Mittwoch, 3. Februar 2016
Das Brett vorm Kopf zur Waffe machen! Weiterkämpfen um die Lufthoheit über das Zwanghafte.
che2001, 20:20h
Ob nun vor Bildern oder Beiträgen Triggerwarnungen gepostet werden oder dringendes Privilegienchecking getrieben wird, ob jemand weiß gelesen wird oder weiblich, all diese Debatten zeichnen sich dadurch aus, dass sie zu einem real wirkungsmächtigen politischen Kampf gegen Rassismus, Sexismus, Ausbeutung oder eine falsche Politik überhaupt nichts austragen, aber aus der Distanz von jenseits des Szenehorizonts hinreichend skurril wirken, um zumindest Unterhaltungswert zu besitzen - so, wie ein Witz, der sich selbst erzählt. Ich bin nun zwar politisch immer noch aktiv, der persönlichen Einbindung in eine linke Szene aber längst entwachsen, auch wenn ich kein allzu bürgerliches Leben führe. Ich habe fast 20 Jahre im Binnenhorizont einer subkulturellen Szene gelebt, darunter einige Jahre in einer ausgesprochenen Insider-WG, und insofern weiß ich es immer noch sehr gut, wie es sich anfühlt, in einem derartigen Treibhaus zu leben und was für Binnendynamiken da abgehen. Was heute die Triggerwarnungen, CW-Diskurse, die politisch nichts austragen sondern eher den Charakter selbstreferentieller Bußübungen haben und seltsame postgenderfeministische Sprachspiele *'# sind, das war noch vor 10 Jahren der allenthalben jede Pore dieser Gesellschaft durchdringende strukturelle Antisemitismus, der aber selbst von speziell ausgebildeten Suchhunden nicht aufgespürt wurde, davor waren es Tierrechte und Veganismus, und zu meinen Hardcore-Zeiten wieder andere Dinge, hauptsächlich Heterosexismus und political correctness rund um Lebensstil und Berufswahl sowie Musik. Da wurde das Spiel "enttarne
den Sexisten" bzw "oute den Vergewaltiger" so weit getrieben, dass jemand als Vergewaltiger bezeichnet wurde, der in seinem Leben noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt hatte, aufgrund der inflationären Überdehnung der Definitionsmacht des Opfers (um Mistverständnisse auszuschließen: Ich bin Befürworter dieser Definitionsmacht, aber eben nicht unbegrenzt). Es wurden Auseinandersetzungen um Probenräume für Bands in einem Jugendzentrum über instrumentell gebrauchte Sexismusvorwürfe geführt, weil diese die unfehlbare ultima ratio in der Auseinandersetzung darstellten - so ähnlich wie viele Jahre später "Wer zuerst Auschwitz sagt hat gewonnen." Auf traditionell proletarischem Klassenbewusstsein fußend, aber dieses bis zum völligen Realitätsverlust übertreibend war das szenetypische Verhältnis zu Statussymbolen, Jobs und der Normalgesellschaft. Da wurde ich angefeindet, weil ich mir als Aktenkoffer einen silbernen Alukoffer - eigentlich Werkzeugkoffer für Handwerker - zugelegt hatte, der sehr weit von den szeneüblichen Fjell-Räven- und Tatonka-Rucksäcken abwich und das als Bekenntnis zum Yuppietum gewertet wurde. Porsches wurden angezündet oder zumindest zerkratzt, weil das Bonzenautos wären, die nur der Klassenfeind fährt. Inzwischen kenne ich einige PorschefahrerInnen, und das sind Handwerksmeister, Gastwirte und eine Hure - Leute, die vom Habitus und Lebensgefühl näher an der ArbeiterInnenschaft dran sind als akademische Linksintellektuelle. Es ereignete sich, dass wir an einer Kundgebung gegen Abschiebungen teilnahmen, und im Anschluss daran lud uns eine sozialdemokratische Landtagsabgeordnete zum Kaffee ins Mövenpick ein. Der Fussel (ich nenne den so wegen seines Äußeren) lehnte das massiv ab, mit Promis wolle er nichts zu tun haben, und das Mövenpick sei ein Bonzenladen, den er boykottiere. Er wartete also eine dreiviertel Stunde draußen bei minus 10 Grad, weil er ja ein konsequenter Linksradikaler war. Deshalb bekam er dann auch den Job als Öffentlichkeitsreferent einer Menschenrechtsorganisation nicht, den stattdessen ich bekam.
Mit diesem Job war es so eine Sache: Das war eine auf ein Jahr befristete BSHG19-Stelle (ABM-Maßnahme nur für bisherige SozialhilfeempfängerInnen) mit etwa einem Grundschullehrergehalt. Sobald ich die angetreten hatte fragte mich ein Mitbewohner, ob ich bereit sei, das Differenzeinkommen zu meiner bisherigen Sozi auf meine WG zu verteilen, wir seien ja alle für gesellschaftliche Umverteilung, und ich erwiderte, nein, dazu sei ich nicht bereit. Daraufhin musste ich mir dann regelmäßig die beleidigend gemeinte Titulierung "Karrierist" gefallen lassen. In der Folge entstanden Gerüchte, ich hätte mich auf dieser Stelle bereichert und für mehrere Jahre Rückstellungen gebildet. Der Bonze begann bei der ABM-Kraft.
Ein früherer Genosse hatte sich regelmäßig in Gremien wählen lassen, im denen er an den Finanztöpfen saß, und dann Geld unterschlagen. Da Linke nicht mit der Staatsmacht zusammenarbeiten ging das für ihn straffrei ab. Irgendwann räumte er das Haushaltskonto seiner WG leer und verschwand damit nach unbekannt. Als ich das in einem Plenum thematisierte wurde mir geantwortet, es gäbe da noch einen viel Schlimmeren, der hatte erst in einem ultraradikalen UZusammenhang, der RAF-Hungerstreikgruppe gearbeitet, dann als Model, dann hatte der eine Tempo-like Hochglanzstadtzeitung gegründet und sei jetzt Redakteur bei RTL. Die eigenen Genossen beklauen wurde als weniger schlimm angesehen als Karriere im System zu machen, schließlich gehörten ja auch die Kriminellen irgendwie noch zu uns. Aha. Als ich nach der Promotion nicht etwa eine Stelle im Wissenschaftsbetrieb bekam, sondern Sozialhilfe, bildete ich mich zum Webdesigner weiter und bekam eine Stelle bei einer Softwarefirma. Dafür wurde ich dann brieflich des Verrats an der guten Sache bezichtigt. Wer links ist hat im Öffentlichen Dienst, als Freier Journalist, Alternativunternehmer zu arbeiten oder politisch korrekt Sozi zu beziehen. Das war so der Stand von 1984 bis 2002. Bei den Irrsinnsdiskussionen von heute habe ich den Eindruck, dass die sich aus gutem Grunde - niemand stellt mehr die eigene materielle Reproduktion ins Prüffeld - von solch unmittelbar lebensweltlichen Fragestellungen weit entfernt haben und sich eher auf der Ebene scholastischer Moraltheologie bewegen. Der Wahnsinn ist etwa der gleiche, aber ich habe den Eindruck, noch viel weiter von realen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen entfernt als wir damals. Es geht eher um die Reinhaltung des eigenen Seelchens. Ich schreibe dies nicht aus einer Fleischhauer-Perspektive, sondern aus dem Bedauern heraus, dass die linksradikale Szene, das einzige gesellschaftliche Millieu in diesem Lande das progressive Inhalte in der Theorie vertritt, sich selbst komplett blockiert und für die meisten Leute, die reales Interesse an Veränderung haben komplett unbetretbar macht.
