Donnerstag, 16. September 2021
Siegeszug der Immuntherapie: Die spannendsten Studien auf dem ESMO-Kongress 2021
Liam Davenport, Medscape



Heute beginnt das große europäische Onkologentreffen. Auf dem virtuellen Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) werden eine Vielzahl neuer Studienergebnisse vorgestellt, die deutlich machen: Bei Krebserkrankungen kommt immer mehr die Immuntherapie zum Einsatz, wie etwa bei gynäkologischen oder gastrointestinalen Tumoren [1].

Außerdem werden wichtige Studien mit Immuntherapeutika beim Melanom sowie bei Lungen- und Prostatakrebs und Studien zu den Auswirkungen der COVID-19-Impfung bei Krebspatienten vorgestellt.

Eine Vielzahl ?hochwertiger? Daten werde präsentiert, betonte Dr. Antonio Passaro, Pressesprecher des Kongresses, in Mailand bei einer Vorabpressekonferenz.

Dies sei bedeutend, weil man sich bereits das 2. Jahr in einer Pandemiesituation befinde. Passaro erklärte, dass ?die Pandemie nicht nur das Leben und die Lebensqualität unserer Patienten beeinträchtigt, sondern auch die Gesundheitssysteme und die Arbeit und Lebensqualität der Angehörigen der Gesundheitsberufe?.

Die Mehrzahl der neuen klinischen Studien untersuchte die Rolle von Immun-Checkpoint-Inhibitoren bei verschiedenen Krebsarten. Ein großer Teil wird in den 3 Präsidenten-Symposien vorgestellt, die am Samstag (18.9.), Sonntag (19.9.) und Montag (20.9.) stattfinden.

Dazu gehört z.B. die KEYNOTE-716-Studie, in der die adjuvante Therapie mit Pembrolizumab und Placebo nach vollständiger Resektion eines Hochrisiko-Melanoms im Stadium II verglichen wird (Abstract LBA3).

In der IMpower010-Studie erhielten Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) im Stadium IB-IIIA nach adjuvanter platinhaltiger Chemotherapie Atezolizumab oder Best Supportive Care. Primärer Endpunkt der Studie ist das krankheitsfreie Überleben (Abstract LBA9).

Weitere Highlights der Präsidenten-Symposien sind:

Ergebnisse der Phase-3-Studie KEYNOTE-826 zu Pembrolizumab plus Chemotherapie vs. Placebo plus Chemotherapie bei persistierendem, rezidivierendem oder metastasiertem Zervixkarzinom (Abstract LBA2_PR).

Ergebnisse der CheckMate-649- Studie, in der Nivolumab plus Chemotherapie oder Ipilimumab im Vergleich zu Chemotherapie als Erstlinienbehandlung bei fortgeschrittenem Magenkarzinom, Karzinom des gastroösophagealen Übergangs und Adenokarzinom des Ösophagus untersucht worden sind (Abstract LBA7).

Die Ergebnisse aus KRYSTAL-1, einer Phase 1/2 Studie mit Adagrasib als Monotherapie oder in Kombination mit Cetuximab für Patienten mit Kolorektalkarzinom und KRASG12C-Mutation (Abstract LBA6)

Daten aus FIRSTMAPPP, der ersten internationalen randomisierten Studie, in der Sunitinib und Placebo bei malignen progressiven Phäochromozytomen und Paragangliomen verglichen wurden (Abstract 567O_PR)

Eine kombinierte Analyse aus dem STAMPEDE-Protokoll zum Vergleich von Abirateronacetat plus Prednisolon mit oder ohne Enzalutamid zusätzlich zur Antiandrogentherapie gegeben im Vergleich zu einer alleinigen Antiandrogentherapie bei Männern mit nicht metastasiertem Hochrisiko-Prostatakarzinom (Abstract LBA4_PR)

Ergebnisse der Phase-3-Studie PEACE-1-Studie an Männern im Spätstadium eines metastasierten kastrationssensitiven Prostatakarzinoms zur Wirkung von Abirateronacetat plus Prednison auf das Gesamtüberleben.

Außerdem werden beim ESMO-Kongress 2021 Daten zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Krebspatienten sowie Ergebnisse zu den Auswirkungen der COVID-19-Impfung mitgeteilt.

So wurde in der CAPTURE-Studie, einer Substudie der TRACERx Renal-Studie, die adaptive Immunität gegen eine SARS-CoV-2-Infektion und -Impfung bei Krebspatienten untersucht (Abstract 1557O).

Außerdem werden Daten aus der VOICE-Studie zur Impfung gegen SARS-CoV-2 bei Patienten, die eine Chemotherapie, Immuntherapie oder Chemoimmuntherapie wegen eines soliden Tumors erhalten, präsentiert (Abstract LBA8).

