Donnerstag, 5. Dezember 2019
Antirassismus 2019 - Ein Rückblick
Wie würden wir das vergangene Jahr in wenigen Sätzen aus antirassistischer Perspektive bilanzieren?
Die rassistische Hetze hat weiter zugenommen, die AfD als Spiegelbild für fortgesetzte Spaltungen und die Formierung des Nationalen. Der Abschiebeapparat ist nochmals rigider und effektiver geworden, insbesondere Neu-Ankommende sind den Gesetzesverschärfungen oft hilflos ausgeliefert. An den EU-Außengrenzen hat die Brutalität von Frontex & Co nicht abgenommen. Tod und Leid an allen Ecken und Enden. Also alles nur schlimmer und hoffnungsloser?

Wir denken Nein. Und sehen einige Ansatzpunkte, die für 2020 durchaus weitere Dynamiken in Gang setzen können:
In der Auseinandersetzung zur Seenotrettung ist es - nicht nur in Italien mit dem Abtritt Salvinis, aber vor allem im zentralen Mittelmeer - gelungen, wieder „Land zu gewinnen". Die Kriminalisierung ist nicht gestoppt aber doch zurückgedrängt. Auch wenn in Deutschland das Bündnis „Städte sicherer Häfen“ noch symbolisch bleibt, ist kommunale Flüchtlingsaufnahme weiter ein Thema, an dem nicht locker gelassen wird.
Dann hat sich das, was wir „Brückenpotentiale“ nennen würden, hoffnungsvoll verstärkt. Denn Klima(gerechtigkeits)bewegung, feministische Kämpfe und MieterInnenproteste sind 2019 jeweils stärker geworden und in alle drei Bereiche hinein bestehen vielfältige antirassistische Querverbindungen.
Ganz oben auf der positiven Seite der Bilanz stehen für uns schließlich die Kontinuität und Ausweitung der „alltäglichen Infrastrukturen für Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte“. Die Vielzahl der Projekte und Initiativen entlang aller Routen war nicht zuletzt im Transborder Summer-Camp im letzten Juli in beeindruckender Weise zusammengekommen. Und gegen die rassistische Hetze und die andauernden Übergriffe - nicht nur im Osten Deutschlands - muss sich zeigen, ob „MigrAntifa“ zu einer praktischen Parole für das nächste Jahr erwachsen kann.

Jedenfalls bleibt es dabei: wir kämpfen weiter gegen alle rassistischen Angriffe, gegen jede Abschiebung und um jedes Boot. Das Alarm Phone ist dafür ein lebendiges und aktuell besonders effektives Beispiel konkreter Intervention in umkämpften Grenzräumen. Könnten wir 2020 gar wieder offensiver werden? Gelingt ein koordinierteres Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure? In Germany wie auch transnational? Lässt sich eine neue Bleiberechtkampagne in Gang bringen? Können wir beitragen, die EU-libysche Kollaboration zu Fall zu bringen?
Ende November haben sich in Bologna Aktive aus der Seenotrettung und aus den Solidarity Cities getroffen, um über nächste transnationale Schritte zu beraten. Die Idee der „Buses of Hope“ wurde erneut aufgegriffen, um weiteren praktischen Druck für die Korridore der Solidarität zu schaffen: from the Sea to the Cities, von den Hafenstädten weiter in die Ankunftsstädte. Für Februar 2020 ist auf Initiative von We`ll Come United ein bundesweites Beratungstreffen in Vorbereitung, um verschiedene Ebenen koordinierter Projekte und Kampagnen zu diskutieren.

Rise-up 2020 ist ein themenübergreifender Aufruf aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, der - so erscheint es uns bislang – jenseits der Klimaproteste ziemlich abstrakt bleibt. Doch auf globaler Ebene - vom Sudan über Algerien bis Chile und Hong Kong - haben sich in den letzten Monaten an vielen Orten die sozialen Auseinandersetzungen massiv verschärft. Im AntiRa-Bereich sollten wir das "Rise-up" in den kommenden Wochen konkretisieren und - was auch immer im obengenannten Sinne möglich ist - praktisch anpacken. Von Agadez über Palermo bis nach Berlin. Von Moria/Lesvos über Bihac/Bosnien bis nach Paris. Von Tanger über Barcelona bis nach Stockholm. Keine Atempause - für eine neue Dekade verschärfter Kämpfe um globale soziale Rechte! Basta.

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