Mittwoch, 1. Dezember 2021
"Dramatische Situation": DIVI aktualisiert Empfehlungen zur Priorisierung und Triage in der COVID-19-Pandemie
Ute Eppinger, Medscape



Die 4. Welle der COVID-19-Pandemie rollt über Deutschland: Stand heute sind 5,57 Millionen Fälle bestätigt, 76.414 Neuinfektionen, 357 Menschen sind in den vergangenen 24 Stunden an COVID-19 gestorben. In manchen besonders betroffenen Regionen liegt der Anteil von COVID-19-Patienten auf Intensivstationen bei bis zu 60%.

?Angesichts dieser Zahlen rechnen wir in den kommenden Wochen täglich mit Hunderten zusätzlichen intensivpflichtigen COVID-19-Patienten. In Kürze werden wir den Höchststand von 5.723 intensivpflichtigen COVID-19-Patienten vom 4. Januar 2021 erreicht haben und diesen im Weiteren sicherlich deutlich überschreiten?, betonte Prof. Dr. Uwe Janssens, Chefarzt der Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital und Sprecher der Sektion Ethik der DIVI, auf einem Press-Briefing der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI) [1].

Angesichts dieser Zahlen rechnen wir in den kommenden Wochen täglich mit Hunderten zusätzlichen intensivpflichtigen COVID-19-Patienten. Prof. Dr. Uwe Janssens
Mehr und mehr Stimmen warnen vor einer einsetzenden Triage in den belasteten Regionen. Aus aktuellem Anlass wurden jetzt die Klinisch-ethischen Empfehlungen zu Entscheidungen über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie überarbeitet. Erstmals waren die Empfehlungen am 25. März 2020 veröffentlicht worden.

Seinerzeit beschäftigten sich die Empfehlungen mit ?der damals unwahrscheinlichen, aber jetzt zunehmend realistischen Befürchtung, dass die Krankenhäuser aufgrund nicht mehr ausreichend verfügbarer Ressourcen Patienten nicht mehr versorgen können und dann entscheiden müssen, wer eine Behandlung erhält und wer nicht?, stellte Janssens klar. Jetzt aber ? 23 Monate später ? habe sich die Situation dramatisch verändert.

Trotz der jetzt verfügbaren Impfung kämpfen wir mit einer immer noch unzureichenden Impfquote vor allem in den stark betroffenen Regionen. Prof. Dr. Uwe Janssens
?Trotz der jetzt verfügbaren Impfung kämpfen wir mit einer immer noch unzureichenden Impfquote vor allem in den stark betroffenen Regionen. Wir kämpfen mit der hohen Infektiosität der Delta-Variante, dem abnehmenden Schutz der Impfung vor allem bei den früh im Jahr geimpften, vulnerablen Patienten, und wir kämpfen mit dem substanziellen Verlust der Intensivpflegekräfte in den letzten Monaten und den daraus resultierenden Bettenschließungen auf den Intensivstationen?, berichtete Janssens.


Klinische Erfolgsaussicht zählt ? Impfstatus darf kein Kriterium sein
Angesichts der zunehmend bedrohlichen Lage werden Stimmen immer lauter, die fordern, dass freiwillig nicht geimpfte Personen angesichts der knappen Ressourcen nicht behandelt werden und die verbliebenen Behandlungsplätze ausschließlich Geimpften und Genesenen zur Verfügung gestellt werden sollten. In den überarbeiteten Empfehlungen ist das ausdrücklich ausgeschlossen.

Dass der Impfstatus kein Kriterium sein kann, machte Prof. Dr. Georg Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, deutlich: ?Wir sind Retter, keine Richter!? Die Empfehlungen seien ?im Kern? nicht verändert: Damit bleibt das maßgebliche Kriterium für eine Entscheidung die klinische Erfolgsaussicht ? also die Wahrscheinlichkeit, ob der Patient die Intensivbehandlung überleben wird.

?Die Priorisierungen erfolgen ausdrücklich nicht in der Absicht, Menschen oder Menschenleben zu bewerten, sondern aufgrund der Verpflichtung, mit den (begrenzten) Ressourcen möglichst vielen Patienten eine nutzbringende Teilhabe an der medizinischen Versorgung unter Krisenbedingungen zu ermöglichen?, heißt es in den Empfehlungen.

Die ärztliche Hilfspflicht gelte in lebensbedrohlichen Situationen unabhängig davon, wie sich der Betroffene zuvor verhalten habe, betonte Marckmann.

Wir sind Retter, keine Richter! Prof. Dr. Georg Marckmann
In der solidarischen Krankenversicherung hängt der Zugang zu Leistungen nicht davon ab, ob jemand möglicherweise durch sein Verhalten die Erkrankung selbst verursacht hat. Aus guten Gründen, so Marckmann: ?Oft ist gar nicht klar, ob die Erkrankung tatsächlich ursächlich auf das Verhalten des Einzelnen zurückzuführen ist. Die Frage ist auch, ob das Verhalten wirklich auf einer selbstbestimmten Entscheidung beruht.?

Das sei so bei Risikosportlern, man behandle auch den Lungenkrebs des Rauchers genauso wie die koronare Herzerkrankung des Übergewichtigen. ?Genauso werden wir die COVID-19-Erkrankung von jemanden behandeln, der sich nicht geimpft hat. Auch bei diesem wissen wir nicht, auf welcher Informationsgrundlage die Entscheidung getroffen wurde, hat der Mensch möglicherweise Falschinformationen von Querdenkern oder Corona-Leugnern zugrunde gelegt.?

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Impfraten nach wie vor in sozio-ökonomisch benachteiligten Gruppen am niedrigsten sind. ?Würden wir das Kriterium anwenden, dann bekämen wir eine ganz bedenkliche soziale Schieflage im Zugang zu den intensivmedizinischen Ressourcen?, so Marckmann.

Nicht nur COVID-19: Die Auswahl soll unter allen Patienten erfolgen
In den aktualisierten Empfehlungen ist die Gleichbehandlung von COVID-19-Patienten und von Patienten mit anderen Erkrankungen ein ganz wichtiger Punkt, so Prof. Dr. Jan Schildmann, Internist und Leiter des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin.


Es gilt der Gleichheitsgrundsatz: Deshalb sehen die Empfehlungen vor, dass eine Auswahl unter allen Patienten erfolgen sollte, die eine Intensivbehandlung benötigen, unabhängig davon, wo sie gerade versorgt werden (Notaufnahme, Allgemeinstation, Intensivstation) und ganz gleich, ob COVID-19-Infizierter, Schlaganfall-Patient oder Unfallopfer.

Um fair und medizinisch gut begründet zu priorisieren, sollen die Entscheidungen möglichst nach dem Mehraugen-Prinzip getroffen werden: Durch möglichst 2 intensivmedizinisch erfahrene Ärzte, möglichst einem Vertreter der Pflegenden und ggf. weiteren Fachvertretern.

Der Schweregrad der aktuellen Erkrankung sowie relevante Begleiterkrankungen (z.B. schwere vorbestehende Organdysfunktion mit prognostisch eingeschränkter Lebenserwartung) spielen für die Prognose eine wesentliche Rolle. Der Patientenwille (aktueller, vorausverfügter, zuvor mündlich geäußerter oder mutmaßlicher Patientenwille) ist ohnehin fester und mandatorischer Bestandteil bei allen Entscheidungen.

Verschobene Krebsoperationen, um Platz für schwerkranke COVID-19-Patienten zu schaffen: Ist das nicht schon eine Form der Triage? Janssens spricht von einer ?verdeckten Priorisierung?. ?Der akute Herzinfarkt, der akute Schlaganfall, die akute Herzschwäche, der schwere Autounfall ? das muss schnellstmöglich behandelt werden.?

Die Situation ist dramatisch. Keiner von uns will in die Situation einer Triage kommen, das ist furchtbar und eine enorme Belastung. Prof. Dr. Uwe Janssens
Dazu kommen Patienten mit eklatanten Erkrankungen, z.B. Tumor-Erkrankungen, die operiert werden müssen. ?Eine solche Operation ist vielleicht für die Zukunft dieser Patienten lebensrettend, eine Verschiebung des Eingriffs also durchaus zum Nachteil für Patienten. Diese Gleichwertigkeit herzustellen ist eine klar medizinische Aufgabe?, erklärte Janssens.

Es gelte der Grundsatz, dass bei insgesamt begrenzten Ressourcen keine Patientengruppe bevorzugt werden dürfe, insbesondere auch nicht die, bei denen absehbar ist, dass sie im Verlauf durch Verschiebung gesundheitlich Schaden nehmen können, betonte Schildmann.

Rückhalt aus der Politik forderte Marckmann: ?Ich wünsche mir, dass die Ärzte, die diese tragischen Entscheidungen dann möglicherweise treffen müssen, eine klare Rückendeckung von der Politik bekommen. Dass sie ein Mandat haben, mit dieser Knappheit umzugehen und auch entsprechende Rechtssicherheit haben.?

Janssens erinnerte daran, dass die Sterblichkeitsraten von COVID-19-Patienten, die beatmet werden müssen, noch immer bei 50% lägen: ?Es ist und bleibt ein furchtbares Krankheitsbild?, betonte Janssens. Selbst wer überlebe sei nach 30, 40 Tagen Intensivtherapie für das Leben gezeichnet.

Geimpfte haben insgesamt eine deutlich bessere Prognose als nicht geimpfte COVID-19-Patienten, bestätigte Janssens. Allerdings seien auch Impfdurchbrüche bei Älteren, die viele Begleiterkrankungen haben, prognostisch von Bedeutung, weshalb die Booster-Impfungen gerade für diese vulnerablen Gruppen unglaublich wichtig seien.

