Donnerstag, 9. Dezember 2021
Die Entdeckung der Omikron-Variante: Forscher vermuteten zunächst Fehler in der PCR ? ?es war beängstigend?
Tim Cocks



Am 19. November 2021, einem Freitag, sequenzierte Dr. Raquel Viana, wissenschaftliche Leiterin eines der größten privaten Testlabors Südafrikas, die Gene von 8 Coronavirus-Proben ? und erlitt den Schock ihres Lebens. Die im Lancet-Labor untersuchten Proben wiesen alle eine große Anzahl von Mutationen auf, insbesondere bei Genen für das Spike-Protein, das SARS-CoV-2 verwendet, um in menschliche Zellen einzudringen.

Ich war ziemlich schockiert über das, was ich da sah. Ich fragte mich, ob bei dem Prozess etwas schiefgelaufen war. Dr. Raquel Viana
?Ich war ziemlich schockiert über das, was ich da sah. Ich fragte mich, ob bei dem Prozess etwas schiefgelaufen war?, erklärte die Forscherin gegenüber Reuters. Ihr Gedanke wich bald dem Gefühl, dass die Proben ?große Auswirkungen? haben würden.

Mehrere Labors bestätigen Hinweis auf eine neue Mutation
Schnell rief Viana ihren Kollegen Daniel Amoako vom National Institute for Communicable Diseases (NICD) in Johannesburg an, einen Experten für die Sequenzierung von Genen. ?Ich wusste nicht recht, wie ich es ihm beibringen sollte?, erinnert sie sich. Sie sagte zu Amoako: ?Für mich sieht das wie eine neue Variante aus.?

Die Entdeckung der Omicron-Variante im südlichen Afrika hat weltweit Besorgnis ausgelöst. Viele Länder schränken Reisen aus der Region ein und verhängen andere Beschränkungen, weil sie befürchten, dass sich die Krankheit selbst in geimpften Bevölkerungsgruppen schnell ausbreiten könnte.

Amoako und das Team am NICD verbrachten das Wochenende vom 20. und 21. November 2021 damit, die 8 von Viana eingeschickten Proben zu testen. Alle SARS-CoV-2-Viren darin hätten die gleichen Mutationen aufgewiesen, wie der Forscher am Dienstag gegenüber Reuters erklärte.

Für mich sieht das wie eine neue Variante aus. Dr. Raquel Viana
Es war so bizarr, dass Amoako, seine Kollegin Josie Everatt und andere Kollegen ebenfalls dachten, es müsse sich um einen Fehler handeln. Dann erinnerten sie sich daran, dass sie im Laufe der Woche einen starken Anstieg der COVID-19-Fälle festgestellt hatten, was auf eine neue Mutation hindeuten könnte.

Außerdem war Viana Anfang des Monats von einem Kollegen auf eine Merkwürdigkeit in der Probe bei PCR-Tests aufmerksam gemacht worden ? ein sogenannter S-Gen-Dropout, also eine Deletion im S-Gen, was auf eine Deletionsmutation hindeutet. Wie man jetzt weiß, unterscheiden sich darin Omikron und Delta.

Die einzige verbreitete Variante mit dieser Deletion war Alpha, ?und Alpha hatten wir (in Südafrika) seit August nicht mehr gesehen?, erinnert sich Everat.

Am Dienstag, den 23. November, nachdem sie weitere 32 Proben aus der Umgebung von Johannesburg und Pretoria getestet hatten, ?war es eindeutig?, sagte Amoako. ?Es war beängstigend.?

Forscher benachrichtigen die WHO
Noch am selben Dienstag informierte das NICD-Team das Gesundheitsministerium und andere Labors in ganz Südafrika, die Sequenzierungen durchführten und später ähnliche Ergebnisse lieferten.

Kurz darauf gab das NICD Sequenzdaten in die globale Wissenschaftsdatenbank GISAID ein und stellte fest, dass auch Botswana und Hongkong Fälle mit der gleichen Gensequenz gemeldet hatten.

Am 24. November 2021 benachrichtigten Mitarbeiter des NICD und des Gesundheitsministeriums die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Zu diesem Zeitpunkt, so Viana, hätten mehr als 2 Drittel der positiven Tests in Gauteng, der südafrikanischen Provinz, zu der auch Pretoria und Johannesburg gehören, den Ausfall des S-Gens aufgewiesen: ein Zeichen dafür, dass Omicron bereits zur vorherrschenden Variante geworden sei.

Neue Fakten zu Omikron schon in 3 bis 4 Wochen?
Aufgrund von Omicron werde sich die tägliche COVID-19-Infektionsrate in Südafrika bis Ende dieser Woche voraussichtlich auf mehr als 10.000 vervierfachen, sagte Prof. Dr. Salim Abdool Karim, einer der führenden Spezialisten für Infektionskrankheiten des Landes, am vergangenen Montag.

Die wichtigen Fragen, nämlich wie gut die neue Variante in der Lage sei, sich der Immunität durch Impfstoffe oder frühere Erkrankungen zu entziehen, wie schwerwiegend die Symptome im Vergleich zu früheren Versionen seien und welche Unterscheide es bei diversen Altersgruppen gebe, müssten noch beantwortet werden.

Die 3 befragte Wissenschaftler, die sich mit diesen Fragen befassen, erwarten Antworten in etwa 3 bis 4 Wochen.

Forscher erhalten Hassmails
Bis dahin erwägt der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, in manchen Bereichen eine Impfpflicht einzuführen, da das Land schon jetzt stark betroffen ist ? bislang mit insgesamt 3 Millionen COVID-19-Infektionen und über 89.000 Todesfällen.

In Südafrika herrscht große Verärgerung über Einreiseverbote für Ausländer. Die Aggression richtet sich teilweise auch gegen Wissenschaftler. Amoako bekam mehrere wütende Nachrichten, in denen es heißt, Forscher sollten einfach aufhören, nach neuen Varianten zu suchen.

Dies könnte andere Länder dazu ermutigen, Dinge zu verbergen oder besser gesagt, einfach nicht hinzusehen. Prof. Dr. Wolfgang Preiser
Prof. Dr. Wolfgang Preiser, ein Virologe an der Universität Stellenbosch, der an COVID-19 arbeitet und ebenfalls Hassbriefe erhalten hat, befürchtet, dass andere Länder daraus lernen könnten, nicht so transparent zu sein.

?Dies könnte andere Länder dazu ermutigen, Dinge zu verbergen oder besser gesagt, einfach nicht hinzusehen?, sagte er. ?Das ist die Befürchtung. Nachschauen ist eine ziemliche Investition, also werden sie vielleicht zu dem Schluss kommen, dass sie sich nicht die Mühe machen sollten.?

Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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Mehr als 90% reduzierte Mortalität ? Real-World-Daten aus Israel belegen die hohe Wirksamkeit von Booster-Shots
Michael van den Heuvel, Medscape



Erneut kommen Real-World-Daten zu SARS-CoV-2-Impfungen aus Israel. Im NEJM berichten 2 Arbeitsgruppen über den Nutzen der Drittimpfung (Booster) für Personen ab 16 Jahren. Dabei kam BNT162b2 von BioNTech/Pfizer zum Einsatz.

Das Ergebnis: Über alle untersuchten Altersgruppen waren die Raten an Infektionen mit SARS-CoV-2 und an schwerem COVID-19 deutlich niedriger als bei Kontrollen ohne Booster Shot. Speziell bei Personen ab 50 Jahren, die mindestens 5 Monate nach der 2. Dosis eine Auffrischungsimpfung bekommen hatten, war die COVID-19-Mortalität um 90% niedriger als bei Kontrollen ohne 3. Dosis.

?Die jetzt veröffentlichten Studien von Arbel et al. und Bar- On et al. liefern dringend benötigte Belege für die Wirksamkeit der Auffrischungsdosis?, schreibt Dr. Minal K. Patel von den Centers of Disease Control and Prevention, Atlanta, in einem begleitenden Editorial [3]. ?Obwohl in keiner der beiden Studien eine formale Berechnung der Wirksamkeit der Auffrischungsimpfung vorgenommen wurde, weisen die Daten aus beiden Studien auf eine relative Wirksamkeit gegen schwere Erkrankungen oder Tod von 90 bis 95% hin. Das heißt, wenn die absolute Wirksamkeit von 2 Impfstoffdosen 90% beträgt, liegt die absolute Wirksamkeit von 2 Dosen plus Auffrischungsimpfung bei 99 bis 100%.?

Israel: Booster-Impfungen schon seit 30. Juli 2021
Bereits am 9. Dezember 2020 haben Ärzte in Israel mit Impfungen gegen COVID-19 begonnen und vergleichsweise schnell große Bevölkerungsgruppen erreicht. Zum Einsatz kam vor allem BNT162b2 (Pfizer/BioNTech). Anlass war, dass aufgrund von B.1.617.2 (Delta) bei frühzeitig Geimpften vermehrt Durchbruchsinfektionen auftraten.

Deshalb hat das israelische Gesundheitsministerium am 30. Juli 2021 grünes Licht für Booster-Impfungen gegeben. Nach vielversprechenden Ergebnissen bei Personen ab 60 Jahren wurde die Kampagne schrittweise auf jüngere Menschen ausgedehnt, die mindestens 5 Monate zuvor ihre 2. Dosis erhalten hatten.

