Mittwoch, 6. September 2017
Diesel-Hysterie
Seit dem Diesel-Messwert-Manipulations-Skandal wird ein seltsames Tohuwabohu um Dieselmotoren gemacht mit einer Zielvorgabe Richtung E-Mobilität die wenig sinnführend ist. Bis zum Dieselskandal hat kein Mensch sich für Stickoxidwerte interessiert. Feinstaub war ein Thema, ansonsten galt der Dieselmotor aufgrund seines hohen Wirkungsgrads und seiner geringeren CO2 - Werte als grüne Technologie. Jahrzehnte war der Diesel das klassische Fahrzeug der Grünen und Grünen-Wähler. Dass die jetzt Verbrennungsmotoren komplett aus dem Verkehr ziehen und durch Emobile ersetzen wollen sagt schon fast alles über ihre Ideologie aus, die extrem bürgerlich und sehr deutsch ist und nicht auf nachhaltige Systemveränderung hinausläuft. Völlig egal dass für eine flächendeckende Umstellung auf Emobilität die Kohle- und Atomkraftwerke dann eben mehr produzieren müssten um den Strombedarf der Autos zu decken - der E-Autofahrer hat ein reines Gewissen, denn sein Fahrzeug ist ja clean. Die Grünen sind eine Partei zur Pflege eines bestimmten Lebensstils und eines reinen Gewissens. Ob die empfohlene Umstellung im Sinne des Erreichens von Klimazielen sachdienlich ist wird gar nicht erst diskutiert. Hauptsache das Herz des grünen Autofahrers bleibt rein.


Und gleichzeitig beinhaltet das auch einen neuerlichen Angriff auf die Klasse: Elektromotoren benötigen keine Schmierung, keinen Kühler, einfachere Getriebe - die Auoindustrie wird die Umstellung benutzen um massenweise Arbeitspätze zu vernichten.

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achnaja, da ist schon immer noch eine menge andere verkehrswende mit im programm, von mehr öpnv bis sharing-modellen. und dass man die gunst der stunde nutzt, die wirklich nicht ganz neue forderung nach abschaffung der verbrennungsmotoren wieder erfolgreich in die diskussion zu befördern, kann man nun auch m.e. niemandem zum vorwurf machen. wer soll das denn sonst tun?
und was heißt überhaupt "jetzt komplett aus dem verkehr ziehen", das geforderte datum heißt 2030 für NEUzulassungen. oder ist das jetzt dann wieder nicht radikal genug?

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Wenn das konsequent sein sollte müsste es mit der Forderung verbunden sein "Bis 2030 alle Kohlekraftwerke vom Netz". Es zu schaffen bis 2030 Strom nur noch aus erneuerbaren Energien bzw. Solarenergie und Erdwärme zu gewinnen wäre in der Tat ein ambitioniertes Ziel. Ob das machbar ist erscheint mir aber sehr zweifelhaft. Und die Alternative heißt dann halt: Um all die E-Autos zum Laufen zu bringen volle Power bei Atom- und Wärmekraftwerken. In die Flüsse plätscher, plätscher, in die Lüfte puste puste...

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naja, aber das steht da doch auch im wahlprogramm?!
und was alles so unmöglich ist, daran kann ich mich auch noch lebendig erinnern. als ich zur schule ging, gab es 1 oder zwei prozent des stroms, der nicht aus kohle und atom kam. zwanzig prozent! hahaha, diese irren! da geht hier überall das licht aus! und nu?

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Na ja, die augenblickliche Schwerpunktsetzung in der öffentlichen Diskussion ist aber etwas anders, es hört sich an wie "E-Autos first". Kann ja auch eine Wahrnehmungsverschiebung meinerseits sein, aber es kommt bei mir so rüber.

