Mittwoch, 5. Januar 2022
Südafrika: Hinweise auf eine niedrigere Morbidität und Mortalität durch Omikron " doch einige Fragen bleiben offen"
Michael van den Heuvel, Medscape



Am 24. November 2021 wurde in Südafrika Omikron (B.1.1.529) als neue, besorgniserregende Variante (variant of concern, VOC) identifiziert. Die hohe Anzahl von Spike-Mutationen hat bald darauf zur Vermutung geführt, Omikron könnte zu einer Immunevasion ? und womöglich zu schwereren Krankheitsverläufen ? führen. Doch stimmt das wirklich?

Um offene Fragen zu klären, haben Forschende um Dr. Caroline Maslo von Netcare Ltd South Africa, Johannesburg, hospitalisierte Patienten mit positivem SARS-CoV-2-Testergebnis untersucht [1]. Netcare ist ein privater Gesundheitskonzern, der 49 Akutkrankenhäuser mit mehr als 10.000 Betten in ganz Südafrika betreibt.

Maslo und ihre Kollegen fanden heraus, dass zu Beginn der 4. Welle in Südafrika vor allem jüngere Patienten mit weniger Komorbiditäten stationär aufgenommen worden sind. Verglichen mit früheren Wellen gab es jedoch weniger Krankenhausaufenthalte, weniger respiratorische Komplikationen und insgesamt eine niedrigere Morbidität beziehungsweise Mortalität.

Daten aus 4 COVID-19-Wellen in Südafrika
Zum Hintergrund: Südafrika hat vor Omikron insgesamt 3 COVID-19-Wellen erlebt:

Juni bis August 2020 durch die ursprüngliche Variante,

November 2020 bis Januar 2021 durch Beta,

Mai bis September 2021 durch Delta.

Ab dem 15. November 2021, zeitgleich mit der Identifizierung von Omikron, begann die Zahl an Neuinfektionen zum 4. Mal anzusteigen.

Netcare testet alle stationär neu aufgenommenen Patienten auf COVID-19 via PCR oder, ab Welle 2, mit einem Antigen-Schnelltest. Alle stationären Patienten mit positivem COVID-19-Test wurden in die Studie einbezogen. Die Patientencharakteristika, der Bedarf an Sauerstoff, die mechanische Beatmung, die Aufnahme auf der Intensivstation, die Aufenthaltsdauer und die Sterblichkeitsrate wurden elektronischen Verwaltungssystemen von Netcare entnommen. Die Nachbeobachtung endete am 20. Dezember 2021.

Die 4. COVID-19-Welle schien schwächer zu verlaufen
Die Zahl der Patienten, die in Krankenhäusern während früherer SARS-CoV-2-Wellen behandelt wurden, war unterschiedlich:

Welle 1: 3.875 Patienten,

Welle 2: 4.632 Patienten,

Welle 3: 6.342 Patienten,

Welle 4: 2.351 Patienten.

Allerdings wurden in den ersten 3 Wellen 68% bis 69% der Patienten, die mit einem positiven COVID-19-Ergebnis in die Notaufnahme kamen, stationär behandelt, während es in Welle 4 nur 41,3% waren.

Patienten, die in Welle 4 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, waren jünger (mittleres Alter 36 Jahre gegenüber maximal 59 Jahren in Welle 3; p<0,001) und häufiger weiblich.

In Welle 4 wurden deutlich weniger Patienten mit Komorbiditäten aufgenommen (23,3% versus 52,5% in Welle 3, p<0,001). Der Anteil der Patienten mit akuten Atemwegserkrankungen war geringer (31,6% in Welle 4 gegenüber 91,2% in Welle 3, p<0,001).

Von 971 in Welle 4 aufgenommenen Patienten waren 24,2% geimpft, 66,4 % ungeimpft, und bei 9,4% war der Impfstatus unbekannt. In früheren Wellen gab es entweder noch kein Vakzin oder keine Daten dazu. 44,3% der erwachsenen südafrikanischen Bevölkerung war im Dezember 2021 geimpft, und mehr als 50% hatte sich bereits früher mit SARS-CoV-26 infiziert.

Der Anteil der Patienten, die eine Sauerstofftherapie benötigten, ging deutlich zurück (17,6% in Welle 4 gegenüber 74% in Welle 3, p<0,001), ebenso der Anteil der Patienten, die mechanisch beatmet wurden (1,6% in Welle 4 gegenüber 12,4% in Welle 3, p<0,001). Auf der Intensivstation wurden 18,5% der Patienten in Welle 4 gegenüber 29,9% in Welle 3 behandelt (p<0,001).

Die mediane stationäre Verweildauer (zwischen 7 und 8 Tagen in den vorangegangenen Wellen) sank in Welle 4 auf 3 Tage. Die Sterberate lag zwischen 19,7% in Welle 1 und 29,1% in Welle 3 und sank in Welle 4 auf 2,7%.

Methodische Einschränkungen der Studie
Die Studie weist mehrere Limitationen auf. Daten einer Genotypisierung von SARS-CoV-2 waren nicht verfügbar. Zahlen aus anderen Studien zeigen, dass diese Mutation in Südafrika 81% aller bis November isolierten Varianten und 95% aller bis Dezember 2021 isolierten Varianten ausmacht. Auch waren 7% der Patienten am 20. Dezember 2021, also zum Zeitpunkt der Auswertung, noch im Krankenhaus. Hier fehlen Angaben zum Follow-up.

Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um festzustellen, ob die Unterschiede zwischen den Wellen durch eine bereits bestehende ? Immunität beeinflusst werden (?) oder ob Omikron möglicherweise weniger pathogen ist als frühere Varianten. Dr. Caroline Maslo

Unterschiedliche Verhaltensweisen durch gesetzliche Maßnahmen könnten ebenfalls zu einer Verzerrung der Daten geführt haben. Das gilt auch für Patienten, die sich wegen diverser Erkrankungen vorgestellt haben und deren Test auf SARS-CoV-2 dann positiv ausgefallen ist.

?Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um festzustellen, ob die Unterschiede zwischen den Wellen durch eine bereits bestehende erworbene oder natürliche Immunität beeinflusst werden (?) oder ob Omikron möglicherweise weniger pathogen ist als frühere Varianten?, resümieren die Autoren.

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Donnerstag, 30. Dezember 2021
Vorbereitung auf die Omikron-Welle; Schutz durch BioNTech-Vakzin; Schnelltests bei Omikron wenig zuverlässig
Michael van den Heuvel, Medscape


Heute meldet das Robert Koch-Institut 42.770 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Vor einer Woche waren es 44.927 positive Tests. Die 7-Tage-Inzidenz steigt leicht auf 207,4 Infektionen pro 100.000 Einwohner. Am Vortag lag der Wert bei 205,5. Weitere 383 Menschen sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben (Vorwoche: 425).

Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 3,18 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 29. Dezember. Am Tag zuvor lag der Wert bei 3,25.


Die Politik gerät einmal mehr unter Zugzwang. Ein Ziel ist, kritische Infrastrukturen aufrechtzuerhalten ? z.B. durch verkürzte und veränderte Quarantäne-Regeln. ?Natürlich müssen wir die derzeitigen Quarantäne-Regeln überprüfen?, erklärt dazu Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). ?Wir können bei einer rasant wachsenden Epidemie nicht einfach das ganze Land von einem Tag auf den anderen lahmlegen.? Das gelte nicht nur für die kritische Infrastruktur, sondern für alle Bürger. Söder erwartet vom RKI und von der Bundesregierung rasch Vorschläge.

Die Regierung sieht aber dazu ? noch ? keinen Anlass. Andere Länder haben bereits auf Omikron reagiert. Beispielsweise empfehlen die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC), bei Corona-Infizierten ohne Symptome die Quarantänezeit zu halbieren ? auf 5 Tage. Zuvor waren es 10 Tage. Bei den Erwägungen spielen auch wirtschaftliche Folgen von Omikron in den USA eine Rolle. Dies sei ein ?Kompromiss? zwischen der Kontrolle des Infektionsgeschehens und wirtschaftlichen Überlegungen, sagte der WHO-Notfallbeauftragte Michael Ryan. Er rechne dadurch nur mit einer ?relativ kleinen Zahl? zusätzlicher Fälle.

Eine wichtige Strategie der deutschen Politik ist auch, wie berichtet, möglichst viele Menschen in Deutschland zu impfen. Darauf haben Dänemark, Spanien und Portugal ebenfalls gesetzt. In den Ländern ist es zwar zu einem sprunghaften Anstieg der 7-Tage-Inzidenzen gekommen. Die Zahl an Krankenhauseinweisungen blieb jedoch bislang niedrig ? oft niedriger als von Experten prognostiziert.

Die Bundesregierung setzt zudem auf Paxlovid® von Pfizer, eine Kombination mit den Proteinase-Inhibitoren Nirmatrelvir und Ritonavir. Sie hat bereits 1 Million Packungen bestellt. ?Das Medikament ist extrem vielversprechend, weil es in der frühen Gabe den schweren Verlauf von COVID-19 deutlich abschwächen kann. Ich rechne damit, dass wir damit zahlreiche schwere Verläufe auf den Intensivstationen verhindern können?, erklärte Lauterbach. Zielgruppe sind Patienten ab 12 mit einem hohen Progressionsrisiko, etwa durch Vorerkrankungen.

FDA: Schnelltests erkennen Omikron nicht immer zuverlässig
Antigen-Tests gelten neben Impfungen und nicht-pharmakologischen Maßnahmen als wichtige Strategie der Pandemie-Kontrolle. Das könnte sich vielleicht schon bald ändern.

?Erste Daten deuten darauf hin, dass Antigen-Tests die Omikron-Variante zwar erkennen, aber möglicherweise eine geringere Empfindlichkeit aufweisen?, warnt die US Food and Drug Administration (FDA) in einer Stellungnahme. Grundlage seien Tests mit biologisch aktiven Viren, so die FDA. Zuvor habe man bei inaktiviertem Omikron keine Unterschiede gesehen. Wer trotz negativem Schnelltest Symptome habe, solle einen PCR-Test machen. Generell rät die US-Behörde jedoch nicht von Antigen-basierten Untersuchungen ab.

Daten aus Südafrika: Robuste Immunantwort nach Omikron-Infektion
Alex Sigal vom Africa Health Research Institute in Durban, Südafrika, und dem Max-Plank-Institut für Infektionsbiologie, Berlin, berichtet zusammen mit Kollegen in einem Preprint über neue interessante immunologische Daten zur Omikron-Variante.

Die Forscher haben Blutproben von geimpften und ungeimpften Personen aus Südafrika vor und nach einer Omikron-Infektion untersucht. Im Labor wurde nachgeprüft, ob Immunzellen Delta beziehungsweise Omikron neutralisieren.

?Die neutralisierende Aktivität gegen Omikron stieg um das 14-Fache an, was auf eine sich entwickelnde Antikörperreaktion gegen die Variante hinweist?, berichten Sigal und Kollegen. ?Wichtig ist auch, dass ebenfalls die Neutralisierung des Delta-Virus um im Mittel das 4,4-Fache zunahm.? Dies könne zu verminderten Risiken einer Delta-Infektion nach einer Omikron-Infektion und ? damit verbunden ? auch zu weniger schweren COVID-19-Verläufen führen.

?Wichtige Daten aus Südafrika (?): Infektion mit der Omikron-Variante verstärkt (=boostert) neutralisierende Antikörper gegen Omikron & Delta?, kommentiert der deutsche Impfexperte Sander dies auf Twitter. ?D.h. die Immunantwort verbreitert und verbessert sich gegen verschiedene Varianten.? Sander ergänzt: ?Geimpfte entwickeln nach Omikron-Durchbruchinfektion sehr gute Immunität gegen Omikron UND Delta, während Ungeimpfte nach Omikron-Infektion schlechte Immunität gegen Delta aufwiesen.?

