglich, aber nicht mehr als das. Haarig wurde es freilich an einem Punkt, wo ich meine Sicherung noch gar nicht angebracht hatte: Ich meinte, die breite Kristallschieferplatte auf der ich mit beiden Füßen stand sei ein sicherer Tritt, aber Bratschengestein darf man nie vertrauen (oder andersrum: Granit - es kommt NICHT drauf an, was man draus macht). Die Platte brach unter meinen Füßen in zwei Hälften auseinander, und das darunterbefindliche Gestein begab sich auf Talfahrt. Während mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde dachte mein Großhirn, es ginge ans Sterben, während praxisorientiertere Teile meines Nervensystems meinen Körper auf einen neuen Standplatz wirbelten. So standhockte ich auf allen Vieren, während neben mir der Felsrutsch abging. Die zwei Leute, die mir vom Gipfel entgegenkamen und mit denen ich mich vor einer Minute noch unterhalten hatte fragten ob ich OK sei, ich betastete mich und stellte fest "Gebrochen ist nichts!". Sie setzten ihren Abstieg fort, ich wartete eine Viertelstunde, bis das Zittern vorbei war (bei der dünnen Luft dauert das etwas), klinkte dann meine Sicherung ein und setzte den Aufstieg fort - der Gipfel war ja noch nicht erreicht.
Erst beim Abstieg wurde mir schwummrig. Ich war jetzt völlig alleine, kein Mensch mehr in Sichweite, kein Netzempfang, und ich musste da runter. Da habe ich mich alleine für entschieden, also muss ich das auch durchziehen. Angst haben ist nicht, gestorben wird auch nicht.
Also wieder hinab in die 400 Meter tiefe Steinschlagrinne. Immerhin, sowohl der mehrstündige Anmarsch davor als auch die letzte Strecke zum Gipfel waren reizvoll gewesen, es muss diese schrecklichen Schlüsselstellen wohl geben. Wieder ein Berg, der seine Spuren auf meinem Körper hinterlassen hat, nur Striemen, nicht mehr.
Es folgten noch mehrere Stunden anspruchsvoller Höhenwanderung mit Absurditäten wie dem Überqueren von Schneefeldern bei Hochsommerhitze, dann endlich war die erste Etappe geschafft und der Hüttenschmaus verdient.
Der nächste Tag dann: Genusswandern auf im wahrsten Sinne des Wortes höchstem Niveau, wundervolle Panoramen, zeitweise mühsam Weg suchen oder sich selber einen finden, weil der Gletscherweg aufgeschmolzen ist, extremes Schwitzen beim Abstieg in die Krummholzzone, weil die Latschenkiefern die Hitze nach oben reflektieren, nach 1300 Höhenmetern Abstieg dann bei 32 Grad im Tal, und dort noch 5 Kilometer bis nach Hause. In 2 Tagen 20 Stunden reine Gehzeit, davon 6 Stunden Klettern, insgesamt 4000 Höhenmeter.
Hier bin ich runtergekommen, am frühen Morgen, nach fantastischen Sonnenuntergangs- und -Aufgangserlebnissen (from dusk till dawn ;-) )
Und dann der Wahnsinnsblick auf die noch größeren Gipfel, wo ich allerdings auch schon mal oben war - 2 Tage voller Mühsal, Höchstleistung, Schmerz, Glück, Entbehrungen, Extase - das ist Genuss neu definiert!
Grenzerfahrung halt.