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kann ich bis zu nem gewissen grad verstehen. also beides: dass es sich so anhört und dass es sich erstmal auch so anhören soll. es geht wohl auch darum, die leute da abzuholen wo sie stehen. wie man strom in autos bekommt und dann damit fahren kann, kapieren mittlerweile auch die größten ignoranten.
aber diese kommunikationsstrategie ist auch intern nicht unumstritten, da grummelt es schon sehr richtung ganzheitlichere verkehrswende.

ob bei einer umstellung auf e-antrieb arbeitsplätze wegfallen, kann ich nicht sagen. sowas passiert aber, wenn man nicht rechtzeitig realisiert, dass verbrennungsmotoren die steinkohle der mobilität sind. und es werden auf jeden fall arbeitsplätze wegfallen, wenn man weiter den anschluss verpasst und die fahrzeuge komplett in den usa, china, japan oder frankreich zusammengewerkelt werden.

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Na ja, die aktuelle Speicherkapazität von Akkus auf für Emobile Gewicht und Volumen umgerechnet entspricht bestenfalls etwa der von Motorrollertanks (in manchen Fällen eher Primuskocherkartuschen) , der Wirkungsgrad, d.h. das Verhältnis Leistung-Verbrauch von Dieselmotoren ist bislang unübertroffen, da schneiden sogar die Diesel der Siebziger (ohne Turbo, Direkteinspritzung und Elektronik) besser ab als alles Andere. Das mit Stromproduktion aus Kraftwerken zur Ladung der Akkus aufzufangen hieße: Die Stromerzeugung global ganz massiv auszuweiten. Das wäre dann eine Energiewende bei der es nicht heißt, Atomenergie und Kohle komplett durch Wasserkraft, Windkraft, Gas, Solarenergie Erdwärme und sonstiges zu ersetzen, sondern GLEICHZEITIG die Gesamtstromerzeugung sagen wir mal um 30% zu erhöhen.

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Im Grunde funktioniert das bei Regenerativen Energien ganz gut: Nach der finanzierungs- und forschungsintensiven Anschubphase, in der die Technologie in klassische Industrieländern + China immer weiter ausgereift und kostengünstiger gemacht wurde, wird sie nun auch zumindest in Schwellenländern immer stärker eingesetzt, zumal es dort oft viel günstigere Bedingungen für Solar- und Windtechnik gibt.
Irgendwann um 2008 kappte Argentinien die Versorgung Chiles mit Gas. Für die Energieerzeugung wurde erstmal massiv auf Öl und Kohle umgestellt. Dann kam der Boom der Regenerativen Energien. Hier waren zu Beginn vor allem die Internationalen Minenkonzerne sehr aktiv. Der staatliche Kupferkonzern Codelco stieg dann auch ein und dann die Energieerzeuger. Der Ausbau benötigt keine staatlichen Subventionen, weil insbesondere Solarenergie aus der Atacama, aber auch einige Windstandorte, schon heute einfach die rentabelste Form der Energiegewinnung darstellen. Der Staat baut offenbar erstaunlich effektiv und schnell das Stromnetz für die neuen Bedingungen um. Zu Beginn dieses Jahres kamen 17,2% der Energiegewinnung des Landes aus "nicht traditionellen regenerativen Quellen", d.h. ohne Wasserkraft. Noch 2010 lag dieser knapp über 0. Bei nach wie vorsteigendem Energiekonsum insgesamt. Auch dieses Jahr gibts immer wieder Meldungen von insbesonder großen Solarpanel-Feldern, die ans Netz gehen. Der Ausbau schreitet so rasant voran, dass die Deutschland bezüglich der Nutzung dieser Energiequellen wohl Mitte der 20er Jahre überholen werden. Möglicherweise liefert das auch weitere Chancen für Industrie und Landwirtschaft, wenn dort die Kosten für Energie für große Abnehmer gegen fast 0 gehen.
Wir und die Chinesen verdienen an den Technologie-Exporten, der Strom in Chile wird billiger und für die ganze Welt sauberer.
Wenn es für den Umstieg auf sauberere Individualmobilität ähnlich läuft, erhöht das die Chancen für den Planeten.

Die Automobilindustrie ist sowieso so stark automatisiert, dass da im Vergleich zu vor 30 Jahren sowieso deutlich weniger Menschen am Wertschöpfungsprozess eingebunden sind.

