Montag, 9. April 2018
Neuregelung des Familiennachzugs für subsidiär geschützte Flüchtlinge verletzt Bürgerrechte
che2001, 14:59h
BMI-Entwurf zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten: Weitgehender Ausschluss des Eltern- und Geschwisternachzugs.
Anfang April ist ein Entwurf des Bundesministeriums des Innern (BMI) zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten bekannt geworden (Bearbeitungsstand 21.03.2018). Die hier bekannt gewordenen Reformvorschläge geben Anlass zur Sorge. Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) appelliert an die Bundesregierung, die Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention einzuhalten und Kindern ein Zusammenleben mit ihren Eltern und Geschwistern zu ermöglichen.
Der derzeitige Entwurf würde das Gegenteil davon bedeuten. Kinder und Jugendliche ohne Eltern wären die großen Verlierer. Verfassungsrechtlich vermag die damit dauerhaft intendierte Trennung von Eltern und Kindern kaum standzuhalten.
Eltern unbegleiteter Minderjähriger (uM) mit subsidiärem Schutz sollen in Zukunft grundsätzlich unter die Kontingentregelung von monatlich bis zu 1000 Personen fallen können. Der Nachzug von minderjährigen Geschwistern ist von der Kontingentregelung jedoch nicht erfasst. Eltern würden vor die Wahl gestellt, zu entscheiden für welches ihrer minderjährigen Kinder sie sorgen möchten und welches sie im Stich lassen möchten.
Die in der Begründung zum Entwurf geplanten Voraussetzungen für den Elternnachzug würden darüber hinaus auch zu einem Ausschluss des Großteils der Eltern vom Nachzug führen.
- Die Kindeswohlinteressen werden so eng gefasst, dass auch der Elternnachzug zu großen Teilen scheitern würde. So wird „eine besondere Schutzwürdigkeit […] bei Kindern unter 14 Jahren“ angenommen. Der Großteil der Antragstellenden uM war im Jahr 2017 16 oder 17 Jahre alt (ca. 81%). Unter 14-jährige reisen zudem oft mit Verwandten ein, für ihre Eltern wäre ein Nachzug prinzipiell leichter möglich. Doch auch für diesen Fall hat das BMI Abwägungsvorgaben formuliert, die zur Versagung des Nachzugs führen würden: Wenn „Familienangehörige in räumlicher Nähe des Kindes leben, zu denen der Minderjährige ein vertrauensvolles Verhältnis hat oder die ggf. bereits als Vormund bestellt sind“, soll dies ebenfalls bei der Einzelfallprüfung Berücksichtigung finden.
- Das kindliche Zeitempfinden und die langen Wartezeiten, die Minderjährige ohne ihre Eltern leben mussten, werden nicht berücksichtigt: Maßgeblich für die Dauer der Trennungssituation soll nämlich nicht sein, wie lange Kinder oder Jugendliche ohne Eltern leben mussten, sondern lediglich der Zeitraum ab der Asylantragsstellung. Viele uM waren jedoch Monate und zum Teil Jahre auf der Flucht bevor für sie ein Asylantrag gestellt wurde.
- Berücksichtig werden soll außerdem, ob die „Trennung der Familie bewusst herbeigeführt wurden“. Unberücksichtigt bleiben hingegen die vielfältigen Notlagen, die gerade Eltern dazu zwingen, ihre Kinder durch die Flucht zu schützen. So wird vielen uM aus Afghanistan und Somalia bewusst von ihren Eltern die Flucht ermöglicht, um sie vor Rekrutierungen durch die islamistischen Taliban oder die al-Shabaab Milizen zu schützen.
- Die „Eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnraumes“ soll ebenfalls Berücksichtigung finden. Für Minderjährige ist beides nicht möglich.
„Bleibt dieser Entwurf bestehen, werden unbegleitete Minderjährige mit subsidiärem Schutz dauerhaft von Eltern und Geschwistern getrennt. Statt Minderjährige besser zu stellen und besonders zu schützen, ist das Gegenteil geplant. Kinder und Jugendliche, die alleine flüchten müssen, wären die großen Verlierer“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband umF, „Für nahezu jede Fallkonstellation würde sich ein Ausschlussgrund finden lassen. Kaum ein Elternteil würde nachziehen können, Geschwister bleiben komplett außen vor.“
Anstatt der im Grundgesetz festgeschriebenen Garantie auf Schutz der Familie, würde eine unbegrenzte Trennung von Eltern und Kindern festgeschrieben. Dies ist nicht nur kinder- und menschenrechtlich kaum haltbar, es erscheint auch verfassungsrechtlich höchst fragwürdig.
Auch die im Gesetz vorgesehene Härtefallregelung bietet keinen Ausweg: Die Bezugnahme auf § 22 AufenthG als Härtefallregelung abseits des Kontingentes führt den Schutz der Familie ad absurdum: § 22 AufenthG ist vom Sinn und Zweck her keine Regelung zum Familiennachzug, sondern für humanitäre und völkerrechtliche Härtefälle. Daher werden bei seiner Anwendung auch keine sonst geltenden Schutzgarantien für Familien eingehalten. Neben der Unklarheit des Verfahrens und dem ineffektiven Rechtsschutz, sind die Hürden bereits bei der Antragstellung hoch. Obwohl im Jahr 2016 insgesamt 153.700 Personen und im Jahr 2017 insgesamt 98.074 Personen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde, wurde 2017 gerade mal in 114 Fällen auch tatsächlich ein Härtefallverfahren nach § 22 AufenthG eingeleitet und in 66 Fällen ein Visum auf der Grundlage von § 22 AufenthG gewährt.