USA: Mehr Kinder durch Omikron hospitalisiert ? doch die Gründe sind vielfältig
Doch wie gefährlich ist Omikron, vor allem für Kinder? Die New York Times berichtet von Trends aus den USA. Mehrere Bundesstaaten meldeten im Dezember einen Anstieg der Einweisungen von Kindern wegen COVID-19 um etwa 50%. Am dramatischsten war der Anstieg in New York City, wo in der vergangenen Woche 68 Kinder ins Krankenhaus eingeliefert wurden, was einer Vervierfachung gegenüber der Zahl vor 2 Wochen entspricht.

Doch trotz der Besorgnis über den deutlichen Anstieg der Krankenhauseinweisungen bei Kindern, ein Anstieg, der mehr als doppelt so hoch ist wie bei Erwachsenen, sagen die Forscher, dass sie bislang keine Beweise dafür haben, dass Omikron für Kinder bedrohlicher sei. Wie kann das sein?

Kleinere Kinder können auch in den USA noch nicht geimpft werden, und nur Kinder ab 16 Jahren kommen für Auffrischungsimpfungen infrage. Damit seien Kinder insgesamt schlechter vor dem Virus geschützt als Erwachsene, heißt es im NYT-Artikel. Die Wahrscheinlichkeit, dass infizierte Kinder erkrankten, sei im Vergleich zu Erwachsenen nach wie vor weitaus geringer. Auch handele es sich bei den jüngeren Patienten meist um COVID-19 mit leichterem Verlauf ? und eher präventive Hospitalisierungen.

Dennoch machen sich die US-Behörden Sorgen, wenn die Kinder nach dem 1. Januar wieder in die Schulen zurückkehren ? und es womöglich zu rapide steigenden Raten an Infektionen sowie an Hospitalisierungen kommen könnte.

Wirksamkeit des BioNTech-Vakzins gegen Omikron in Südafrika bei rund 70%
In einem aktuellen Artikel im NEJM versuchen Wissenschaftler, die Effektivität von 2 Dosen des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer während der vermehrten Zirkulation von Omikron abzuschätzen. Als Endpunkt definierten sie eine stationäre Behandlung wegen COVID-19. Grundlage ihrer Arbeit waren Daten von Discovery Health, einer südafrikanischen Managed-Care-Organisation. Hier wurde auch der Impfstatus erfasst.


Die Forscher analysierten 133.437 PCR-Testergebnisse, die während einer früheren Vergleichsperiode erhalten wurden. 38.155 der Tests (28,6%) wurden mindestens 14 Tage nach der 2. Impfdosis durchgeführt. Hinzu kamen 78.173 PCR-Testergebnisse aus dem Omikron-Zeitintervall, von denen 32.325 (41,4%) mindestens 14 Tage nach der 2. Dosis erhalten wurden. In der Vergleichsphase waren 6,4% der Tests positiv, verglichen mit 24,4% während der Omikron-Periode. Die Hospitalisierungsrate, angegeben als Prozentsatz aus der Gesamtheit der positiven PCR-Testergebnisse, lag bei 10,8% bzw. 2,2%.

Während der Omikron-Periode fanden die Wissenschaftler eine Impfstoffwirksamkeit von 70% (95%-Konfidenzintervall: 62% bis 76%). In der Vergleichsperiode waren es 93% (95%-KI: 90% bis 94%), jeweils bezogen auf Hospitalisierungen wegen COVID-19. Das zeige eine ?Aufrechterhaltung der Wirksamkeit des BNT162b2-Impfstoffs (wenn auch auf einem reduzierten Niveau)?, resümieren die Autoren.

Schweres COVID-19: Welche Rolle spielen T-Zellen?
Eine schwere COVID-19-Erkrankung ist sowohl mit einer gestörten Immunantwort als auch mit einer unkontrollierten Immunpathologie verbunden; dies gilt als gesichert. Inwieweit T-Zellen zur Pathologie der Krankheit beitragen, war jedoch unklar.

Sander und Kollegen zeigen jetzt, dass T-Zellen bei schwerem COVID-19 durch Signale des angeborenen Immunsystems aktiviert werden und die Lunge beziehungsweise Gefäße schädigen. Sie haben Einzelzell-Transkriptomik und Einzelzell-Proteomik mit mechanistischen Studien kombiniert, um pathogene T-Zell-Funktionen und auslösende Signale zu bewerten. Die Forschenden verglichen Proben von Patienten mit schwerem oder leichtem COVID-19 und mit anderen viralen Infekten.

Bei Patienten mit schwerem COVID-19 fanden sie T-Zellen, die auf ihrer Oberfläche CD16 trugen: eine Überraschung, denn dieser Marker ist eigentlich auf Zellen des angeborenen Immunsystems zu finden, jedoch nicht auf T-Zellen, die zum erworbenen Immunsystem gehören.

In Laborexperimenten beobachteten die Wissenschaftler, dass CD16-positive T-Zellen bei Kontakt mit Antikörpern zytotoxische Moleküle freisetzten und Lungengefäßzellen schädigten. Auch in den Lungen von COVID-19-Toten fanden sich CD16-positive T-Zellen. Die Ursache sehen Sander und Kollegen im Komplementsystem, das im Verlaufe der Immunantwort aktiviert wird. Hierzu sind weitere Untersuchungen geplant.

?Die Studie ist wichtig, sie zeigt erneut und klar, dass schweres COVID-19 auch eine Gefäßkrankheit ist?, kommentiert Lauterbach auf Twitter. ?Bisher kann man nur hoffen, dass die schweren Verläufe bei der Omikron-Variante deutlich seltener sind. Gewissheit haben wir noch nicht. Im Zweifel muss man vorsichtig sein.?

Patienten mit AML oder MDS werden von COVID-19-Vakzinen ausreichend geschützt
Bei der 63. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) haben Wissenschaftler Daten zur Immunreaktion hämatologischer Patienten auf COVID-19-Vakzine vorgestellt. Sie schlossen 30 Personen mit akuten myeloischen Leukämien (AML) und 16 mit myelodysplastischen Syndromen (MDS) in ihre Studie ein.

33% aller Teilnehmer erhielten zum Zeitpunkt der 1. Impfung eine Therapie der hämatologischen Erkrankung. Bei den restlichen 67% lag die Behandlung einige Monate zurück. 87% waren in Remission. Geimpft wurde mit dem Moderna-Vakzin. Insgesamt waren 69,6% der Patienten an Tag 29 (nach der 1. Impfdosis) und 95,7% am Tag 57 (nach 2 Impfdosen) seropositiv. Die durchschnittlichen Antikörpertiter lagen nach der 1. Impfung bei 315 und nach der 2. Dosis bei 3.806.

Alter, Geschlecht, Ethnie, Krankheitsstatus, die Zeit bis zur Impfung ab Diagnose der Krankheit, die Anzahl der vorherigen Therapien, Laborparameter oder eine allogene Stammzelltransplantation in der Vorgeschichte hatten keinen signifikanten Einfluss. Aufgrund der kleinen Stichprobe seien weitere Studien an größeren Patientenkollektiven erforderlich, schreiben die AutorInnen.

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) kritisiert, gerade die Dynamik der neuen Coronavirus-Variante Omikron sei ?in den offiziellen Zahlen nicht zutreffend abgebildet wegen der Testausfälle und Meldeverzögerungen?. Er verschaffe sich gerade ?mit dem RKI und zahlreichen Datenquellen aus ganz Deutschland ein Gesamtbild zur Lage?. RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler hatte bereits vor Weihnachten angekündigt, dass die Corona-Lage über die Feiertage unvollständig abgebildet werde.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 29. Dezember 4.010 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 119 weniger als am Vortag. Aktuell sind bundesweit 948 Betten im Low-Care- und 2.004 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 258 freie ECMO-Behandlungsplätze.

Omikron: Deutschland ringt um eine Strategie

FDA: Schnelltests erkennen Omikron nicht immer zuverlässig

Daten aus Südafrika: Robuste Immunantwort nach Omikron-Infektion

USA: Mehr Kinder durch Omikron hospitalisiert ? doch die Gründe sind vielfältig

Wirksamkeit des BioNTech-Vakzins gegen Omikron in Südafrika bei rund 70%

Schweres COVID-19: Welche Rolle spielen T-Zellen?

Patienten mit AML oder MDS werden von COVID-19-Vakzinen ausreichend geschützt

Omikron: Deutschland ringt um eine Strategie
Auch in Deutschland breitet sich Omikron weiter aus. Das RKI ordnet 10.443 COVID-19-Fälle der neuen Variante zu, Stand 28. Dezember. In Schleswig-Holstein ist Omikron längst zur dominierenden Variante geworden. Prof. Dr. Leif Erik Sander von der Charité-Universitätsmedizin, Berlin, sagt voraus, in den nächsten Tagen werde Omikron in ganz Deutschland dominieren, die Inzidenz werde wieder steigen.

Auf Twitter macht Dr. Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation die Problematik solcher Vorhersagen deutlich: ?Das schwierigste in der aktuellen Situation (und wie so oft vorher) ist, das Verhalten der Menschen einzuschätzen. Wenn wir sehr stark warnen, sind viele Menschen vorsichtig, und im besten Fall wird die Welle deutlich ausgebremst.? Und weiter: ?Warnen wir nicht, dann kommt Omikron ungebremst, und eine Kontaktreduktion kommt dann so spät, dass die Überlastung der KH wahrscheinlich nicht vermieden werden kann.? Ihr Fazit: ?Egal, was wir vorhersagen, wir werden also mit unseren Szenarien falsch liegen.?

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Donnerstag, 23. Dezember 2021
24% weniger Hospitalisierungen mit Omikron; Ethikrat für Impfpflicht; 4. Impfung in Israel ? und vielleicht auch bei uns
Michael van den Heuvel, Medscape


Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 23. Dezember 2021
Heute meldet das Robert Koch-Institut 44.927 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Vor 1 Woche wurden 56.677 Positiv-Tests gemeldet. Die 7-Tage-Inzidenz sinkt auf 280,3 von 289,0 am Vortag. 425 weitere Menschen starben in Zusammenhang mit COVID-19 (Vorwoche: 522).

Dr. Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, rechnet ebenso wie RKI-Chef Prof. Dr. Lothar Wieler (wir berichteten) während der Feiertage mit einer Untererfassung von SARS-CoV-2-Infektionen. ?Verlässlich dürften die Zahlen erst wieder Anfang Januar sein?, sagt auch Teichert.

Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 4,57 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 22. Dezember. Am Tag zuvor lag der Wert bei 4,73.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 22. Dezember 4.474 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 89 weniger als am Vortag. Aktuell sind bundesweit 852 Betten im Low-Care- und 1.910 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 280 freie ECMO-Behandlungsplätze.

RKI: Aktualisierung der Risikobewertung von COVID-19

STIKO: Booster Shot schon nach 3 Monaten

Ethikrat: Impfpflicht ja, aber mit Einschränkungen?