Nutzen bei Personen ab 50 Jahren
Dr. Ronen Arbel von Clalit Health Services, Tel Aviv, und Kollegen wollten herausfinden, ob Auffrischungsimpfungen die COVID-19-Mortalität verringern konnten. Grundlage ihrer Studie sind Daten von Clalit Health Services, einem großen Gesundheitsdienstleister aus Israel. Eingeschlossen wurden Patienten, die zu Beginn der Studie mindestens 50 Jahre alt waren und die mindestens 5 Monate zuvor 2 Dosen BNT162b2 erhalten hatten. Auf dieser Basis verglich Arbels Team die Mortalität von Personen mit oder ohne 3. Dosis, wobei soziodemographische Faktoren und Begleiterkrankungen berücksichtigt wurden.

Insgesamt erfüllten 843.208 Teilnehmer die Einschlusskriterien, von denen 758.118 (90%) während des 54-tägigen Studienzeitraums einen Booster Shot erhielten. Todesfälle aufgrund von COVID-19 traten bei insgesamt 65 Teilnehmern in der Booster-Gruppe (0,16 pro 100.000 Personen und pro Tag) auf. Bei Teilnehmern der Kontrollgruppe waren es insgesamt 137 Todesfälle (2,98 pro 100.000 Personen pro Tag). Die bereinigte Hazard Ratio für Todesfälle aufgrund von COVID-19 betrug 0,10 (95-%-Konfidenzintervall: 0,07 bis 0,14; p < 0,001).


Auffrischungsimpfungen für (fast) alle
Yinon M. Bar ‑ On vom Weizmann Institute of Science, Rehovot, und Kollegen gingen der Frage nach, ob sich ein Nutzen auf Bevölkerungsebene nachweisen lässt. Sie arbeiteten mit Daten des israelischen Gesundheitsministeriums für Personen ab 16 Jahren zwischen 30. Juli und 10. Oktober 2021. In die Analyse flossen Aufzeichnungen von 4.696.865 Personen ein, die mindestens 5 Monate zuvor 2 Dosen BNT162b2 erhalten hatten.

Verglichen wurden Raten bestätigter SARS-CoV-2-Infektionen, speziell COVID-19 mit schwerem Verlauf, und Todesfälle durch COVID-19 bei Personen mit und ohne Auffrischungsimpfung. In der primären Analyse ging es um Personen, die mindestens 12 Tage zuvor eine Auffrischungsdosis erhalten hatten (Booster-Gruppe). In die sekundäre Analyse flossen auch Daten von Personen mit Booster Shot 3 bis 7 Tage zuvor ein (frühe Postbooster-Gruppe).

Die Ergebnisse:

Infektionen generell: Die Rate bestätigter Infektionen war in der Booster-Gruppe um den Faktor 10 niedriger als in der Nicht-Booster-Gruppe (Spanne über 5 Altersgruppen 9,0 bis 17,2). In der Booster-Gruppe lag die Rate um den Faktor 4,9 bis 10,8 niedriger als in der frühen Postbooster-Gruppe. Der bereinigte Ratenunterschied betrug 57,0 bis 89,5 Infektionen pro 100.000 Personentage in der primären Analyse und 34,4 bis 38,3 in der sekundären Analyse.


Schweres COVID-19: Die Raten an schweren Erkrankungen waren bei Über-60-Jährigen in der primären bzw. sekundären Analyse um den Faktor 17,9 (95%-KI 15,1 bis 21,2) bzw. 6,5 (95%-KI 5,1 bis 8,2) niedriger. Für 40- bis 59-Jährige geben die Autoren bei der primären bzw. sekundären Analyse den Faktor 21,7 (95%-KI 10,6 bis 44,2) bzw. 3,7 (95 % CI, 1,3 bis 10,2) an. Der bereinigte Ratenunterschied in der primären bzw. sekundären Analyse betrug 5,4 bzw. 1,9 Fälle pro 100.000 Personentage bei den Über-60-Jährigen und 0,6 bzw. 0,1 bei den 40- bis 59-Jährigen.


Mortalität: Bei Personen ab 60 war die Sterblichkeit in der primären Analyse um den Faktor 14,7 (95%-KI 10,0 bis 21,4) und in der sekundären Analyse um den Faktor 4,9 (95% CI, 3,1 bis 7,9) niedriger. Der bereinigte Ratenunterschied in der primären und sekundären Analyse betrug 2,1 bzw. 0,8 Todesfälle pro 100.000 Personentage.

Bedeutung für die Praxis
?Die Daten dieser beiden Studien werden zusammen mit anderen Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit von Auffrischungsimpfungen wertvolle Hinweise für die Entscheidungsfindung in anderen Ländern liefern, wenn das Risiko-Nutzen-Verhältnis der Einführung einer Auffrischungsimpfung bewertet wird?, schreibt Patel im Editorial.

Sie gibt jedoch zu bedenken: ?Bei der Entscheidung, eine Auffrischungsimpfung anzubieten, müssen viele Faktoren berücksichtigt werden.? Ein Land könnte sich dafür entscheiden, Booster Shots nur bestimmten Bevölkerungsgruppen anzubieten, je nach epidemiologischer Situation, Durchimpfungsrate, Immunität durch Infektionen oder dem Schutz bestimmter Berufsgruppen.

Patel: ?Viele Länder müssen sich auch in naher Zukunft entscheiden, wie sie ihre begrenzten Impfstoffvorräte am besten einsetzen. In den meisten Fällen lässt sich mehr erreichen, wenn man sich auf die Impfung der Ungeimpften konzentriert.?

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Erste Daten: Antikörper-Antwort auf Omikron stark reduziert, doch Boostern hilft; EMA-Okay für Tocilizumab; Übersterblichkeit durch Corona
Michael van den Heuvel, Medscape


Heute meldet das Robert-Koch-Institut 70.611 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Vor 1 Woche waren es 73.209 weitere Fälle. Die 7-Tage-Inzidenz sinkt auf 422,3 Infektionen pro 100.000 Einwohner; am Vortag lag der Wert bei 427,0. Weitere 465 Menschen sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben (Vorwoche: 388).

Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 5,79 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 8. Dezember. Am Tag zuvor lag der Wert bei 5,47.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 9. Dezember, 12:15 Uhr, 4.943 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 46 mehr als am Vortag. Aktuell sind 770 Betten im Low-Care- und 1.411 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 267 freie ECMO-Behandlungsplätze.

Heute beraten Bund und Länder über weitere Maßnahmen. Erstmals nimmt der neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an dem Treffen teil; den Vorsitz hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Angesichts der pandemischen Lage halten es Beobachter für denkbar, dass strengere Maßnahmen beschlossen werden.

40 Mal mehr Antikörper nötig, um Omikron zu neutralisieren. Boostern bleibt wichtig!

EMA: Zulassung von RoActemra® bei Erwachsenen mit schwerem COVID-19

Statistisches Bundesamt: Corona-Pandemie hat zu Übersterblichkeit geführt

AstraZeneca-Impfstoff: Ist das verwendete Adenovirus Ursache der Thrombozytopenien?

Weltweit gegen COVID-19 impfen ? dies sind die Herausforderungen

40 Mal mehr Antikörper nötig, um Omikron zu neutralisieren. Boostern bleibt wichtig!
Seit gestern sind erste Daten von mehreren Arbeitsgruppen (noch nicht peer-reviewed) zur Wirkung der Antikörper, die nach Impfung oder vorheriger Infektion gebildet wurden, gegen die neue Omikron-Variante verfügbar. Nun lasse sich ?etwas fundierter spekulieren?, schreibt Prof. Dr. Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, auf Twitter dazu.


Aufgrund der Daten lasse sich nun sagen: ?Es braucht deutlich mehr Antikörper, um Omikron zu neutralisieren. Etwa 40-fach mehr! Das ist der größte Abfall, den wir je bei einer Variante gesehen haben.? Das bedeute: ?Wir werden deutlich mehr Durchbruchsinfektionen sehen. Gerade bei Genesenen und 'nur' 2x Geimpften.

Doch zeigten die Ergebnisse auch ganz klar, dass auch neutralisierende Antikörper von Geimpften in der Lage seien, Omikron zu binden und zu neutralisieren. Daraus schließt er: ?Nach Booster oder Impfung plus Infektion hat man deutlich mehr Antikörper und ist besser gegen Omikron geschützt.? Sein Fazit: ?Die Impfungen sind weniger effektiv, aber nicht nutzlos!?


Trotz einem geringeren Schutz vor einer Infektion mit der Omikron-Variante, schütze die Impfung doch vor einer schweren Erkrankung, schreibt der Immunologe. Bis ein angepasster Impfstoff verfügbar sei, dauere es noch Monate: Daher empfiehlt Watzl nicht auf diesen zu warten, sondern die Booster-Impfungen voranzutreiben.

Die Daten, auf die er sich bezieht, hat z.B. Alex Sigal vom Africa Health Research Institute in Durban auf Twitter berichtet; ein Preprint liegt vor. Laut Sigal verwendet Omicron immer noch ACE2 als Eintrittspforte in Zellen. Er berichtet, dass sich aber die neutralisierende Wirkung von Antikörpern im Vergleich zu Delta bis zu 37-fach verringert habe. Seine Daten geben zudem Hinweise darauf, dass Geboosterte oder Menschen mit früherer Infektion plus 2-facher Impfung eine stärkere Immunantwort gegen die Variante entwickeln als solche die ?nur? zweifach geimpft sind.

Über ähnliche Resultate berichtet Prof. Dr. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, ebenfalls auf Twitter. Sie schreibt: ?Unsere 1. Daten zur Neutralisation von Omikron versus Delta sind fertig: 2x BioNTech, 2x Moderna, 1xAZ/1x BioNTech nach 6 Monaten 0% Neutralisation bei Omikron, auch 3x BioNTech 3 Monate nach Booster nur 25% NT versus 95% bei Delta. Bis zu 37-fache Reduktion Delta vs. Omicron.?