Unsere Bitte an die Politik ist: Endlich durchgreifend handeln mit Maßnahmen, die sicherstellen, dass diese Infektionsketten abbrechen. Prof. Dr. Uwe Janssens
?Die Situation ist dramatisch. Keiner von uns will in die Situation einer Triage kommen, das ist furchtbar und eine enorme Belastung?, sagte Janssens. ?Wir brauchen jetzt schnellste Entscheidungen für ganz Deutschland. Wir können uns nicht leisten abzuwarten und zuzuschauen, wie wir jeden Tag 80.000 Neuinfektionen bekommen, und wissen, was damit auf uns zukommt. Unsere Bitte an die Politik ist: Endlich durchgreifend handeln mit Maßnahmen, die sicherstellen, dass diese Infektionsketten abbrechen. Sonst kommen wir in den nächsten Wochen dahin, wo kein Mensch sein will!?, schloss Janssens.

?COVID-19-Kranke verdrängen auf der Intensivstation die anderen? ? DIVI stellt klar, was uns erwartet, lehnt aber Impfpflicht ab


Die 4. Welle der Pandemie überfordert das deutsche Gesundheitssystem. Auf einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) machten nun die Intensivmediziner klar, was uns in den nächsten Wochen erwartet.

?Die Coronalage ist sehr besorgniserregend und momentan nicht unter Kontrolle?, sagte Prof. Dr. Gernot Marx auf der Pressekonferenz. ?Angesichts der zunehmenden Infektionsdynamik und der steigenden Inzidenzen und steigenden Intensivbelegungszahlen machen wir uns wirklich große Sorgen?, stellte der Präsident der DIVI klar.

Die Coronalage ist sehr besorgniserregend und momentan nicht unter Kontrolle. Prof. Dr. Gernot Marx
Wie Marx berichtete, kamen vergangene Woche 1.887 Patienten mit COVID-19 neu auf deutsche Intensivstationen (ITS), 689 COVID-19-Patienten starben in diesem Zeitraum. Aktuell (Stand 22.11.2021) sind 3.675 Patienten auf ITS, davon müssen 51% invasiv beatmet werden.

Wer sind die Schwerkranken?
Ob unter den COVID-19-Patienten bereits geboosterte Patienten sind, könne man nicht sagen, so Marx. ?Wir sehen aber jetzt eine Zunahme an älteren Patienten über 60 ? das werden in der Regel noch nicht geboosterte Patienten sein. Wir erfassen das nicht systematisch ? aber mit wem man auch spricht, jeder Kollege gibt dieselbe Information: Die schweren Verläufe sind nicht geimpfte Patienten, die überwiegende Mehrzahl sind nach wie vor ungeimpfte Patienten ? auch die, die eine ECMO benötigen, die wir besonders intensiv behandeln müssen, sind ungeimpfte Patienten.?

Bei den Impfdurchbrüchen handele es sich um Ältere, die eine zusätzliche Erkrankung aufwiesen, und um Patienten, die z.B. eine Transplantation hinter sich hätten und immunsupprimierende Medikamente nehmen müssten. Wer vollständig geimpft sei und keine schwere Vorerkrankung habe oder zusätzlich Medikamente nehmen müsse, sei sehr sicher vor schweren Verläufen geschützt.

Situation auf den Intensivstationen ähnelt der vom Herbst 2020
Die Entwicklung auf den ITS bezeichnete Marx als ?quasi identisch zu der im vergangenen Herbst?. Die 4. Welle treffe die Intensivmedizin ?bei reduzierten Kapazitäten, weil viele unserer Pflegekräfte aufgrund von Erschöpfung ihre Arbeitszeit reduziert haben oder sogar den Beruf verlassen haben. Das bedeutet für Deutschland: 4.000 Intensivbetten weniger als noch vor einem Jahr, berichtete Marx.

Das bedeutet für Deutschland: 4.000 Intensivbetten weniger als noch vor einem Jahr.
Dass die Zahl der betreibbaren Intensivbetten bundesweit um 4.000 abgenommen hat, liege daran, dass viele Pflegekräfte den Beruf entweder verlassen oder ihre Arbeitszeit reduziert haben, bestätigte Prof. Dr. Christian Karagiannidis, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters. "Das sehen wir, und das wird auch durch Umfragen untermauert."

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Montag, 29. November 2021
"Dramatische Situation": DIVI aktualisiert Empfehlungen zur Priorisierung und Triage in der COVID-19-Pandemie
Ute Eppinger, Medscape

Die 4. Welle der COVID-19-Pandemie rollt über Deutschland: Stand heute sind 5,57 Millionen Fälle bestätigt, 76.414 Neuinfektionen, 357 Menschen sind in den vergangenen 24 Stunden an COVID-19 gestorben. In manchen besonders betroffenen Regionen liegt der Anteil von COVID-19-Patienten auf Intensivstationen bei bis zu 60%.

"Angesichts dieser Zahlen rechnen wir in den kommenden Wochen täglich mit Hunderten zusätzlichen intensivpflichtigen COVID-19-Patienten. In Kürze werden wir den Höchststand von 5.723 intensivpflichtigen COVID-19-Patienten vom 4. Januar 2021 erreicht haben und diesen im Weiteren sicherlich deutlich überschreiten", betonte Prof. Dr. Uwe Janssens, Chefarzt der Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital und Sprecher der Sektion Ethik der DIVI, auf einem Press-Briefing der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI) .

Angesichts dieser Zahlen rechnen wir in den kommenden Wochen täglich mit Hunderten zusätzlichen intensivpflichtigen COVID-19-Patienten.

Prof. Dr. Uwe Janssens:
Mehr und mehr Stimmen warnen vor einer einsetzenden Triage in den belasteten Regionen. Aus aktuellem Anlass wurden jetzt die Klinisch-ethischen Empfehlungen zu Entscheidungen über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie überarbeitet. Erstmals waren die Empfehlungen am 25. März 2020 veröffentlicht worden.

Seinerzeit beschäftigten sich die Empfehlungen mit "der damals unwahrscheinlichen, aber jetzt zunehmend realistischen Befürchtung, dass die Krankenhäuser aufgrund nicht mehr ausreichend verfügbarer Ressourcen Patienten nicht mehr versorgen können und dann entscheiden müssen, wer eine Behandlung erhält und wer nicht", stellte Janssens klar. Jetzt aber " 23 Monate später" habe sich die Situation dramatisch verändert.

Trotz der jetzt verfügbaren Impfung kämpfen wir mit einer immer noch unzureichenden Impfquote vor allem in den stark betroffenen Regionen. Prof. Dr. Uwe Janssens
?Trotz der jetzt verfügbaren Impfung kämpfen wir mit einer immer noch unzureichenden Impfquote vor allem in den stark betroffenen Regionen. Wir kämpfen mit der hohen Infektiosität der Delta-Variante, dem abnehmenden Schutz der Impfung vor allem bei den früh im Jahr geimpften, vulnerablen Patienten, und wir kämpfen mit dem substanziellen Verlust der Intensivpflegekräfte in den letzten Monaten und den daraus resultierenden Bettenschließungen auf den Intensivstationen?, berichtete Janssens.

Klinische Erfolgsaussicht zählt ? Impfstatus darf kein Kriterium sein
Angesichts der zunehmend bedrohlichen Lage werden Stimmen immer lauter, die fordern, dass freiwillig nicht geimpfte Personen angesichts der knappen Ressourcen nicht behandelt werden und die verbliebenen Behandlungsplätze ausschließlich Geimpften und Genesenen zur Verfügung gestellt werden sollten. In den überarbeiteten Empfehlungen ist das ausdrücklich ausgeschlossen.

Dass der Impfstatus kein Kriterium sein kann, machte Prof. Dr. Georg Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, deutlich: ?Wir sind Retter, keine Richter!? Die Empfehlungen seien ?im Kern? nicht verändert: Damit bleibt das maßgebliche Kriterium für eine Entscheidung die klinische Erfolgsaussicht ? also die Wahrscheinlichkeit, ob der Patient die Intensivbehandlung überleben wird.

?Die Priorisierungen erfolgen ausdrücklich nicht in der Absicht, Menschen oder Menschenleben zu bewerten, sondern aufgrund der Verpflichtung, mit den (begrenzten) Ressourcen möglichst vielen Patienten eine nutzbringende Teilhabe an der medizinischen Versorgung unter Krisenbedingungen zu ermöglichen?, heißt es in den Empfehlungen.

Die ärztliche Hilfspflicht gelte in lebensbedrohlichen Situationen unabhängig davon, wie sich der Betroffene zuvor verhalten habe, betonte Marckmann.

Wir sind Retter, keine Richter! Prof. Dr. Georg Marckmann
In der solidarischen Krankenversicherung hängt der Zugang zu Leistungen nicht davon ab, ob jemand möglicherweise durch sein Verhalten die Erkrankung selbst verursacht hat. Aus guten Gründen, so Marckmann: ?Oft ist gar nicht klar, ob die Erkrankung tatsächlich ursächlich auf das Verhalten des Einzelnen zurückzuführen ist. Die Frage ist auch, ob das Verhalten wirklich auf einer selbstbestimmten Entscheidung beruht.?