den Sexisten" bzw "oute den Vergewaltiger" so weit getrieben, dass jemand als Vergewaltiger bezeichnet wurde, der in seinem Leben noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt hatte, aufgrund der inflationären Überdehnung der Definitionsmacht des Opfers (um Mistverständnisse auszuschließen: Ich bin Befürworter dieser Definitionsmacht, aber eben nicht unbegrenzt). Es wurden Auseinandersetzungen um Probenräume für Bands in einem Jugendzentrum über instrumentell gebrauchte Sexismusvorwürfe geführt, weil diese die unfehlbare ultima ratio in der Auseinandersetzung darstellten - so ähnlich wie viele Jahre später "Wer zuerst Auschwitz sagt hat gewonnen." Auf traditionell proletarischem Klassenbewusstsein fußend, aber dieses bis zum völligen Realitätsverlust übertreibend war das szenetypische Verhältnis zu Statussymbolen, Jobs und der Normalgesellschaft. Da wurde ich angefeindet, weil ich mir als Aktenkoffer einen silbernen Alukoffer - eigentlich Werkzeugkoffer für Handwerker - zugelegt hatte, der sehr weit von den szeneüblichen Fjell-Räven- und Tatonka-Rucksäcken abwich und das als Bekenntnis zum Yuppietum gewertet wurde. Porsches wurden angezündet oder zumindest zerkratzt, weil das Bonzenautos wären, die nur der Klassenfeind fährt. Inzwischen kenne ich einige PorschefahrerInnen, und das sind Handwerksmeister, Gastwirte und eine Hure - Leute, die vom Habitus und Lebensgefühl näher an der ArbeiterInnenschaft dran sind als akademische Linksintellektuelle. Es ereignete sich, dass wir an einer Kundgebung gegen Abschiebungen teilnahmen, und im Anschluss daran lud uns eine sozialdemokratische Landtagsabgeordnete zum Kaffee ins Mövenpick ein. Der Fussel (ich nenne den so wegen seines Äußeren) lehnte das massiv ab, mit Promis wolle er nichts zu tun haben, und das Mövenpick sei ein Bonzenladen, den er boykottiere. Er wartete also eine dreiviertel Stunde draußen bei minus 10 Grad, weil er ja ein konsequenter Linksradikaler war. Deshalb bekam er dann auch den Job als Öffentlichkeitsreferent einer Menschenrechtsorganisation nicht, den stattdessen ich bekam.
Mit diesem Job war es so eine Sache: Das war eine auf ein Jahr befristete BSHG19-Stelle (ABM-Maßnahme nur für bisherige SozialhilfeempfängerInnen) mit etwa einem Grundschullehrergehalt. Sobald ich die angetreten hatte fragte mich ein Mitbewohner, ob ich bereit sei, das Differenzeinkommen zu meiner bisherigen Sozi auf meine WG zu verteilen, wir seien ja alle für gesellschaftliche Umverteilung, und ich erwiderte, nein, dazu sei ich nicht bereit. Daraufhin musste ich mir dann regelmäßig die beleidigend gemeinte Titulierung "Karrierist" gefallen lassen. In der Folge entstanden Gerüchte, ich hätte mich auf dieser Stelle bereichert und für mehrere Jahre Rückstellungen gebildet. Der Bonze begann bei der ABM-Kraft.
Ein früherer Genosse hatte sich regelmäßig in Gremien wählen lassen, im denen er an den Finanztöpfen saß, und dann Geld unterschlagen. Da Linke nicht mit der Staatsmacht zusammenarbeiten ging das für ihn straffrei ab. Irgendwann räumte er das Haushaltskonto seiner WG leer und verschwand damit nach unbekannt. Als ich das in einem Plenum thematisierte wurde mir geantwortet, es gäbe da noch einen viel Schlimmeren, der hatte erst in einem ultraradikalen UZusammenhang, der RAF-Hungerstreikgruppe gearbeitet, dann als Model, dann hatte der eine Tempo-like Hochglanzstadtzeitung gegründet und sei jetzt Redakteur bei RTL. Die eigenen Genossen beklauen wurde als weniger schlimm angesehen als Karriere im System zu machen, schließlich gehörten ja auch die Kriminellen irgendwie noch zu uns. Aha. Als ich nach der Promotion nicht etwa eine Stelle im Wissenschaftsbetrieb bekam, sondern Sozialhilfe, bildete ich mich zum Webdesigner weiter und bekam eine Stelle bei einer Softwarefirma. Dafür wurde ich dann brieflich des Verrats an der guten Sache bezichtigt. Wer links ist hat im Öffentlichen Dienst, als Freier Journalist, Alternativunternehmer zu arbeiten oder politisch korrekt Sozi zu beziehen. Das war so der Stand von 1984 bis 2002. Bei den Irrsinnsdiskussionen von heute habe ich den Eindruck, dass die sich aus gutem Grunde - niemand stellt mehr die eigene materielle Reproduktion ins Prüffeld - von solch unmittelbar lebensweltlichen Fragestellungen weit entfernt haben und sich eher auf der Ebene scholastischer Moraltheologie bewegen. Der Wahnsinn ist etwa der gleiche, aber ich habe den Eindruck, noch viel weiter von realen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen entfernt als wir damals. Es geht eher um die Reinhaltung des eigenen Seelchens. Ich schreibe dies nicht aus einer Fleischhauer-Perspektive, sondern aus dem Bedauern heraus, dass die linksradikale Szene, das einzige gesellschaftliche Millieu in diesem Lande das progressive Inhalte in der Theorie vertritt, sich selbst komplett blockiert und für die meisten Leute, die reales Interesse an Veränderung haben komplett unbetretbar macht.