Erste UK-Daten bestätigen 24% weniger Hospitalisierungen mit Omikron

Israel: Bald 4. Impfung für Bürger ? auch Deutschland denkt darüber nach

ZI: Analyse zu häufigen Vorerkrankungen bei Post-COVID

Daten aus Frankreich: Impfen schützt vor PIMS

AstraZeneca-Vakzin: Schutz nimmt unabhängig von Varianten rasch ab

RKI: Aktualisierung der Risikobewertung von COVID-19
Auf Twitter informiert das RKI über Neuerungen zur Einschätzung der Lage durch Omikron: Die Gefährdung werde ?als sehr hoch eingeschätzt. Es kann zu einer schlagartigen Fallzahl-Erhöhung & rascher Versorgungs-Überlastung kommen.? Im Detail sei das Risiko ?sehr hoch? für Ungeimpfte, ?hoch? für Genesene & Geimpfte mit Grundimmunisierung (2x geimpft) und ?moderat? für Geimpfte mit Auffrischimpfung (3x geimpft).

STIKO: Booster Shot schon nach 3 Monaten
Auch die STIKO hat ihre Empfehlungen aktualisiert. Auffrischungsimpfungen sollen vollständig Geimpften bereits nach 3 und nicht wie zuvor nach 6 Monaten angeboten werden. Dabei seien Personen mit höherem Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, bevorzugt zu berücksichtigen, schreibt die STIKO. Beide mRNA-Vakzine seien hinsichtlich ihrer Wirkung als gleichrangig zu betrachten.

Israel: Bald 4. Impfung für Bürger ? auch Deutschland denkt darüber nach
Auch in Israel breitet sich Omikron rasant aus. Laut Medienberichten hat die Regierung deshalb beschlossen, Bürger über 60 Jahren und medizinische Fachkräfte ein 4. Mal zu impfen. ?Die israelischen Bürger haben als erste auf der Welt die 3. Impfdosis erhalten und wir führen weiter mit der vierten Impfung?, erklärt der Regierungschef Naftali Bennett. Er wies Krankenkassen an, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

?Wir werden eine 4. Impfung brauchen?, sagte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) zur Lage in Deutschland. Wahrscheinlich werde eine spezifische Varianten-Impfung gegen Omikron. Dafür seinen bereits 80 Millionen Impfdosen bei BioNTech bestellt worden, so Lauterbach. Er wisse allerdings nicht, wann sich die STIKIO mit dem Thema befasse.

ZI: Analyse zu häufigen Vorerkrankungen bei Post-COVID
Je länger die COVID-19-Pandemie dauert, desto mehr Patienten mit Long-COVID werden behandelt. Im 1. Quartal 2021 sind laut Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) rund 110.000 Patienten mit dem Post-COVID-Syndrom (ICD-Code U09.9!) behandelt worden. Das entspricht etwa 6% aller bis Ende 2020 an COVID-19 Erkrankten.

Patienten mit Long-COVID waren meist zwischen 40 und 65 Jahren alt. Sie hatten häufig Vorerkrankungen wie Rückenschmerzen (42%), arterielle Hypertonie (39%), Asthma bronchiale (16%), Fettstoffwechselstörungen (26%), Adipositas (19%) oder Diabetes (14%). Auch Depression (19%), somatoforme Störungen (19%) sowie Belastungs- und Anpassungsstörungen (13%) wurden genannt.

Daten aus Frankreich: Impfen schützt vor MIS-C
Zu den seltenen, aber gefährlichen Erkrankungen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 gehört das Multisystemische Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C, Multisystem Inflammatory Syndrome in Children). Es ist auf eine Überaktivierung des Immunsystems nach der Infektion mit dem Coronavirus zurückzuführen. Die meisten betroffenen Kinder haben keine Vorerkrankungen. Französische Wissenschaftler gingen der Frage nach, ob Impfungen gegen das Krankheitsbild schützen.

Ihre Auswertung verschiedener Datenquellen zeigt: Zwischen 15. Juni und 31. Oktober 2021 haben in Frankreich 76,7% aller Jugendlichen ab 12 mindestens 1 Dosis eines COVID-19-Vakzins erhalten, und 72,8% waren vollständig geimpft. Als Impfstoffe wurden BNT162b2 (Pfizer-BioNTech; >95%), mRNA-1273 (Moderna; <5%) und andere COVID-19-Vakzine (<1%) verwendet.

Vom 1. September 2021 bis 31. Oktober 2021 wurden in Frankreich insgesamt 107 Kinder mit MIS-C ins Krankenhaus eingeliefert, darunter 33 (31%) als impffähige Jugendliche. Jugendliche mit MIS-C waren im Median 13,7 (12,5-14,9) Jahre alt, 27 (81%) waren männlich und 29 (88%) wurden auf eine Intensivstation aufgenommen.

Von ihnen waren 0 vollständig geimpft, 7 hatten 1 Dosis mit einer medianen Zeit zwischen Impfstoffinjektion und MIS-C von 25 (17-37) Tagen erhalten und 26 waren nicht geimpft worden. Die Hazard Ratio für MIS-C betrug 0,09 (95%-KI 0,04-0,21; p<0,001) nach der 1. Impfdosis im Vergleich zu ungeimpften Jugendlichen. ?Diese Ergebnisse legen nahe, dass die COVID-19-mRNA-Impfung mit einer geringeren Inzidenz von MIS-C bei Jugendlichen verbunden war?, schreiben die Autoren.

AstraZeneca-Vakzin: Schutz nimmt unabhängig von Varianten rasch ab
Nach einzelnen Berichten über die abnehmende Effektivität des AstraZeneca-Vakzins (ChAdOx1 nCoV-19) stellte sich die Frage, welche Rolle Varianten dabei spielen. Forscher haben deshalb 2 große Kohorten retrospektiv ausgewertet. Sie verglichen Daten aus Schottland, wo zum Studienzeitpunkt Delta vorherrschend war, mit Daten aus Brasilien. Dort spielte Delta damals noch keine Rolle. Die Aufnahme in die schottische Kohorte begann am 19. Mai 2021, die Aufnahme in die brasilianische Kohorte am 18. Januar 2021. Die Nachbeobachtung dauerte in beiden Kohorten bis zum 25. Oktober 2021.

1.972.454 Erwachsene erhielten in Schottland und 42.558.839 in Brasilien 2 Dosen ChAdOx1 nCoV-19. Die Ratenverhältnisse (RR) für schweres COVID-19 stiegen nach 10-11 Wochen auf 2,01 (95%-KI 1,54-2,62), nach 14-15 Wochen auf 3,01 (2,26-3,99) und 5,43 (4,00-7,38) 18-19 Wochen nach der zweiten Dosis.

Das Ergebnis war in Brasilien ähnlich, mit RRs von 2,29 (2,01-2,61) nach 10-11 Wochen, 3,10 (2,63-3,64) nach 14-15 Wochen und 4,71 (3,83-5,78) 18-19 Wochen nach der zweiten 2.

In Schottland sank die Wirksamkeit des Impfstoffs von 83,7% (95% KI 79,7-87,0%) nach 2-3 Wochen auf 75,9% (72,9-78,6%) nach 14-15 Wochen und 63,7% (59,6-67,4) 18-19 Wochen nach der 2. Dosis. In Brasilien verringerte sich die Effektivität von 86,4% (85,4-87,3%) nach 2-3 Wochen auf 59,7% (54,6-64,2%) nach 14-15 Wochen und 42,2% (32,4-50,6%) nach 18-19 Wochen.

Damit sinke der Schutz unabhängig von der zum Zeitpunkt der Studie vorherrschenden Variante rasch, resümieren die Autoren. ?Es muss in Betracht gezogen werden, Personen, die ChAdOx1 nCoV-19 erhalten haben, eine Auffrischungsimpfung zukommen zu lassen.?

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Montag, 20. Dezember 2021
Corona am 20.12.2021
Michael van den Heuvel, Medscape


Heute meldet das Robert Koch-Institut 16.086 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Vor 1 Woche waren es noch 21.743 Positiv-Tests. Die 7-Tage-Inzidenz steigt wieder leicht auf 316 von 315,4 Fällen pro 100.000 Einwohner am Vortag. Weitere 119 Menschen sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben (Vorwoche: 116).

Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 5,10 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 17. Dezember. Am Tag zuvor lag der Wert bei 5,17.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 19. Dezember 4.621 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 28 weniger als am Vortag. Aktuell sind bundesweit 933 Betten im Low-Care- und 1.826 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 279 freie ECMO-Behandlungsplätze.

Krankenhäuser rechnen mit dem Schlimmsten

Expertenrat der Bundesregierung: Impfungen und Booster allein reichen nicht

Bund und Länder unter Zugzwang

EMA empfiehlt Nuvaxovid zur Zulassung

London ruft erneut den Katastrophenfall aus

USA: Biden rät zu Auffrisch-Impfungen

Omikron verbreitete sich früher als erwartet ? neue Daten aus Dänemark

Omikron: Resistenz gegen Antikörper ? aber weitgehend erhaltene T-Zell-Antwort

Virustatika auch gegen Omikron effektiv

Krankenhäuser rechnen mit dem Schlimmsten
Die Infektionszahlen haben sich derzeit ? auf hohem Niveau ? stabilisiert. Kein Grund zur Entwarnung: Da Omikron sehr viel ansteckender ist als Delta und wenn sich bestätige, dass die Verläufe ähnlich schwer seien, werde man es im schlimmsten Fall mit einer großen Zahl gleichzeitig schwer erkrankter Patienten zu tun haben, warnte Dr. Gerald Gaß gegenüber dpa.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft weiter: ?Für die Krankenhäuser wäre dies eine weiter verschärfte Lage, die über all das hinausgeht, was wir bisher erlebt haben.? Von der Bundespolitik fordert Gaß Erkenntnisse zu Omikron aus anderen Ländern ?sehr sorgfältig? zu analysieren und ? falls erforderlich ? ?sehr frühzeitig? mit Kontaktbeschränkungen gegenzusteuern.

Grund zur Sorge geben laut Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité Universitätsmedizin auch die vielen Ungeimpfter oder nicht Genesenen über 60. Zuvor hatte Christian Endt, Daten-Journalist bei ZEIT online, aufgrund einer Datenauswertung aus Deutschland, unter anderem mit Daten des RKI, vor einem raschen Anstieg der Fallzahlen schon ab Weihnachten gewarnt: ?Da kommt keine Welle, da kommt eine Wand?. ?Ich stimme mit diesem Thread und Artikel vollkommen überein?, so Drosten.




Expertenrat der Bundesregierung: Impfungen und Booster Shots allein reichen nicht aus
Was bedeutet dies für uns alle? Am 19. Dezember haben alle Mitglieder des neuen Corona-Expertenrats der Bundesregierung einstimmig ihre Empfehlungen zu Omikron verabschiedet. Alles in allem sehen die Berater auf das Gesundheitssystem und auf weitere kritische Infrastrukturen eine hohe Belastung zukommen, der derzeitige Eindruck einer nachlassenden Infektionsgefahr sei falsch.

?Die aktuell sinkenden Inzidenzen werden von weiten Teilen der Gesellschaft und Politik als Zeichen der Entspannung wahrgenommen?, heißt es im Papier. Über die Feiertage könne es zudem zu einer Meldeverzögerung kommen. Doch zeigten erste Studienergebnisse, dass der Impfschutz rasch nachlasse ? auch wenn Booster-Impfungen die Immunantwort wieder verbessern könnten. ?In Deutschland ist jedoch aufgrund der vergleichsweise großen Impflücke, die insbesondere bei Erwachsenen besteht, mit einer sehr hohen Krankheitslast durch Omikron zu rechnen?, warnen die Experten. Aktuell liege die Verdoppelungszeit von Omikron in Deutschland zwischen 2 und 4 Tagen; Auffrischungsimpfungen und Quarantänemaßnahmen ? aber auch Kontaktbeschränkungen ? könnten zwar die Ausbreitung verlangsamen.