Das sei so bei Risikosportlern, man behandle auch den Lungenkrebs des Rauchers genauso wie die koronare Herzerkrankung des Übergewichtigen. ?Genauso werden wir die COVID-19-Erkrankung von jemanden behandeln, der sich nicht geimpft hat. Auch bei diesem wissen wir nicht, auf welcher Informationsgrundlage die Entscheidung getroffen wurde, hat der Mensch möglicherweise Falschinformationen von Querdenkern oder Corona-Leugnern zugrunde gelegt.?

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Impfraten nach wie vor in sozio-ökonomisch benachteiligten Gruppen am niedrigsten sind. ?Würden wir das Kriterium anwenden, dann bekämen wir eine ganz bedenkliche soziale Schieflage im Zugang zu den intensivmedizinischen Ressourcen?, so Marckmann.

Nicht nur COVID-19: Die Auswahl soll unter allen Patienten erfolgen
In den aktualisierten Empfehlungen ist die Gleichbehandlung von COVID-19-Patienten und von Patienten mit anderen Erkrankungen ein ganz wichtiger Punkt, so Prof. Dr. Jan Schildmann, Internist und Leiter des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin.

Ich wünsche mir, dass die Ärzte, die diese tragischen Entscheidungen dann möglicherweise treffen müssen, eine klare Rückendeckung von der Politik bekommen. Prof. Dr. Georg Marckmann
Es gilt der Gleichheitsgrundsatz: Deshalb sehen die Empfehlungen vor, dass eine Auswahl unter allen Patienten erfolgen sollte, die eine Intensivbehandlung benötigen, unabhängig davon, wo sie gerade versorgt werden (Notaufnahme, Allgemeinstation, Intensivstation) und ganz gleich, ob COVID-19-Infizierter, Schlaganfall-Patient oder Unfallopfer.

Um fair und medizinisch gut begründet zu priorisieren, sollen die Entscheidungen möglichst nach dem Mehraugen-Prinzip getroffen werden: Durch möglichst 2 intensivmedizinisch erfahrene Ärzte, möglichst einem Vertreter der Pflegenden und ggf. weiteren Fachvertretern.

Der Schweregrad der aktuellen Erkrankung sowie relevante Begleiterkrankungen (z.B. schwere vorbestehende Organdysfunktion mit prognostisch eingeschränkter Lebenserwartung) spielen für die Prognose eine wesentliche Rolle. Der Patientenwille (aktueller, vorausverfügter, zuvor mündlich geäußerter oder mutmaßlicher Patientenwille) ist ohnehin fester und mandatorischer Bestandteil bei allen Entscheidungen.

Verschobene Krebsoperationen, um Platz für schwerkranke COVID-19-Patienten zu schaffen: Ist das nicht schon eine Form der Triage? Janssens spricht von einer ?verdeckten Priorisierung?. ?Der akute Herzinfarkt, der akute Schlaganfall, die akute Herzschwäche, der schwere Autounfall ? das muss schnellstmöglich behandelt werden.?

Die Situation ist dramatisch. Keiner von uns will in die Situation einer Triage kommen, das ist furchtbar und eine enorme Belastung. Prof. Dr. Uwe Janssens
Dazu kommen Patienten mit eklatanten Erkrankungen, z.B. Tumor-Erkrankungen, die operiert werden müssen. ?Eine solche Operation ist vielleicht für die Zukunft dieser Patienten lebensrettend, eine Verschiebung des Eingriffs also durchaus zum Nachteil für Patienten. Diese Gleichwertigkeit herzustellen ist eine klar medizinische Aufgabe?, erklärte Janssens.

Es gelte der Grundsatz, dass bei insgesamt begrenzten Ressourcen keine Patientengruppe bevorzugt werden dürfe, insbesondere auch nicht die, bei denen absehbar ist, dass sie im Verlauf durch Verschiebung gesundheitlich Schaden nehmen können, betonte Schildmann.

Rückhalt aus der Politik forderte Marckmann: ?Ich wünsche mir, dass die Ärzte, die diese tragischen Entscheidungen dann möglicherweise treffen müssen, eine klare Rückendeckung von der Politik bekommen. Dass sie ein Mandat haben, mit dieser Knappheit umzugehen und auch entsprechende Rechtssicherheit haben.?

Janssens erinnerte daran, dass die Sterblichkeitsraten von COVID-19-Patienten, die beatmet werden müssen, noch immer bei 50% lägen: ?Es ist und bleibt ein furchtbares Krankheitsbild?, betonte Janssens. Selbst wer überlebe sei nach 30, 40 Tagen Intensivtherapie für das Leben gezeichnet.


Geimpfte haben insgesamt eine deutlich bessere Prognose als nicht geimpfte COVID-19-Patienten, bestätigte Janssens. Allerdings seien auch Impfdurchbrüche bei Älteren, die viele Begleiterkrankungen haben, prognostisch von Bedeutung, weshalb die Booster-Impfungen gerade für diese vulnerablen Gruppen unglaublich wichtig seien.

Unsere Bitte an die Politik ist: Endlich durchgreifend handeln mit Maßnahmen, die sicherstellen, dass diese Infektionsketten abbrechen. Prof. Dr. Uwe Janssens
?Die Situation ist dramatisch. Keiner von uns will in die Situation einer Triage kommen, das ist furchtbar und eine enorme Belastung?, sagte Janssens. "Wir brauchen jetzt schnellste Entscheidungen für ganz Deutschland. Wir können uns nicht leisten abzuwarten und zuzuschauen, wie wir jeden Tag 80.000 Neuinfektionen bekommen, und wissen, was damit auf uns zukommt. Unsere Bitte an die Politik ist: Endlich durchgreifend handeln mit Maßnahmen, die sicherstellen, dass diese Infektionsketten abbrechen. Sonst kommen wir in den nächsten Wochen dahin, wo kein Mensch sein will!", schloss Janssens.

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Auf den 2. Blick enttäuschend? Molnupiravir gegen COVID-19 wirkt offenbar doch nicht so gut wie kürzlich gemeldet
Dr. Thomas Kron



Das oral verabreichte Medikament Molnupiravir (Handelsname Lagevrio) gegen COVID-19 wirkt offenbar doch nicht so gut wie kürzlich gemeldet. Wie das US-Unternehmen Merck (in Deutschland MSD) am Freitag mitteilte, ergab eine abschließende Analyse, dass die antivirale Pille das Risiko von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen bei COVID-19-Hochrisiko-Patienten nur um 30% reduziert und nicht um 50% wie zunächst geschätzt.

Ein Gremium von Beratern der Food and Drug Administration (FDA) wird am Dienstag zusammentreten, um darüber abzustimmen, ob das Medikament für die Behandlung von Hochrisiko-Patienten mit COVID-19 empfohlen werden soll.

Studie mit mehr als 1.400 Teilnehmern
Die ursprüngliche Schätzung einer Risikoreduktion um 50% basierte auf einer Auswertung der Ergebnisse von 775 Studienteilnehmern. Die am Freitag bekannt gegebene aktualisierte Zahl von 30% basiert auf Daten von mehr als 1.400 Studien-Teilnehmern.


Nach Angaben des Unternehmens betrug das Risiko für einen Krankenhausaufenthalt für Patienten mit Molnupiravir 6,8%, für Patienten mit Placebo 9,7%. In der Placebo-Gruppe gab es 9 COVID-19- bedingte Todesfälle. In der Molnupiravir-Gruppe starb ein Patient an den Folgen der Infektionskrankheit.

Der US-Infektiologe Dr. David Boulware (Universität von Minnesota) geht laut einem Bericht in der New York Times dennoch davon aus, dass das Medikament eine Notfallzulassung erhalten werde. ?Der Rückgang der Krankenhausaufenthalte ist etwas geringer, aber es gibt immer noch einen großen Nutzen für die Sterblichkeit, wenn man früh damit beginnt", wird Boulware von der US-Zeitung zitiert.

Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hatte vor wenigen Tagen eine Empfehlung für Lagevrio abgegeben, wonach das Medikament bei Risiko-Patienten angewendet werden kann, solange diese noch nicht beatmet werden. Zugelassen ist es in der EU allerdings noch nicht. Die Behörde hat gerade mit der Bearbeitung des Zulassungsantrages begonnen.

In Großbritannien wurde Lagevrio hingegen schon am 4. November für Patienten mit leichten bis mittleren Symptomen zugelassen, die entweder über 60 Jahre alt, vorerkrankt oder stark übergewichtig sind.

Vielversprechendes Präparat von Pfizer in der Pipeline
Einen oral verabreichten Wirkstoff, der einige Hoffnungen weckt, hat auch das Unternehmen Pfizer in der Pipeline. Dieser Wirkstoff, der Proteasehemmer Paxlovid, soll deutlich wirksamer sein als Molnupiravir. Wie Pfizer kürzlich mitteilte, reduzierte Paxlovid das Risiko für einen COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthalt oder Tod (primärer Endpunkt) in einer Placebo-kontrollierten Studie um 89%.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de

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Pandemie außer Kontrolle ? was die neue Regierung plant; die Fakten zu Omikron; schon 90 Tage nach 2. Impfung sinkt Schutz
Michael van den Heuvel, Medscape


Deutschland ist weiter im festen Griff der 4. Corona-Welle. Heute meldet das Robert Koch-Institut, Berlin, mit 452,4 Infektionen pro Woche und pro 100.000 Einwohner einen neuen Rekordwert. Gestern lag die 7-Tage-Inzidenz bei 446,7 und vor einer Woche bei 386,5.

Innerhalb der letzten 24 Stunden haben sich 29.364 weitere Personen mit SARS-CoV-2 infiziert, wobei ein Meldeverzug aufgrund des Wochenendes nicht auszuschließen ist. Letzten Freitag berichtete das RKI von 76.414 neuen Fällen. In der Vorwoche waren es 30.643 Neuinfektionen.

