Samstag, 4. November 2017
Eine Stimme der Vernunft zum #metoo-Getöse
Die Frau sagt wie es ist und hat einfach Recht:

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article169911081/Wir-wollen-doch-alle-nur-spielen.html


Die Erfahrungen von Kathrin Spoerr decken sich mit meinen eigenen, und das gilt nicht nur auf das Berufsumfeld "Redaktion" bezogen. In der deutschkurdischen Community in der ich mich etliche Jahre lang bewegte wurden andauernd Witze über Rassismus gemacht und so miteinander geredet: "Wieso ist denn Ahmed nicht da?" "Der verspätet sich wohl." "Ach was, Flüchtling, der ist schon wieder am Flüchten!" "Wieso kratzt Du runtergefallenen Döner vom Fußboden auf?" "Der ist für einen Freund. Wir Kurden sind die Juden von heute, und da muss man ja Menschenversuche machen." Permanent, den ganzen Tag, immer in diesem Tonfall. Einen der humorlosesten PC-Moralisten die ich kannte hat es endgültig zu meinem Feind gemacht als ich diese Dinge vor Jahren im Blog ausbreitete.

Drei frühere Komilitoninnen arbeiteten während der vorlesungsfreien Zeit einmal auf einer Baustelle. Und fanden es sehr charmant wie die Arbeiter mit ihnen umgingen und ihnen ständig Komplimente machten. Doch dann bestellte sie der Polier ein und sagte so ginge es nicht weiter die drei gefährdeten die Arbeitsabläufe. Als sie erwiderten, wieso, sie langten doch fleißig zu und mit den Kollegen verstünden sie sich hervorragend druckste der rum, wurde rot und platzte dann heraus: "Diese Kalksandsteine mit dem länglichen Loch in das man so schön hineinfassen kann haben wegen des Lochs bei den Jungs eine besondere Bezeichnung. Und seit hier drei Frauen arbeiten traut sich niemand mehr über die Baustelle zu brüllen <<Harry, roll mal ne Karre Fotzen rüber!>>

Als die Frauen, die sich alle drei als Feministinnen verstanden davon erzählten hielten sie sich prustend die Schenkel.


BtW und ich denke mal dass es sehr vom soziokulturellen Kontext abhängt was so als sexuelle Anmache/Belästigung empfunden wird. Habe ja selbst schon erlebt dass eine Frau mich im öffentlichen Raum begrapschte, worauf ich aber absolut positiv reagierte und umgekehrt, dass eine es als sexuelle Belästigung betrachtete dass ich mich neben ihr an eine Bar setzte und Small Talk beginnen wollte. Diese Frau war Lehrerin. Ich erzählte einer Hörerin in meinem Seminar davon, und die fragte "Hasste ihr an die Düsen gefasst?" und konnte beim besten Willen nicht verstehen was da Belästigung sein sollte. Sie selbst war VW-Arbeiterin und den Umgangston gewohnt der so am Montageband herrscht.

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Die Zeitungsredaktion ist mit Abstand der am wenigsten langweilige Ort. Das liegt vielleicht an der Abwechslung, der Verantwortung des Berufs. Mehr aber daran, dass Journalisten die frechsten Menschen sind, die ich kenne.

Es gibt Kollegen, die einander nur selten beim Namen nennen, weil sie die Anrede „Zuckerpuppe“, „Baby“ oder „Liebchen“ bevorzugen, Frauen genauso wie Männer. Es gibt Kollegen, die sich anschmachten, aufziehen.


Haha, das stimmt. In der kleinen Zeitschriftenredaktion, in der ich um die Jahrtausendwende arbeitete, war "Schatzi-Baby" die gängigste Anredeform (und zwar nicht nur an Kolleginnen adressiert), und innerhalb weniger Jahre wurden da drei Ehen (u.a. meine) und diverse Beziehungen gestiftet.

Ich habe aber auch mitbekommen, dass in einem Konkurrenzverlag sexuelle Belästigung an der Tagesordnung war und dass Redakteurinnen von Verlagschef und Chefredakteur hauptsächlich mit Blick auf den Hingucker-Faktor und die Haarfrabe Blond gecastet wurden. Wobei man fairerweise sagen muss, dass sich die Betroffenen überwiegend als sehr fähige und kompetente Kolleginnen erwiesen. Mit einem Generationswechsel im Verlag gehörten die schlimmsten Episoden zwar der Vergangenheit an, aber die Macho-Kultur existierte fort, bis der Chefredakteur von einer nachrückenden Kollegin abgelöst wurde.

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Oh Gott, das rebellische Gutmenschentum wird die Geister, die es rief, nicht mehr los, für immer dazu verdammt, das zu diskreditieren, was in seinen eigenen Reihen zu autoritär wird - selbst wenn's ein Bewusstsein für symbolische sexuelle Gewalt ist. Gibt's da nicht was von Marxopharm - Tragödie und Farce?