Aber: ?Es müssen in den kommenden Tagen Vorkehrungen für die ersten Monate des Jahres 2022 getroffen werden, und zwar auf politischer und organisatorischer Ebene?, schreiben sie. ?Eine schnelle politische Handlungsfähigkeit muss zu jedem Zeitpunkt auch während der Feiertage gewährleistet sein.? Vor allem gelte es die kritische Infrastruktur zu schützen ? und dafür bereits jetzt zu planen. ?Aus dem geschilderten Szenario ergibt sich Handlungsbedarf in den nächsten Tagen.?

Bund und Länder unter Zugzwang
Am morgigen Dienstag werden nun Bund und Länder über weitere Maßnahmen beraten. Weitere Kontaktbeschränkungen gelten als wahrscheinlich, wahrscheinlich aber erst nach den Feiertagen.

Laut dpa geht es dabei auch um Maßnahmen bei Einreise aus Virusvariantengebieten. ?Die Einreise sicherer zu machen, hilft, damit sich die Omikron-Variante nicht so schnell ausbreitet?, erklärt Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD). Dennoch macht der neue Bundesgesundheitsminister klar: ?Wir müssen davon ausgehen, dass die Omikron-Welle, vor der wir stehen, die wir aus meiner Sicht nicht verhindern können, eine massive Herausforderung wird für unsere Krankenhäuser, für unsere Intensivstationen, aber auch für die Gesellschaft in der Gänze.?

Und Klaus Holetschek (CSU), Bayerns Gesundheitsminister, bestätigt: ?Wir müssen die Ausbreitung von Omikron so lange wie möglich verhindern und maximal verlangsamen, damit sich noch mehr Menschen impfen lassen können.? Die Planungen sehen vor, dass Personen, die sich in den 10 Tagen vor der Einreise nach Deutschland in einem Virusvariantengebiet aufgehalten haben, einen negativen PCR-Test benötigen. Antigen-Schnelltest sollen dafür nicht mehr ausreichen.

In vielen Bundesländern werden 2G-oder 2G-Plus-Regeln und die Pflicht, FFP2-Masken zu tragen, immer stärker ausgeweitet. Niedersachsen hat als bislang erstes und einziges Bundesland zwischen Heiligabend und 2. Januar die höchste Warnstufe 3 ausgerufen und zahlreiche Regeln erlassen. Der Verkauf von Feuerwerk soll zum 2. Mal in Folge deutschlandweit verboten werden. Nach Zustimmung des Bundestages hat der Bundesrat hier das letzte Wort.

EMA empfiehlt Nuvaxovid zur Zulassung
Die EMA hat die Erteilung einer bedingten Zulassung für den COVID-19-Impfstoff Nuvaxovid® (auch bekannt als NVX-CoV2373) von Novavax zur Vorbeugung von COVID-19 bei Menschen ab 18 Jahren empfohlen.

Es handelt sich um einen proteinbasierten Impfstoff, der zusammen mit den bereits zugelassenen Impfstoffen die Impfkampagnen in den EU-Mitgliedstaaten in einer entscheidenden Phase der Pandemie unterstützen soll. Damit wären 5 Vakzine im Zuständigkeitsbereich der EMA empfohlen.

Nach einer gründlichen Bewertung kam der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA im Konsens zu dem Schluss, dass die Daten über den Impfstoff solide sind und die EU-Kriterien für Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität erfüllen.

Die Ergebnisse der beiden wichtigsten klinischen Studien zeigten, dass Nuvaxovid® bei Menschen ab 18 Jahren wirksam gegen COVID-19 vorbeugt. An den Studien nahmen insgesamt über 45.000 Personen teil. In der ersten Studie erhielten etwa 2 Drittel der Probanden den Impfstoff und die anderen ein Placebo (Scheinimpfung); in der anderen Studie wurden die Teilnehmer zu gleichen Teilen mit Nuvaxovid und Placebo geimpft.

Die 1. Studie, die in Mexiko und den Vereinigten Staaten durchgeführt wurde, ergab, dass die Zahl der symptomatischen COVID-19-Fälle 7 Tage nach der 2. Dosis bei den Nuvaxovid-Teilnehmern um 90,4% zurückging (14 Fälle von 17 312 Personen), verglichen mit den Teilnehmern, die ein Placebo erhielten (63 von 8.140 Personen). Das bedeutet, dass der Impfstoff in dieser Studie eine Wirksamkeit von 90,4% hatte.

Die 2. Studie, die im Vereinigten Königreich durchgeführt wurde, zeigte eine ähnliche Verringerung der Zahl der symptomatischen COVID-19-Fälle bei Personen, die Nuvaxovid erhielten (10 Fälle von 7.020 Personen), im Vergleich zu Personen, die ein Placebo erhielten (96 von 7.019 Personen); in dieser Studie betrug die Wirksamkeit des Impfstoffs 89,7%.


Zusammengenommen errechnet sich daraus eine Wirksamkeit von etwa 90 %.

Der ursprüngliche SARS-CoV-2-Stamm und einige besorgniserregende Varianten wie Alpha und Beta waren die am häufigsten zirkulierenden Virusstämme, als die Studien liefen. Derzeit gibt es nur begrenzte Daten über die Wirksamkeit von Nuvaxovid® gegen andere bedenkliche Varianten, einschließlich Omikron.

Die in Studien beobachteten Nebenwirkungen waren in der Regel leicht oder mäßig und klangen innerhalb weniger Tage nach der Impfung ab. Die häufigsten waren Empfindlichkeit oder Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, allgemeines Unwohlsein, Gelenkschmerzen sowie Übelkeit oder Erbrechen.

London ruft erneut den Katastrophenfall aus
Welche Folgen Omikron für Deutschland haben könnte, zeigt ein Blick auf die Lage anderer Nationen. Bereits im Januar 2021 hatte Londons Verwaltung den Katastrophenfall ausgerufen. Damals stand das Gesundheitssystem kurz vor dem Zusammenbruch. Jetzt entschloss sich Sadiq Khan, Bürgermeister der britischen Metropole, erneut zu diesem Schritt. Gegenüber Medien stellte er klar, dass die Zahl an Patienten in Londoner Krankenhäusern massiv ansteige ? und dass sich Bürger unbedingt impfen lassen sollten. In Großbritannien haben die Gesundheitsbehörden letzten Samstag 10.059 neue Omikron-Fälle gemeldet: 3-mal so viele wie am Tag zuvor. Damit erhöht sich die Gesamtzahl auf rund 25.000 bestätigte Omikron-Fälle.

Diese Variante beginne, Delta zu verdrängen, erklärt der britische Gesundheitsminister Sajid Javid. Bei 60% aller positiven Nachweise finde man mittlerweile Omikron. Bislang setzt die Regierung vor allem auf Impfungen und Booster Shots. Javid kann sich aufgrund der Entwicklung weitere Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen vorstellen.

Nahezu zeitgleich warnte der britische National Health Service, ohne schärfere Maßnahmen im Königreich könnten bis Weihnachten 32.000 bis 130.000 NHS-Beschäftigte erkrankt sein, vor allem aufgrund von Durchbruchsinfektionen. Im schlimmsten Fall würde jeder 10. Angestellte fehlen. ?So geht es los. Omikron wird zu massiven krankheitsbedingten Arbeitsausfällen führen. Auch in essentiellen Berufsgruppen?, schreibt Drosten auf Twitter .

Omikron verbreitete sich früher als erwartet ? neue Daten aus Dänemark
Dänemark verfügt über eine der höchsten RT-PCR-Testkapazitäten weltweit und screent alle positiven Tests mittlerweile gezielt auf Omikron. In Eurosurveillance betrachten Forscher die Entwicklung der letzten Wochen.

?Bemerkenswert ist, dass die frühesten Omikron-Fälle in Dänemark auftraten, bevor Südafrika das Aufkommen dieser Variante ankündigte?, schreiben sie nach Auswertung aller Daten. Patienten seien aus Katar und aus den Niederlanden eingereist, was darauf hindeute, dass sich die Variante zuvor vom afrikanischen Kontinent aus verbreitet habe. Später seien auch Personen mit vorigem Aufenthalt in anderen EU-Nationen betroffen gewesen. Auch dies liefere Hinweise auf eine stärkere Verbreitung von Omikron als bislang vermutet.

Zum 9. Dezember 2021 lagen Forschern bei 644 Patienten Angaben zum Infektionsort vor. Das entspricht 82% aller Fälle. Bei 56 Personen gab es eine Reise-Anamnese. Mindestens 83 Omikron-Fälle wurden mit 5 Großveranstaltungen in Dänemark (jeweils mit mehr als 100 Teilnehmern) in Verbindung gebracht.

USA: Biden rät zu Auffrischungsimpfungen
Auch in den USA spitzt sich die Lage zu. Der Virologe und Regierungsberater Anthony Fauci rechnet auch dort mit einer starken Ausbreitung von Omikron. Die Variante hätte ?das Potenzial, eine 5. Corona-Welle auszulösen?, so Fauci. Ob es letztendlich so weit komme, hänge vor allem davon ab, ?was wir in den nächsten paar Wochen und Monaten machen?.

Deutliche Worte findet der US-Präsident Joe Biden. ?Ungeimpften steht ein Winter schwerer Krankheitsverläufe und Todesfälle bevor. Ungeimpfte bringen sich selbst und ihre Familien in Gefahr und Krankenhäuser an Kapazitätsgrenzen.? Allen Amerikanern rät er zum Schutz: ?Wenn Sie geimpft sind und Ihre Booster-Impfung bekommen haben, sind Sie gegen schwere Krankheitsverläufe und Tod geschützt.? Kurz davor hatte Fauci betont, zugelassene Vakzine seien auch bei Omikron wirksam, um Hospitalisierungen und Todesfälle zu vermeiden.

In der Zwischenzeit hat Prof. Dr. Lauren Ancel Meyers von der University of Texas, Austin, 16 verschiedene Szenarien für die USA modelliert. ?Die pessimistischsten Szenarien sind beängstigend. Und wir müssen uns gewissermaßen rüsten, um Änderungen vorzunehmen ? Richtlinien zu ändern, vorsichtigeres Verhalten zu fördern ?wenn wir in diesem Land feststellen, dass Krankenhauseinweisungen zunehmen?, sagt Meyers.

Dem pessimistischsten Szenario zufolge würden sich bis Ende Januar US-weit rund 500.000 Menschen täglich infizieren und täglich bis zu 3.900 COVID-19-Patienten sterben. Das optimistischste Szenario geht von 190.000 Neuinfektionen und 1.400 Todesfällen pro Tag aus. Die Realität könnte irgendwo dazwischen liegen, erklärt Meyers.

Omikron: Resistenz gegen Antikörper ? aber weitgehend erhaltene T-Zell-Antwort
Wissenschaftler um Dr. Markus Hoffmann vom deutschen Primatenzentrum in Göttingen berichten in einem Preprint über In-vitro-Daten zu Omikron. Die Variante erwies sich bei Tests gegen die meisten therapeutischen Antikörper als resistent, mit Ausnahme von Sotrovimab. Der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel hat vor wenigen Tagen eine Empfehlung zur Zulassung dieses Antikörpers veröffentlicht.

Spike-Proteine von Omikron entgingen auch der Neutralisierung durch Antikörper von rekonvaleszenten oder mit dem BioNTech/Pfizer-Vakzin geimpften Personen mit 10- bis 44-fach höherer Effizienz, verglichen mit der Delta-Variante. Die Neutralisierung durch Antikörper, die durch eine heterologe Impfung mit AstraZeneca plus BioNTech/Pfizer oder durch 3 Dosen BioNTech/Pfizer induziert wurden, war effizienter. Aber Omikron-Spike entging der Neutralisierung immer noch leichter als Delta-Spike.

?Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die meisten therapeutischen Antikörper gegen die Omikron-Variante unwirksam sind und dass eine Doppelimpfung mit BNT162b2 möglicherweise nicht ausreichend vor einer schweren Erkrankung schützt, die durch diese Variante ausgelöst wird?, schreiben Hoffmann und Kollegen als Resümee.

Ein weiteres Preprint bestätigt dies auch für Moderna: In vitro war Omikron 49- bis 84-mal weniger empfindlich gegenüber einer Neutralisation als D614G (eine frühe Mutation von SARS-CoV-2) und 5,3- bis 6,2-mal weniger empfindlich als Beta. Proben kamen von Personen, die 2 Impfdosen erhalten hatten. ?Eine Auffrischung von 50 µg erhöhte die Neutralisationstiter gegen Omikron und kann das Risiko symptomatischer Impfstoffdurchbruchsinfektionen erheblich reduzieren?, heißt es im Artikel.

Die gute Nachricht: Prof. Dr. Leif Erik Sander von der Charité-Universitätsmedizin Berlin berichtet auf Twitter von Labordaten zur T-Zell-Antwort einer südafrikanischen Arbeitsgruppe. Man sehe eine ?weitgehend erhaltene T Zell-Reaktivität?, kommentiert Sander. ?Während die Antikörperneutralisation bei Omikron deutlich schwächer ausfällt, erkennen T-Zellen auch das mutierte Spike von Omikron.?

Omikron: Schnelle Replikation in der Bronchie ? aber langsamere Vermehrung in anderen Zelltypen
Doch wie gefährlich ist Omikron wirklich? Auf der Website der University of Hongkong, Fakultät für Medizin, berichtet Prof. Dr. Michael Chan Chi-wai von Patientendaten zu Omikron. Eine Publikation sei gerade in Begutachtung, so der Forscher.

Grundlage ihrer Arbeit sind Ex-vivo-Kulturen mit Patientenproben der Atemwege. Bei diesem Verfahren wird Lungengewebe zur Untersuchung von Viruserkrankungen der Atemwege verwendet. Dabei haben die Forscher verschiedene Zellarten untersucht. 24 Stunden nach Infektion der Zellen replizierten Omikron-Viren in den Bronchienzellen 70-mal schneller als Delta-Viren, in Zellen des Lungengewebes dagegen um den Faktor 10 langsamer. Letzteres könne auf eine geringere Krankheitslast hinweisen, heißt es in der Mitteilung. Weitere Details wurden noch nicht veröffentlicht.


?Es ist wichtig, zu beachten, dass die Schwere der Erkrankung beim Menschen nicht nur durch die Virusreplikation bestimmt wird, sondern auch durch die Immunantwort des Wirts auf die Infektion, die zu einer Fehlregulation des angeborenen Immunsystems, d.h. einem ?Zytokinsturm?, führen kann?, sagt Chan.

Virustatika auch gegen Omikron effektiv
Prof. Dr. Johan Neyts, Virologe an der University of Leuven, hat die Aktivität von Remdesivir, Paxlovid® (Nirmatrelvir) und Molnupiravir gegen verschiedene Varianten von SARS-CoV-s in vitro verglichen. Bei seinem Assay arbeitete er mit Vero-Zellen, einer Zelllinie, die aus Nieren von Grünen Meerkatzen gewonnen wird. Laut den Experimenten lagen die EC50-Werte bei Omikron in einer vergleichbaren Größenordnung wie bei Gamma oder Delta. Der Wert gibt an, wann ein halbmaximaler Effekt beobachtet wird. Für genauere Vergleiche der Zahlen ist es noch zu früh, weil Neyts und Kollegen Experimente mit Omikron bislang nur 1-mal ausgeführt haben.




?Erste Daten zur Wirksamkeit von Paxlovid und Molnupiravir ? die antivirale Wirkung bleibt auch bei der Omikron Variante erhalten?, kommentiert Prof. Dr. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, auf Twitter

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Donnerstag, 16. Dezember 2021
Multifaktoriell
Ich hatte mich gestern mit einem Mathematiker über exponentielles Wachstum unterhalten, und er meinte, in der Praxis gäbe es das nur im Labor. Eigentlich müsste die Pandemieentwicklung multivektoriell nach dem Prinzip der Faktorenanalyse berechnet werden, runtergebrochen auf solche Einzelfaktoren wie regionale Mentalitätsunterschiede, regionale hygienische Verhältnisse, Streuung von Immuninätsgraden in Populationen, genetic drift usw. Der Aufwand wird nicht betrieben. Es wäre möglich, die Pandemie realistisch zu modellieren, aber die für eine seriöse Analyse notwendige konzeptionelle Mühe mache sich niemand.

Interessantes Statement.

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Mittwoch, 15. Dezember 2021
"Die Bevölkerung versteht die Corona-Zahlen nicht"
Politik-Kommunikation in der Pandemie, wie sie besser gelingen könnte
Christian Beneker, Medscape



Dr. Sebastian Jäckle

Einfach ist es nicht, die immer neuen Zahlen zur Corona-Pandemie richtig einzuordnen. Das liegt zum einen an der Politik, die es oft nicht schafft, ihre Botschaften korrekt rüberzubringen. Zum anderen liegt es aber auch an der Bevölkerung, die die Bedeutung etwa des ?exponentiellen Wachstums? nicht versteht. Medscape sprach mit dem Freiburger Statistiker und Politologen Dr. Sebastian Jäckle. Er hat den Zusammenhang mit einer Studie untersucht.

Medscape : Herr Dr. Jäckle, sie sind Politikwissenschaftler, und Sie sind unzufrieden damit, wie in der Pandemie von Politikern und Medien die Zahlen kommuniziert werden. Besonders, wenn es um das exponentielle Wachstum geht, verstehe die Bevölkerung nur ?Bahnhof?. Das haben Sie jetzt sogar in einem Experiment nachgewiesen.

Jäckle: Eigentlich sind US-amerikanische Kollegen darauf gekommen, zu Beginn der Pandemie genauer zu untersuchen, wie weit die Bevölkerung exponentielles Wachstum überhaupt versteht. Wir haben deren Experiment repliziert [1]. Ein angemessenes Verständnis von exponentiellem Wachstum wäre ja wünschenswert, weil im Zusammenhang mit der Pandemie-Entwicklung in der politischen Kommunikation stets davon die Rede ist, man müsse ?die Welle brechen?, weil sie ?exponentiell? anschwelle.

?Nicht ein einziger war in der Lage, das Wachstum richtig zu verstehen!?
Medscape : Und was haben Sie herausgefunden?

Jäckle: Selbst Erstsemester, die gerade aus dem Abitur kommen und ihren Mathematikunterricht noch nicht so lange hinter sich hatten, versagten bei der Berechnung eines exponentiellen Wachstums. Nicht ein einziger war in der Lage, das Wachstum richtig zu verstehen. Damit lagen sie auf dem gleichen Niveau wie die US-amerikanischen Probanden.

Das hatten wir nicht vermutet. Denn die Amerikaner hatten ihren Probanden Geld für die Teilnahme gezahlt. Damit griffen sie auf Leute zurück, die vielleicht nicht zu den Gebildetsten gehörten. Zudem lief unsere Studie erst im November 2020, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Begrifflichkeit ?exponentielles Wachstum? im Zusammenhang mit der Pandemie als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden konnte. Dieses theoretische Wissen führte aber offensichtlich nicht zu einem besseren Verständnis der Infektionsdynamik.

Medscape : Wie war Ihr Experiment aufgebaut?

Jäckle: Wir haben eine vermeintlich einfache Schätzaufgabe gestellt, etwa wie diese: Wenn gestern genau 1.000 Menschen mit Corona infiziert waren und es heute genau 2.000 sind ? wie viele, schätzen Sie, sind es dann von heute ab in 10 Tagen? Die richtige Antwort bei dem unterliegenden exponentiellen Wachstumsprozess hätte gelautet: 1.024.000.

Aber niemand ist darauf gekommen, die Summen Tag für Tag schlicht zu verdoppeln. Stattdessen haben die Probanden intuitiv zumeist ein lineares Wachstum angenommen, das heißt, sie haben damit gerechnet, dass an jedem Tag 1.000 Infizierte hinzukommen. Mit dieser Rechnung sind sie auf 12.000 Infizierte nach 10 Tagen gekommen ? ein falsches Ergebnis.

Medscape : Seltsam, die Berechnung des exponentiellen Wachstums ist doch kein Hexenwerk.

Jäckle: Ja, aber das Problem scheint zu sein, sich die gewaltigen Zahlen überhaupt vorzustellen, auf die man kommt, wenn man das exponentielle Wachstum berechnet. Und daran scheitert offenbar das menschliche Gehirn oft. Vor allem, wenn die Infizierten-Zahlen im Laufe kurzer Zeit durch die Decke schießen.

Es geht um politische Kommunikation
Medscape : Die korrekte Berechnung des exponentiellen Wachstums interessiert Sie auch als Politikwissenschaftler?

Jäckle: Mir geht es um politische und mediale Kommunikation. Wir haben nämlich in unserem Experiment mit 2 Gruppen gearbeitet: Gruppe 1 hat einfach die Schätzaufgabe bekommen, und Gruppe 2 hat zusätzlich eine kleine Hilfestellung erhalten: eine Hilfe bei den Rechenschritten.

Tatsächlich hat sich die unterstützte Gruppe leichter getan und die korrekten Ergebnisse geliefert. Das bedeutet für die politische Kommunikation, dass zum Beispiel nicht nur die neuesten Höchststände der Infizierten-Zahlen genannt werden, sondern auch eine Einschätzung des exponentiell wachsenden Infektionsgeschehens, etwa so: ?Wenn sich die Zahlen so weiterentwickeln, dann haben wir in einer Woche ??. Das dürfte Folgen haben.

Denn in unserem Experiment hat sich gezeigt: Die Gruppe, die eine Hilfestellung erhalten hatte, konnte nicht nur das Infektionsgeschehen besser abschätzen, sondern war am Ende zum Beispiel Kontaktbeschränkungen gegenüber aufgeschlossener, weil sie von der Infektionsgefahr ein realistischeres Bild hatten.

Medscape : Glauben Sie, dass die Bevölkerung es durch solche einfachen Tricks wirklich leichter hat, so unglaublich schnell sich entwickelnde Zahlen einzuordnen?

Jäckle: Der Umgang mit exponentiellen Steigerungsraten ist kein Orchideenfach und nicht so unwichtig, wie es vielleicht scheint. Die Rechnung gilt auch, wenn es um die Verbreitung viraler Inhalte in sozialen Netzwerken geht oder um die Beschreibung nuklearer Kettenreaktionen. Das Thema umgibt uns! Schon die altindische Erzählung von den Reiskörnern auf dem Schachbrett zeigt, welche enormen Massen in diesem Fall bei exponentiellem Wachstum entstehen können.

Medscape : Die Kommunikation der Pandemiezahlen wird ja nicht nur durch das Unverständnis exponentieller Steigerung verwischt.

Jäckle: Das stimmt. Oft wird ?der Wissenschaft? vorgeworfen, sie wisse auch nicht genau Bescheid. Und das ist natürlich auch wahr, denn Modelle können niemals eine perfekte Vorhersage liefern, da es sich bei ihnen eben um Abstraktionen der Wirklichkeit handelt. Alle wissenschaftliche Simulationen und Hochrechnungen enthalten immer eine gewisse Unsicherheit. Das ist aber gar nichts Schlechtes! Denn die Wissenschaft kann gut berechnen, wie hoch diese Unsicherheit ist. Und eine solche mit einem Sicherheitsbereich angegebene Schätzung ist eben etwas fundamental anderes, als einfach ins Blaue hinein zu raten.