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willy56,
Donnerstag, 4. Februar 2016, 09:22
Die Beobachtung, dass politisch/ideologische Vorwürfe oft aus ganz banalen materiellen Interessen heraus erhoben werden ("Auseinandersetzungen um Probenräume für Bands in einem Jugendzentrum") ist sicher richtig.
Die Critical Whiteness-Leute wollen auch alle nur einen Lehrstuhl oder wenigstens eine Assistentstelle ahben.
Die Critical Whiteness-Leute wollen auch alle nur einen Lehrstuhl oder wenigstens eine Assistentstelle ahben.
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futuretwin,
Donnerstag, 4. Februar 2016, 10:28
Es entsteht manchmal der Eindruck, dass sonst nichts passiert in der Welt, dass du dich immer an den Triggerwarnern abarbeitest.
Irgend jemand hat hier dazu mal treffend bemerkt:
"Früher war sogar das 'früher war alles besser' besser."
Dem schließe ich mich an.
Obwohl ich die Einblicke in deine Erlebnisse schätze, aber auch hier neigst du stark zu Wiederholungen.
Irgend jemand hat hier dazu mal treffend bemerkt:
"Früher war sogar das 'früher war alles besser' besser."
Dem schließe ich mich an.
Obwohl ich die Einblicke in deine Erlebnisse schätze, aber auch hier neigst du stark zu Wiederholungen.
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che2001,
Donnerstag, 4. Februar 2016, 14:13
Das Problem das ich habe ist nicht "früher war alles besser", sondern "alles wiederholt sich pausenlos". Dass die Wiederholungen auch noch pausenlos schlechter werden ist Teil, aber nicht Kern des Problems. Wenn wegen Formulierungsfragen für stabil, ja lebenslang gehaltene Freundschaften zerbrechen, und die Struktur, die dafür die Basis bildet, sich jahrzehntelang immer neu repliziert, dann ist das halt auch ein Dauerthema. Und ich meine da auch etwas auf der Spur zu sein das eine für linke Subkulturen oder ganz allgemein übers private hinausgehende Lebenszusammenhänge von Menschen prägende Wirkung hat. Etwas, das von existenzieller Bedeutung ist, eine Art Grundkonstante von gleichem Kaliber wie die Dialektik der Aufklärung.
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mark793,
Donnerstag, 4. Februar 2016, 15:51
Da ist zweifellos was dran, aber letztlich predigst Du hier ja weitgehend den Bekehrten oder auch Leuten, die nie so weit vom linksbizarren Milieu absorbiert waren.
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lacommune,
Freitag, 5. Februar 2016, 17:18
Ich weiß nur eins, Hamburg soll im Meer versinken.
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netbitch,
Samstag, 6. Februar 2016, 00:55
Na ja, die Erzählungen aus alten Zeiten sorgten ja noch für sehr heftige Aufregungen bei den heutigen Linksbizarren, der Standardtenor von Momo war ja immer, wir sollten das lieber nicht erzählen weil es den Rechten nützt, also so eine Art mit politischer Nützlichkeit begründete Meinungszensur. Zeigt ja wohl, dass da ein Nerv getroffen wurde. Wenn der Che meint, mich mit der Titulierung "MILF" passend zu beschreiben hätte ich ihn sehr schnell bei den Eiern, aber da will er mich ja gerade haben, also lasse ich das. Der Hinweis von lacommune ist im Übrigen richtig: Angesichts von Klimakatastrophe und dem zur Zeit tobenden Weltkrieg geringer Intensität gäbe es wahrlich Wichtigeres als diese Diskussionen. Aber darauf müsste das Spektrum der DaueraufregerInnen überhaupt erstmal gebracht werden. Insofern ist der Ansatz nicht falsch, aber sehr ausbaufähig.
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lacommune,
Samstag, 6. Februar 2016, 12:09
Du Möchtegernmilf verstehst mich falsch.
Ich muss diesen Momo echt mal kennenlernen. Vielleicht entwickle ich dann auch ein amouröses Verhältnis zu ihm.
Ich muss diesen Momo echt mal kennenlernen. Vielleicht entwickle ich dann auch ein amouröses Verhältnis zu ihm.
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bersarin,
Samstag, 6. Februar 2016, 13:52
Menschen, die für alles Triggerwarnungen benötigen, sollten sich überlegen, ob ihr Platz wirklich dort ist, wo Disput und Diskussion, Widerstände und Kämpfe stattfinden, oder nicht vielmehr in der Therapie, um wieder auf den Damm zu kommen. Wenn hochprivilegierte Schichten mit allem Komfort dazu auffordern Privilegien zu checken und sich dabei selbstimmunisierend als Opfer inszenieren, dann muß diesen Opfern mit Nietzsche begegnet werden: „Was fällt, das soll man stoßen!“ Sie sind ganz zu recht Opfer. Opfer nämlich ihrer kläglichen Jammereien. Und ich wünsche jenen noch 40 weitere Jahre Unterdrückung von der heteronormativen Matrix auf den Hals.
Wenn ich solches lese, ist es nur noch lächerlich, doch leider ist es kein Studentenulk:
http://www.zeit.de/2016/03/diskriminierung-universitaeten-usa-kulturelle-aneignung-minderheiten-studenten-protest?
Waschechte Waschlappen. Oder mit dem Muppets gesungen: Mimimi:
https://www.youtube.com/watch?v=kV4vHpqrj6E
Schöner Song, treffender Song.
Wenn ich solches lese, ist es nur noch lächerlich, doch leider ist es kein Studentenulk:
http://www.zeit.de/2016/03/diskriminierung-universitaeten-usa-kulturelle-aneignung-minderheiten-studenten-protest?
Waschechte Waschlappen. Oder mit dem Muppets gesungen: Mimimi:
https://www.youtube.com/watch?v=kV4vHpqrj6E
Schöner Song, treffender Song.
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lacommune,
Samstag, 6. Februar 2016, 14:35
"Deutschland ist von amerikanischen Verhältnissen zum Glück noch weit entfernt. Aber erste Parallelen gibt es. So erklärten Studenten an der Humboldt-Universität letztes Jahr den Politikprofessor Herfried Münkler nicht nur zu einem "Extremisten der Mitte" – sondern listeten seine Aussagen auch noch akribisch auf. In ihrem Blog, das sie Münkler-Watch nennen, beziehen sie sich auf dieselben Ideen, die in Amerika Schule gemacht haben. Kein Wunder, dass sie "die Privilegierung einer privilegierten Perspektive wie der weiß-männlich-europäischen" als eine Form des unterschwelligen Rassismus darstellen."