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Wirkung von Vakzinen bei Kindern, Schwangeren und Rheumakranken; AK-Titer sinkt rasch; Influenza- und Corona-Shot an einem Tag?
Michael van den Heuvel, Medscape



Die 7-Tage-Inzidenz ist heute laut RKI auf 76,3 Fällen pro 100.000 Einwohner gesunken. Am Vortag waren es 77,9 und vor 1 Woche 83,5 Fälle pro 100.000 Einwohner. Gesundheitsämter meldeten in den letzten 24 Stunden 12.925 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 (Vorwoche: 15.431 Ansteckungen). Weitere 68 Patienten sind an COVID-19 gestorben (Vorwoche: 50 Todesfälle). 62,3 % Gesamtbevölkerung ist vollständig geimpft, und 66,6 % haben mindestens eine Impfdosis erhalten.

BioNTechs Konkurrent Moderna wird Medienangaben zufolge mit seinen Studien einige Wochen später diesen Meilenstein erreichen. Kinder würden im späten Herbst oder frühen Winter damit geimpft werden könnten, hatte der US-Immunologe Dr. Anthony Fauci erklärt. Johnson & Johnson verfolgt ähnliche Ziele, braucht aber ebenfalls noch Zeit.

Influenza- und COVID-19-Impfung am gleichen Tag
In Deutschland raten Hausärzte wie jeden Herbst zum Schutz vor Influenza. Eine Grippeschutzimpfung zusammen mit einer Impfung gegen COVID-19 hält der STIKO-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Mertens für unbedenklich. Nach allen vorliegenden Daten ?scheint das kein großes Problem zu sein?, sagte er zu Medienvertretern. Es gebe keine Hinweise darauf, dass bei einer gleichzeitigen Impfung einer der beiden Impfstoffe nicht mehr wirke. Auch Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, erklärte, sei wünschenswert, dass die Corona- wie die Influenza-Impfung möglichst zeitgleich verabreicht werden könnten. Offizielle Empfehlungen der RKI gibt es noch nicht.

Die USA gehen mit ihren Empfehlungen schon einen Schritt weiter; hier sprechen sich Behörden für die Kombination aus. Laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) können sich Patienten bei ein und demselben Termin gegen COVID-19 und Grippe impfen lassen. Zuvor lautete der Rat, die COVID-19-Impfung allein zu verabreichen und alle anderen Impfungen mindestens 2 Wochen davor oder danach zu applizieren.

?Dies geschah aus einem Übermaß an Vorsicht in einer Zeit, als diese Impfstoffe noch neu waren, und nicht aufgrund bekannter Sicherheits- oder Immunogenitätsbedenken?, heißt es von den CDC. ?Inzwischen liegen jedoch umfangreiche Daten über die Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe vor, die derzeit von der FDA zugelassen oder genehmigt sind.?

Die American Academy of Pediatrics gab jetzt auch bekannt, dass bei Kindern, für die der COVID-19-Impfstoff in Frage kommt (ab 12 Jahren), sowohl der Grippeimpfstoff als auch der COVID-19-Impfstoff während desselben Besuchs verabreicht werden können.

Injektionsstellen sollten mindestens 1 Zentimeter voneinander entfernt liegen, empfehlen die CDC, und Grippeimpfstoffe, die mit größerer Wahrscheinlichkeit eine lokale Reaktion hervorrufen, wie z.B. hochdosierte oder adjuvierte inaktivierte Vakzine, sollten wenn möglich an verschiedenen Gliedmaßen verabreicht werden.

Keine Hinweise auf mehr Spontanaborte nach COVID-19-Impfungen
Neue Daten gibt es zur Frage, ob sich Vakzine für werdende Mütter eignen. Die STIKO spricht sich nur dafür aus, Schwangere ab dem 2. Trimenon zu impfen ? und zwar mit mRNA-Vakzinen.

Forscher haben jetzt Einträge verschiedener Datenbanken von US-Versicherungen und diverser Register ausgewertet. Bei 105.446 Schwangerschaften kam es zu 13.160 Spontanaborten.


Insgesamt erhielten 7,8% der Frauen 1 oder mehrere Dosen BNT162b2 (BioNTech/Pfizer); 6,0 % bekamen 1 oder mehrere Dosen mRNA-1273 (Moderna), und 0,5% wurden mit Ad26.COV.2.S-Impfstoff (Janssen) versorgt.