Verstehen die Politiker, was sie erklären?
Medscape : Verstehen am Ende die Politiker selbst nicht genau, wie die Wissenschaft arbeitet und was exponentielles Wachstum ist und bedeutet?

Jäckle: Ich habe es nur einmal erlebt, dass von Seiten der Politik das exponentielle Anwachsen der Infizierten-Zahlen ähnlich anschaulich vermittelt wurde, wie wir es in unserem Experiment mit der kleinen Hilfestellung getan haben. Und zwar durch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hat Ende September 2020 vor laufender Kamera das exponentielle Anwachsen der Infizierten-Zahlen in einzelnen Schritten für jeden Monat hochgerechnet und kam so auf eine Schätzung von ca. 19.000 Neuinfektionen täglich für Weihnachten. Wegen dieser vermeintlich viel zu hoch gegriffenen Zahlen, die der Bevölkerung nur unnötig Angst machen würden, gab es damals ein riesiges Medienecho. Zu Weihnachten hat sich dann herausgestellt, dass Merkel noch zu konservativ gerechnet hatte.

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Corona-Experten ?außerordentlich besorgt?: 30 bis 40 Millionen Omikron-Infizierte in den nächsten Monaten?
Sonja Böhm, Medscape


Verschläft die deutsche Politik erneut rechtzeitige Maßnahmen in der Corona-Politik und setzt die falschen Signale? Corona-Experten sind auf jeden Fall höchst alarmiert und ?außerordentlich besorgt? was die auch in Deutschland drohende Omikron-Welle angeht. Auf einer Pressekonferenz des Science Media Center warnten Prof. Dr. Sandra Ciesek, Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin und Prof. Dr. Dirk Brockmann unisono vor einem dramatischen Szenario, das durch die neue hoch-ansteckende Immunescape-Variante schon in wenigen Wochen droht.

Omikron breite sich mit einer Geschwindigkeit aus, wie sie bislang noch nicht gesehen worden sei, sagte Brockmann. ?Das ist um den Faktor 3 bis 4 schneller als bisher bekannt ? so was hatte bislang keiner auf dem Radar. Das sind Zeitskalen, die wir bisher nicht kannten.? Wie unter anderem britische Daten zeigten, könne die Variante damit ?schnell übernehmen?.

Übernimmt Omikron schon Mitte Januar?
Neumann-Haefelin, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie an der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg, rechnet damit, dass Omikron sich bereits bis Mitte Januar hier durchsetzt. ?Die Infektionen werden hochschnellen?, sagt er voraus.

Bislang ist für Deutschland die Datenlage zur Ausbreitung von Omikron leider sehr dünn. Brockmann verwies daher auf Daten aus Großbritannien und Dänemark, wo deutlich mehr Sequenzierungen stattfinden ? und diese Daten seien ?ziemlich besorgniserregend?, sagte der Wissenschaftler, der unter anderem die Projektgruppe Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten am Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, leitet.

Die Infektionen werden hochschnellen. Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin
30 bis 40 Millionen Infizierte auch in Deutschland möglich
Denn durch die hohe Übertragbarkeit bei gleichzeitiger Immunflucht, seien die 1. und die 2. Impfung ?praktisch nicht wirksam?, was die Eindämmung der Ausbreitung angehe. Eine aktuelle britische Modellierung gehe von 400.000 bis 700.000 Neu-Infektionen pro Tag aus ? ?trotz Maßnahmen?. Dies würde bedeuten, dass sich rund die Hälfte der britischen Bevölkerung in der Zeit zwischen Dezember und April nächsten Jahres infizieren würde, das wären 30 bis 40 Millionen Menschen. ?Das lässt sich grob auf Deutschland übertragen?, so die düstere Prognose von Brockmann.

?Es müssen dazu Notfallpläne aus der Politik kommen ? und zwar schnell?, forderte der Wissenschaftler. ?Was passiert, wenn drei- bis viertausend Menschen täglich hospitalisiert werden müssen?? Die Politik müsse nun ?antizipatorisch handeln und nicht reaktiv?. Auch sei zu berücksichtigen, dass bei hohen Infektionszahlen natürlich auch Klinikpersonal von den Infektionen betroffen sei ? was die Situation weiter verschärfe. Dies könne ?zu einer Kaskade? führen, ?die wir derzeit noch gar nicht auf dem Radar haben?.

Aussetzung der Testpflicht für Geboosterte ?unkluge? Entscheidung
Auch Ciesek, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, pflichtete ihm bei: ?Alle Zeichen stehen auf Rot?, sagte sie. Doch sie habe nicht den Eindruck, dass dies in der Politik in Deutschland bereits angekommen sei. Sie bezog sich dabei vor allem auf die aktuelle Entscheidung, Geboosterte bei 2G+ von der Testpflicht auszunehmen. ?Darauf zu verzichten, halte ich nicht für klug?, sagte sie.

Denn auch wenn Geimpfte und Geboosterte wahrscheinlich vor einem schweren Krankheitsverlauf besser geschützt seien, können sie sich dennoch mit Omikron infizieren und vor allem so das Virus in sensible Einrichtungen wie Pflegeheime und Krankenhäuser tragen. Und wie ihre eigenen Untersuchungen zeigten, sei der Schutz der Risikopopulationen in solchen Einrichtungen schon dann nicht mehr so hoch, wenn etwa der Booster 3 Monate oder länger zurück liege, sagte Ciesek. Sie plädierte daher weiterhin für eine Testpflicht für ALLE zumindest für solche Einrichtungen.

Geboosterte bei 2G+ von der Testpflicht auszunehmen (...) halte ich nicht für klug. Prof. Dr. Sandra Ciesek
Den Effekt des Boosterns nicht überschätzen!
Ciesek kritisierte außerdem die ?falschen Signale?, die derzeit gesetzt würden. ?Da wird vermittelt: ?Lassen sie sich boostern und die Welt ist gut? ? so ist es eben nicht!? Die Menschen dürften sich nicht in einer falschen Sicherheit wiegen. Jeder einzelne müsse seinen Beitrag leisten. Neumann-Haefelin ist der gleichen Ansicht, er appellierte an ?jeden Einzelnen, seine Kontakte zu reduzieren?. Und weiter: ?Ich hoffe, dass die Politik agiert.?

Müssen wir mit einem erneuten Lockdown rechnen? Alle 3 Wissenschaftler sind sich einig, dass man derzeit kein Werkzeug, das man habe, ausschließen dürfe. Allerdings zeigt sich Brockmann eher pessimistisch, was den Nutzen solcher Werkzeuge angeht. Er erinnerte an die 1. Welle. Damals sei es gelungen, durch harte Maßnahmen, etwa die Reduktion der Mobilität um 60%, der Fern-Mobilität sogar um 90%, die Welle zu kontrollieren. Doch hier habe es sich um den Wildtyp des Virus gehandelt, der bei weitem nicht so übertragbar war. ?Bei Omikron müsste ungleich mehr passieren, um es zu kontrollieren.?

Omikron-Welle ist nicht mehr zu stoppen
Die Wissenschaftler waren sich einig, dass es ?ausgeschlossen ist?, die Omikron-Welle zu stoppen. Ein ?Abbremsen? sei das Maximale, was gelingen könne. Ciesek betonte, dass es vor allem die Pflege-Einrichtungen und Krankenhäuser zu schützen gilt. ?Wir müssen vorbereitet sein und schnell handeln?, so Brockmann. Er fürchte ?die Kaskade von Ereignissen, wenn sich die Variante ausbreitet ? wie jetzt für Großbritannien prognostiziert ? und sie dann auch ?die Klinik-Maschinerie? betrifft?.

Bislang ungeschützte Menschen noch rasch zu impfen, dafür reiche die Zeit nicht mehr, so die 3 Wissenschaftler. Bis diese ihren Immunschutz aufgebaut haben, dauere es zu lange. Diese Menschen gingen nun ungeschützt in die Omikron-Welle.

Auch die Booster lassen sich nur beschränkt steigern. Dies vor allem vor dem Hintergrund der nun offenbar gewordenen Impfstoff-Knappheit im 1. Quartal des kommenden Jahres. Ciesek plädierte dafür, hier Risikopopulationen vorzuziehen.

Zur Frage, wann ein Booster sinnvoll sei, sprach sich Neumann-Haefeli für einen ?Zeitraum um die drei Monate nach der Zweitimpfung? aus. Aufgrund ?theoretischer Daten? sei eine Boosterung wahrscheinlich früher als 6 Monate nach der Zweitimpfung sinnvoll.

Ciesek hatte, wie berichtet, vor wenigen Tagen Daten präsentiert, nach denen im Blut von Menschen, bei denen die 2. Impfung 6 Monate oder länger zurückliegt, quasi keine aktiven Antikörper mehr vorhanden sind, die eine Infektion mit Omikron verhindern können. Dies bedeutet: Diese Menschen haben keinen Infektionsschutz mehr gegen eine Ansteckung mit Omikron. Durch den Booster wird dieser direkt danach zwar wieder auf 58 bis 78% angehoben, nimmt aber über die folgenden 3 Monate wieder allmählich ab.

Neumann-Haefelin macht an einem eindrücklichen Beispiel deutlich, was dies für die Praxis bedeutet: ?Vergleichen Sie es mit einer mittelalterlichen Stadt?, sagte er. ?Die Antikörper sind die hohe Stadtmauer, die das Eindringen der Feinde verhindert. Ist diese nicht mehr stabil, gelingt es manchen Eindringlingen sie zu überwinden, aber dann gibt es immer noch Soldaten in der Stadt, die die Eindringlinge bekämpfen.? Und diese ?Soldaten? seien die T-Zellen, welche länger überdauern und wahrscheinlich dafür sorgen, dass Geimpfte in der Regel zumindest weniger schwer erkranken.

Noch keine ausreichenden Daten zur Krankheitsschwere
Apropos Krankheitsschwere: Alle 3 Wissenschaftler warnten, auf erste Berichte zu vertrauen, nach denen die Krankheitsschwere nach Infektion mit Omikron eventuell geringer sei. Ciesek: ?Um dies zu beurteilen, ist es noch zu früh.? Nach ersten Daten aus Dänemark scheint zumindest kein Unterschied in den Hospitalisierungsraten zu bestehen. Sie liegen bei der Delta-Variante bei 0,7% und bei Omikron bei 0,8%. Definitive Schlüsse ließen sich aufgrund der niedrigen Zahlen insgesamt aber noch nicht seriös ziehen, sagte Ciesek. Auch zur vielleicht höheren Gefährdung von Kindern durch Omikron gebe es noch zu wenige Daten.

Corona-Medikamente seien, auch wenn es hier hoffnungsvolle Ansätze gebe, für die allgemeine Bevölkerung auch keine Alternative um die Omikron-Welle zu stoppen. Und auf eine Rettung durch den Einfluss der Jahreszeiten könne man bei Omikron auch nicht setzen, sagte Brockmann. Die derzeitige Welle in Südafrika findet z.B. während des dortigen Sommers statt.


So blieb am Ende der Pressekonferenz als Fazit aller 3 Forscher nur, ihre eigene ?außerordentliche Besorgnis? auszudrücken, der Appell an die Politik, so rasch und so vorausschauend wie möglich zu agieren ? und ein ziemlich flaues Gefühl bei den Zuhörern.

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Montag, 13. Dezember 2021
Schlimmer als schwere Depressionen?
Behandlungsprävalenz bei Borderline-Störung hat sich verdoppelt - welche Therapien helfen
Ute Eppinger, Medscape


Die Behandlungsprävelanz der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) hat sich in den vergangenen 10 Jahren verdoppelt: ?Sie stellt 20% aller Behandlungsfälle in der stationären Psychiatrie?, berichtete Prof. Dr. Martin Bohus vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) Mannheim. Bohus stellte auf dem Online-Kongress der Deutschen Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) den ersten großen Datensatz zu Borderline-Störungen vor.