Doch sie schränkt ein, die Immunantwort nach einer Infektion bzw. Impfung werde ja bekanntlich nicht nur über Antikörper vermittelt. ?Diese Daten können nichts dazu aussagen, ob man weiterhin vor einem schweren Verlauf geschützt ist (Stichwort T-Zellen).?

Pfizer und BioNTech veröffentlichten Ergebnisse erster Untersuchungen ?als Laborstudie mit einem Pseudovirus. Sie berichten, dass 3 Dosen Comirnaty® den Titer neutralisierender Antikörper gegen Omikron im Vergleich zu 2 Dosen um das 25-Fache erhöhen. ?Titer nach der Auffrischimpfung sind vergleichbar mit den Titern, die nach 2 Dosen gegen das Wildtyp-Virus beobachtet wurden und mit einem hohen Schutzniveau verbunden sind?, schreiben die Firmen.


Sie vermuten: ?Da 80% der Epitope im Spike-Protein, die von CD8+ T-Zellen erkannt werden, von Mutationen in der Omicron-Variante nicht betroffen sind, können 2 Dosen dennoch einen Schutz vor schweren Erkrankungen bewirken.?

EMA: Zulassung von RoActemra® bei Erwachsenen mit schwerem COVID-19
Auch bei der Behandlung von COVID-19 gibt es Neues. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat empfohlen, die Indikation von RoActemra® (Tocilizumab) auf die Behandlung von Erwachsenen mit COVID-19 zu erweitern, die eine systemische Behandlung mit Kortikosteroiden erhalten und zusätzlichen Sauerstoff oder mechanische Beatmung benötigen.

Das Medikament ist in der EU bereits zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis, der juvenilen idiopathischen Polyarthritis, der Riesenzellarteriitis und des Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) zugelassen.

Grundlage der Empfehlung sind Daten einer Studie, an der 4.116 hospitalisierte Erwachsene mit schwerer COVID-19-Erkrankung teilgenommen hatten, die zusätzlichen Sauerstoff oder eine mechanische Beatmung benötigten und hohe Werte an C-reaktivem Protein im Blut aufwiesen.

Die Studie zeigte, dass RoActemra® als Add-on das Sterberisiko im Vergleich zur Standardbehandlung leicht verringert. Insgesamt starben 31% aller Patienten im Studienarm mit RoActemra® plus Standardbehandlung (621 von 2.022) innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung, verglichen mit 35%, die nur eine Standardtherapie erhalten hatten (729 von 2.094). Darüber hinaus konnten 57% der Patienten (1.150 von 2.022) im Studienarm mit RoActemra® das Krankenhaus innerhalb von 28 Tagen verlassen, verglichen mit 50% (1.044 von 2.094) in der Kontrollgruppe.

Die Studie zeigte allerdings auch, dass ein Anstieg der Sterblichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, wenn RoActemra® bei Patienten eingesetzt wird, die keine systemischen Kortikosteroide erhalten. Allerdings war das Sicherheitsprofil des Arzneimittels günstig bei denjenigen Patienten, die bereits mit Kortikosteroiden behandelt wurden, und der CHMP kam zu dem Schluss, dass der Nutzen des Arzneimittels für diese Patienten größer ist als die Risiken.


Tocilizumab, ein monoklonaler Antikörper, zielt auf Interleukin-6 (IL-6), ein Zytokin, das bei inflammatorischen Vorgängen ausgeschüttet wird. Indem RoActemra® die Bindung von IL-6 an seine Rezeptoren verhindert, reduziert es die Entzündung und verbessert die Symptome der schweren COVID-19-Erkrankung.

Statistisches Bundesamt: Corona-Pandemie hat zu Übersterblichkeit geführt
Bei einer Online-Pressekonferenz stellte das Statistische Bundesamt (Destatis) Ergebnisse einer Analyse der Sterbefallzahlen vor. ?Von März 2020 bis Mitte November 2021 sind in Deutschland mehr Menschen gestorben, als unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre?, so Destatis-Vizepräsident Christoph Unger. ?Der Anstieg der Sterbefallzahlen ist nicht allein durch die Alterung der Bevölkerung erklärbar, sondern wurde maßgeblich durch die Pandemie beeinflusst.?

Wie Dr. Felix zur Nieden, Referent für Demografische Analysen und Modellrechnungen, erläuterte, sind im Jahr 2020 insgesamt 985.600 Menschen gestorben. Es habe damit 5% oder 46.000 Tote mehr als im Jahr 2019 gegeben. Alleine aufgrund der Alterung der Bevölkerung wäre nur ein Anstieg um rund 2% oder 20.000 Fälle zu erwarten gewesen, so der Experte.

Das Statistische Bundesamt gab auch Einblicke in die Todesursachen-Statistik: Insgesamt starben 39.758 Menschen an der Corona-Infektion (als Grunderkrankung), weitere 8.102 Menschen hatten COVID-19 als Begleiterkrankung neben weiteren Leiden, als sie starben. Am häufigsten wurden auf Totenscheinen Hypertonie (21% der Fälle), Vorhofflimmern bzw. Vorhofflattern (10%), Demenz (20%), Niereninsuffizienz (16%) und Diabetes mellitus (16%) als weitere Erkrankung genannt. 70% der COVID-19-Toten waren 80 Jahre oder älter.

In Zusammenhang mit COVID-19 haben Ärzte letztes Jahr rund 176.000 Patienten stationär behandelt. Von allen Erkrankten waren 36.900 (20,9%) auf einer Intensivstation. 21.400 der intensivmedizinischen Patienten (58,1%) wurden künstlich beatmet, im Schnitt für 254 Stunden. Insgesamt sind 31.600 stationäre COVID-19-Patienten gestorben (17,9%). Sie waren im Schnitt 80,3 Jahre alt.

Laut Krankenhaus-Statistik hatte die Pandemie auch Folgen für planbare Eingriffe oder Behandlungen. Im Jahr 2020 gab es bundesweit fast 2,5 Millionen oder 13,1% weniger stationäre Aufenthalte als im Vorjahr. Die Zahl chirurgischer Eingriffe ging um 690.000 oder 9,7% zurück.

AstraZeneca-Impfstoff: Ist das verwendete Adenovirus Ursache der Thrombozytopenien?
Warum Blutgerinnsel in Zusammenhang mit Adenovirus-COVID-19-Impfstoffen wie dem von AstraZeneca auftreten können, dazu hat ein internationales Team von Wissenschaftlern neue Hinweise.

Die Forscher verwendeten eine Technologie namens CryoEM, um Präparate von ChAdOx1, dem im AstraZeneca-Impfstoff verwendeten Adenovirus, im Schnellverfahren einzufrieren und mit Elektronen zu beschießen, um mikroskopische Bilder der Impfstoffkomponenten zu erzeugen. So konnten sie die Struktur des viralen Kapsids und anderer wichtiger Proteine, die dem Virus den Eintritt in die Zelle ermöglichen, aufklären.

Insbesondere untersuchten Forscher die Struktur und den Rezeptor von ChAdOx1, und wie es mit dem Thrombozytenfaktor 4 (PF4) interagiert. Anhand von Computersimulationen konnten sie zeigen, dass die beiden Moleküle unter anderem über elektrostatische Wechselwirkungen eng miteinander verbunden sind.

Die Ergebnisse ihrer Modellierungen deuten darauf hin, dass der virale Vektor ? wenn auch nur selten ? in den Blutkreislauf gelangt. Dort bindet er an PF4, und das Immunsystem erkennt den Komplex als fremd. Es kommt zur Freisetzung von Antikörpern gegen PF4, die sich an Blutplättchen binden und diese aktivieren, so dass sie sich zusammenballen und bei einer sehr kleinen Anzahl von Menschen nach der Verabreichung des Impfstoffs Blutgerinnsel auslösen.

Weltweit gegen COVID-19 impfen ? dies sind die Herausforderungen
Prof. Dr. Annelies Wilder-Smith von der London School of Hygiene and Tropical Medicine, hatte bei einem Pressebriefing des Science Media Center eine ?gute Nachricht?: Bis Ende November 2021 seien rund 8 Milliarden Dosen an COVID-19-Vakzinen verimpft worden. Doch: ?Die schlechte Nachricht ist, dass in einkommensschwachen Ländern nur 6% mindestens 1 Dosis erhalten haben.?

Während viele Länder schon Auffrischungsimpfungen durchführten, hätten zahlreiche Menschen in ärmeren Ländern noch nicht einmal die 1. Dosis bekommen. Hier gebe es dringenden Nachholbedarf. ?Wir müssen sicherstellen, dass mehr Menschen ihre 1. und 2. Dosis erhalten, aber gleichzeitig Auffrischungsimpfungen ? speziell für vulnerable Personen ? durchgeführt werden?, sagt die Expertin.

Wilder-Smith wies darauf hin, dass der enge ?Flaschenhals? nicht nur die ausreichende Produktion der Impfstoffe sei, sondern auch deren Lieferung. Der Transport gestalte sich aufgrund der Lagerbedingungen schwierig und benötige spezielle Logistik. ?Außerdem haben wir mit den älteren Menschen, die vorrangig geimpft werden sollen, eine ganz andere Personengruppe als bei vielen anderen Impfstoffen?, so die Expertin.

