Dienstag, 9. Januar 2024
Die programmierte Katastrophe - das doppelte Dilemma des Bibi Netanjahu
Der israelische Premierminister hat zwei Direktiven im Kampf gegen die Hamas verkündet: Die Hamas vollständig zu zerschlagen und die Geiseln zu befreien.

Beides zusammen geht nicht so ohne weiteres, geht vielleicht gar nicht. Schon jetzt ist der Gazastreifen ungefähr so zerstört wie Dresden im Frühjahr 1945. Die militärischen Strukturen der Hamas sind zwar stark geschwächt, von vollständig zerschlagen kann aber nicht die Rede sein. Und will man sie restlos zerschlagen muss man zu Mitteln greifen, die sich für einen ethisch handelnden Staat verbieten: Etwa Aerosolbomben in die Tunnel, alles mit einer Druck- und Hitzwelle durchblasen dass da niemand mehr lebt. Das heisst dann auch zum Teufel mit den Geiseln.

Und auf der anderen Seite bedeutet alle Geiseln frei zu bekommen verhandeln. Eine Hamas, der die völlige Vernichtung angedroht wird wird ihr Faustpfand nicht aus den Händen geben wollen. Beide Ziele gleichzeitig erreichen zu wollen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das weiß Netanjahu, und er weiß auch um die Tatsache, dass seine politische Karriere beendet sein wird, wenn es zu einem Ende der Kampfhandlungen kommt.

Israel wird ihn verantwortlich machen für die Lücken im Sicherheitssystem, die den Überfall der Hamas möglich gemacht haben. Golda Meir hatte der Yom-Kippur-Krieg ihre politische Karriere gekostet. Netanjahu aber wird sich für größere Fehler verantworten müssen als sie. Das weiß er, und so hat er ein Interesse daran, dass der aktuelle Krieg möglichst lange dauert. Etwas anderes als zwischen zwei in voller Konsequenz nicht zu verwirklichenden Lösungen herumzuwursteln bleibt ihm ohnehin nicht.

... comment

 
Jeder weiß, daß die Geiseln verloren sind. Mit einer Hamas, die weiter in Gaza wurschtelt und wieder zehn oder fünf Jahre nutzt, um sich aufzurüsten, wird immer wieder eine Bedrohung Israels sein. Darauf wird Netanjahu sich nicht einlassen. Und solange keine Geiseln freigelassen werden, wird es keine Waffenruhe geben.

Genau das ist es, womit die Hamas kalkuliert: Möglichst viele Tote aus den eigenen Reihen. Viel Blut bedeutet viel Mitleid der Weltgemeinschaft und da setzt man dann gerne auch schon einmal Kinder und Frauen ein und postiert sie als menschliche Schutzschilde.

Und genau in dieses politische Dilemma, das Du beschreibst, hat die Hamas die israelische Regierung hineingetrieben - was taktisch ein geschickter Zug war. Nur eben auch dazu führen kann, daß es die Hamas dann nicht mehr gibt. Was ein Gewinn wäre.

Herwig hat diese Gemengelage in einer der besten Analysen zusammengefaßt:

"Wie reagiert man rational und human auf Massenmord? Wie soll das gehen, ohne naiv zu sein?
Es ist und bleibt die Quadratur des Kreises. Natürlich kann man Israel in der Art und Weise bestimmter, kriegerischer Akte kritisieren. Und das passiert ja in Israel selbst auch.

Aber die Quadratur des Kreises lässt sich ganz grundsätzlich ohne Naivität eben nicht auflösen. Mit der Todeskulttruppe des Namens Hamas ist eine politische, also auf Verständigung und Ausgleich beruhende, Vereinbarung schlicht nicht möglich. Leider, wie jeder wird zugeben müssen, der vom politischen Leben mehr verlangt als Härte und Draufschlagen. Leider. Aber ich sehe nicht, wie man mit dieser Truppe, die weitere Massenmorde an Juden ja schon angekündigt hat, politisch „ins Geschäft kommen“ kann.

Zu dem Todeskult der Hamas gehört ja auch, dass sie das Volk in diesen Kult mit einbezieht. Nämlich als Opfergabe."

Und ich habe diese Analyse aufgegriffen und um ein paar Überlegungen ergänzt:

So ist es Herwig: seht guter Kommentar und bestens und in wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht, dieses Trilemma der Intervention, mit dem die Hamas Israel in Bedrängnis bringt:

1. Israel wehrt sich nicht: dann kann die Regierung Netanjahu ihren Hut nehmen und neuer und weiterer Terror der Hamas ist vorprogrammiert. Denn in der berühmten Charta der Hamas ist keine Existenz Israels vorgesehen, sondern nur ein von Israel befreitetes „Palästina“.

2. Israel stimmt einem Geiselaustausch zu und für die über 200 Geiseln werden tausende neuer Terroristen freigelassen: dann ist weiterer Terror vorprogrammiert. Siehe auch die Freilassung von Gilad Schalit oben und welche Bestien das hervorgebracht hat.

3. Israel reagiert auf den Terror und wird die Hamas vernichten: dann sind entsetzliche Bilder vorprogrammiert und schnell wird die Sympathie der Weltöffentlichkeit mit Israel schwinden. Genau das, was die Hamas will, der es eben nicht um die Leben der Zivilisten geht. Diese werden von der Hamas bewußt zur Produktion von Bildern eingesetzt, etwa über Pallywood und Krankenhauslügen. Arye Sharuz Shalicar der Armeespreche, der eine lange Zeit in Berlin lebte, gibt dazu und daß die israelische Armee immer wieder versucht, Opfer zu vermeiden, hinreichend Auskunft.

Und bei diesem Teufelskreis gibt es für Israel keine Option, die in irgend einer Weise vernünftig ist. Jetzt aber, zu diesem Zeitpunkt und auf halbem Wege diese Sache abzubrechen, wäre fatal. Zumal Israel so oder so keine Sympathie der palästinensischen Araber entgegenschlägt. Und ich glaube ich nicht, daß in fünf Jahren dann plötzlich, wenn die IDF nicht in Gaza zugeschlagen hätte, alle die Güte Israels rühmen, es unterlassen werden, Juden zu ermorden und sich zum Frieden bekennen werden. Hamas und Hisbollah wollen keinen Frieden, sondern die Befreiung dieser Region von Juden bzw. von dem Staat Israel. DAS ist das Faktum, dem sich Israel stellen muß.

... link  


... comment
 
Und hier gibt es aktuelle Bilder von den Geiseln und dazu einen guten Kommentar von Arye Sharuz Shalicar:

https://fb.watch/ptbRbYDPP8/

... link  


... comment