0% der Borderline-Patienten entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine ernstzunehmende, schwerwiegende soziale Isolierung. Zu den Risikofaktoren zählen eine geringe Extraversion, geringe soziale Kompetenz in der Kindheit und hohe Aggressivität. Soziale Isolierung ist assoziiert mit schlechter Gesundheit, Suiziden und früher Mortalität.

Gefahr der ?silent disparation? im Auge behalten
Menschen, die an BPS leiden, verlieren im Durchschnitt 8 Lebensjahre. Damit liegt die BPS zwar hinter den psychotischen Erkrankungen (-11 Lebensjahre), aber deutlich vor den unipolaren und bipolaren Depressionen.

Ab 50 Jahren ist die Mortalitätsrate von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung deutlich erhöht und liegt bei 2,98. Als Grund nannte Bohus die steigende Morbidität: Die Odds Ratio (OR) für Alkoholfolgeerkrankungen liegt für BPS-Patienten bei 12,8, für Hepatitis bei 4,8, für Diabetes mellitus Typ 2 bei 1,8 und für Übergewicht bei 2,1.

Die Suizidrate bei BPS liegt unter 4%: Von allen schweren psychiatrischen Störungen ist die BPS diejenige mit der geringsten Suizidrate.

Eine Gefahr sieht Bohus in der ?silent disparation? gerade älterer BPS-Patienten. ?Mit dem Älterwerden ändern sich bei vielen dieser Patienten die Symptome. Das geht in die Richtung, dass diese extrovertierten, sehr auffälligen oft selbstschädigen Verhaltensweisen und interaktiven Prozesse nachlassen und dass dann alles ? bei vielen Borderlinern ? in einen sozialen Rückzug, in stille Depressivität und Isolierung mündet, und dann mit Alkohol und den Konsequenzen Übergewicht und somatischen Erkrankungen einhergeht?, berichtete Bohus. Gerade bei älteren BPS-Patienten, die plötzlich nicht mehr in Therapie kämen, sollte auch daran gedacht werden.

Mit dem Älterwerden ändern sich bei vielen dieser Patienten die Symptome. Prof. Dr. Martin Bohus
Glücklicherweise, so Bohus, räume ICD-11 mit der überkommenen Idee auf, dass man BPS nicht schon im Jugendalter diagnostizieren könnte und sollte. ?In den neuen S3-Leitlinien haben sich alle Fachgesellschaften klar dafür ausgesprochen, dass BPS schon in der Adoleszens diagnostiziert werden muss, das ist kein ?Kann? mehr?, erläuterte Bohus.

?Wird eine Borderline-Störung nicht diagnostiziert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Betroffene keine adäquate Behandlung bekommt, keine Aufklärung erfolgt und auch keine vernünftige Arbeit mit den Eltern stattfinden kann?, sagte Bohus. Dabei gebe es inzwischen wirkungsvolle störungsspezifische Behandlungen für BPS.

In den neuen S3-Leitlinien haben sich alle Fachgesellschaften klar dafür ausgesprochen, dass BPS schon in der Adoleszens diagnostiziert werden muss, das ist kein ?Kann? mehr. Prof. Dr. Martin Bohus
Medikamentöse Therapie steht bei Borderline nicht im Vordergrund
Entsprechend weist die neue S3-Leitlinie ?Borderline-Persönlichkeitsstörung? (kurz vor der Fertigstellung) auf die Wichtigkeit einer frühzeitigen Diagnostik und Behandlung hin, so Prof. Dr. Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. Bei Jugendlichen ab 12 Jahren soll die Abklärung einer BPS-Diagnose erwogen werden, wenn mindestens eines der folgenden Charakteristika vorliegt:

wiederholtes suizidales oder selbstverletzendes/selbstschädigendes Verhalten,

erhebliche emotionale Instabilität,

gleichzeitiges Vorliegen mehrerer psychischer Störungsbilder,

kein befriedigender Behandlungserfolg hinsichtlich vorliegender psychischer Symptome durch bisher durchgeführte Therapien,

stark beeinträchtigtes psychosoziales Funktionsniveau.

Lieb betonte, dass medikamentöse Interventionen nicht die primäre Therapie bei BPS darstellen sollten und auch nicht anstelle anderer, besser geeigneter Interventionen eingesetzt werden sollten. In erster Linie soll die BPS psychotherapeutisch behandelt werden:

strukturierte, störungsspezifische Ansätze;

bei schwerwiegendem Selbstverletzungsverhalten (einschließlich Suizidalität): DBT (Dialectical Behavior Therapy) oder MBT (Mentalisierungsbasierte Psychotherapie);

falls noch kein Therapieplatz vorhanden, BPS-spezifisches Gruppenangebot, insbesondere DBT Skills Training nutzen;

Psychoedukation Bestandteil der Therapie, Angehörige einbeziehen;

Psychotherapie vor Pharmakotherapie;

Komorbiditäten sollen im Zuge eines integrierten Behandlungsplans berücksichtigt werden (Achtung: nur bei schwerer Sucht und Essstörung, nicht Depression, Behandlung der Komorbiditäten vorziehen);

stationäre Aufenthalte nur im Krisenfall oder zur elektiven Behandlung auf spezialisierter Station (geplant, klare Zielsetzung, absehbarer Zeithorizont);

auch Jugendlichen mit ausgeprägter BPS-Symptomatik sollen störungsspezifische Angebote gemacht werden.

Ergänzend zu einer Psychotherapie kann ein zeitlich begrenzter Einsatz von Medikamenten erwogen werden. Die Auswirkung der Verschreibung von Medikamenten auf die Selbstwirksamkeit von Patienten, die therapeutische Beziehung und den Gesamtbehandlungsplan muss dabei berücksichtigt werden.

Grundsätzlich gilt: so wenige Präparate wie möglich. Aufgrund des erhöhten Risikos für suizidales Verhalten sollen Psychopharmaka, die im Falle einer Überdosierung tödlich sein können, nur sehr zurückhaltend verschrieben werden. Nicht empfehlenswert sind trizyklische Antidepressiva (TZA), konventionelle Antipsychotika, Benzodiazepine und Olanzapin.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung stellt 20% aller Behandlungsfälle in der stationären Psychiatrie. Prof. Dr. Martin Bohus
Bohus betonte, dass BPS so früh wie möglich ? in der Adoleszens ? diagnostiziert werden sollte. Denn sie geht mit einem hohen Risiko für soziale Isolierung, einer gesteigerten Mortalität ab dem 40. Lebensjahr und einem hohen Risiko für Alkohol-Folgestörungen einher.

Im ICD-11 taucht als zusätzliche Kategorie im Konzept der Persönlichkeitsmuster die Borderline-Persönlichkeit auf. Basierend auf einer Vielzahl empirischer Befunde wird sie als Persönlichkeitspathologie zusammengefasst, die Störungen des Selbstkonzepts, problematisches interpersonelles Beziehungsverhalten und dysfunktionale Emotionsregulation einschließt.

Die Gefühlswelt wird als affektlabil bezeichnet, dysfunktionale Mechanismen wie selbstschädigendes Verhalten, Suizidversuche und reaktive Aggressivität werden zur Bewältigung innerer Anspannung genutzt.

Daten von 4,5 Millionen Versicherten ausgewertet
Bohus und seine Kollegen werteten Daten von 4,5 Millionen Versicherten der AOK Baden-Württemberg zwischen 2009 und 2019 aus. 8.820 Borderline-Patienten wurden verglichen mit 72.500 Patienten mit Major Depression. Die Daten zeigen, dass sich die Behandlungsprävalenz zwischen 2009 und 2019 nahezu verdoppelt hat: von 107,9 auf 198,9. Wobei Frauen überrepräsentiert sind: 2019 lag die Behandlungsprävalenz bei Frauen bei 308,3 und bei Männern bei 83,6.

Bei der Altersprävalenz liegt der Höchstwert zwischen dem 20. und 24. Lebensjahr (Männer und Frauen: 434,6). Allerdings beginnt die Erkrankung schon in der Pubertät ? bei 15-Jährigen liegt eine Behandlungsprävalenz von 245,9 vor (beide Geschlechter zusammengenommen). Ab dem 50. Lebensjahr nimmt die Behandlungsprävalenz dann deutlich ab (223,8).

Schaut man auf die Zahl der Krankenhausfälle pro 1.000 Versichertenjahre von Versicherten, zeigt sich, dass ?Borderline-Patienten deutlich stärker in die Kliniken drängen als Menschen mit einer Major Depression?, so Bohus. Bei Major Depression sind es 775,7 Krankenhausfälle, bei Borderline 1.149,8; bei allen Versicherten hingegen 250,6. Die Krankenhausverweildauer ist 2 Tage länger als bei der Major Depression. Daraus resultieren pro BPS-Fall auch deutlich höhere Behandlungskosten.

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Impfdurchbrüche durch Omikron nach Booster; 2G-Plus: Erleichterung für Geimpfte; Internisten für Impfpflicht; neuer Expertenrat
Michael van den Heuvel, Medscape




Heute meldet das Robert Koch-Institut 21.743 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Vor 1 Woche waren es 27.836 weitere Fälle. Die 7-Tage-Inzidenz sinkt auf 389,2 Infektionen pro 100.000 Einwohner; am Vortag lag der Wert noch bei 390,9. Weitere 116 Menschen sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben (Vorwoche: 81). Auf dem Dashboard schreibt das RKI, aufgrund technischer Probleme seien gestern und vorgestern aus Niedersachsen keine Daten übermittelt worden.

Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 5,71 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 10. Dezember. Am Tag zuvor lag der Wert bei 5,75.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 7. Dezember 4.905 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 3 mehr als am Vortag. Aktuell sind 895 Betten im Low-Care- und 1.568 im High-Care-Bereich in Deutschland frei. Hinzu kommen 267 freie ECMO-Behandlungsplätze.

Auf Twitter berichtet Prof. Dr. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters: ?Unter welchem Druck stehen die Intensivstationen? Aus der Notfallreserve sind, wenn man die Daten betrachtet, alleine schon mind. 693 High-Care Betten rekrutiert worden. Und das, bevor Omikron auf uns zurollt!? Er gibt zu bedenken, die Aktivierung der Notfallreserve bedeute Einschränkungen in anderen Bereichen.

?Erhebliche Impflücken?: Internistische Fachgesellschaften fordern allgemeine Impfpflicht

2G-Plus-Regel: Erleichterungen für Geimpfte mit Booster-Shot?

Neuer Expertenrat der Bundesregierung

Omikron: Impfdurchbrüche bei deutschen Urlaubern

COVID-19: WHO rät von Rekonvaleszenten-Plasma ab

FDA-Zulassung von Antikörpern als Präexpositionsprophylaxe

EMA: Impfstoffe allein reichen nicht aus

COVID-19 und Adipositas: Studie zeigt möglichen Pathomechanismus

?Erhebliche Impflücken?: Internistische Fachgesellschaften fordern allgemeine Impfpflicht
Schon letzte Woche hat der Bundestag weitere Vorschriften in Zusammenhang mit der Pandemie beschlossen. Wie geplant haben Mitarbeiter im Pflege- und Gesundheitswesen ab 16. März 2022 eine vollständige Impfung gegen SARS-CoV-2 nachzuweisen. Experten bezweifeln jedoch, dass das Maßnahmenpaket ausreichen wird.