Im übrigen kann ich Autos nicht leiden.
Meine Schwester arbeitet für einen Automobilkonzern. Die erzählt mir, dass da einige deswegen aus allen Wolken fallen, weil junge Bewerber sich immer häufiger gegen eine Karriere bei denen entscheiden. Vor ein paar Jahren galt schaffen für die noch als "top the notch", wie der polnische Scrum Master meines aktuellen Projektes sagen würde. Das hat sich gewandelt.
I like that.

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Kurz, knapp und richtig auf den Punkt gebracht! Insbesondere was diese grünen Schmiermichel betrifft.

Autos allerdings mag ich, ich bin ein leidenschaftlicher Fahrer.

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Ich schaue mir mal an wie das beim Dualen System gelaufen ist: In den 1990ern hatten wir fast 100% Wiederverwertung. Die lief so ab: Der Plastikmüll wurde überwiegend nach China exportiert und dort recycelt. Das lief so ab dass der Kunstoff einfach eingeschmolzen und ohne Unterscheidung nach chemischer Zusammensetzung in Formen gepresst wurde. Ich erinnere mich da an Bilder von Arbeitern, die mit nacktem Oberkörper in Anglerstiefelhosen (ohne Schutzmaske) in Tiegeln standen und den Plastikbrei mit besengroßen Löffeln umrührten. Was herauskam waren Kunststoffbügel und Hartschalensitze für Stadien und Straßenbahnen mit denen China den Weltmarkt überschwemmte.

Heute wird PET in Deutschland komplett recycelt, während der übrige Kunststoff in Müllverbrennungsanlagen landet, was dann wegen der Energiegewinnung ebenfalls unter Wiederverwertung läuft. Ausgenommen sind Kunststoffasern wie Polyamid, die weiterhin nach China gehen, dort in mittlerweilen modernen Chemiereaktoren aufbereitet werden und dann in Indien von Hand neu gesponnen, in Bangla Desh und Myanmar neu gewebt werden zu Arbeitsbedingungen wie vor dem deutschen Weberaufstand, und das sind dann unsere Fleecetextilien für sauteure Outdoorbekleidung. Ist das alles ein zivilisatorischer Fortschritt? WC, wohl caum.

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Exactement so kenne ich es aus alten Spiegel-Artikeln, zu Zeiten von Klaus "Kohls Umwelt-Placebo" Töpfer. Nach Töpfer kam 1994 übrigens Merkel :-).

Etwa in Heft 25, Der Unfug mit dem Grünen Punkt.

Mit Töpfers Billigung läßt das Duale System auch fragwürdige Verwertungsanlagen im Ausland vom TÜV abnehmen. Sowohl im bulgarischen Assenowgrad als auch im israelischen Tel Aviv oder in der südchinesischen Provinz Kanton landen die "Wertstoffe" mit dem Grünen Punkt meist auf Lagerplätzen von Uraltanlagen. Greenpeace-Experte Andreas Bernstorff, 47, sieht in den DSD-Praktiken einen Fall von "heimlichem Müllexport".

Oder Heft 43, Unsinn als Methode. Das Duale System hält jedoch nicht, was es verspricht, der Verbraucher wird getäuscht. Die eingesammelten Stoffe werden teilweise gar nicht oder auf ökologisch unsinnige Weise verarbeitet. Wieso muß denn meine leere Shampooflasche um den halben Globus transportiert werden und in China in einer dubiosen Recyclinganlage landen?

Ein Interview in Heft 36 war mit einer Karikatur garniert, die "Töpfers Blick nach vorn" hieß und ihn zeigt, wie er in einen Müllcontainer guckt, s. hier (PDF, letzte Seite).

Daran erinnere ich mich recht lebhaft, weil ich um die Artikel damals eine Hausarbeit gebastelt habe, Recycling halt.

(Fühlt sich merkwürdig an, dass ich den Spiegel in grauer Vorzeit lesenswert fand. Harharhar. Omg.)

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