Prof. Dr. Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, USA, gab zudem zu bedenken, dass sich die bislang verabreichten Impfstoffe womöglich in der Effektivität gegen Omikron unterscheiden. Wenn, wie zu erwarten, sich Omikron weltweit durchsetzt, ein nicht ganz unerheblicher Aspekt. Mehrere Studien dazu liefen allerdings noch; man warte auf Daten. Schwierigkeiten sieht er hier vor allem bei Vakzinen, die als Einzeldosis verabreicht werden oder inaktivierte Viren bzw. Proteine enthalten.


Als wichtigen Nutzen aller Impfstoffe strich Dr. Jakob Cramer von der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) hervor, dass sie die Hospitalisierungen reduzieren. Dies sei ? auch in Hinblick auf Omikron und auf künftige Varianten ? das wichtige Ziel der künftigen Impfstoffforschung und -entwickelung.

Ob es derzeit nötig sei, Impfstoffe, allen voran das Oxford-Vakzin (AstraZeneca), zu modifizieren, wisse man noch nicht, meinte Prof. Dr. Teresa Lambe von der Oxford University. Man habe aber bereits Technologien dazu entwickelt, und eine Anpassung sei schnell möglich. Krammer wies darauf hin, es gehe nicht nur um die Forschung und die Entwicklung, sondern um die Frage, wie Arzneimittelbehörden modifizierte Vakzine bewerten würden. Sprich: Welche Daten müsse die Firma vorweisen?

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Vermeidbarer Kollateralschaden: Suboptimal kontrolliertes Asthma bei Kindern erhöht Risiko durch COVID-19
Dr. Nicola Siegmund-Schultze



Für Kinder mit Asthma ist eine gute Kontrolle der Atemwegserkrankung entscheidend, um das Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 zu senken. Das ist das Fazit einer bevölkerungsrepräsentativen Kohortenstudie aus Schottland.

Danach ist Asthma für pädiatrische Patienten zwar generell mit einem erhöhtem Risiko für schwere COVID-19-Erkrankungen assoziiert im Vergleich zu Kindern ohne Asthma. Am ausgeprägtesten aber ist die Risikoerhöhung in Subgruppen, die wegen Asthma stationär behandelt werden (Faktor 6) oder die eine systemische Kortikoidtherapie erhalten (Faktor 3-4). Diese Patientengruppen könnten von einer frühen SARS-CoV-2-profitieren.

Welche Kinder und Jugendliche sind curch COVID-19 besonders gefährdet?
International wird derzeit untersucht, bei welchen Subgruppen von Kindern und Jugendlichen der Vorteil einer Impfung gegen SARS-CoV-2 die potenziellen Risiken überwiegen könnte. Das britische Joint Committee on Vaccination and Immunisation (JCVI) hat daher ein schottisches Forscherteam gebeten, bevölkerungsrepräsentative Daten zu dieser Fragestellung zu erheben.

Datenbasis der populationsbasierten Kohortenstudie war die Plattform ?Early Pandemic Evaluation and Enhanced Surveillance of COVID-19 (EAVE II)?, über die auf die Daten von 5,4 Millionen Menschen in Schottland zugegriffen werden kann. Das entspricht 99% der schottischen Bevölkerung. D

Die Gesamtkohorte bestand aus 752.867 Kindern im Alter von 5 bis 7 Jahren, davon 63 463 Kinder mit Asthma (8,4% der Kohorte). Getestet auf SARS-CoV-2 wurden 258.604 Kinder ohne Asthma und 28.460 mit Asthma. Bei 5,8% bzw. 6,8% (ohne Asthma, mit Asthma) war ein SARS-CoV-2-PCR-Test positiv.

Analysiert wurde das Risiko für schwere Verläufe von COVID-19, bewertet als Erkrankung, die eine stationäre Behandlung im Zeitfenster von 14 Tagen nach einem positiven SARS-CoV-2-PCR-Test erforderlich macht oder die zum Tod binnen 28 Tagen nach positivem Testergebnis führt.

Schlechte Krankheitskontrolle und Glukokortikoidtherapie als Risiko
0,9% der Kinder ohne Asthma, die eine labordiagnostisch gesicherte SARS-CoV-2-Infektion hatten, mussten wegen der Infektion stationär behandelt werden, in der Gruppe mit Asthma waren es 1,5%.

Bei Kindern mit stationär therapiertem Asthma ? Ausdruck einer ungenügend kontrollierten Erkrankung ? war die Rate der COVID-19-bedingten Klinikaufenthalte um den Faktor 6,4 höher als bei Kindern ohne Asthma.

In der Gruppe mit gut kontrollierter chronischer Atemwegserkrankung betrug der Faktor 1,36 im Vergleich zu Kindern ohne Asthma.

Wurde die orale Glukokortikoidtherapie als Marker für die Schwere des Asthma verwendet, war das Risiko für eine stationäre COVID-19-Behandlung bei mindestens 3 Steroidbehandlungszyklen um den Faktor 3,38 im Vergleich zu Kindern ohne Asthma erhöht, um den Faktor 3,53 bei Kindern mit mindestens 2 Kortikoidbehandlungszyklen und um den Faktor 1,52 bei mindestens einem Behandlungszyklus.

Kinder ohne erforderliche orale Glukokortikoidtherapie hatten noch ein um den Faktor 1,34 erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe verglichen mit Altersgenossen ohne Asthma.

Im Alter von 5 bis 11 Jahren war bei Kindern mit Asthma das Risiko für einen schweren Verlauf höher als ab dem 12. Lebensjahr.

Klinische Bedeutung

Gute Asthmakontrolle entscheident
Die Rate der SARS-CoV-2-infizierten Kinder mit Asthma, die im Krankhaus wegen COVID-19 behandelt werden mussten, sei mit 1,5% gering gewesen, heißt es in einem Kommentar zur Studie [2]. Und lediglich 0,2% der Kinder mit Asthma und SARS-Infektion hätten intensivmedizinisch versorgt werden müssen.

Dennoch habe die Gruppe mit Asthma, vor allem bei anhaltenden Exazerbationen, ein deutlich höheres Risiko gehabt als Gleichaltrige ohne Asthma. Es sei auch von anderen respiratorischen Viren bekannt, dass sie Schwere und Häufigkeit von Asthma-Exazerbationen förderten.

Ziel müsse daher eine gute Asthmakontrolle sein. Eine Impfung pädatrischer Bevölkerungsgruppen komme dann vor allem für Kinder infrage, bei denen Asthma-Symptome fortbestehen. Deren potenzielle Nebenwirkungen wiederum seien gegen das insgesamt geringe Risiko, wegen COVID-19 stationär behandelt werden zu müssen, abzwägen, so die Kommentatoren der Studie. Auch gegen saisonale Influenza sollte geimpft werden.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .

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EMA: Real-World-Daten zeigen, wie hoch das Myokarditis- und Perikarditis-Risiko bei COVID-19-mRNA-Vakzinen ist
Michael van den Heuvel, Medscape



Neues vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) und vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) : Arzneimittelexperten haben Real-World-Daten zu Myokarditis- und Perikarditis-Risiken von mRNA-Vakzinen ausgewertet. Außerdem startet eine fortlaufende Überprüfung des 1. COVID-19-"Totimpfstoffs".

Fortlaufende Überprüfung des VLA2001-Vakzins
Der Ausschuss für Humanarzneimittel hat mit der fortlaufenden Überprüfung von VLA2001, einem von Valneva entwickelten COVID-19-Impfstoff, begonnen.

Die Entscheidung stützt sich auf vorläufige Ergebnisse aus Laborstudien und frühen klinischen Studien an Erwachsenen. Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Impfstoff die Produktion von Antikörpern auslöst, die sich gegen SARS-CoV-2 richten. Darüber hat Medscape berichtet.

Der Impfstoff enthält inaktiviertes SARS-CoV-2 zusammen mit 2 Adjuvantien, um die Immunreaktion zu verstärken.

Myokarditis und Perikarditis bei mRNA-Vakzinen
Im Rahmen seiner Sitzung hat der Sicherheitsausschuss der EMA aktuelle Daten zu Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) und Spikevax® (Moderna) bewertet. Erneut ging es um mögliche Risiken einer Myokarditis und Perikarditis in Zusammenhang mit den Impfstoffen.

In die aktuelle Überprüfung wurden 2 große epidemiologische Studien aus Europa einbezogen. Eine Studie wurde unter Verwendung von Daten des französischen nationalen Gesundheitssystems (Epi-phare) durchgeführt, die andere basierte auf Daten eines skandinavischen Registers.

?Insgesamt bestätigt das Ergebnis der Überprüfung das Risiko einer Myokarditis und Perikarditis, das bereits in den Produktinformationen für diese beiden Impfstoffe angegeben ist, und liefert weitere Einzelheiten zu diesen beiden Erkrankungen?, heißt es in der Pressemeldung. Laut PRAC seien beide Erkrankungen insgesamt ?sehr selten?. Bis zu 1 von 10.000 geimpften Personen könnten betroffen sein kann. Außerdem zeigten die Daten, dass das erhöhte Risiko einer Myokarditis nach der Impfung bei jüngeren Männern am höchsten sei, heißt es weiter.

Eine Myokarditis oder eine Perikarditis kann sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung entwickeln, meist innerhalb von 14 Tagen. Beide Erkrankungen wurden häufiger nach der 2. Impfung beobachtet.

Für Comirnaty® zeigt die französische Studie, dass in einem Zeitraum von 7 Tagen nach der 2. Dosis etwa 0,26 zusätzliche Fälle von Myokarditis bei 12- bis 29-jährigen Männern pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen auftraten. In der skandinavischen Studie waren es in einem Zeitraum von 28 Tagen nach der 2. Dosis 0,57 zusätzliche Fälle einer Myokarditis bei 16- bis 24-jährigen Männern pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen.