?Alle verfügbaren Daten deuten momentan darauf hin, dass die Omikron-Variante sich rasch ausbreiten und zu einem weiteren Anstieg der SARS-CoV-2-Infektionen führen wird?, erklärt Prof. Dr. Bernd Salzberger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. ?Diese weitere Welle droht das System endgültig zu überlasten.? Er verweist auf ?erhebliche Impflücken in der Bevölkerung?. Offiziellen Zahlen zufolge sind in Deutschland 69,5% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft.

Deshalb fordern 10 internistische Fachgesellschaften eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland ? und stellen sich hinter Pläne von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). ?Die Impflicht nur für im Gesundheitssystem Tätige reicht da nicht aus ?, sagt Prof. Dr. Georg Ertl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. ?Neben Kontaktbeschränkungen, die helfen, die Inzidenzen kurzfristig zu senken, ist die konsequente Impfung zumindest der erwachsenen Bevölkerung der einzige anhaltend wirksame Weg, das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle zu bekommen.

2G-Plus-Regel: Erleichterungen für Geimpfte mit Booster Shot?
Am morgigen Dienstag wollen Gesundheitsminister der Länder darüber beraten, ob bei Personen, die neben einer Grundimmunisierung auch eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, Erleichterungen möglich sind. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat dazu einen Vorschlag vorbereitet. Seine Idee ist, dass diese Gruppe bei der 2G-Plus-Regel künftig keine Tests mehr benötigt. In einigen Bundesländern ist dies bereits jetzt der Fall; einheitliche Regelungen gibt es nicht.

Neuer Expertenrat der Bundesregierung
Außerdem planen Scholz, Lauterbach und weitere Regierungsvertreter, sich bei Fragen rund um COVID-19 künftig von einem Expertengremium beraten zu lassen. ?Wir wollen als Bundesregierung die Pandemiebekämpfung stärker auf wissenschaftliche Expertise stützen?, so Lauterbach. ?Für mich wird die enge Zusammenarbeit mit diesen Wissenschaftlern Grundlage meiner Politik sein.?

In das Gremium wurden u.a. Prof. Dr. Christian Drosten (Direktor des Instituts für Virologie an der Charité-Universitätsmedizin, Berlin), Prof. Dr. Hendrik Streeck (Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Bonn), Prof. Dr. Thomas Mertens (Chef der Ständigen Impfkommission am RKI), Prof. Dr. Lothar H. Wieler (Präsident des RKI), Prof. Dr. Melanie Brinkmann (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung), Dr. Viola Priesemann (Max-Planck-Institut) und Prof. Dr. Christian Karagiannidis (wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters) berufen. Bereits für kommenden Dienstag ist das 1. Treffen geplant.

Kontroversen sind jedenfalls vorprogrammiert. Zuletzt hatte Karagiannidis etwa gefordert, sich wieder stärker auf die 7-Tage-Inzidenz zu fokussieren. ?Die Inzidenz war und ist der maßgebliche Frühindikator?, erklärte der Forscher. ?Eine ohne Meldeverzögerung erhobene Hospitalisierungsrate und Intensivbelegung mit COVID-19 sind wichtige zusätzliche Faktoren. Aber die Grenzwerte können oder werden für Omikron andere werden.?

Omikron: Impfdurchbrüche bei deutschen Urlaubern
Die neue Variante bringt auch Fragen zur Effektivität von Impfstoffen mit sich. Wissenschaftler aus München und aus Kapstadt, Südafrika, berichten in einem Preprint von 7 Südafrika-Touristen aus Deutschland. Sie alle hatten 3 Dosen eines COVID-19-Vakzins erhalten:

Patient 1 bis 5: BioNTech, BioNTech, BioNTech

Patient 6: BioNTech, BioNTech, Moderna

Patient 7: AstraZeneca, BioNTech, BioNTech

Bei ihnen traten nach einem Aufenthalt in der südafrikanischen Provinz Westkap leichte Atemwegsbeschwerden und weitere Symptome auf, die für eine Infektion mit SARS-CoV-2 sprachen. Daraufhin führten Ärzte PCR-Tests durch, versuchten aber auch, Viren zu isolieren und zu sequenzieren. In 5 von 7 Fällen konnten sie Omikron nachweisen; bei Proben der anderen 2 Patienten gab es technische Probleme im Labor.

?Diese Serie beweist, dass selbst 3 Dosen von mRNA-Impfstoffen möglicherweise nicht ausreichen, um eine Infektion und symptomatische Erkrankung mit der Omikron-Variante zu verhindern?, schreiben die Autoren als Kommentar.

?Das darf man natürlich nicht falsch verstehen, dass die Impfung nicht hilft. Im Gegenteil: Das zeigt nur, dass auch die bestmögliche Impfung offensichtlich nicht ausreicht, um eine Infektion zu verhindern ? was wir ja schon geahnt haben?, sagte Prof. Dr. Wolfgang Preiser aus Südafrika. Er ist einer der Koautoren der Publikation und hat Omikron zusammen mit Kollegen entdeckt.

?Die jüngsten Daten aus Südafrika deuten auf ein erhöhtes Risiko einer Wiederansteckung? von Genesenen sowie einer Ansteckung von Geimpften hin, bestätigte der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Es gebe jedoch auch Hinweise auf weniger schwere Krankheitsverläufe als bei der Delta-Variante.

COVID-19: WHO rät von Rekonvaleszenten-Plasma ab
Von der Prävention zur Therapie. Experten der WHO-Leitlinien-Entwicklungsgruppe raten Ärzten davon ab, bei Patienten mit COVID-19 Rekonvaleszenten-Plasma einzusetzen, wie aus einer Veröffentlichung im BMJ hervorgeht.

Trotz anfänglich vielversprechender Aussichten zeigten aktuelle Daten, dass diese Behandlung weder das Überleben verbessere noch den Bedarf an mechanischer Beatmung verringere, so die Autoren. Außerdem sei die Therapie kostspielig und zeitaufwändig.

Die aktualisierten Empfehlungen beruhen auf den Erkenntnissen aus 16 Studien, an denen 16.236 Patienten mit leichtem, schwerem und kritischem COVID-19 teilnahmen. Auf Basis dieser Daten raten WHO-Experten von Rekonvaleszenten-Plasma ab.

FDA-Zulassung von Antikörpern als Präexpositionsprophylaxe
Die US Food and Drug Administration (FDA) hat AZD7442, einer Kombination von Tixagevimab und Cilgavimab, eine Notfallzulassung erteilt. Das berichtet AstraZeneca auf der Unternehmenswebsite. Evusheld®, so der Handelsname des Präparats, soll als COVID-19-Präexpositionsprophylaxe bei Erwachsenen und bei Jugendlichen ab 12 Jahren, die mindestens 40 kg wiegen, eingesetzt werden, die aufgrund einer moderaten bis schweren Immunschwäche besonders gefährdet sind. Das betrifft Patienten mit Immunsuppression oder mit Erkrankungen des Immunsystems. Hinzu kommen Patienten, denen von Impfungen abgeraten wird.

Grundlage der FDA-Entscheidung waren unter anderem Daten aus der laufenden Phase-3-Präexpositionspräventionsstudie PROVENT. Sie zeigten laut Hersteller unter Verum im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikante Verringerung des Risikos, an symptomatischem COVID-19 zu erkranken (77% in der Primäranalyse, 83% in der 6-Monats-Analyse), wobei der Schutz mindestens 6 Monate lang anhielt.

Derzeit laufen Studien, um herauszufinden, ob AZD7442 auch gegen Omikron effektiv ist. Laut präklinischen Assays gebe es keine Hinweise auf eine verringerte Wirksamkeit, schreibt AstraZeneca.

EMA: Impfstoffe allein reichen nicht aus
Trotz diverser Vakzine sieht die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) weiterhin Bedarf an Medikamenten zur COVID-19-Therapie. Sie hat sich deshalb einer Erklärung der International Coalition of Medicines Regulatory Authorities (ICMRA) angeschlossen, in der alle Beteiligten, darunter universitäre Forschungseinrichtungen und die pharmazeutische Industrie, aufgefordert werden, weiterhin in den Bereichen Therapie und Prävention zu forschen.

?Impfstoffe sind zwar nach wie vor die wichtigste Waffe im Kampf gegen die Pandemie, aber wir brauchen auch sichere, wirksame und qualitativ hochwertige Arzneimittel zur Behandlung und Vorbeugung von COVID-19 in all seinen Erscheinungsformen und in allen Bevölkerungsgruppen, einschließlich Kindern und Schwangeren?, sagt Emer Cooke, Vorsitzende der ICMRA und Exekutivdirektorin der EMA. ?Die ICMRA-Mitglieder setzen sich dafür ein, die regulatorischen Anforderungen für COVID-19-Arzneimittel weiter zu straffen, um die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von COVID-19-Therapeutika zu verbessern, welche Impfungen ergänzen, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.?

COVID-19 und Adipositas: Studie zeigt möglichen Pathomechanismus
Je besser Wissenschaftler verstehen, warum es zu schwerem COVID-19 kommt, desto eher finden sie Zielstrukturen für neue Arzneistoffe. Aktuellstes Beispiel ist die Adipositas.

SARS-CoV-2 infiziert Fettzellen, aber auch bestimmte Immunzellen im Körperfett, und löst eine Immunreaktion aus, die zu schweren Schäden führen kann, so eine aktuelle Preprint-Studie, über die auch Medscape berichtet hat.

Forscher der Stanford University School of Medicine untersuchten Fettgewebe von Patienten mit bariatrischen Operationen, um herauszufinden, ob sie sich mit dem Coronavirus infizieren können. Sie arbeiteten mit verschiedenen Zelltypen, mit Adipozyten und Prä-Adipozyten, die sich zu Fettzellen entwickeln, und mit Fettgewebsmakrophagen.

Dabei zeigte sich, dass SARS-CoV-2 Adipozyten infizieren kann, ohne dass übermäßig starke Entzündungen auftreten. An inflammatorischen Vorgängen sind jedoch Fettgewebsmakrophagen und Prä-Adipozyten beteiligt.

Die Forscher untersuchten auch Fettgewebe aus COVID-19-Toten. Sie fanden SARS-CoV-2 im Fettgewebe um verschiedene Organe herum, darunter das Herz und der Darm. Sie vermuten, dies könne Organschäden bei COVID-19 erklären.

Das Virus scheine sich der körpereigenen Immunabwehr zu entziehen und sich im Fettgewebe zu verstecken, wo es sich vermehre und eine schwere Immunreaktion auslösen könne, so Dr. David Kass, Professor für Kardiologie bei Johns Hopkins Medicine. Hier entstehe ?eine Art Reservoir? für SARS-CoV-2 ? vielleicht auch eine Erklärung für Long-COVID, wie die Studienautoren vermuten.

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Samstag, 11. Dezember 2021
Corona-Heilung bald möglich? Forschungsergebnisse des Helmholtz-Zentrums geben Grund zur Hoffnung
Ich wusste ja immer, dass die Braunschweiger auf Draht sind;-)

Diese Linie verfolge ich schon seit April 2020, allmählich konsolidiert sich da was:

ttps://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Braunschweiger-Helmholtz-Forscher-entdecken-Corona-Hemmer,aktuellbraunschweig7846.html


Um Missverständnisse zu vermeiden:

Das Zinc Finger Antiviral Protein ist eine Verbindung, die im menschlichen Körper existiert, an Coronaviren bindet und deren Vermehrung hemmt und z.B. in Verbindung mit einer Interferontherapie gegen Viren zum Einsatz kommen soll, das hat nichts mit der Gabe von Zink als Mineralstoff im Rahmen von Nahrungsergänzungsmitteln zu tun.

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