Die Zahl der Todesopfer stieg um 73 auf 100.956 Fälle. Montag vor einer Woche sind 62 Patienten in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben.

Als Hospitalisierungsrate nannte das RKI am Freitag 5,97 Fälle pro 100.000 Einwohner. Und laut DIVI-Intensivregister befanden sich am Sonntag 4.459 COVID-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 91 mehr als am Vortag. Bundesweit sind 917 Betten im Low-Care- und 1.648 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 311 freie ECMO-Behandlungsplätze ? jedoch mit großen Unterschieden von Bundesland zu Bundesland.

Regional sind einige Intensivstationen bereits überlastet, und mehrere Patienten wurden verlegt. Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte bei den Grünen, fordert deshalb den sofortigen Stopp aller planbaren Eingriffe, um Kapazitäten für COVID-19-Patienten zu schaffen.

Pandemie außer Kontrolle? Diskussion um weitere Maßnahmen

Neue Mutation: Wie gefährlich ist Omikron wirklich?

HU-Studie: Ungeimpfte treiben die Pandemie voran

WHO/ECDC: Fast eine halbe Million Menschenleben durch COVID-19-Impfungen in Europa gerettet

Neue Daten aus Israel: Infektionsrisiko steigt schon 90 Tage nach der 2. Impfung an

Pandemie außer Kontrolle? Diskussion um weitere Maßnahmen
Doch wie lässt sich die Pandemie jetzt beeinflussen? Noch schreckt die neue Ampel-Koalition vor harten Maßnahmen zurück. Sie will diese Woche zumindest einen Krisenstab unter Leitung von Carsten Breuer, Generalmajor bei der Bundeswehr einrichten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief alle Bürger eindringlich dazu auf, einen Lockdown durch freiwillige Kontaktbeschränkungen zu verhindern: ?Halten wir uns an die Regeln, reduzieren wir noch einmal unsere Kontakte.?


Damit gibt sich die geschäftsführende Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) nicht zufrieden. Sie fordert, eine kürzlich veröffentlichte Adhoc-Empfehlung der Leopoldina rasch umzusetzen. ?Die Politik sollte dem Rat der Wissenschaft ohne Zögern folgen. Wir dürfen keine weitere Zeit mehr verlieren?, sagte Karliczek.

In ihrem Papier fordern Leopoldina-Experten u.a. ?sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen, zumindest in Regionen mit hoher Inzidenz? oder eine ?strikte, kontrollierte und sanktionierte 2G-Regelung?.

Um mehr Personen zu impfen, sollten auch Apotheker, Amtsärzte, Zahnärzte, Pflegekräfte und Hebammen mit einbezogen werden. Die Akademie rät zudem, bereits jetzt Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht zu treffen. Speziell für die Schulen bringen Experten eine ?ausnahmslose Maskenpflicht für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen während des gesamten Aufenthalts in den Schulgebäuden?, regelmäßige Tests (mindestens 3-Mal wöchentlich) und einen früheren Beginn der Weihnachtsferien ins Gespräch. Pädagogen-Verbände hatten zuvor kritisiert, in Klassenräumen seien kaum neue Luftfilter eingebaut worden.

Auch die Gesellschaft für Virologie (GfV) und die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI) unterstützen Maßnahmen der Leopoldina ? und sprechen sich gegen die Schließung von Schulen oder Kitas aus. Aus Sicht der Experten spreche generell viel für Tests: ?Nach derzeitigem Kenntnisstand können die gängigen PCR-Verfahren zum Nachweis von SARS-CoV-2 auch die Omikron-Variante detektieren?, heißt es in einer Mitteilung.


Diese sollten möglichst flächendeckend eingesetzt werden, um eine schnelle Kontaktnachverfolgung und Quarantäne infizierter Personen zu ermöglichen. ?Auch Antigenschnelltests sollten geeignet sein?, schreiben die Fachgesellschaften. Wie umfänglich dies gelte, werde noch überprüft.

Der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) möchte zumindest die geplante, institutionsbezogene Impfpflicht rasch umsetzen. ?Ich finde es richtig, dass wir in einem ersten Schritt noch vor Weihnachten dafür sorgen, dass es zum Beispiel in Kliniken, in Pflege-, Alten- und Behinderteneinrichtungen eine Impfverpflichtung gibt?, erklärte er jetzt.

Neue Mutation: Wie gefährlich ist Omikron wirklich?
Aktuell sorgt die südafrikanische Corona-Variante B.1.1.529 (Omikron) für große Diskussionen; Medscape hat darüber berichtet. Viele Länder verschärfen mittlerweile ihre Einreisebestimmungen. Zahlreiche Staaten, darunter Deutschland, die Schweiz, die Niederlande Dänemark und Australien, melden Verdachtsfälle oder konnten Omikron per PCR-Diagnostik bestätigen.

Angélique Coetzee, Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands, berichtet über die Lage vor Ort. ?Die Patienten klagen meist über einen schmerzenden Körper und Müdigkeit, extreme Müdigkeit, und wir sehen es bei der jüngeren Generation, nicht bei den älteren Menschen?, sagte sie. Es handele sich nicht um Patienten, die sofort stationär behandelt werden müssten.

?Ich bin schon ziemlich besorgt im Moment?, kommentiert Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin die Lage. Berichte über milde Verläufe hätten noch nicht sehr viel Substanz angesichts von nur gut 1.000 Fällen. Hier müsse man die klinischen Verläufe abwarten. ?Keiner kann im Moment sagen, was da auf uns zukommt?, so Drosten. ?Das Einzige, was man wirklich mit Sicherheit sagen kann ist: Es ist besser, wenn man geimpft ist. Es ist noch besser, wenn man geboostert ist.?

Mittlerweile liegen auch erste Analysen des Genoms vor. ?Die Variante ist aus verschiedenen Gründen bemerkenswert?, sagt Prof. Dr. Richard Neher von der Universität Basel. ?Zum einen unterscheidet sie sich an vielen Stellen im Spike-Protein von den ursprünglichen Varianten und kombiniert viele Mutationen, die wir aus anderen besorgniserregenden Varianten kennen.?

Viele dieser Veränderungen fielen in Regionen, an die Antikörper binden würden. Neher: ?Es ist also durchaus vorstellbar, dass die Variante sowohl sehr übertragbar ist als auch Teilen der Immunantwort entkommt.? Außerdem habe man bislang keine Varianten zwischen B.1.1.529 und denen von Anfang 2020 beobachtet.

?Da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind, gehe ich davon aus, dass auch gegen diese Variante Impfschutz besteht?, kommentiert der Experte. ?Gerade die T-Zell-Antwort sollte gegenüber den Veränderungen robust sein.? Allerdings könne er sich durchaus voestellen, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen komme ? und eine 3. Dosis wichtiger werde. Neher schränkt jedoch ein, dass es derzeit noch keine klinischen und virologischen Daten gebe.

HU-Studie: Ungeimpfte treiben die Pandemie voran
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind in Deutschland mindestens 56,9 Millionen Menschen, sprich 68,4 % der Gesamtbevölkerung, vollständig geimpft. Berechnungen von Forschern der Humboldt-Universität (HU) Berlin zeigen jetzt, dass vor allem Ungeimpfte die Pandemie weiter vorantreiben.

?Wir schätzen, dass etwa 67% bis 76% aller Neuinfektionen von ungeimpften Personen verursacht werden, was bedeutet, dass nur 24% bis 33% von geimpften Personen hervorgerufen werden?, schreiben die Autoren. Sie gehen davon aus, dass 38% bis 51% der Neuinfektionen auf ungeimpfte Personen zurückzuführen sind, die andere ungeimpfte Personen anstecken. ?Insgesamt dürften ungeimpfte Personen an 8 bis 9 von 10 Neuinfektionen beteiligt sein?, so das Ergebnis der Berechnungen. Die Autoren raten deshalb zu mehr Impfungen, aber auch zu Kontaktbeschränkungen zwischen Geimpften und Ungeimpften.

WHO/ECDC: Fast eine halbe Million Menschenleben durch COVID-19-Impfungen in Europa gerettet
Eine neue Studie des WHO-Regionalbüros für Europa und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), zeigt, dass seit dem Beginn der COVID-19-Impfung in 33 Ländern der Europäischen Region der WHO schätzungsweise 470.000 Menschenleben von Personen über 60 gerettet werden konnten.

Zum Hintergrund: Die Autoren schätzten die Zahl der Todesfälle bei Erwachsenen im Alter von 60 Jahren und älter in den 33 Ländern der Europäischen Region, die ohne Impfstoffe eingetreten wären, anhand der tatsächlich wöchentlich gemeldeten Todesfälle. Anschließend berechneten sie die Zahl der durch die COVID-19-Impfung geretteten Leben als Differenz zwischen diesen Schätzungen und der gemeldeten Zahl der Todesfälle von Dezember 2020 bis November 2021 bei über 60-Jährigen.

Sie schätzten, dass die COVID-19-Impfung in dieser Altersgruppe in 33 Ländern während des Studienzeitraums 469.186 Leben gerettet hat ? was die erwartete Zahl der Todesfälle um etwa die Hälfte reduziert. In 30 Ländern, in denen bessere Daten vorlagen, wurden die meisten Leben in der Altersgruppe der 80-Jährigen und Älteren gerettet. 261.421 Todesfälle ließen sich vermeiden.