Alleine im Fels unterwegs sein ist dann ein Abenteuer für sich. Mit nichts als einem Klettergurt, einem Klettersteigset, zwei Schlingen und zwei Schraubhaken ist zwar Selbstsicherung möglich, aber nicht mehr als das. Haarig wurde es freilich an einem Punkt, wo ich meine Sicherung noch gar nicht angebracht hatte: Ich meinte, die breite Kristallschieferplatte auf der ich mit beiden Füßen stand sei ein sicherer Tritt, aber Bratschengestein darf man nie vertrauen (oder andersrum: Granit - es kommt NICHT drauf an, was man draus macht). Die Platte brach unter meinen Füßen in zwei Hälften auseinander, und das darunterbefindliche Gestein begab sich auf Talfahrt. Während mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde dachte mein Großhirn, es ginge ans Sterben, während praxisorientiertere Teile meines Nervensystems meinen Körper auf einen neuen Standplatz wirbelten. So standhockte ich auf allen Vieren, während neben mir der Felsrutsch abging. Die zwei Leute, die mir vom Gipfel entgegenkamen und mit denen ich mich vor einer Minute noch unterhalten hatte fragten ob ich OK sei, ich betastete mich und stellte fest "Gebrochen ist nichts!". Sie setzten ihren Abstieg fort, ich wartete eine Viertelstunde, bis das Zittern vorbei war (bei der dünnen Luft dauert das etwas), klinkte dann meine Sicherung ein und setzte den Aufstieg fort - der Gipfel war ja noch nicht erreicht.
Erst beim Abstieg wurde mir schwummrig. Ich war jetzt völlig alleine, kein Mensch mehr in Sichweite, kein Netzempfang, und ich musste da runter. Da habe ich mich alleine für entschieden, also muss ich das auch durchziehen. Angst haben ist nicht, gestorben wird auch nicht.
Also wieder hinab in die 400 Meter tiefe Steinschlagrinne. Immerhin, sowohl der mehrstündige Anmarsch davor als auch die letzte Strecke zum Gipfel waren reizvoll gewesen, es muss diese schrecklichen Schlüsselstellen wohl geben. Wieder ein Berg, der seine Spuren auf meinem Körper hinterlassen hat, nur Striemen, nicht mehr.
Es folgten noch mehrere Stunden anspruchsvoller Höhenwanderung mit Absurditäten wie dem Überqueren von Schneefeldern bei Hochsommerhitze, dann endlich war die erste Etappe geschafft und der Hüttenschmaus verdient.
Der nächste Tag dann: Genusswandern auf im wahrsten Sinne des Wortes höchstem Niveau, wundervolle Panoramen, zeitweise mühsam Weg suchen oder sich selber einen finden, weil der Gletscherweg aufgeschmolzen ist, extremes Schwitzen beim Abstieg in die Krummholzzone, weil die Latschenkiefern die Hitze nach oben reflektieren, nach 1300 Höhenmetern Abstieg dann bei 32 Grad im Tal, und dort noch 5 Kilometer bis nach Hause. In 2 Tagen 20 Stunden reine Gehzeit, davon 6 Stunden Klettern, insgesamt 4000 Höhenmeter.
Hier bin ich runtergekommen, am frühen Morgen, nach fantastischen Sonnenuntergangs- und -Aufgangserlebnissen (from dusk till dawn ;-) )
Und dann der Wahnsinnsblick auf die noch größeren Gipfel, wo ich allerdings auch schon mal oben war - 2 Tage voller Mühsal, Höchstleistung, Schmerz, Glück, Entbehrungen, Extase - das ist Genuss neu definiert!
Grenzerfahrung halt.
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first_dr.dean,
Samstag, 8. August 2015, 00:58
Was'n schöner Bericht!!
Gucke ich mir morgen gleich noch mal an - macht Laune!
Gucke ich mir morgen gleich noch mal an - macht Laune!
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netbitch,
Freitag, 14. August 2015, 17:08
Puuuuh, heftige Story, und wunderschöne Bilder. Was ist Bratschengestein? Und wieso ist Granit gut oder wofür ist der gut?
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che2001,
Samstag, 15. August 2015, 01:48
Bratschen sind Kalkglimmerschieferplatten, ein kristallines sehr brüchiges Gestein, Granit ist äußerst fest und bricht kaum, etwa so hart wie Eisen. Granit und Dolomit sind des Kletterers Lieblinge - gute Griffe, kein Gebrösel. Daher sind auch die Dolomiten, die wie der Name sagt aus Dolomit beschaffen sind (außer der Marmolada, die ist aus Marmor und dem Molignon, der aus Basalt besteht) die bevorzugten Kletterberge.
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