Der arme Herr Münkler gehört wohl keiner hochprivilegierten Schicht an.
Der arme Herr Münkler gehört wohl keiner hochprivilegierten Schicht an.
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che2001,
Sonntag, 7. Februar 2016, 19:50
Na ja Mark, immerhin sind das für mich sehr existenzielle Dinge. Ich hätte nach meinem Studium ein Volontariat beim Handelsblatt bekommen können und habe das nicht getan, weil mir aus meinem unmittelbarsten Umfeld gesagt würde, das wäre ein Verrat an meinen Idealen, der meine Glaubwürdigkeit als Mensch grundsätzlich in Frage stellen würde. Wenn ich mir überlege, was für eine journalistische Laufbahn mir möglich gewesen wäre könnte ich mich in den Arsch beißen. Die Promotion führte ja in eine Sackgasse.
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mark793,
Sonntag, 7. Februar 2016, 20:40
Ich habe ja auch jede Menge Verständnis dafür, dass das alles in Dir noch so arbeitet. Aber Du hast das alles aus der Betroffenensicht schon fünf, zehn, fünfzehnmal beschrieben. Und natürlich ist es Dein gutes Recht, es zwanzigmal zu schreiben.
Ich würde mir halt wünschen, dass wenn die Vergangenheit schon nicht mehr zu ändern ist, Du vielleicht eine andere, übergreifendere Perspektive entwickelst, den allgemeinen Gesetzmäßgkeiten nachspürst, welchen Dynamiken es folgt, dass der Wille zu gesellschaftlichem Fortschritt irgendwann so umkippt ins repressive Moralisieren. Du hast das Stichwort Dialektik der Aufklärung schon genannt, ich würde da auch Adornos Studien zum autoritären Charakter sehen. Ich meine, wenn jemand das theoretische Rüstzeug mitbringt, um diese Phänomene und die dahinter ablaufenden Gesetzmäßigkeiten einigermaßen schlüssig zu beschreiben - und auch zu erklären, dann Du.
Ich würde mir halt wünschen, dass wenn die Vergangenheit schon nicht mehr zu ändern ist, Du vielleicht eine andere, übergreifendere Perspektive entwickelst, den allgemeinen Gesetzmäßgkeiten nachspürst, welchen Dynamiken es folgt, dass der Wille zu gesellschaftlichem Fortschritt irgendwann so umkippt ins repressive Moralisieren. Du hast das Stichwort Dialektik der Aufklärung schon genannt, ich würde da auch Adornos Studien zum autoritären Charakter sehen. Ich meine, wenn jemand das theoretische Rüstzeug mitbringt, um diese Phänomene und die dahinter ablaufenden Gesetzmäßigkeiten einigermaßen schlüssig zu beschreiben - und auch zu erklären, dann Du.
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che2001,
Montag, 8. Februar 2016, 15:35
Die Studien zum autoritären Charakter stehen in direktem Zusammenhang mit der Dialektik der Aufklärung, letztere ist eigentlich deren Fortsetzung, erstere liefert sozusagen das Menschenbild. Da ich in der Richtung gearbeitet habe bietet es sich in der Tat an diese Ansätze perspektivisch einzusetzen um das Ganze analytisch aufzuarbeiten. Übrigens hatte ich gestern ein langes Telefonat mit einem alten Freund, für den die alten Geschichten ebenso immer noch präsent wie für mich, er sagte bei der Erlebnisintensität die das für uns hatte könne das auch gar nicht anders sein. Der brachte mir aber auch das Feedback einer Freundin von ihm, die meinen Szeneroman gelesen hatte, runtergelesen in einem Stück und zu dem Schluss kam, um das richtig zu verstehen müsse man dabeigewesen sein oder man bräuchte ein sehr sehr langes Glossar bzw. erläuterndes Kommentarwerk.
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che2001,
Dienstag, 9. Februar 2016, 12:31
Schöner Beitrag bei Bersarin, by the way:
https://bersarin.wordpress.com/2016/02/08/die-schoene-seele
https://bersarin.wordpress.com/2016/02/08/die-schoene-seele
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lacommune,
Dienstag, 9. Februar 2016, 13:56
Ihr schmeisst mit Pathologisierungen um euch und gleichzeitig preist Bersarin Lenin, sobald dieser Momorulez beiläufig auf Lenin losgeht, Che wehrt sich prompt gegen Fleischhauerei, sobald Momorulez davon spricht, ihr habt sie nicht mehr alle. Zwanghaft seid IHR.
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mark793,
Dienstag, 9. Februar 2016, 14:38
Und wieder einmal muss ich fragen:
Wer genau ist "Ihr"?
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che2001,
Dienstag, 9. Februar 2016, 16:03
Nur fürs Protokoll: Momorulez ging nicht beiläufig auf Lenin los, sondern bezeichnete Deregulierer und Austeritätsstrategen wie Friedman, Thatcher und Schröder als Leninisten, die entsprechende Politik als leninistisch. Das muss mensch sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich werde seit nunmehr 5 Jahren aus einem bestimmten Lager als Fleischhauerer bezeichnet, wenn ich Rückkehr zu Perspektiven des Klassenkampfs fordere. Wer hier, nun ja, etwas wirr ist ergibt sich aus einer solchen Gegenüberstellung eigentlich von selbst.
Und ich reagiere hier nicht etwa situativ auf Blogeinträge, sondern arbeite mich an etwas ab, das mich seit 1988 umtreibt und seit dieser Zeit linke Szenen in Deutschland entscheidend prägt, und zwar zum Negativen.
Ja, und auch ich frage dann: Wer ist "Ihr"?
Und ich reagiere hier nicht etwa situativ auf Blogeinträge, sondern arbeite mich an etwas ab, das mich seit 1988 umtreibt und seit dieser Zeit linke Szenen in Deutschland entscheidend prägt, und zwar zum Negativen.
Ja, und auch ich frage dann: Wer ist "Ihr"?
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lacommune,
Dienstag, 9. Februar 2016, 21:34
Es ist klar, wer gemeint ist. Oder brauchst du die Absolution von mir Mark?
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mark793,
Dienstag, 9. Februar 2016, 22:28
Nicht zwingend. Aber ich habe hier in letzter Zeit schon paar mal zu oft "Ihr" (aber nicht von Dir) gelesen, wo nicht klar war, wer gemeint ist.