Bei Spikevax® zeigte die französische Studie, dass innerhalb von 7 Tagen nach der 2. Dosis bei 12- bis 29-jährigen Männern pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen etwa 1,3 zusätzliche Fälle von Myokarditis auftraten. Der skandinavischen Studie zufolge waren es innerhalb von 28 Tagen nach der 2. Dosis bei 16- bis 24-jährigen Männern etwa 1,9 zusätzliche Fälle pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen.

Myokarditiden und Perikarditiden sind entzündliche Erkrankungen des Herzens, die sich durch eine Reihe von Symptomen bemerkbar machen, häufig Atemnot, ein kräftiger Herzschlag, der unregelmäßig sein kann, und Schmerzen in der Brust. ?Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass sich der Verlauf einer Myokarditis oder Perikarditis nach einer Impfung nicht von den Krankheiten ohne Zusammenhang zu mRNA-Vakzinen unterscheidet?, so die EMA.

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Wenn Helfer Hilfe benötigen: Bis zu 50% aller Klinik-Mitarbeiter sind durch COVID-19 psychisch belastet
Ute Eppinger, Medscape



Pandemie und kein Ende: Wie kommen Pflegepersonal und Ärzte mit der pandemiebedingten Dauerbelastung klar? Bis zu 50% der Klinikmitarbeiter sind durch die COVID-19-Pandemie psychisch belastet. Das zeigen aktuelle Studienergebnisse aus den Netzwerken NUM egePan und CEOsys (COVID-19-Evidenz-Oekosystem), die Experten auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) vorgestellt haben.

Im NUM egePan-Netzwerk sind medizinische Universitäten zusammen geschlossen, um ein evidenzgeleitetes Pandemiemanagement zu entwickeln, zu testen und zu implementieren, koodiniert durch das Netzwerk der Universitätsmedizin (NUM). Das CEOsys besteht aus 21 Universitäten und 4 außeruniversitären Partnern ? darunter auch Cochrane Deutschland und Cochrane Frankreich.

30 bis 50% der Pflegekräfte, Ärzte und Rettungsfachkräfte zeigen eine bedeutsame, COVID-19-Stressoren assoziierte psychische Belastung. Dr. Oliver Tüscher
?30 bis 50% der Pflegekräfte, Ärzte und Rettungsfachkräfte zeigen eine bedeutsame, COVID-19-Stressoren assoziierte psychische Belastung?, berichtete Dr. Oliver Tüscher, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, von den Ergebnissen der COVID-Intensiv-Studie.

Allerdings wurde die Querschnittsbefragung zur COVID-Intensivstudie im Zeitraum 6. April 2020 bis 7. Mai 2020 durchgeführt, die Studienergebnisse beziehen sich also auf die erste Welle der Pandemie. ?In der ersten Welle war die psychische Belastung von Mitarbeitern im Gesundheitswesen nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung?, so Tüscher. Wie die psychische Belastung jetzt ? in der inzwischen vierten Welle ? aussieht, lässt sich daraus nicht ableiten.

Belastung erfragt
Für COVID-Intensiv waren 650 Mitarbeiter des Gesundheitswesens per Online-Fragebögen befragt worden. 75,8% der Befragten war jünger als 50 Jahre, 56,9% waren weiblich, 43,5% waren Pflegekräfte, 34,3% Ärzte und 19,5% Rettungsfachkräfte. 47,4% der Teilnehmer arbeiteten an der Universitätsklinik, 24,5% in der präklinischen Notfallmedizin und 10,3% in speziellen COVID-19-Kliniken.

Erhoben wurden Alter, Wohnort, Beruf, Angaben zum Arbeitsplatz, COVID-19-bezogene Sorgen und Stressoren, psychische Belastung, Resilienz, Resilienzfaktoren, Absentismusneigung und der Wunsch, den Beruf zu wechseln.

Endpunkte der Befragung waren die psychische Belastung, die Resilienz (BRS), die Absentismusneigung und der Wunsch, den Beruf zu wechseln. Die Daten wurden dann mit der Allgemeinbevölkerung in Deutschland vor und während der COVID-19-Pandemie verglichen.

Selbstwirksamkeit und Optimismus als Schutzfaktoren
Nach Auswertung der Fragebögen fand sich im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung vor der Pandemie eine höhere psychische Belastung (47,1% der Befragten) und eine erhöhte Neigung zu depressiver und ängstlicher Symptomatik. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung während der ersten Welle der Pandemie zeigte sich hingegen eine geringere psychische Belastung.

Die Resilienz wurde etwas höher als in der Allgemeinbevölkerung vor und während der Pandemie eingeschätzt. COVID-19-bezogene Stressoren und Sorgen waren die wichtigsten Risikofaktoren, Selbstwirksamkeit und Optimismus die wichtigsten Schutzfaktoren.

Die psychische Belastung korrelierte moderat mit dem Wunsch nach Berufswechsel und der Absentismusneigung. 14% der Befragten hatten über eine Krankmeldung nachgedacht, 10,9% einen Berufswechsel erwogen. Während der ersten Welle kam es zu 21% mehr Krankeitsausfällen (verglichen mit 2019).

Psychische Belastung von Gesundheitspersonal während der COVID-19-Pandemie geht zwar mit einer verstärkten Neigung einher, sich krank zu melden. Wertschätzung durch Führungspersonal bewirke aber eine geringere Absentismusneigung, betonte Tüscher. ?Wir schließen aus den Ergebnissen, dass medizinisches Personal immer im Druck ist, dann aber in dieser besonderen Situation nicht mit einer so hohen Zunahme an Belastung reagiert hat, wie die Allgemeinbevölkerung.?

Hinsichtlich depressiver Verstimmungen zeigte sich das weibliche Personal belasteter. Auch Befragte, die zu einer Risikogruppe gehören, zeigten sich belasteter.

Mangelnde Wertschätzung war für diejenigen, die ohnehin belastet waren, ein deutlicher Faktor für Abstinenzneigung und den Wunsch, den Beruf zu wechseln, die mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte ebenso.

Auch PanMAG und VOICE belegen ein hohes Maß an Belastung
Neben COVID-Intensiv zeigen auch die Ergebnisse des PanMAG-Surveys (n= 2049, Zeitraum Januar bis Juni 2021) und des VOICE-Survey (n= 3678) ?insgesamt ein hohes Maß an psychischer und somatischer Belastung?, berichtete Hauke Wiegand, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz.

In VOICE betrug die Prävalenz klinisch signifikanter Depressions- und Angstsymptome 17,4% bzw. 17,8% bei Ärzten, 21,6% bzw. 19,0% bei Krankenschwestern und 23,0% bzw. 20,1 % bei MTAs. Alle 3 Berufsgruppen wiesen im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung vor der Pandemie signifikant erhöhte Werte beim Screening-Test für eine Major Depression (PHQ-2) und beim Screening-Test für generalisierte Angststörungen (GAD-2) auf, jedoch niedrigere Werte im Vergleich zu den Werten während der Pandemie.

Höhere Werte für depressive Symptome waren mit unzureichender Erholung in der Freizeit, erhöhtem Alkoholkonsum und geringerem Vertrauen in Kollegen in schwierigen Arbeitssituationen verbunden. Erhöhte Angstwerte standen darüber hinaus im Zusammenhang mit der Angst, sich mit COVID-19 zu infizieren.

In PanMAG hatten sich Depressivität und emotionale Erschöpfung als Risikofaktoren für Präsentismus erwiesen, d.h. die Studienteilnehmer waren trotz gesundheitlicher Einschränkungen am Arbeitsplatz erschienen. Soziale Unterstützung durch Kollegen war in PanMAG mit geringerer psychischer Belastung, besserer Arbeitsfähigkeit und geringerem Präsentismus assoziiert.

Wie lässt sich die Situation verbessern?
Aus den Ergebnissen der COVID-Intensiv-Studie, des PanMaG-Survey, des VOICE-Survey und der Evidenz aus CEOsys wurden Empfehlungen zur Förderung der psychischen Gesundheit der Klinikmitarbeiter abgeleitet.

Dazu gehört ein Good-Practice-Verzeichnis für Interventionen, um im Pandemiefall die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten und eine adäquate Mitarbeiterzahl in der Versorgung zu gewährleisten. Erreicht werden soll das durch stationäre und ambulante Schutz- und Hygienekonzepte, durch bessere Mitarbeiterkommunikation; durch Prävention, Identifikation von Risikofaktoren, Tools zum Monitoring von psychischer Belastung und Interventionen bei psychischer Belastung und durch Konzepte zur Rekrutierung und Schulung von Personal. Direkte Unterstützungsangebote von Kliniken führt die E.A.P. Webseite auf.

Gesundheitsindikatoren und Arbeitsfähigkeit seien mit psychischen und somatischen Erkrankungen und mit der Führungs- und Teamkultur assoziiert sind, betonte Wiegand. Die Studienautoren empfehlen den Kliniken, ein vom Regelbetrieb abgekoppeltes betriebliches Gesundheitsmanagement einzurichten, z.B. in Form eines Employee Assistance Programms (EAP) mit 3 Ebenen: 1. Resilienzfördernd-präventiv, 2. Persönlich/online interventiv, 3. Team-und organisationsbezogen. Die Autoren empfehlen auch, Schulungen für Führungskräfte und Teamcoachings durchzuführen. Zudem sollten Entscheidungen ? gerade zu COVID-19-Maßnahmen ? partizipativ in den Teams getroffen werden.