In den 33 untersuchten Ländern schwankt die Akzeptanz der kompletten Impfserie bei den 60-Jährigen zwischen 20% und 100%. Der Studie zufolge wurden die meisten Menschenleben in Ländern gerettet, in denen die COVID-19-Impfung frühzeitig eingeführt wurde und auch von den Zielgruppen akzeptiert wurde.

Neue Daten aus Israel: Infektionsrisiko steigt schon 90 Tage nach der 2. Impfung an
Israel hat bekanntlich ab Dezember 2020 eine groß angelegte Covid-19-Impfkampagne durchgeführt. Ab Juni 2021 verzeichnete das Gesundheitsministerium erneut ansteigende Infektionszahlen. Jetzt berichten Forscher aufgrund retrospektiv ausgewerteter Daten, dass es schon 90 Tage nach der 2. Dosis des BioNTech/Pfizer-Vakzins zu einem langsamen Anstieg des Risikos kommt.

Zu diesem Zweck werteten Forscher Daten von elektronischen Patientenakten aus. Ihre Kohorte umfasst 80.057 Erwachsene (Durchschnittsalter 44 Jahre), die mindestens 3 Wochen nach ihrer 2. Impfung einen PCR-Test erhalten hatten und bei denen keine Anzeichen für eine frühere Covid-19-Infektion vorlagen. Von ihnen hatten 9,6% eine Infektion mit SARS-CoV-2.

Die bereinigte Odds Ratio für eine Infektion (Faktor um den die Chance steigt, infiziert zu werden) bei Zeitintervallen von mehr als 90 Tagen seit der Impfung war im Vergleich zum Referenzwert von weniger als 90 Tagen signifikant, und zwar mehr als 2-fach, erhöht (p < 0,001 für jedes 30-Tage-Intervall):

2,37 (95%-Konfidenzintervall: 1,67 bis 3,36) für 90-119 Tage,

2,66 (1,94 bis 3,66) für 120-149 Tage,

2,82 (2,07 bis 3,84) für 150-179 Tage,

2,82 (2,07 bis 3,85) für ≥180 Tage.

?Die Ergebnisse legen nahe, dass Überlegungen, eine 3. Impfdosis zu verabreichen, gerechtfertigt sein könnten?, schreiben die Autoren.

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Donnerstag, 25. November 2021
Neue Corona-Variante in Südafrika entdeckt
https://www.tagesschau.de/ausland/suedafrika-neue-corona-variante-101.html

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Mittwoch, 24. November 2021
Impfen bei Immunsupprimierung: Ein Ding der Unmöglichkeit?
Die vulnerable Gruppe, die gegen Covid 19 am wenigsten geschützt werden kann sind wohl die immunsupprimierten OrganempfängerInnen. Ein Bericht aus der Praxis.

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122440/SARS-CoV-2-Immunsuppression-verhindert-Impfstoffwirkung-bei-Organempfaengern

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Montag, 22. November 2021
Hospitalisierungsrate " falscher Alarmfaktor"Nebenwirkungsvergleich der Impfstoffe; Immunsuppression kein Risikofaktor
Michael van den Heuvel, Medscape


Heute meldet das Robert Koch-Institut, Berlin, mit 30.643 weiteren Corona-Fällen einen neuerlichen Höchststand. Vor 1 Woche waren es 23.607 Infektionen. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz liegt bei 386 Fällen pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu 372,7 am Vortag. Und innerhalb der letzten 24 Stunden sind 62 Patienten an COVID-19 gestorben (Vorwoche: 43). ?Ganz Deutschland ist ein einziger großer Ausbruch?, sagte RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler bereits am Freitag.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 21. November 3.675 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, also 110 mehr als am Vortag. Aktuell sind 1.010 Betten im Low-Care- und 1.782 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 335 freie ECMO-Behandlungsplätze. Besonders kritisch ist die Lage im Osten und im Süden Deutschlands. Regional haben manche Krankenhäuser ihre Belastungsgrenze überschritten. Einzelne Patienten aus Bayern sind bereits zur Behandlung nach Südtirol transportiert worden.

?Schon nächste Woche werden zahlreiche Intensivstationen keine neuen Patienten mehr aufnehmen können?, warnt Janosch Dahmen (Grüne). Im Süden und Osten des Landes reichten die Versorgungskapazitäten absehbar nicht aus. Wichtig sei jetzt eine länderübergreifende Koordination und der logistischen Organisation der Patientenverteilung.

Der Hospitalisierungsindex wird zur zentralen Größe

Weitere Debatten um eine Impfpflicht

Risiken nach COVID-19-Impfungen

Welche Rolle spielen andere Coronaviren beim Schutz vor SARC-CoV-2?

COVID-19-Risiken: Gute Immunsupressiva, schlechte Immunsuppressiva

Der Hospitalisierungsindex wird zur zentralen Größe
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat Ende letzter Woche beschlossen, anhand der Hospitalisierungsinzidenz zu entscheiden, welche Maßnahmen erforderlich sind. Dieser Wert gibt an, wie viele Patienten pro 100.000 Einwohner in den vergangenen 7 Tagen wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Stufe 1: Ab 3,0 gilt im Freizeitbereich flächendeckend 2G, etwa im Restaurant, beim Sport oder beim Friseur.

Stufe 2: Ab 6,0 greift im Freizeitbereich flächendeckend 2G-Plus, sprich Geimpfte oder Genesene müssen zusätzlich Tests vorweisen

Stufe 3: Ab 9,0 können Landtage Veranstaltungsverbote, Kontaktbeschränkungen und weitere Maßnahmen anordnen.


Laut Science Media Center Germany kann diese Herangehensweise zu Problemen führen. Während bei der Inzidenz nach 3-5 Tagen ein Großteil der Nachmeldungen eingetroffen ist, dauert das bei der Hospitalisierungsinzidenz 2 Wochen und mehr. Der Verzug ist regional äußerst unterschiedlich. Dahmen bestätigt: ?Dieser Indikator erlaubt kein frühzeitiges Agieren, nur spätes Reagieren.?

Es gibt statistische Verfahren wie das Nowcasting, die versuchen, den Meldeverzug auszugleichen und realistischere Werte zu schätzen ? sie werden aber bisher nicht genutzt.

Menschen am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln müssen unabhängig vom Hospitalisierungsindex gegen SARS-CoV-2 geimpft, genesen oder negativ getestet sein, so will es das novellierte Infektionsschutzgesetz.

Weitere Debatten um eine Impfpflicht
Mittlerweile sind 67,9 % der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Um vulnerable Gruppen besonders zu schützen, hatten sich die Länder letzte Woche auf eine Impfpflicht für das Personal in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und bei mobilen Pflegediensten verständigt. Pflegeratspräsidentin Christine Vogler erklärte dazu: ?Wer zum Einfallstor für Corona im Pflegeheim wird, kann dort einfach nicht arbeiten.? Sie hält es für denkbar, Ungeimpften zu kündigen.

Doch der Ruf nach einer generellen Impfpflicht wird lauter. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagt, er hoffe, dass es am Ende ohne allgemeine Impfpflicht gehe. ?Wenn nicht, bin ich allerdings auch bereit, diesen Schritt zu gehen.?

Und Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler im bayerischen Landtag, fordert eine neue, breit angelegte Debatte über die Impfpflicht. Doch es gibt durchaus kritische Stimmen. ?Die Impfpflicht ist nicht die Debatte, die wir jetzt brauchen?, gibt Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlands, zu bedenken. Man habe noch nicht genug getan, ?um wirklich zu überzeugen, dass die Impfung der richtige Weg ist?. Vor allem seien ?ganze Bevölkerungsschichten in prekären Lebenssituationen? bislang nicht erreicht worden.


Risiken nach COVID-19-Impfungen
Europaweit gehen Diskussionen über Impfrisiken weiter. Insbesondere geht es um das erhöhte Myokarditis-Risiko bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern. Wie die FR berichtet, komme mRNA-1273 von Moderna in Island gar nicht mehr zum Einsatz. In Schweden und Finnland soll das Vakzin nicht mehr an unter 30-jährige Männer verimpft werden. Norwegen und Dänemark unterbinden eine Verimpfung an unter 18-jährige männliche Jugendliche. Gesundheitsbehörden aus Großbritannien, Hongkong und Norwegen denken auch darüber nach, Biontech/Pfizer bei Kindern und Jugendlichen einzuschränken ? auf 1 Dosis.

In Deutschland gibt es aktuell keine weiteren Überlegungen, den Einsatz von mRNA-Vakzinen einzuschränken. Aktuell empfiehlt die STIKO, Personen unter 30 Jahren ausschließlich mit Comirnaty® von BioNTech/Pfizer zu impfen.

Bis zum 30. September haben Ärzte bundesweit 107.888.714 Impfungen durchgeführt, davon:

82.341.579 mit Comirnaty® (BioNtech/Pfizer)

9.668.138 mit Spikevax®(Moderna)

12.692.700 mit Vaxzevria® (AstraZeneca)

3.186.297 mit dem COVID-19 Vaccine Janssen®

Welche Rolle spielen andere Coronaviren beim Schutz vor SARC-CoV-2?
Weltweit zirkulieren seit Jahren etliche Coronaviren. Manche von ihnen lösen nur banale Erkältungen aus. Als Frage steht im Raum, ob eine gewisse ?Kreuzimmunität? vor Infektionen mit SARS-CoV-2 schützen könnte. In Nature berichten Forscher jetzt von neuen Befunden.