In der Tendenz würde ich Dir sogar beipflichten, dass hier eher zu viel als zu wenig pathologisiert wird. Es wäre vielmehr zu fragen, ob diese repressiven Tendenzen in ach so fortschrittlichen Kreisen nicht etwas sehr normales sind, was sich so ähnlich (nur auf etwas anders gearteten Schauplätzen) auch in Schrebergartenkolonien, in Reihenhaus-Siedlungen und in Altparteien abspielt. Die normierende Kraft von Mehrheiten, ein Hang zu Konformismus und Regelgläubigkeit, das alles wirkt ja auch innerhalb von gesellschaftlichen Subsystemen und Minderheitsveranstaltungen. Es ist ja nicht so, dass eins qua Minderheitenstatus schon per se gegen solche Dynamiken gefeit wäre.
In der Tendenz würde ich Dir sogar beipflichten, dass hier eher zu viel als zu wenig pathologisiert wird. Es wäre vielmehr zu fragen, ob diese repressiven Tendenzen in ach so fortschrittlichen Kreisen nicht etwas sehr normales sind, was sich so ähnlich (nur auf etwas anders gearteten Schauplätzen) auch in Schrebergartenkolonien, in Reihenhaus-Siedlungen und in Altparteien abspielt. Die normierende Kraft von Mehrheiten, ein Hang zu Konformismus und Regelgläubigkeit, das alles wirkt ja auch innerhalb von gesellschaftlichen Subsystemen und Minderheitsveranstaltungen. Es ist ja nicht so, dass eins qua Minderheitenstatus schon per se gegen solche Dynamiken gefeit wäre.
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bersarin,
Dienstag, 9. Februar 2016, 22:29
Lacommune, ich lese bei Momorulez nicht mehr, da dessen lichte Momente vorüber sind. Ich kann Dir also nicht sagen, was er zu Lenin schrieb, wann wie und wo. Was tun? Am besten nicht die Tertiärtexte rezipieren, sondern in die Primärtexte einsteigen. Ich denke mir aber, wenn Zizek sich in "Die Revolution steht bevor" auf Lenin bezieht, mache ich das auch mal.
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bersarin,
Dienstag, 9. Februar 2016, 23:30
Manche muß man gar nicht mehr pathologisieren, diese Arbeit erledigen die nämlich von ganz allein und ohne besondere Aufforderung. Das macht die Angelegenheit leicht. Man muß dann eigentlich nur noch aufschreiben. Jene Bizarologie, von der che manchmal spricht.
Du solltest zudem, lacommune, zwischen Analysen, Beschreibung, Pathologisierungen und Kritik differenzieren. Nicht jede Kritik ist Pathologisierung.
Du solltest zudem, lacommune, zwischen Analysen, Beschreibung, Pathologisierungen und Kritik differenzieren. Nicht jede Kritik ist Pathologisierung.
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lacommune,
Mittwoch, 10. Februar 2016, 16:32
@Mark793: Klar. Es gibt auch eine Grundtendenz alles in identitäre Konflikte aufzulösen. Wenn man aber diese Dynamiken immer nur bei anderen ausmacht und noch dazu von seiner Vergangenheit "getriggert" wird, kommt so eine Realsatire wie hier raus. Erstaunlich bei so lebenserfahrenen Personen oder liegt es gerade daran.
Du magst das anderes sehen oder dieses einfach entspannter nehmen. Ich hab hiermit meinem Ärger Luft gemacht. Weitergehen wird es genau so.
Du magst das anderes sehen oder dieses einfach entspannter nehmen. Ich hab hiermit meinem Ärger Luft gemacht. Weitergehen wird es genau so.
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mark793,
Mittwoch, 10. Februar 2016, 17:24
Weitergehen wird es genau so.
Das Risiko besteht, und weil ich dann irgendwann raus sein werde, wenn der Diskurs auf dem Level bleibt, habe ich ja auch den Versuch angeregt, das Thema allmählich vom eigenen unmittelbaren Erleben etwas abzukoppeln und den allgemeineren Dynamiken und Gesetzmäßigkeiten nachzuspüren - zumal der Werkzeugkasten der kritischen Theorie und weiteres Analyse-Instrmentarium zur Verfügung steht.
Ansonsten denke ich, dass diese Erfahrungen mit einem repressiv-moralisierenden Umfeld eigentlich eine gute Basis sein müssten, um Verständnis für Marginalisierungserfahrungen und den Wunsch nach safe spaces zu entwickeln. Was ja trotzdem nicht heißt, dass man auch all die daraus resultierenden politisch-korrekten Vorgaben und ritualisierten Bußandachten gut finden und mitmachen muss.
Ich kann dem werten Hausherrn jedenfalls nur wünschen, dass er einen Weg findet, mit all dem adäquat umzugehen.
Das Risiko besteht, und weil ich dann irgendwann raus sein werde, wenn der Diskurs auf dem Level bleibt, habe ich ja auch den Versuch angeregt, das Thema allmählich vom eigenen unmittelbaren Erleben etwas abzukoppeln und den allgemeineren Dynamiken und Gesetzmäßigkeiten nachzuspüren - zumal der Werkzeugkasten der kritischen Theorie und weiteres Analyse-Instrmentarium zur Verfügung steht.
Ansonsten denke ich, dass diese Erfahrungen mit einem repressiv-moralisierenden Umfeld eigentlich eine gute Basis sein müssten, um Verständnis für Marginalisierungserfahrungen und den Wunsch nach safe spaces zu entwickeln. Was ja trotzdem nicht heißt, dass man auch all die daraus resultierenden politisch-korrekten Vorgaben und ritualisierten Bußandachten gut finden und mitmachen muss.
Ich kann dem werten Hausherrn jedenfalls nur wünschen, dass er einen Weg findet, mit all dem adäquat umzugehen.
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first_dr.dean,
Donnerstag, 11. Februar 2016, 13:40
homo homini lupus
Die Grundidee finde ich ja nicht falsch.
Nur: Die Art und Weise, wie manche Linksradikale "safe spaces" und "awareness" einfordern (z.B. in jedem (!) linken Kultur- und Stadtteilzentrum), scheint mir mitunter eher Ausdruck einer politischen Infantilisierung zu sein, zu dem fehlende Ambiguitätstoleranz ganz zentral gehört.
Es ist zugleich bequem, weil es Diskussionen und das Aushalten unterschiedlicher Perspektiven reduziert - und dabei hilft, ein halbwegs homogenes politisches Millieu zu erzeugen. Neuzugänge werden sofort eingenordet - und falls das nicht geht - ausgeschlossen. Zudem ist es ein Mittel der Machtausübung, das in meinen Augen wunderbar passt zu akademisch gebildeten Akteuren, die auf diese Weise auf Spielregeln verweisen, nicht zuletzt auch, um in ihrem Mikrokosmos Macht auszuüben. Auch kann der geneigte Szene-Angehörige in Awarenessteams wunderbar unter Beweis stellen, dass er die relavanten Basics beherrscht und wirklich dazu gehört. Eine gerade polizeiliche Struktur legt sich über die Szene.