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Freitag, 3. Dezember 2021
Überlegungen zur aktuellen Covid-Lage
Bin heute an einer 200 Meter langen Schlange vorbeispaziert, um mich testen zu lassen. Gehöre ja zu den Privilegierten die nicht warten müssen, konnte aber mitbekommen, was für Ärger die Warterei verursacht. Mal wieder hanebüchen organisiert. Spanien, wo man nach den Ankunftszeiten der Züge die Uhr stellen kann hat Gründe, über Deutschland zu lachen.

Und jetzt kommt Omikron, Nü wurde ja wegen Sachsen ausgespart. Die bisherige Impfung wirkt schon mal nicht so, wie eine Pocken- oder Polio-Impfung, sondern wie eine Grippeimpfung: Statistisch gesehen werden weniger Geimpfte krank als Ungeimpfte, und die ERkrankten erkranken, wiederum im statistischen Durchschnitt, weniger schwer und haben kürzere Verläufe. Nicht mehr und nicht weniger.

Bei Omikron ist zu befürchten, dass die Impfungen dagegen deutlich weniger wirken als gegen die bisherigen Varianten, weswegen ja schon ein neues Vakzin speziell gegen Omikron entwickelt wird. Die Frage ist, wann dieses fertig und auf dem Markt ist - wenn Mutant Sigma oder Thau sich ausgebreitet hat wird es nutzlos sein.


Bislang sieht es so aus, als ob die Evolution des Virus in Richtung stärker infektiös - weniger schlimmer Krankheitsverlauf abläuft, was, vergleiche Grippe, erfahrungsgemäß auch die wahrscheinlichste Entwicklung ist. Bestätigt sich dies brauchen wir irgendwann nicht mehr massenweise zu impfen.

Dass aber eine Variante mit der Gefährlichkeit von Lassa oder Ebola sich entwickelt ist auch keineswegs ausgeschlossen, von daher wird es zum Impfen wohl einstweilen keine Alternative geben. Was nicht heißt, dass die Entwicklung von Heilmitteln und die "Prophylaxe" mittels Vitamin D3 und Zink vernachlässigt werden sollten, schon gar nicht, auf Abstandsmaßnahmen zu verzichten. Ein gesunder Mix müsste es sein.


Völlig daneben hingegen sind die Vorstellungen von Impfgegnern, wie sie u.a. von van den Bossche befeuert werden, das Impfen treibe die Mutation der Viren voran und sei sozusagen "Artenschutz" für den Virus.

Das ist eine unzulässige Übertragung aus der Bakteriologie. Bakterien entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika und es entstehen durch zu häufige Antibiose, vgl. Antiobiotika in der Fleischtierhaltung und Krankenhauskeime, hochresistente Bakterienstämme.

Daraus lässt sich allerdings nicht schlussfolgern, Viren entwickelten als Reaktion auf das Impfen in eine Pandemie hinein impfstoffresistente Mutationen. Diese Annahme ist purer Unsinn.

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Donnerstag, 2. Dezember 2021
Hoffnung, dass eine natürliche Heilung von HIV tatsächlich möglich ist?! weltweit 2. Fallbericht veröffentlicht
Heather Boerner


Es klingt wie ein Märchen in Zeiten der HIV-Stigmatisierung: Eine Frau wacht eines Morgens auf und ? schwupps ? ist HIV bei ihr verschwunden. Zuvor hatte sie 8 Jahre mit der HIV-Infektion gelebt.

Für eine 30-jährige Argentinierin aus dem Dorf Esperanza (deutsch ?Hoffnung?) hat sich diese Hoffnung buchstäblich erfüllt. Details wurden in den Annals of Internal Medicine veröffentlicht.

Die Frau, die so genannte ?Esperanza-Patientin?, scheint die 2. Person zu sein, deren Immunsystem das Virus ohne eine Stammzellentransplantation aus dem Körper eliminiert hat. Die 1. war Loreen Willenberg, eine Frau aus Kalifornien, die, nachdem sie 27 Jahre lang mit HIV gelebt hatte, kein replizierendes Virus mehr in ihrem Körper hatte. Über sie wurde letztes Jahr berichtet.

Das macht uns Hoffnung, dass eine natürliche Heilung von HIV tatsächlich möglich ist. Dr. Xu Yu
?Das ist doch das Schöne an diesem Namen, oder? Esperanza?, sagt Dr. Xu Yu, leitende Prüfärztin am Ragon Institute des Massachusetts General Hospital, des Massachusetts Institute of Technology und der Harvard University in Boston, Massachusetts, und bezog sich dabei auf das spanische Wort. ?Das macht uns Hoffnung, dass eine natürliche Heilung von HIV tatsächlich möglich ist.?

2 weitere Personen scheinen HIV überwunden zu haben, allerdings erst nach einem vollständigen Ersatz ihres Immunsystems durch eine Stammzellentransplantation: der ?Berliner Patient? Timothy Ray Brown und der ?Londoner Patient?. Ein weiterer Mann aus Brasilien schien eine nicht nachweisbare Viruslast zu haben, nachdem er eine intensivierte antiretrovirale Behandlung und zusätzliches Vitamin B3 erhalten hatte.

Eine extrem seltene Patientengruppe
Die ?Esperanza-Patientin? gehört zu einer seltenen Gruppe von Menschen, den so genannten Elite-Controllern. Das Immunsystem dieser Menschen kann HIV zwar ohne antiretrovirale Medikamente in Schach zu halten, ist in den meisten Fällen allerdings nicht dazu in der Lage, das Virus zu eliminieren. Stattdessen kontrolliert ihr Immunsystem das Virus, ohne Reservoire anzugreifen, in denen sich HIV weiterhin repliziert und sich ausbreiten kann.

Die ?Esperanza-Patientin? und Willenberg gehören jedoch zu einer noch selteneren Gruppe. Ihr eigenes Immunsystem scheint nicht nur die HIV-Replikation außerhalb der Reservoire gestoppt zu haben, sondern auch Viren innerhalb von Reservoiren abgetötet zu haben.

Die beiden Frauen sind auch wissenschaftlich miteinander verbunden: Auf einer HIV-Konferenz im Jahr 2019 präsentierte Yu Daten zu Willenbergs Fall. Auf dieser Konferenz traf Yu dann Dr. Natalia Laufer, Forscherin am Instituto de Investigaciones Biomédicas en Retrovirs y SIDA an der Universität von Buenos Aires. Laufer untersuchte zu dieser Zeit die ?Esperanza-Patientin? und fragte Yu, ob sie und ihr Team am Ragon-Institut ihr bei der Sequenzierung des HIV-Genoms der Patientin helfen könnten, um festzustellen, ob das Virus tatsächlich spontan aus dem Körper der Frau entfernt worden war.

Das taten die beiden in Zusammenarbeit mit mehreren anderen Forschern, die sich mit der Heilung von HIV befassen. Die ?Esperanza-Patientin? hatte sich 2013 erstmals mit HIV infiziert. In den darauffolgenden 8 Jahren zeigten Ergebnisse von 10 konventionellen Viruslasttests, dass HIV nicht nachweisbar war, sprich: dass die Viruslast unter dem Quantifizierungsniveau der Standardtechnologie lag.

In dieser Zeit starb der Freund der Frau, der sie mit HIV infiziert hatte, an einer mit AIDS assoziierten Krankheit. Später heiratete sie und bekam ein Kind. Sowohl ihr neuer Partner als auch das Baby sind HIV-negativ. Während der Schwangerschaft erhielt sie nur 6 Monate lang antiretrovirale Medikamente.

Ein Relikt früherer Zeiten
Dennoch befand sich virales Erbgut im Körper der Frau. Laufer und Yu wollten wissen, ob es sich um infektiöse Viren handelt ? oder um Relikte früherer Zeiten, sprich defekte, nicht mehr replikationsfähige Nukleinsäuren.

Die Forscherinnen führten eine umfassende Genomsequenzierung an fast 1,2 Milliarden Zellen durch, die Laufer 2017, 2018, 2019 und 2020 aus dem Blut der Patientin entnommen hatte, sowie an weiteren 503 Millionen Zellen aus der Plazenta des Babys, das die ?Esperanza-Patientin? 2020 zur Welt brachte, und an 150 Millionen ruhenden CD4-T-Zellen.

Es wurde eine provirale Sequenzierung der gesamten HIV-DNA durchgeführt, um festzustellen, ob das Virus noch intakt ist. Die DNA wurde dann mit Hilfe eines Algorithmus analysiert und auf Mutationen untersucht.

Die Forscherinnen untersuchten auch CD4-Zellen des Patienten, um festzustellen, ob dort vielleicht noch latente HI-Viren verborgen sind. Auf diese Weise führten sie eine vollständige Analyse durch, die weitaus empfindlicher ist als die Viruslasttests, denen sich die Frau in der Klinik unterzogen hatte.

Anschließend untersuchten sie das Immunsystem der Patientin, um herauszufinden, was die verschiedenen Zellen des Immunsystems darüber aussagen können, wie gut ihr natürliches Immunsystem HIV erkennen und abtöten kann. Sie isolierten Immunzellen der ?Esperanza-Patientin? und setzten diese Zellen im Labor HIV aus, um zu sehen, ob die Zellen das Virus erkennen und eliminieren konnten.

Um sicherzugehen, überprüften die Wissenschaftlerinnen auch, ob sich im Körper der Patientin antiretrovirale Medikamente befanden.

Dabei stellte sich heraus, dass die CD4-Zahl der Patientin ohne Behandlung bei etwa 1.000 Zellen/μl lag ? ein Zeichen für ein funktionierendes Immunsystem.