Fakt ist, dass die taffen Frauen, die du kennst, die absolute Ausnahme sind. In unserer kleinen Provinzredaktion hatte sich neulich die Praktikantin mit der ausgeprägten Oberweite sichtbar in sich zurückgezogen, später kam heraus, dass der neue Geschäftsführer lustige Vergewaltigungswitze gemacht hatte, andere Kolleginnen hatten sich wegen genau dieser taffen Attitüde nichts dabei gedacht, als er auch sie verbal beschmuste. Aber in der zur Mediation ausartenden Redaktionskonferenz mit allen Beteiligten kam heraus, dass es doch irgendwie niemand wirklich lustig fand.

Man hat es dummerweise häufig mit geistig minderbemittelten Menschen zu tun, denen die Goldene Regel aus Kindertagen nicht weiterhilft, weil sie irgendwann zu Charakterarschlöchern mutiert sind. Denen mit gaaanz niedrigschwelligen Echtzeit-Betreuungsangeboten auf die Sprünge zu helfen und ein verbindliches Wertesystem zu installieren, das ist das hehre Ziel.

Klar ist es im angesprochenen Fall einfach, die Kampagne als Marketing-"me too" zu diskreditieren - und was lieben wir es alle, wenn eine Autorität plötzlich selbst unterdrückende und selbstsüchtige Züge annimmt -, aber bevor der Flüchtling als edler Wilder herhalten muss, der unbedarft mühsam aufgebrochene Äcker mit seiner natürlichen Art - Gott, wie sie sich alle aufregen, die Spießer! - zutanzt, werde ich den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft weiterhin daran messen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht. Nicht nur daran, wie sie es schafft, propere Exemplare wie Matze, Murat und Mirjam hervorzubringen, wegen denen die anderen sich halt nicht so anstellen sollen.

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In meiner Welt halten sich die toughen und die schüchternen Frauen so in etwa die Waage. In Anbetracht der Frage welche Verhaltensweisen für die Emanzipation besser geeignet sind halte ich allerdings die toughen Frauen eher für einen Teil der Lösung als die Sensibelchen. Das absurde bei dem großen Metadiskurs der hier in Kleinbloggersdorf geführt wird ist ja, dass etwa eine Netbitch mit ihrem "Frauen schlagt" zurück nicht etwa auf Zustimmung aus dem dominierenden blogfeministischen Lager stößt sondern des Victimblamings bezichtigt wird. Dabei wäre Männergewalt konkrete Gegengewalt entgegenzusetzen (was in den Achtziger und Neunziger Jahren selbstverständliche feministische Praxis war) tatsächlich ein Ansatz der das Übel direkt angreift. #Aufschrei und #metoo vollziehen diese Konsequenz gerade nicht.

Für "der Flüchtling als edler Wilder" sei Dir zumindest verbal aufs Haupt geschlagen. Ich finde in der Tat, dass die näselnd-moralisierende deutsche akademische Mittelschicht von meinen kurdischen GenossInnen jede Menge zu lernen hätte.

BTW auf einem anderen Blatt steht, dass ich nun mal selber extrem durch toughe Frauen geprägt bin.

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Absolut großartig. Der Artikel, wie auch die Bauarbeiteranekdote. Erfrischend zu lesen, daß es tatsächlich auch noch einen nicht vom Irrsinn getrübten Blick auf die Welt gibt und nicht nur den Jammerton.

Sehr schön getroffen übrigens auch von Alban Nikolai Herbst:

"Haltung erweist sich daran, daß wir i m R i s i k o bestehen, nicht, wenn es Risikos nicht gibt. Deshalb dünkt es mich wohlfeil, wenn nun zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahre alte Vorfälle hervorgeholt werden, wie widerlich sie auch gewesen sein mögen. Man und frau haben sich einst gefügt und die Stelle bekommen, von der aus sie Karriere machten, vielleicht sogar Star wurden, und dann erst, wenn alles dies erreicht ist, empören sie sich. Mir macht das lange Zähne."

http://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/resilienzen-das-arbeitsjournal-des-sonnabends-den-4-november-2017-nach/

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Schöner Text, der Herbst, und sehr wahr.

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Und um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich gibt es übles Grabbeln und Baggern von Männern, Männer, die ihre Macht ausnutzen, Fassen auf Ärsche usw. Dafür sollte in der Tat der Blick sensiblisiert werden. Und nicht nur das: Frauen (und auch Männer) sollten solchen Typen auf die Pfoten und sonstwohin hauen. Ob allerdings dieser Hashtag-Feminismus wirklich das geeignete Mittel ist, bezweifle ich. Zumal beim System Hollywood alle fleißig mittaten. Und eine Angelina Jolie und eine Meryl Streep, die sich so böse über Trump empörte, hätte alle Möglichkeiten der Welt gehabt, schon sehr viel früher den Mund aufzutun. Wie lustig auch: Alle wetterten gegen den bösen Trump - zu recht - und dann ist ein ausgewiesener Clinton-Unterstützer plötzlich genau so ein Sexist wie Trump und vermutlich sogar deutlich schlimmer. Interessante Volten und Haken, die die Geschichte manchmal schlägt.

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