Aber wie gesagt: Die eigentliche, die Grundidee ist so verkehrt nicht. Es hat nur leider in den letzten Jahren geradezu invasive Züge angenommen - und in meinen Augen nur wenig dazu beigetragen, dass a) sich die Gruppen und dort organisierten Menschen wohl fühlten, b) sie tatsächlich Vielfalt erreichten c) die gesellschaftlichen Verhältnisse wirklich in Bewegung brachten.
Eher ist so eine Art moralinsaure Sektentendenz entstanden, schlimmer noch, ein Graben sogar zu jenen Menschen, deren Interessen man zu vertreten meint.
Aus meiner fernen Beobachterperspektive wirkt derlei Treiben, alle positiven Zielsetzungen anerkennend, auf mich ausgesprochen selbstreferenziell - und regelrecht abschreckend. Aber ich stecke da halt auch nicht mehr so richtig drin.
Und vielleicht ist diese abschreckende Wirkung, nicht nur auf mich, genau das strategische Ziel, das damit verbunden ist. Vielleicht habe ich die Debatten der letzten Jahre auch nicht richtig verfolgt und verstanden.
Wie auch immer. Ich bekomme zunehmend das Gefühl, dass das, was ich hier "Infantilisierung" genannt habe, nicht bloß auf Seiten der aktivistisch Linken und Linksradikalen stattfindet, sondern auch - und hier in überraschend verschwenderischer Weise - auf dem rechtsbürgerlichen und rechtsradikalen Gegenpol.
Das alte aufklärerische Ideal vom Streit der Ideen und dem Abwägen von Argumenten verblasst - und hervor lugt zunehmend homo homini lupus. Nicht nur der Lack der Zivilisation ist dünn, sondern auch der Lack des Progressiven.
Nur: Die Art und Weise, wie manche Linksradikale "safe spaces" und "awareness" einfordern (z.B. in jedem (!) linken Kultur- und Stadtteilzentrum), scheint mir mitunter eher Ausdruck einer politischen Infantilisierung zu sein, zu dem fehlende Ambiguitätstoleranz ganz zentral gehört.
Es ist zugleich bequem, weil es Diskussionen und das Aushalten unterschiedlicher Perspektiven reduziert - und dabei hilft, ein halbwegs homogenes politisches Millieu zu erzeugen. Neuzugänge werden sofort eingenordet - und falls das nicht geht - ausgeschlossen. Zudem ist es ein Mittel der Machtausübung, das in meinen Augen wunderbar passt zu akademisch gebildeten Akteuren, die auf diese Weise auf Spielregeln verweisen, nicht zuletzt auch, um in ihrem Mikrokosmos Macht auszuüben. Auch kann der geneigte Szene-Angehörige in Awarenessteams wunderbar unter Beweis stellen, dass er die relavanten Basics beherrscht und wirklich dazu gehört. Eine gerade polizeiliche Struktur legt sich über die Szene.
Aber wie gesagt: Die eigentliche, die Grundidee ist so verkehrt nicht. Es hat nur leider in den letzten Jahren geradezu invasive Züge angenommen - und in meinen Augen nur wenig dazu beigetragen, dass a) sich die Gruppen und dort organisierten Menschen wohl fühlten, b) sie tatsächlich Vielfalt erreichten c) die gesellschaftlichen Verhältnisse wirklich in Bewegung brachten.
Eher ist so eine Art moralinsaure Sektentendenz entstanden, schlimmer noch, ein Graben sogar zu jenen Menschen, deren Interessen man zu vertreten meint.
Aus meiner fernen Beobachterperspektive wirkt derlei Treiben, alle positiven Zielsetzungen anerkennend, auf mich ausgesprochen selbstreferenziell - und regelrecht abschreckend. Aber ich stecke da halt auch nicht mehr so richtig drin.
Und vielleicht ist diese abschreckende Wirkung, nicht nur auf mich, genau das strategische Ziel, das damit verbunden ist. Vielleicht habe ich die Debatten der letzten Jahre auch nicht richtig verfolgt und verstanden.
Wie auch immer. Ich bekomme zunehmend das Gefühl, dass das, was ich hier "Infantilisierung" genannt habe, nicht bloß auf Seiten der aktivistisch Linken und Linksradikalen stattfindet, sondern auch - und hier in überraschend verschwenderischer Weise - auf dem rechtsbürgerlichen und rechtsradikalen Gegenpol.
Das alte aufklärerische Ideal vom Streit der Ideen und dem Abwägen von Argumenten verblasst - und hervor lugt zunehmend homo homini lupus. Nicht nur der Lack der Zivilisation ist dünn, sondern auch der Lack des Progressiven.
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che2001,
Donnerstag, 11. Februar 2016, 18:04
Lieber Dean,
es ist schön, endlich wieder einmal etwas von Dir zu lesen. Ich stimme auch Deinen Aussagen völlig zu. Mit einer Ausnahme: Ich denke eben nicht, dass es diese Tendenz erst seit einigen Jahren gibt, eher, dass sie seit ein paar Jahren wieder zunimmt und ansonsten als Spezifikum linker und feministischer Subkulturen seit über 25 Jahren stark ausgeprägt ist. Neu ist in der Tat, dass es das auch bei Rechten gibt, die früher nicht von überbordender Moralität, sondern eher von martialischen Macho-Tugenden geprägt waren. Und ursprünglich zu Hause ist die PC-Moralität auch nicht eigentlich bei Linksradikalen, sondern in einem friedensbewegten, der evangelischen Kirche nahen Umfeld.
es ist schön, endlich wieder einmal etwas von Dir zu lesen. Ich stimme auch Deinen Aussagen völlig zu. Mit einer Ausnahme: Ich denke eben nicht, dass es diese Tendenz erst seit einigen Jahren gibt, eher, dass sie seit ein paar Jahren wieder zunimmt und ansonsten als Spezifikum linker und feministischer Subkulturen seit über 25 Jahren stark ausgeprägt ist. Neu ist in der Tat, dass es das auch bei Rechten gibt, die früher nicht von überbordender Moralität, sondern eher von martialischen Macho-Tugenden geprägt waren. Und ursprünglich zu Hause ist die PC-Moralität auch nicht eigentlich bei Linksradikalen, sondern in einem friedensbewegten, der evangelischen Kirche nahen Umfeld.
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first_dr.dean,
Donnerstag, 11. Februar 2016, 20:03
Linksradikalismus in Reinweiß
Eine andere, mögliche Antwort wäre gewesen:
"Früher war mehr Lametta!"