Anfang April ist ein Entwurf des Bundesministeriums des Innern (BMI) zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten bekannt geworden (Bearbeitungsstand 21.03.2018). Die hier bekannt gewordenen Reformvorschläge geben Anlass zur Sorge. Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) appelliert an die Bundesregierung, die Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention einzuhalten und Kindern ein Zusammenleben mit ihren Eltern und Geschwistern zu ermöglichen.
Der derzeitige Entwurf würde das Gegenteil davon bedeuten. Kinder und Jugendliche ohne Eltern wären die großen Verlierer. Verfassungsrechtlich vermag die damit dauerhaft intendierte Trennung von Eltern und Kindern kaum standzuhalten.
Eltern unbegleiteter Minderjähriger (uM) mit subsidiärem Schutz sollen in Zukunft grundsätzlich unter die Kontingentregelung von monatlich bis zu 1000 Personen fallen können. Der Nachzug von minderjährigen Geschwistern ist von der Kontingentregelung jedoch nicht erfasst. Eltern würden vor die Wahl gestellt, zu entscheiden für welches ihrer minderjährigen Kinder sie sorgen möchten und welches sie im Stich lassen möchten.
Die in der Begründung zum Entwurf geplanten Voraussetzungen für den Elternnachzug würden darüber hinaus auch zu einem Ausschluss des Großteils der Eltern vom Nachzug führen.
- Die Kindeswohlinteressen werden so eng gefasst, dass auch der Elternnachzug zu großen Teilen scheitern würde. So wird „eine besondere Schutzwürdigkeit […] bei Kindern unter 14 Jahren“ angenommen. Der Großteil der Antragstellenden uM war im Jahr 2017 16 oder 17 Jahre alt (ca. 81%). Unter 14-jährige reisen zudem oft mit Verwandten ein, für ihre Eltern wäre ein Nachzug prinzipiell leichter möglich. Doch auch für diesen Fall hat das BMI Abwägungsvorgaben formuliert, die zur Versagung des Nachzugs führen würden: Wenn „Familienangehörige in räumlicher Nähe des Kindes leben, zu denen der Minderjährige ein vertrauensvolles Verhältnis hat oder die ggf. bereits als Vormund bestellt sind“, soll dies ebenfalls bei der Einzelfallprüfung Berücksichtigung finden.
- Das kindliche Zeitempfinden und die langen Wartezeiten, die Minderjährige ohne ihre Eltern leben mussten, werden nicht berücksichtigt: Maßgeblich für die Dauer der Trennungssituation soll nämlich nicht sein, wie lange Kinder oder Jugendliche ohne Eltern leben mussten, sondern lediglich der Zeitraum ab der Asylantragsstellung. Viele uM waren jedoch Monate und zum Teil Jahre auf der Flucht bevor für sie ein Asylantrag gestellt wurde.
- Berücksichtig werden soll außerdem, ob die „Trennung der Familie bewusst herbeigeführt wurden“. Unberücksichtigt bleiben hingegen die vielfältigen Notlagen, die gerade Eltern dazu zwingen, ihre Kinder durch die Flucht zu schützen. So wird vielen uM aus Afghanistan und Somalia bewusst von ihren Eltern die Flucht ermöglicht, um sie vor Rekrutierungen durch die islamistischen Taliban oder die al-Shabaab Milizen zu schützen.
- Die „Eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnraumes“ soll ebenfalls Berücksichtigung finden. Für Minderjährige ist beides nicht möglich.
„Bleibt dieser Entwurf bestehen, werden unbegleitete Minderjährige mit subsidiärem Schutz dauerhaft von Eltern und Geschwistern getrennt. Statt Minderjährige besser zu stellen und besonders zu schützen, ist das Gegenteil geplant. Kinder und Jugendliche, die alleine flüchten müssen, wären die großen Verlierer“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband umF, „Für nahezu jede Fallkonstellation würde sich ein Ausschlussgrund finden lassen. Kaum ein Elternteil würde nachziehen können, Geschwister bleiben komplett außen vor.“
Anstatt der im Grundgesetz festgeschriebenen Garantie auf Schutz der Familie, würde eine unbegrenzte Trennung von Eltern und Kindern festgeschrieben. Dies ist nicht nur kinder- und menschenrechtlich kaum haltbar, es erscheint auch verfassungsrechtlich höchst fragwürdig.
Auch die im Gesetz vorgesehene Härtefallregelung bietet keinen Ausweg: Die Bezugnahme auf § 22 AufenthG als Härtefallregelung abseits des Kontingentes führt den Schutz der Familie ad absurdum: § 22 AufenthG ist vom Sinn und Zweck her keine Regelung zum Familiennachzug, sondern für humanitäre und völkerrechtliche Härtefälle. Daher werden bei seiner Anwendung auch keine sonst geltenden Schutzgarantien für Familien eingehalten. Neben der Unklarheit des Verfahrens und dem ineffektiven Rechtsschutz, sind die Hürden bereits bei der Antragstellung hoch. Obwohl im Jahr 2016 insgesamt 153.700 Personen und im Jahr 2017 insgesamt 98.074 Personen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde, wurde 2017 gerade mal in 114 Fällen auch tatsächlich ein Härtefallverfahren nach § 22 AufenthG eingeleitet und in 66 Fällen ein Visum auf der Grundlage von § 22 AufenthG gewährt.
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