Die DNA-Sequenzen zeigten große fehlende Abschnitte, und eine Sequenz wies eine immuninduzierte Hypermutation auf. Insgesamt wurden 7 Proviren gefunden, von denen jedoch keines in der Lage war, sich zu replizieren. Die untersuchten CD4-Zellen zeigten keine Anzeichen von latentem HIV.

Mit anderen Worten: Die Wissenschaftlerinnen hatten ein virales Relikt früherer Zeiten gefunden. ?Diese HIV-1-DNA-Produkte weisen eindeutig darauf hin, dass diese Person in der Vergangenheit mit HIV-1 infiziert war und dass zu einem bestimmten Zeitpunkt aktive Zyklen der viralen Replikation stattgefunden haben?, schreiben Yu und ihre Kollegen in ihrem jüngsten Artikel.

Was für Ärzte, die solche Spontanheilungen potenziell für die Behandlung von Millionen HIV-Patienten nutzen wollen, vielleicht noch wichtiger ist, ist der Nachweis, dass das Immunsystem der Frau sich durch eine Reihe von genetischen Mutationen auf die Bekämpfung von HIV vorbereitet hatte. Die Forscherinnen schreiben, dass sie Beweise für eine ?unvollständige Serokonversion? gefunden hätten. Als die Patientin sich mit HIV infiziert hat, wurde die Infektion in ihrem Verlauf gestoppt.

Yu und ihre Kollegen erklären aber auch, sie könnten nicht beweisen, dass die Frau vollständig von HIV geheilt sei. ?Das mag unbefriedigend klingen, spiegelt aber eine der wissenschaftlichen Forschung innewohnende Einschränkung wider?, heißt es in der Veröffentlichung. ?Wissenschaftliche Konzepte können niemals durch empirisch erhobene Daten bewiesen werden; sie können nur widerlegt werden.?

Auf der Suche nach weiteren Patienten
Sind diese Frauen die einzigen, bei denen HIV spontan verschwunden ist? Das sei die Frage, so Dr. Carl Dieffenbach, Direktor der Abteilung für AIDS am National Institute of Allergy and Infectious Diseases, Teil des National Institutes of Health. So wie sie nicht widerlegen könnten, dass die Frauen sich selbst geheilt hätten, könnten sie auch nicht beweisen, dass sie und Willenberg die einzigen beiden Menschen seien, die eine solche Heilung erfahren hätten.

?Wir haben alle damit zu kämpfen?, sagte Dieffenbach gegenüber Medscape. ?Das Ziel ist es, einige dieser Menschen zu finden, damit es vielleicht einen Weg gibt, wie man die Immunität induzieren, auslösen oder verändern kann. Aber es könnte sich auch um ein einmaliges Ereignis zum Zeitpunkt des Beginns der Infektion handeln. Wir wissen es einfach nicht.?

Wir glauben, dass es da draußen noch mehr [dieser Patienten] gibt. Dr. Xu Yu
Yu sagte, dass Ärzte sich an sie wenden sollten, wenn sie Fälle mit Ähnlichkeit zu Willenberg und zur Esperanza-Patientin hätten. Dann seien aufwändige Tests erforderlich, um festzustellen, ob dies zutreffe. ?Wir glauben, dass es da draußen noch mehr [dieser Patienten] gibt?, so Yu gegenüber Medscape.

Auf die Frage, ob wir noch weit davon entfernt sind, diese einmalige Strategie zur Heilung auf die Millionen von Menschen anzuwenden, die täglich eine HIV-Behandlung erhalten, antwortete Yu: ?Wir könnten nahe dran sein. Das ist das Schöne an wissenschaftlichen Entdeckungen. Wir wissen es nicht, aber deshalb brauchen wir mehr Engagement der Gemeinschaft und der medizinischen Fachkräfte, um uns zu helfen.?

Dieser Artikel wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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Impfstoffe wirken bei Frauen besser; warum die Lunge kaputt geht; ECMO-Todesrate bei 68%; mRNA-Orakel für schweren Verlauf
Michael van den Heuvel, Medscape

Heute meldet das Robert Koch-Institut 73.209 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Letzten Donnerstag waren es 75.961 Fälle. Die 7-Tage-Inzidenz verringerte sich leicht auf 439,2 Fälle pro 100.000 Einwohner. Gestern lag der Wert noch bei 442,9. 388 weitere Menschen sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben (Vorwoche: 351). Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 5,61 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 1. Dezember. Am Tag zuvor lag der Wert bei 5,73.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 1. Dezember 4.690 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, 54 mehr als am Vortag. Aktuell sind 803 Betten im Low-Care- und 1.513 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 304 freie ECMO-Behandlungsplätze.

Scholz-Appell und geplante Maßnahmen der Politik

Unterschiedliche Wirksamkeit von Impfstoffen bei Frauen und Männern

ECMO: Mortalität in Deutschland liegt mit 68% vergleichsweise hoch

COVID-19: Abschätzung der Mortalität anhand der viralen RNA

Charité: Wie die Lunge durch COVID-19 vernarbt

Scholz-Appell und geplante Maßnahmen der Politik
Angesichts der Entwicklung haben sich Politiker beim heutigen Bund-Länder-Treffen dafür ausgesprochen, unabhängig von der Inzidenz im Einzelhandel die 2G-Regelung einzuführen. Das gilt auf für Kultur- und für Freizeitveranstaltungen. Clubs und Diskotheken werden ab einer 7-Tage-Inzidenz von 350 Infektionen pro 100.000 Einwohner geschlossen. Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird erneut verboten. Zahnärzte, Apotheker und Pflegefachkräfte sollen künftig ebenfalls gegen COVOD-19 impfen. Und Zusammenkünfte für Ungeimpfte beschränken sich nun auf den eigenen Haushalt sowie auf höchstens 2 Personen eines weiteren Haushalts.

Ein besonderer Impfappell kam diese Woche vom designierte Bundeskanzler Olaf Scholz. Er nutzte beim Fernsehsender Pro7 in einer Sendung von Joko und Klaas die Gelegenheit für eine eindringliche und emotionale Rede (Video siehe YouTube ab Minute 11.00), um die Bevölkerung zum Impfen zu motivieren. Bis Weihnachten wolle er ?bis zu 30 Millionen Impfungen in die Oberarme? bekommen ? sei es als Erstimpfung oder als Booster: ?So kriegen wir es hin, die vierte Welle zu brechen.?

Unterschiedliche Wirksamkeit von Impfstoffen bei Frauen und Männern
Neue Daten gibt es zur Wirksamkeit von Impfstoffen. Auf seiner Website hat das Texas Research Institute Daten zu alters- und geschlechtsabhängigen Faktoren publiziert. Die Studie ist zur Veröffentlichung im Journal of Medical Biochemistry angenommen worden.


Wissenschaftler fanden heraus, dass die Gesamtantikörperspiegel gegen SARS-CoV-2 zwischen einzelnen Altersgruppen, aber auch zwischen Männern und Frauen variierten. So wiesen Personen unter 65 Jahren in den 6 Monaten nach der Impfung mehr als doppelt so hohe Antikörperspiegel auf wie Personen über 65 Jahren. Frauen wiederum hatten höhere Antikörperspiegel als Männer, insbesondere Frauen unter 65 Jahren. ?Wichtig ist jedoch, dass die Antikörperspiegel nach 6 Monaten bei allen Studienteilnehmern um mehr als 50% gegenüber dem Höchstwert gesunken waren?, schreiben die Autoren.

Ihre Ergebnisse basieren auf einer Gruppe von 787 Beschäftigten des Gesundheitswesens in Verona, Italien, die 2 Dosen des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer erhalten hatten. Das Alter der Teilnehmer lag zwischen 21 und 75 Jahren. Ihre Antikörperspiegel wurden vor der Impfung, nach der 2. Dosis sowie 1, 3 und 6 Monate nach der 2. Impfung gemessen.

Als Hypothese formulieren die Autoren, dass Geschlechtsunterschiede mit Hormonen zu tun haben könnten. Testosteron, dessen Spiegel bei Männern bekanntlich höher ist, unterdrückt das Immunsystem, während Östrogen, das bei Frauen höher ist, Immunreaktionen verstärkt. Außerdem befinden sich einige Gene, die für bestimmte Immunproteine kodieren, auf dem X-Chromosom, und da Frauen 2 X-Chromosomen haben, könnte dies zur Steigerung der Immunaktivität beitragen.

ECMO: Mortalität in Deutschland liegt mit 68% vergleichsweise hoch
Die Sterblichkeit von COVID-19-Patienten, die in Deutschland mit einer ECMO behandelt werden, ist mit 68% höher als im internationalen Durchschnitt, wie Univadis auf Basis mehrerer Veröffentlichungen berichtet.

Grundlage der Analyse sind Daten aller in Deutschland von Anfang März 2020 bis Ende Mai 2021 per ECMO behandelten COVID-19-Patienten aus allen 213 intensivmedizinischen Abteilungen mit ECMO-Einheiten. Bei 3.397 Patienten, sie waren durchschnittlich 57 Jahre alt (+/- 11 Jahre), erfassten Forscher die Sterblichkeit. Alle Personen wurden von März 2020 bis Mai 2021 stationär therapiert.

Die Krankenhausmortalität betrug im Analysezeitraum von 15 Monaten 68%. ECMO-Überlebende waren durchschnittlich jünger als Verstorbene (53 vs. 59 Jahre), unabhängig von der pandemischen Welle. Die durchschnittliche Mortalität variierte teilweise stark zwischen verschiedenen Wochen, nämlich zwischen 15% und 75%.