Ich glaube, meine Perpektive könnte man auch leicht ironisch brechen - und darauf verweisen, dass ich halt nicht mehr viel Kontakt zu dieser politischen Szenerie habe. Auch könnte man mir sagen (obgleich ich sogleich auf einen ganzen Haufen von Benachteiligungen verweisen könnte, inklusive derer, dass ich nach offiziellen Kriterien nicht einmal "weiß" bin), dass ich halt ein ignorantes Privilegienschwein sei, zu dessen Grundkonstitution nun einmal die Ignoranz zählt.
Vielleicht ist das sogar so - und all meine politischen Kämpfe, Aktionen, Aktivitäten in der Vergangenheit, die einen guten Teil meines Lebens ausgefüllt haben, sind aus der Sichtweise der heutigen linken Aktivisten völlig nichtig. Sogar die großen Erfolge, auf die ich blicken kann. Einfach, weil ich ein WHM bin.
Und damit ist aus der Welt des heutigen Linksradikalismus alles über mich gesagt. Ob es nun stimmt, oder auch nicht. Aber es funktioniert halt so.
Und ich bin mir nicht sicher, welchen Nutzen das Ganze hat, wenn es in dieser vergröbernden Weise vor allem als Abqualifizierungsmethodik zum Einsatz kommt. Für mich ist das schmerzlich, einmal, weil ich mich in dieser Sichtweise ausgeschlossen und machtlos fühle, zum anderen, zumal ich mir kaum denken kann, dass mit diesen Wertungsmustern wirklich erfolgreiche soziale Kämpfe bestritten werden können.
Früher konnte ich einmal tausende von Menschen politisieren und gemeinsame soziale Kämpfe lostreten - bis zum Erfolg sogar. Ich habe Frauen gefördert, Vielfalt gefördert, Demokratie gefördert, richtig Sachen bewegt.
Und heute bin ich nur noch ein WHM, der bitteschön einfach zu schweigen habe.
---
Aber so unbefriedigend das für mich ist - und so wenig mein offenbar überkommener Politikansatz zur neuen Zeit passt. Für andere scheint das ja irgendwie zu funktionieren. Sie twittern und facebooken sich die Seele aus dem Leib, bestens vernetzt und immer auf der Jagd nach dem falschen Wort und dem falschen Gedanken. Und je besser mensch sich diesen Apparat an Urteils- und Sprachmethoden angeeignet hat, umso besser kann er/sie das in der realen politischen Bezugsgruppe einbringen und durchsetzen. Das scheint sehr ausfüllend zu sein.
Nur ich sitze halt so da und frage mich, was das eigentlich soll. Ich komme mir dabei wie ein alt gewordener Trottel vor, der die politische Welt nicht mehr versteht. Und während ich diesen, zunehmend unverstandenen Teil der Linken also nur noch beobachte, immer noch überwiegend aus einer Haltung der Sympathie, formiert sich in unserem Land ein neuer Faschismus, der in seinen kindlichen und pseudogekränkten Untergangsrhetorik geradezu lächerlich wirkt, gleichwohl flächendeckend Flüchtlingsunterkünfte brennen lässt. Der sich seinen Weg in die Parlamente bahnen wird.
Und erneut fühle ich mich da wie ein alt gewordener Trottel, der die Welt nicht versteht, und nicht verstehen kann, wie dieser unsagbare Blödsinn, der noch vor knapp 10 Jahren fast wie besiegt ausgesehen hat (Pi etc.) eine derartige Vitalität an den Tag legen kann.
Läuft mir mal so ein Kandidat direkt vor die Flinte, breitet seinen rechtsradikalen Sermon dann vor mir aus, dann bekomme ich den normaler Weise in kürzester Zeit dazu, haufenweise Rückzieher zu machen.
Und ich staune: Nicht nur über die Dummeheit und Aggressivität der vorgebrachten "Argumente", sondern auch über die bereitwillige Lernwilligkeit ebenjener aufgehetzten Menschen - quasi umgekehrt reziprok zu meinen aktuellen Erfahrungen mit Leuten aus der linken Szene, die mehrheitlich zu glauben scheinen, sie könnten diesen aufkommenden neuen Faschismus ab ehesten mit "kein Fußbreit", dem Anprangern der falschen Haltungen und im Übrigen mit dem Vermeiden dialogischer Kommunikationsformen begegnen.
Das Diktum der neuen Linken ist hier ja: "Mit Nazis redet man nicht." Und es sind natürlich alle gleich Nazis, und reden tut man aber auch nicht mit Leuten, die einen abweichenden Standpunkt vertreten, tja, und mit so Leuten wie mir am besten auch nicht.
Da könnte man sich ja quasi schmutzig machen. Wie gesagt: Mich irritiert das alles.
"Früher war mehr Lametta!"
Ich glaube, meine Perpektive könnte man auch leicht ironisch brechen - und darauf verweisen, dass ich halt nicht mehr viel Kontakt zu dieser politischen Szenerie habe. Auch könnte man mir sagen (obgleich ich sogleich auf einen ganzen Haufen von Benachteiligungen verweisen könnte, inklusive derer, dass ich nach offiziellen Kriterien nicht einmal "weiß" bin), dass ich halt ein ignorantes Privilegienschwein sei, zu dessen Grundkonstitution nun einmal die Ignoranz zählt.
Vielleicht ist das sogar so - und all meine politischen Kämpfe, Aktionen, Aktivitäten in der Vergangenheit, die einen guten Teil meines Lebens ausgefüllt haben, sind aus der Sichtweise der heutigen linken Aktivisten völlig nichtig. Sogar die großen Erfolge, auf die ich blicken kann. Einfach, weil ich ein WHM bin.
Und damit ist aus der Welt des heutigen Linksradikalismus alles über mich gesagt. Ob es nun stimmt, oder auch nicht. Aber es funktioniert halt so.
Und ich bin mir nicht sicher, welchen Nutzen das Ganze hat, wenn es in dieser vergröbernden Weise vor allem als Abqualifizierungsmethodik zum Einsatz kommt. Für mich ist das schmerzlich, einmal, weil ich mich in dieser Sichtweise ausgeschlossen und machtlos fühle, zum anderen, zumal ich mir kaum denken kann, dass mit diesen Wertungsmustern wirklich erfolgreiche soziale Kämpfe bestritten werden können.
Früher konnte ich einmal tausende von Menschen politisieren und gemeinsame soziale Kämpfe lostreten - bis zum Erfolg sogar. Ich habe Frauen gefördert, Vielfalt gefördert, Demokratie gefördert, richtig Sachen bewegt.