Bei Spontanaborten fanden die Wissenschaftler keine Assoziation mit COVID-19-Impfungen in den vorangegangenen 28 Tagen im Vergleich laufenden Schwangerschaften ohne Impfung (bereinigte Odds Ratio 1,02; 95%-KI 0,96-1,08). Die Ergebnisse waren für mRNA-1273 und BNT162b2 und nach Schwangerschaftsalter stratifiziert konsistent.

BioNTech/Pfizer-Vakzin wirkt auch gegen Varianten ? aber Antikörper-Titer sinkt rasch
In der aktuellen Diskussion geht es aber nicht nur um Grundimmunisierungen. Forscher und Politiker diskutieren die Frage, wer Auffrischungsimpfungen benötigt. Neue Daten gibt es zum SARS-CoV-2-Impfstoff von BioNTech/Pfizer aus einer prospektiven Längsschnittstudie.

Das Vakzin induziert initial eine starke Immunantwort, auch gegen die 5 derzeit klinisch bedeutenden Virusvarianten. Die virusspezifischen Antikörpertiter nehmen jedoch innerhalb weniger Monate deutlich ab; auch das antigenspezifische T-Zell-Gedächtnis schwächt sich ab. 6 Monate nach der 2. Impfung liegt das Niveau der humoralen Immunantwort auf einem Level wie kurz nach der 1. Impfung oder nach einer spontanen Infektion.

Eingeschlossen wurden 122 Personen, die 2 Impfungen mit BNT162b2 von BioNTech/Pfizer erhalten hatten. Sie waren im Median 34 Jahre (21-69 Jahre) alt. Forscher charakterisierten die Immunantwort auf BNT162b2 (Antikörpertiter, Memory-T-Zellen) nach der 1. Impfung und bis zu 6 Monate nach der 2., differenziert für die 5 derzeit klinisch relevanten Virusvarianten (α, β, γ, δ, κ). Die Ergebnisse im Überblick:

3 Wochen nach der 1. Impfdosis waren die IgG-Konzentrationen mit Spezifität für das S-Protein deutlich erhöht mit Titern von median 1.246 AU (Arbitrary Units)/ml. Sie stiegen auf 24.534 AU/ml und 12.752 AU/ml in Woche 1 und in Woche 6 nach der 2. Impfung an, beides hoch signifikant (p < 0,0001).

12 Wochen nach der 2. Impfung allerdings waren die medianen S-IgG-Titer bereits wieder auf 5.226 AU/ml abgefallen und 6. Monate nach der 2. Dosis auf 1.383 AU/ml.

Zwischen der Höhe der Antikörpertiter gab es bei Wildtyp-Virus und α-Variante fast keine Differenz, bei den 4 übrigen Varianten war die humorale Immunantwort etwas schwächer als gegen Wildtyp und α-Variante.

Die ermittelte Kinetik der Antikörper-Level nach der 2. Impfdosis wurde bei fast allen Studienteilnehmern beobachtet. Die Antikörperkonzentrationen sanken zwischen der 1. und 6. Woche nach der 2. Impfung bereits um durchschnittlich 45%.

6 Monate nach der 2. Impfdosis betrugen die IgG-Konzentrationen nur noch 2-25% des Höchstwertes (median 7 %). Höchstwerte waren 7 Tage nach der 2. Dosis gemessen worden.

Die Antikörperantwort war schwächer bei älteren Personen und bei solchen mit wenigen Impfreaktionen.

87% der Teilnehmer entwickelten Spike-Protein-spezifische T-Gedächtniszellen (CD4+ und/oder CD8+). Die Zahl der CD4+ antigenspezifischen T-Zellen/ml war höher als die der CD8+ T-Lymphozyten.Für die Frage nach der Dauer eines länger anhaltenden effektiven Immunschutzes durch mRNA-Vakzine sollte ein Monitoring erfolgen, so die Autoren. So lasse sich abschätzen, ob noch einmal geboostert werden sollte.

So kommen Rheuma-Patienten gut durch COVID-19-Zeiten
Noch ein Blick auf spezielle Risikogruppen. Obwohl Durchbruchsinfektionen bei Menschen mit rheumatisch-entzündlichen oder muskuloskelettalen Erkrankungen nach aktueller Datenlage selten auftreten, sind vergleichsweise niedrige Antikörperwerte dieser Patienten nach ihrer 1. Impfserie ein Hinweis auf notwenige Auffrischungsimpfungen. Dazu haben Forscher in den Annals of the Rheumatic Diseases 3 Artikel veröffentlicht.

In der 1. Studie untersuchten sie Impfdurchbrüche bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. Von 340 COVID-19-Infektionen waren 16 (4,7%) Durchbruchsinfektionen. Mit 1 Ausnahme waren alle Durchbruchsinfektionen symptomatisch und 6 der Patienten wurden ins Krankenhaus eingewiesen.