Personen mit potenzieller Exposition gegenüber SARS-CoV-2 entwickeln nicht unbedingt eine PCR- oder Antikörper-Positivität, was darauf hindeutet, dass einige die subklinische Infektion vor der Serokonversion überwinden können. T-Zellen können zur schnellen Beseitigung von SARS-CoV-2 und anderen Coronavirus-Infektionen beitragen. Daraus leiten Wissenschaftler die Hypothese ab, es gebe eine T-Zell-Gedächtnisreaktionen mit Kreuzschutzpotenzial gegen SARS-CoV-2.

Die Autoren haben Blutproben von Mitarbeitern im Gesundheitswesen untersucht. Alle Personen wurden regelmäßig per PCR getestet, ohne positives Ergebnis. Sie hatten höhere Titer multispezifischer Gedächtnis-T-Zellen als eine nicht exponierte Kohorte vor der Pandemie. Aus immunologischen Markern folgern die Autoren, dass es bei den Health Professionals zu einer abgebrochenen Infektion mit SARS-CoV-2 gekommen sei. Und Analysen der RNA-Polymerasen lassen vermuten, dass die Personen Kontakt zu menschlichen saisonalen Coronaviren (HCoV) hatten.

Die genaue Bedeutung von Coronaviren bleibt dennoch unklar. Experten rätseln beispielsweise, warum in Afrika die Zahl an COVID-19-Patienten so niedrig ist ? bei regional hoher Durchseuchung. Aktuell werden 3 Hypothesen diskutiert:

In Afrika zirkulieren etliche Coronaviren. Sie haben zu einer Kreuzreaktivität gegen SARS-CoV-2 geführt.

Afrikas Bevölkerung ist jung. Viele Menschen haben sich, teils unbemerkt, mit SARS-CoV-2 infiziert. Sie sind keine vulnerable Gruppe und es kam nur selten zu symptomatischem COVID-19.

Aufgrund fehlender Meldedaten ist die Zahl an COVID-19-Patienten und -Toten bedeutend höher als angenommen.

COVID-19-Risiken: Gute Immunsupressiva, schlechte Immunsuppressiva
Noch ein Blick auf potenzielle Risikofaktoren für COVID-19. Eine große, US-weite Studie hat ergeben, dass Patienten unter einer Immunsuppression insgesamt kein höheres Risiko haben, an COVID-19 zu sterben oder invasiv beatmet zu werden, als nicht-immunsupprimierte COVID-19-Patienten.

Die Forscher analysierten elektronische Krankenakten von Erwachsenen, die von Januar 2020 bis Juni 2021 mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Sie erfassten 222.575 Patienten mit Immunsuppression. Alle 303 Medikamente ließen sich 17 Klassen zuordnen. In keinem Fall gab es Assoziationen mit einem höheren Risiko, invasiv beatmet zu werden.

Doch es gab eine Besonderheit. Rituximab, ein monoklonaler Antikörper, der auf B-Zellen abzielt, war mit einem deutlich erhöhten Sterberisiko im Vergleich zu ähnlichen hospitalisierten COVID-19-Patienten verbunden. Rituximab wird bei schweren Erkrankungen wie Krebs oder einer Autoimmunerkrankung eingesetzt, die auf andere Behandlungen nicht angesprochen haben.

Die Subgruppe umfasste 153 Krebspatienten, die Rituximab erhielten, und 100 Patienten, die Rituximab wegen einer rheumatologischen Erkrankung einnahmen. Nach Berücksichtigung von Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand und anderen Faktoren war das Sterberisiko für Krebspatienten, die Rituximab einnahmen, mehr als doppelt so hoch, und das Risiko für Patienten mit einer rheumatologischen Erkrankung war um fast 3 Viertel höher als bei vergleichbaren Studienteilnehmern.

Die Analyse brachte eine relativ neue Klasse von Immunsuppressiva, die JAK-Inhibitoren zur Behandlung von Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen und anderen entzündlichen Erkrankungen, mit einem deutlich geringeren Risiko (58%) für einen COVID-19-bedingten Tod im Krankenhaus in Verbindung. JAK-Inhibitoren wie Baricitinib werden seit kurzem zur Behandlung schwerer COVID-19 eingesetzt

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Montag, 15. November 2021
Erst Corona, bald auch noch Influenza: ECDC warnt vor einer starken Grippewelle ? das sind die Indizien
Dawn O'Shea



Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) warnt vor einer möglicherweise schweren Grippesaison.

Nach Angaben des Zentrums ist die Gesamtzahl der in den meisten Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EU/EWR) festgestellten Grippefälle zwar noch gering, doch gebe es Anzeichen dafür, dass die Zirkulation in Kroatien über dem saisonalen Schwellenwert liege, so das ECDC.

Früher Nachweis von Erregern
Im vergangenen Monat meldeten Labore in der EU bzw. im EWR am häufigsten den Subtyp ist A(H3N2). Von solchen Infektionen waren überproportional viele ältere Menschen betroffen. A(H3N2) wird mit einer geringeren Wirksamkeit des Impfstoffs in Verbindung gebracht. ?Die frühen Nachweise des A(H3N2)-Subtyps sind ein Hinweis darauf, dass die kommende Grippesaison schwerwiegend sein könnte, auch wenn wir nicht mit Sicherheit wissen können, wie die kommende Grippesaison aussehen wird?, sagte Pasi Penttinen, Leiter des Grippeprogramms des ECDC.

Die frühen Nachweise des A(H3N2)-Subtyps sind ein Hinweis darauf, dass die kommende Grippesaison schwerwiegend sein könnte (?). Pasi Penttinen
?Ein steiler Anstieg der Grippeinfektionen während der laufenden COVID-19-Pandemie könnte schwerwiegende Folgen für ältere Menschen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem haben und die durch COVID-19 bereits belasteten Gesundheitssysteme zusätzlich belasten?, so Penttinen. ?Daher ist es wichtig, dass wir die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und diejenigen schützen, die am meisten gefährdet sind?, sagte Penttinen.

Blick auf Deutschland

Die Aktivität der akuten Atemwegserkrankungen (ARE-Rate) in der Bevölkerung ist in der 42. Kalenderwoche 2021 im Vergleich zur Vorwoche bundesweit gesunken. Im Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Influenzaviren haben Ärzte in insgesamt 126 (63%) der 201 eingesandten Sentinelproben respiratorische Viren identifiziert, darunter 51 (25%) Proben mit Rhinoviren, 50 (25%) mit Respiratorischen Synzytialviren (RSV), 20 (10%) mit Parainfluenzaviren (PIV), 15 (7%) mit humanen saisonalen Coronaviren (hCoV) des Typs OC43 bzw. 229E, 4 (2%) mit SARS-CoV-2, 2 (1%) mit humanen Metapneumoviren (hMPV) sowie 1 (0,5%) Probe mit Influenza A-Viren.

Der Artikel ist im Original bei Univadis erschienen.

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Wie gut schützen MRNA-Impfstoffe vor Covid 19 und was für Alternativen gibt es?
So effektiv schützen die Impfstoffe vor Delta-Infektionen

Herdenimmunität unerreichbar?
Laut Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wurden mittlerweile 67,4 % der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Hinzu kommen etwa 5,3% Genesene. Zu Beginn der Pandemie spekulierten Epidemiologen, dass ab einem Gesamtschutz von 70%, vielleicht 80%, Herdenimmunität eintreten könnte. Diese Hoffnung scheint sich nicht zu bewahrheiten, wie eine neue Literaturübersicht zeigt. Sie wurde vom baden-württembergischen Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben.

Im 1. Schritt ging es um die Effektivität verschiedener Impfstoffe:

AstraZeneca: Die Wirksamkeit gegen Infektion lag vor Auftreten der Delta-Variante bei 51-79%, gegen die Delta-Variante sind es 67%.

BioNTech/Pfizer: Die Impfwirksamkeit gegen Infektion lag vor Auftreten der Delta-Variante bei 77%-95%, gegen die Delta-Variante wurden 54-80% genannt.

Johnson: Die Impfwirksamkeit gegen Infektion lag vor Auftreten der Delta-Variante bei etwa 60%

Moderna: Die Impfwirksamkeit gegen Infektion lag vor Auftreten der Delta-Variante bei 82-100%, gegen die Delta-Variante wurden 51-87% berichtet.

Prof. Dr. Martin Eichner vom Institut für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie an der Universität Tübingen hat im 2. Schritt Berechnungen unter der Annahme verschiedener Szenarien durchgeführt: mit Wirksamkeitswerten von 60% (pessimistisch), 70% (mittlerer Wert) und 80% (optimistisch).


Wenn die optimistische Impfwirksamkeit zutrifft, müssten 86,9% der gesamten Bevölkerung geimpft sein, bei der mittleren Impfwirksamkeit 93,3% und bei der pessimistischen Impfwirksamkeit sogar 100%. Das gilt, wenn die Delta-Variante weiter wie bisher zirkuliert und alle Kontakteinschränkungen aufgehoben würden.

Indischer Totimpfstoff schützt zu rund 78% vor COVID-19
In The Lancet stellen Forscher neue Daten zur klinischen Wirksamkeit von BBV152 (Covaxin®) von Bharat Biotech, Indien, vor. Es handelt sich um einen Totimpfstoff, der mit einem an Alaun adsorbierten Toll-like-Rezeptor 7/8-Agonisten formuliert wird. Darüber hat Univadis.de berichtet.