Und heute bin ich nur noch ein WHM, der bitteschön einfach zu schweigen habe.
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Aber so unbefriedigend das für mich ist - und so wenig mein offenbar überkommener Politikansatz zur neuen Zeit passt. Für andere scheint das ja irgendwie zu funktionieren. Sie twittern und facebooken sich die Seele aus dem Leib, bestens vernetzt und immer auf der Jagd nach dem falschen Wort und dem falschen Gedanken. Und je besser mensch sich diesen Apparat an Urteils- und Sprachmethoden angeeignet hat, umso besser kann er/sie das in der realen politischen Bezugsgruppe einbringen und durchsetzen. Das scheint sehr ausfüllend zu sein.
Nur ich sitze halt so da und frage mich, was das eigentlich soll. Ich komme mir dabei wie ein alt gewordener Trottel vor, der die politische Welt nicht mehr versteht. Und während ich diesen, zunehmend unverstandenen Teil der Linken also nur noch beobachte, immer noch überwiegend aus einer Haltung der Sympathie, formiert sich in unserem Land ein neuer Faschismus, der in seinen kindlichen und pseudogekränkten Untergangsrhetorik geradezu lächerlich wirkt, gleichwohl flächendeckend Flüchtlingsunterkünfte brennen lässt. Der sich seinen Weg in die Parlamente bahnen wird.
Und erneut fühle ich mich da wie ein alt gewordener Trottel, der die Welt nicht versteht, und nicht verstehen kann, wie dieser unsagbare Blödsinn, der noch vor knapp 10 Jahren fast wie besiegt ausgesehen hat (Pi etc.) eine derartige Vitalität an den Tag legen kann.
Läuft mir mal so ein Kandidat direkt vor die Flinte, breitet seinen rechtsradikalen Sermon dann vor mir aus, dann bekomme ich den normaler Weise in kürzester Zeit dazu, haufenweise Rückzieher zu machen.
Und ich staune: Nicht nur über die Dummeheit und Aggressivität der vorgebrachten "Argumente", sondern auch über die bereitwillige Lernwilligkeit ebenjener aufgehetzten Menschen - quasi umgekehrt reziprok zu meinen aktuellen Erfahrungen mit Leuten aus der linken Szene, die mehrheitlich zu glauben scheinen, sie könnten diesen aufkommenden neuen Faschismus ab ehesten mit "kein Fußbreit", dem Anprangern der falschen Haltungen und im Übrigen mit dem Vermeiden dialogischer Kommunikationsformen begegnen.
Das Diktum der neuen Linken ist hier ja: "Mit Nazis redet man nicht." Und es sind natürlich alle gleich Nazis, und reden tut man aber auch nicht mit Leuten, die einen abweichenden Standpunkt vertreten, tja, und mit so Leuten wie mir am besten auch nicht.
Da könnte man sich ja quasi schmutzig machen. Wie gesagt: Mich irritiert das alles.
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lemmy caution,
Freitag, 12. Februar 2016, 08:52
Beruflich hab ich festgestellt, dass ich desto grumpier agiere, je länger ich mich in einem bestimmten Technologie Umfeld bewege. Leute im Umfeld wie Tester, Endanwender, Projektmanager oder Kollegen in anderen Bereichen haben immer die gleichen Miss-Konzeptionen und fehlgeleitete Erwartungshaltungen über die entsprechende Technologie. Deshalb wechsel ich nach ein paar Jahren gerne mal das Kern-Thema meiner Bemühungen in Projekten. In den letzten Jahren von Backend-Systeme zu Frontend und nun zu automatisierten BDD Tests. Ist zwar anstrengend, hält aber den Geist frisch.
Ich glaub, dass ist bei politischen Engagement nicht anders. Je genauer man etwas aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, desto stärker fallen einem Miss-Konzeptionen und falsche Erwartungen im eigenen Lager auf, ohne dass man wirklich den Schlüssel zu Lösungen hätte.
Is der "Alte Sack Effekt".
Der Altersprozess von Leuten mit einem tendenziell eher analytisch-zynischem Verhältnis zu Politik wie ich ist wohl deutlich leichter.
Aber klar: Das Vertrauen in die Eliten leidet natürlich durch Finanzkrise, permanente Eigentumskonzentration nach ganz oben, NSA und VW Skandal. Das führt immer zu gesellschaftlicher Politisierung, aber dies geschieht in echt fragwürdige Richtungen.
Ich glaub, dass ist bei politischen Engagement nicht anders. Je genauer man etwas aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, desto stärker fallen einem Miss-Konzeptionen und falsche Erwartungen im eigenen Lager auf, ohne dass man wirklich den Schlüssel zu Lösungen hätte.
Is der "Alte Sack Effekt".
Der Altersprozess von Leuten mit einem tendenziell eher analytisch-zynischem Verhältnis zu Politik wie ich ist wohl deutlich leichter.
Aber klar: Das Vertrauen in die Eliten leidet natürlich durch Finanzkrise, permanente Eigentumskonzentration nach ganz oben, NSA und VW Skandal. Das führt immer zu gesellschaftlicher Politisierung, aber dies geschieht in echt fragwürdige Richtungen.
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willy56,
Donnerstag, 18. Februar 2016, 10:30
In diesem Zusammenhang erscheint mir dieser Artikel recht lesenswert:
http://man-tau.com/2016/02/17/kernschmelze-ruckblick-auf-einen-uberfordernden-monat/
http://man-tau.com/2016/02/17/kernschmelze-ruckblick-auf-einen-uberfordernden-monat/
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che2001,
Freitag, 19. Februar 2016, 00:30
Erstmal sehr interressant. Manches kann ich unterstreichen, Anderes erscheint mir fragwürdig. Vielen Dank für diesen Link, lieber Willy!
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futuretwin,
Freitag, 19. Februar 2016, 10:26
Liest sich auf den ersten Blick wie Maskugejammer. Gemäßigtes allerdings. Muss ich mal durcharbeiten.
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futuretwin,
Freitag, 19. Februar 2016, 11:35
Mhm. Ist doch einiges Wahres dran. Gefällt vermutlich dem Hartmut. ;-)
So dieses: von Rechts wird gelogen, von links aber auch.
Dieses Suchen nach der Wahrheit hinter den Diskursen. Politisch wirksam sind jedoch nunmal Diskurse. Das lässt sich nicht ignorieren.
So dieses: von Rechts wird gelogen, von links aber auch.
Dieses Suchen nach der Wahrheit hinter den Diskursen. Politisch wirksam sind jedoch nunmal Diskurse. Das lässt sich nicht ignorieren.
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