Auch wenn Daten aus dem ELSO-Register aus den USA und Europa Schwankungen im Verlauf einer pandemischen Welle mit einer Mortalität bis zu 51,9% aufzeigten, sind die Überlebensraten international höher als in Deutschland. Dies gelte auch für Phasen der Pandemie, in denen das deutsche Gesundheitssystem nicht überlastet gewesen sei, so das Autorenteam.

Die Ergebnisse des deutschen Intensivregisters sollten Ärzten eine Warnung sein, so Prof. Dr. Christian Karagiannidis vom Klinikum Köln-Merheim und Koautoren. Möglicherweise werde die Indikation zu ECMO in Deutschland weiter gestellt als in anderen Ländern, mit bedingt durch finanzielle Fehlanreize der Vergütung. Es sei ein umfassendes zentrales Register in Deutschland erforderlich, auf dessen Basis sich klinische Ergebnisse der ECMO und die Versorgungsqualität differenziert beurteilen ließen.

COVID-19: Abschätzung der Mortalität anhand der viralen RNA
Trotz der Fortschritte bei der Behandlung von COVID-19 ist es für die Ärzte schwierig, Patienten zu identifizieren, die am meisten gefährdet sind ? und die von einer Maximaltherapie profitieren könnten. Ein von Forschern der Université de Montréal, Kanada, entwickeltes statistisches Modell verwendet virale RNA von SARS-CoV-2 als Biomarker im Blut, um Patienten zu identifizieren, bei denen das Risiko, an COVID-19 zu sterben, am höchsten ist.

Anhand von Blutproben, die 279 Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts wegen COVID-19 entnommen wurden und deren Schweregrad von mäßig bis kritisch reichte, maß das Team die Mengen an Entzündungsproteinen und suchte nach auffälligen Parametern.

Gleichzeitig bestimmten Forscher die Menge an viraler RNA und an Antikörpern gegen das Virus. Die Proben wurden 11 Tage nach Auftreten der Symptome entnommen. Die Patienten wurden danach mindestens 60 Tage lang beobachtet.

Wenig überraschend standen eine schwache Antikörperantwort und eine verstärkte Bildung von Zytokinen mit einem hohen Sterberisiko in Verbindung. Noch deutlich stärker war die Assoziation mit der Konzentration der Virus-RNA im Serum.

?Die Kombination aus viraler RNA sowie dem Alter und dem (männlichen) Geschlecht des Patienten lieferten den besten Vorhersagewert?, so die Autoren. Die Stärke der Virusreplikation sei ein entscheidender Parameter, wenn nicht sogar der wichtigste.

Charité: Wie die Lunge durch COVID-19 vernarbt
SARS-CoV-2-Infektionen können die Lungen von Patienten mit schwerem COVID-19 weit über die Dauer ihrer Erkrankung schädigen. Wissenschaftler der Charité haben jetzt zusammen mit Kollegen Lungen verstorbener COVID-19-Patienten anhand mikroskopischer Aufnahmen analysiert. Dabei fanden sie typische Merkmale einer Fibrose wie zerstörte Lungenbläschen, verdickte Wände und Kollagen-Ablagerungen. Alles deutet auf das sogenannte fibroproliferative akute Lungenversagen ARDS hin.

Der Grund für dieses Phänomen war zunächst unklar ? vor allem, weil Lungenversagen bei COVID-19 typischerweise erst in der 2. oder 3. Woche nach Symptombeginn auftritt, wenn die Viruslast schon stark gesunken ist. Damit, so die Hypothese, muss ein nachgelagerter Mechanismus von Bedeutung sein.

Methoden der Einzelzellanalyse zeigten, dass sich in der Lunge von COVID-19-Patienten, die ein Lungenversagen entwickeln, vor allem Makrophagen ansammeln, ähnlich wie bei Patienten mit idiopathischer Fibrose.

In der Zellkultur zeigten Forscher, dass SARS-CoV-2 die Fresszellen so beeinflusst, dass sie den Fibrose-Prozess möglicherweise triggern. Im Experiment isolierten sie Vorläufer von Makrophagen aus dem Blut gesunder Probanden und versetzten sie mit SARS-CoV-2. Analysen des Proteoms der Fresszellen folgten. Dabei zeigte sich, dass die Immunzellen verstärkt Botenstoffe produzierten, welche den Vernarbungsprozess in der Lunge triggern, vergleichbar mit der idiopathischen Lungenfibrose. Dieser Effekt trat nicht auf, wenn Forschende die Vorläuferzellen mit Influenza-Viren stimulierten.

Dennoch scheint es einen entscheidenden Unterschied zu geben. Bei COVID-19 gelingt es dem Körper, Schäden zu einem gewissen Maße selbst zu reparieren. Wie es dazu kommt, wollen Forscher im nächsten Schritt untersuchen.

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Mittwoch, 1. Dezember 2021
Enzephalopathie bei COVID-19: Mögliche Pathomechanismen und Therapieoptionen
Dr. Linda Fischer


Enzephalopathien machen fast 50% der neurologischen Auffälligkeiten bei COVID-19-Erkrankten aus. Doch welche Prozesse könnten hinter den Enzephalopathien stecken? Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) ging Prof. Dr. Julian Bösel, Chefarzt der Neurologie in Kassel und amtierender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Intensivmedizin auf mögliche Pathomechanismen und Therapieoptionen ein.

Neuroinflammatorische Prozesse scheinen bei den Pathomechanismen eine Rolle zu spielen. So zeigten etwa Liquor-Analysen zweier Studien mit 30 und 10 COVID-19-Erkrankten mit unterschiedlichen neurologischen Manifestationen, dass Autoantikörper gegen neuronale und gliale Angriffspunkte gebildet wurden.

Einen diagnostischen Hinweis zur Pathophysiologie zeigten zudem Forschende im Rahmen der 18F-FDG-PET-Studie: Ein Hypermetabolismus frontoparietal bildete sich über Monate nur langsam zurück. Zudem wirkt er sich womöglich auf Komponenten des Post-Covid-Syndroms aus. Eine weitere Studie fand per Magnetresonanztomographie die Endotheliitis als einen potentiellen vaskulären Mechanismus hinter einer Enzephalopathie.

Wie häufig ist eine Enzephalopathie?
Doch wie häufig kommt es bei COVID-Erkrankten überhaupt zu einer Enzephalopathie? Von den vielen Kohortenstudien dazu greift Bösel 2 heraus: In einer großen gepoolten Datenanalyse fanden Chou et al. aus über 3700 untersuchten COVID-Erkrankten aus einem weltweiten und einem europäischen Register (GCS-NeuroCOVID und ENERGY) bei knapp 700 neurologische Auffälligkeiten. Die Enzephalopathie war mit 49% die häufigste dieser Auffälligkeiten und eine Neuro-Manifestation war mit einer 6-fach erhöhten Krankenhausmortalität assoziiert.

In der zweiten Studie untersuchte ein Autorenteam prospektiv systematisch und unter Verwendung strenger Diagnosekriterien über 3 Monate etwa 4.500 COVID-Erkrankte in New Yorker Zentren. Sie fanden Neuro-Manifestation bei 13,5% und Enzephalopathien bei 6,8%. Eine Manifestation war assoziiert mit erhöhter Krankenhausmortalität und einer reduzierten Wahrscheinlichkeit nach Hause entlassen werden zu können.

Immunmodulatorische Therapie
Enzephalopathien können immunmodulatorisch behandelt werden. Das zeigen Ergebnisse einer im Jahr 2020 veröffentlichten retrospektiven Fallserie. Forschende untersuchten hier die Wirksamkeit von IVIG (Intravenöse Immunglobuline) 0,4 g/kg über 3 bis 5 Tage bei insgesamt fünf COVID-19-Erkankten mit einer etwa 12 Tage nach Krankheitsbeginn aufgetretenen Enzephalopathie. Diese Behandlung führte zu klinischer Verbesserung und besseren Ergebnissen der Elektroenzephalographie, ohne Nebenwirkungen.

Bösel betont, dass es zunehmend Berichte zum Einsatz von Plasmapherese, IVIGs, Steroiden, und Tocilizumab gibt. Sie seien vielversprechend ? allerdings existieren bisher keine richtigen Therapie-Studien.

Intensivneurologie: Keine Antikoagulation ohne triftigen Grund
Zur Intensivneurologie geht Bösel auf 2 Leitlinien ein: zum einen die aktualisierte S3-Leitlinie der DIVI und DGIIN zur stationären Behandlung. Sie enthält laut Bösel ein gutes Stufenschema zur Beatmung mit dem relevanten Hinweis, dass bei Intensivpatientinnen und -patienten ohne triftigen Grund keine Antikoagulation empfohlen wird.

Zum anderen hebt er die Quintessenz der DGN Leitlinie NeuroIntensivmedizin hervor: Bei dominierend pulmonalen Intensivpatienten sind die Neuro-Manifestationen oft maskiert. Sie müssen folglich aktiv gesucht werden. Die Betroffenen müssen invasiv beatmet werden mit teilweise hohem PEEP (positiv-endexpiratorischer Druck).

Das kann wiederum den mittleren arteriellen Druck und damit den zerebralen Perfusionsdruck reduzieren oder auch gleichzeitig den intrakraniellen Druck steigern. Droht dies oder ist eine andere zerebrale Gefährdung zu befürchten, sollte der Patient einem Neuromonitoring oder einer Bildgebung, mitunter auch prophylaktisch, unterzogen werden.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de

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