An der Phase-3-Studie nahmen 25.798 Personen aus Indien teil. 24.419 erhielten bis zur Analyse 2 intramuskuläre Injektionen (n = 12.221 Verum, n = 12.198 Placebo). 0,3% aller Teilnehmer in der Verumgruppe bekamen eine symptomatische COVID-19-Infektion, unter Placebo waren es 1,2%. Dies entsprach einer Effektivität von 77,8% gegen alle Varianten von SARS-CoV-2. Gegen die Delta-Variante betrug die Schutzwirkung 65,2% und gegen die Kappa-Variante 90,1%. Vor schweren COVID-19-Infektionen schützte BBV152 zu 93,4 % und vor asymptomatischen Infektionen zu 63,6%.

Der Impfstoff wurde gut vertragen. In beiden Gruppen gab es bei 12,4 % der Probanden unerwünschte Effekte, vor allem lokale Schmerzreaktionen, aber keine anaphylaktischen Reaktionen oder impfassoziierte Todesfälle.

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Donnerstag, 11. November 2021
Corona-Eskalation: Ist ein neuer Lockdown unvermeidbar?
Michael van den Heuvel, Medscape

Heute meldet das Robert Koch-Institut, Berlin, erneut Höchstwerte bei wichtigen Kennzahlen. Innerhalb der letzten 24 Stunden haben sich weitere 50.196 Personen mit SARS-CoV-2 infiziert. Am Vortag waren es 39.676 Ansteckungen und vor 1 Woche 33.949 zusätzliche Fälle. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz ist auf 249,1 Infektionen pro 100.000 Einwohner angestiegen (Vortag 249,1, Vorwoche 154,5). Weitere 235 Patienten aufgrund von COVID-19 gestorben (Vorwoche 165 Todesfälle).

Laut DIVI-Intensivregister waren am 10. November 2.739 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, also 52 mehr als am Vortag. Aktuell sind 763 Betten im Low-Care- und 1.654 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 364 freie ECMO-Behandlungsplätze. Einzelne Krankenhäuser haben aber ihr Limit bereits erreicht.

Angesichts der Entwicklung rechnet Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin in Berlin damit, dass es bald zum nächsten Lockdown kommen könnte. 3G- oder 2G-Regelungen reichten vermutlich nicht aus, um die Zahl der Infektionen angesichts der Delta-Variante ausreichend zu senken, so der Virologe. Einmal mehr appelliert er an alle Bürger, sich impfen zu lassen. Ohne zusätzlichen Schutz, so seine ?konservative Schätzung?, könnten weitere 100.000 Menschen bundesweit an COVID-19 sterben. Damit würde sich die derzeitige Zahl von rund 97.000 Toten mehr als verdoppeln, prognostiziert Drosten.

Ringen um eine Strategie ? mit Bürgertests für alle
Trotz der aktuellen Entwicklung spricht sich Jens Spahn (CDU), mittlerweile kommissarischer Bundesgesundheitsminister, weiter dafür aus, die epidemische Notlage in knapp 2 Wochen zu beenden. Ohne rechtliche Handhabe wird es jedoch schwer, bundeseinheitliche Maßnahmen umzusetzen. Ein Bund -Länder-Treffen soll für mehr Klarheit sorgen.

Zeitgleich arbeiten SPD, Grüne und FDP an einem Katalog mit Maßnahmen. Das Papier soll bis März 2022 gelten. Es setzt stark auf 3G, sowohl am Arbeitsplatz als auch bei der Freizeit. Mittlerweile zirkuliert ein Verordnungsentwurf, der einen kostenfreien Antigen-Schnelltest pro Woche vorsieht ? auch für Geimpfte oder Genesene. Seit 11. Oktober sind solche Untersuchungen kostenpflichtig. Der Marburger Bund fordert Tests als Teil einer 2G-Plus-Strategie, falls sich die Pandemie durch 2G allein nicht kontrollieren lässt. 2G-Plus bedeutet, dass Genesene und Geimpfte ebenfalls getestet werden.

Genau hier liegt ein weiteres Problem. Experten des Paul-Ehrlich-Instituts haben zusammen mit Kooperationspartnern 122 Antigen-Tests bewertet. 96 erfüllten die geforderten Kriterien, teilweise mit sehr guten Ergebnissen. 26 Tests erbrachten jedoch nicht die geforderte Sensitivität. Es gibt eklatante Unterschiede.

STIKO: Für Personen unter 30 nur noch Comirnaty®
Am 10. November hat die Ständige Impfkommission ihre COVID-19-Impfempfehlung aktualisiert. Vaxzevria® (AstraZeneca) und Janssen (Janssen-Cilag/Johnson & Johnson), 2 Vektorvirus-Impfstoffe, werden weiterhin erst ab 60 Jahren empfohlen. Ab sofort rät die STIKO aber, bei Personen unter 30 Jahren nur noch Comirnaty® von Biontech/Pfizer einzusetzen. Das gilt bei Erst- und bei Auffrischungsimpfungen ? unabhängig von der Erstimpfung.

Zur Begründung verweist die STIKO auf seltenen Fällen von Herzentzündungen in Zusammenhang mit Spikevax® von Moderna. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 30 ist das Risiko einer Myokarditis oder Perikarditis erhöht. Doch wie kommt es zu dieser Nebenwirkung?

Prof. Dr. Andreas Zeiher vom Universitätsklinikum Frankfurt hält 2 Mechanismen für denkbar: ?Zum einen könnte es eine Reaktion auf die aktive Komponente des Impfstoffs sein, etwa die mRNA-Sequenz, die für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 kodiert, oder die generelle Immunreaktion auf die Impfung.? Der Experte weiter: ?Die Tatsache, dass eine Myokarditis häufiger nach der 2. Impfung auftritt, zumindest beim BioNTech-Impfstoff, könnte eher für eine generelle Reaktion des Immunsystems auf die Impfung sprechen, das ist aber spekulativ.? Was dagegen eher für die RNA-Sequenz an sich spreche, sei, dass es nach Impfung mit dem Moderna-Impfstoff etwas häufiger zu Myokarditis-Fällen komme.

Die mRNAs der Impfstoffe codieren zwar beide für das Spike-Protein. Es handelt sich aber um unterschiedliche Ausschnitte (also Teilsequenzen). Die Sequenzunterschiede wären daher zumindest eine mögliche Erklärung.

?Als einzige Risikoparameter wurden bisher ein Alter zwischen 16 und 29 Jahren und dazu das männliche Geschlecht identifiziert?, sagt Zeiher. Die Gründe dafür seien unklar, die Daten lassen sich aber in allen Studien ?sehr einheitlich? bestätigen.


?Insgesamt bleibt festzuhalten: Peri- und Myokarditis sind seltene, aber nach mRNA-Impfung gegen SARS-CoV-2 vermehrt vorkommende Nebenwirkungen mit einer excess rate von etwa 2,7 auf 100.000 Geimpfte (überwiegend junger Männer), aber immer noch 4- bis 10-mal niedriger in der Häufigkeit als die Myokarditis, die im Zuge einer COVID-19-Erkrankung beobachtet wird?, lautet sein Resümee.

Neurologische Komplikationen nach COVID-19 häufiger als nach Impfungen
Sehr selten kann es nach Corona-Impfungen zu neurologischen Symptomen wie einem Guillain-Barré-Syndrom, einer Fazialisparese oder hämorrhagischen Schlaganfällen kommen. Das Risiko für solche Ereignisse ist aber nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 um ein Vielfaches höher, wie eine Analyse aus England und Schottland gezeigt hat, wie Univadis.de berichtete.

Um die Häufigkeit von Komplikationen nach den verschiedenen Impfungen zu ermitteln, arbeiteten britische Wissenschaftler mit der ?Self-Controlled-Cases Series?-Methode (SCCS): einem Verfahren zur Überprüfung der Sicherheit von Impfstoffen. Dabei werden die ersten Wochen nach der Impfung mit einem zufällig ausgewählten anderen Zeitraum im Leben derselben Personen verglichen.

Die Forschenden analysierten Daten von 32,5 Millionen Personen aus England, die ihre erste Dosis des AstraZeneca- oder BionNTech/Pfizer-Impfstoffes vor dem 21. Mai 2021 erhalten hatten.

Nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff (AZD1222) fiel insbesondere im Zeitraum von 15 bis 21 Tagen nach der Impfung ein Anstieg von Guillain-Barré-Syndromen auf (Inzidenzrate [IRR] 2,90). Auch eine Fazialisparese trat nach dieser Impfung gehäuft auf (IRR 1,29).

Nach der Impfung mit dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff wurde kein Signal für diese Erkrankungen beobachtet ? dafür aber ein Anstieg von hämorrhagischen Schlaganfällen (IRR 1,38 für den Zeitraum von 15 bis 21 Tagen nach der Impfung). Vermehrte entzündliche Erkrankungen des Gehirns oder akute demyelinisierende Ereignisse wurde nach den Impfungen nicht beobachtet.

Alle neurologischen Komplikationen waren nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 wesentlich häufiger. Die Angaben selbst stammen vom Tag des positiven Tests:


IRR 19,34 für akute demyelinisierende Ereignisse (z.B. MS-Schub)

IRR 38,57 für entzündliche Erkrankungen des Gehirns (Enzephalitis, Meningitis und Myelitis)

IRR 24,22 für Subarachnoidalblutungen

IRR 33,7 für das Guillain-Barré-Syndrom

IRR 33,23 für eine Fazialisparese

In absoluten Zahlen sind neurologische Komplikationen nach Impfungen sehr selten. So rechnen Forscher nach 10 Millionen Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin mit 38 zusätzlichen Fälle eines Guillain-Barré-Syndroms gerechnet ? nach ebenso viel SARS-CoV-2-Infektionen wären es 145 zusätzliche Fälle.

BioNTech/Pfizer-Impfstoff: Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern zwischen 5 und 11 Jahren
Im NEJM berichten BioNTech und Pfizer über eine Dosisfindungsstudie der Phase 1 und eine laufende randomisierte Studie der Phasen 2/3.

Während der Phase-1-Studie erhielten insgesamt 48 Kinder im Alter von 5 bis 11 Jahren 10 μg, 20 μg oder 30 μg des BNT162b2-Impfstoffs; 16 Kinder in jeder Dosisstufe. Auf Grundlage der Reaktogenität und Immunogenität wurde eine Dosis von 10 μg für die weitere Untersuchung ausgewählt.

In der Phase-2/3-Studie wurden bekamen 2.268 Probanden nach dem Zufallsprinzip dem BNT162b2-Impfstoff (1.517 Kinder) oder Placebo (751 Kinder). Zum Zeitpunkt der Datenerhebung lag die Nachbeobachtungszeit im Median bei 2,3 Monaten.

Bei den 5- bis 11-Jährigen wies der BNT162b2-Impfstoff wie auch in den anderen Altersgruppen ein günstiges Sicherheitsprofil auf. Es wurden keine impfstoffbedingten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse festgestellt. 1 Monat nach der 2. Dosis betrug das mittlere Verhältnis neutralisierender Antikörper gegen SARS-CoV-2 bei 5- bis 11-Jährigen im Vergleich zu 16- bis 25-Jährigen 1,04 (95 % Konfidenzintervall [KI] 0,93 bis 1,18). Damit sei das vorgegebene Erfolgskriterium für die Immunogenität erfüllt worden, so die Autoren.


COVID-19 mit Beginn 7 Tage oder später nach der 2. Dosis wurde bei drei Empfängern des BNT162b2-Impfstoffs und bei 16 Placebo-Empfängern gemeldet. Die Wirksamkeit liegt bei 90,7% (95%-KI, 67,7% bis 98,3%).

?Ein Impfschema, bestehend aus zwei 10-μg-Dosen von BNT162b2, die im Abstand von 21 Tagen verabreicht wurden, erwies sich bei Kindern im Alter von 5 bis 11 Jahren als sicher, immunogen und wirksam?, so das Fazit der Autoren.

Die US Food and Drug Administration (FDA) hat auf Grundlage der Daten ihre Zulassung bereits auf 5- bis 11-Jährige ausgeweitet. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) wertet entsprechende Studien derzeit aus.

Moderna will Zulassung auf 6- bis 11-Jährige ausdehnen
Von ähnlichen Plänen berichtet auch Moderna in einer Pressemeldung. Der Konzern hat bei der EMA eine Erweiterung der bedingten Marktzulassung auf Kinder zwischen 6 und 11 Jahren beantragt.

Grundlage ist die KidCOVE-Studie, eine randomisierte, placebokontrollierte Expansionsstudie zur Bewertung der Sicherheit, Verträglichkeit, Reaktogenität und Wirksamkeit von 2 Dosen mit je 50 µg mRNA-1273 im Abstand von 28 Tagen. Die Studienpopulation wird in 3 Altersgruppen unterteilt (6 bis < 12 Jahre, 2 bis < 6 Jahre und 6 Monate bis < 2 Jahre).

Jetzt wurden Daten zur Reaktigenität bei Kindern im Alter von 6 bis unter 12 Jahren veröffentlicht, und zwar im Vergleich zu jungen Erwachsenen aus der Phase-3-Studie COVE. Im Mittel lag das Verhältnis des Ansprechens bei 1,5 (95%-KI 1,3 bis 1,8), mit einer Seroresponse-Rate von 99,3%.

Zuvor hatte Moderna bereits Daten aus der KidCOVE-Studie publiziert. 2 Wochen nach der 1. Dosis wurde eine Impfwirksamkeit von 100% gemäß der Falldefinition für COVID-19 beobachtet. Für asymptotische SARS-CoV-2-Infektionen gibt der Hersteller 2 Wochen nach der 1. Dosis 65% (95%-KI 0,16 bis 0,85). an. Bei einer SARS-CoV-2-Infektion unabhängig von den Symptomen betrug die Wirksamkeit des Impfstoffs 2 Wochen nach der ersten Dosis 80% (95%-KI 0,62 bis 0,90).

Kognitive Defizite nach COVID-19 häufig
Mittlerweile haben zahlreiche Arbeitsgruppen Daten über kognitive Defizite nach COVID-19 veröffentlicht. Ein Überblick ist kürzlich bei Univadis.de erschienen.

Wissenschaftler der Universität von Cambridge berichten in einem Preprint über Daten von 181 Personen nach COVID-19. Sie fanden ein ?konsistentes Muster von Gedächtnisstörungen? sowie von ?objektiven? Unterschieden zwischen Genesenen und Personen ohne COVID-19 in der Vorgeschichte. Die Schwere kognitiver Beeinträchtigungen gen korreliere mit der Schwere der Infektionskrankheit, heißt es weiter.

Laut Meldung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) haben 72% aller Genesenen kognitive Beeinträchtigungen. Die Zahlen beziehen sich auf eine Post-COVID-Ambulanz an der Charité-Universitätsmedizin, Berlin.

In JAMA Neurology berichten Wissenschaftler von Patienten, die COVID-19 mit unterschiedlichem Schweregrad überstanden hatten. Von ihnen litten 23% an Gedächtnisproblemen, bei 18% war die Verarbeitungsgeschwindigkeit vermindert, bei 16% die exekutive Funktion und bei 15% der Sprachfluss. Zwar traten die meisten kognitiven Probleme häufiger bei schweren Infektionserkrankungen auf ? aber selbst bei mildem Verlauf berichteten Patienten von solchen Einschränkungen.

Schwedische Forscher wollten wissen, ob sich kognitive Defizite auch anhand von Biomarkern im Plasma nachweisen lassen. In EBioMedicine berichten sie, nur während der Akutphase von COVID-19 seien die Werte verschiedener Proteine erhöht gewesen, hätten sich ? trotz andauernder kognitiver Beschwerden der Patienten ? dann aber normalisiert.

Selbst bei asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen zeigte sich ein Verlust an IQ und Merkfähigkeit, wie britische Forscher in EBioMedicine schreiben.

Droht nach der SARS-CoV-2-Pandemie eine Post-COVID- oder Long-COVID-Pandemie? Das halten Experten für recht wahrscheinlich. ?Es ist damit zu rechnen, dass sich Hausärzte, Psychiater, Neurologen, Sozialpädagogen und andere in den nächsten Monaten und Jahren vermehrt der Aktivierung, Reintegration und Begutachtung betroffener Patienten widmen werden?, konstatieren Prof. Dr. Peter Berlit von der DGN und Kollegen jetzt in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift .

Mehr als das Spike-Protein: Was Delta so gefährlich macht
Seit Beginn der Pandemie untersuchen Wissenschaftler, wie sich Mutationen im Genom des neuartigen Coronavirus auf seine Eigenschaften auswirken. Sie haben sich vor allem auf Gene des Spike-Protein konzentriert. Neue Sequenzen werden in Lentiviren eingebracht und exprimiert. Diese ?Pseudoviren? lassen sich gut untersuchen. Bei 3 weiteren Strukturproteinen von SARS-CoV-2 versagt diese Technik allerdings.

Jetzt ist Forschenden ein Durchbruch gelungen. Sie stellten virusähnliche Partikel (VLP) her, die alle Strukturproteine von SARS-CoV-2, jedoch kein Genom enthalten. Äußerlich sieht ein SARS-CoV-2-VLP genauso aus wie ein vollwertiges Virus. Es kann sich im Labor mit Zellen verbinden und in sie eindringen, was sich anhand eines Markers nachweisen lässt. Da VLP das RNA-Genom fehlt, können sie nicht die Zellmaschinerie zur Replikation kapern und aus der Wirtszelle ausbrechen, um weitere Zellen zu infizieren. Das macht Experimente gefahrloser.

Als nächstes veränderten Forscher die Proteine ​​der VLP. Sie arbeiteten mit R203M, einer Mutation, die in Delta gefunden wurde und das Nukleokapsid (N) verändert. Das N-Protein gilt als ein zentraler Akteur bei der Virusreplikation. Es trägt zur Stabilisierung und zur Freisetzung des genetischen Materials des Virus bei. Und es enthält einen Mutations-Hotspot: einen Abschnitt aus 7 Aminosäuren, der in jeder besorgniserregenden SARS-CoV-2-Variante mutiert ist. R203M ist eine Mutation aus diesem Bereich. Im Experiment wurden Zellen tatsächlich stärker infiziert, verglichen mit dem Wildtyp des N-Proteins.

Anschließend testeten die Wissenschaftler ein echtes Coronavirus, das so konstruiert wurde, dass es die R203M-Mutation enthält, unter geeigneten Laborbedingungen für die biologische Sicherheit. Nach dem Eindringen in Lungenzellen im Labor produzierte das mutierte Virus 51-mal mehr infektiöse Viren als ein ursprünglicher SARS-CoV-2-Stamm.

Bei Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert sind, infiziert ein sehr kleiner Teil der Viruspartikel, die von einer Zelle produziert werden, tatsächlich andere Zellen, weil vielen Viruspartikeln Teile oder das gesamte virale RNA-Genom fehlen. ?Mutationen, die das Virus beim Einbringen von RNA in die Wirtszellen effizienter machen, können also die Anzahl der produzierten infektiösen Partikel erhöhen?, erklären die Forscher.

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