Sie nahmen krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARDs) ein, darunter Rituximab und Glukokortikoide (jeweils 5 Patienten), Mycophenolatmofetil oder Mycophenolsäure (4 Patienten) bzw. Methotrexat (3 Patienten). 2 der Patienten starben, die beide mit Rituximab behandelt wurden und eine interstitielle Lungenerkrankung hatten.

?Einige DMARD-Anwender benötigen möglicherweise alternative Strategien zur Risikominderung, einschließlich passiver Immunität oder Auffrischungsimpfungen, und müssen möglicherweise ihre Schutzmaßnahmen fortsetzen?, schreiben die Autoren.


Im Rahmen einer weiteren Studie untersuchten Forscher COVID-19-Infektionen bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nach der Impfung. 2 COVID-19-Register wurden ausgewertet, wobei weniger als 1% aller Patienten für diese Studie in Frage kamen. Von 34 Patienten, deren Daten schließlich analysiert wurden ? 10 waren vollständig und 24 teilweise geimpft ? erholten sich 28 vollständig, 3 erholten sich mit anhaltenden Folgen und 3 Patienten starben. Letztere waren über 70 Jahre alt und wurden mit Glukokortikoiden, Mycophenolatmofetil bzw. Rituximab behandelt.

Im 3. Artikel befassen sich Wissenschaftler mit Auffrischungsimpfungen bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen. Von 18 Teilnehmern, die eine Auffrischungsdosis erhielten, standen 14 unter einer Antimetabolit-Therapie, meist wurde Mycophenolatmofetil verordnet. Im Median waren 29 Tage nach Abschluss der 1. Impfserie die Antispike-Antikörper bei 10 der Teilnehmer negativ und bei 6 weiteren schwach positiv, wobei der Medianwert der Antispike-Antikörper weniger als 0,4 U/ml betrug.

Auffrischungsdosen wurden im Median 77 Tage nach Abschluss der 1. Serie verabreicht. 30 Tage später zeigten 89% der Teilnehmer eine verstärkte humorale Reaktion mit einem medianen Antispike-Antikörperspiegel von 2.500 U/ml. Von 10 Teilnehmern, die nach der 1. Serie keine Antispike-Antikörper im Serum hatten, waren 80 % nach der Auffrischungsbehandlung positiv.

Corona und (k)ein Ende
Alles in allem bleibt die Hoffnung, dass SARS-CoV-2 durch steigende Impfquoten langsam verschwinden könnte. Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin Berlin vermutet, aus der Pandemie könne im Herbst eine Endemie werden ? aber nicht in allen Ländern. ?Großbritannien gehört wohl dazu, Deutschland Stand heute eher nicht?, so der Experte. Denn hierzulande hätten sich viel weniger Menschen mit dem Virus angesteckt als in Großbritannien. Außerdem seien die Impfquoten niedriger. Das alles führe zu einer ?Immunitätslücke?, die zu groß sei, um unbesorgt in den Winter zu gehen.

Dennoch gibt es positive Nachrichten. ?Ich gehe davon aus, dass SARS-CoV-2 sich auf Dauer so verhalten wird wie die anderen endemischen Coronaviren?, sagt Drosten. Diese hätten sich im Laufe der Zeit abgeschwächt und verursachen nun in den allermeisten Fällen nur leichte Erkältungen.





Derzeit befinden sich 1.526 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung (-11 Personen), von denen 812 (53%, +28) invasiv beatmet werden. Belegt sind 13.334 Behandlungsplätz im Low-Care-, 6.246 im High-Care-Bereich und 283 mit extrakorporale Membranoxygenierung. Die freien Kapazitäten liegen bei 805, 2.257 und 406 Betten, wie aus dem DIVI-Intensivregister, Stand 15. September mittags, hervorgeht.

Neue Regeln: Arbeitgeber dürfen nach Impfung fragen und 7-Tage-Inzidenz verliert an Bedeutung

COVID-19-Impfstoff: Zulassung bald für 5- bis 11-Jährige?

Influenza- und COVID-19-Impfung am gleichen Tag

Keine Hinweise auf mehr Spontanaborte nach COVID-19-Impfungen

BioNTech-Vakzin wirkt gegen Varianten ? aber Antikörper-Titer sinkt rasch

So kommen Rheuma-Patienten gut durch COVID-19-Zeiten

Corona und (k)ein Ende

Neue Regeln: Arbeitgeber dürfen nach Impfung fragen und 7-Tage-Inzidenz verliert an Bedeutung
Gesundheitspolitiker bereiten sich auf den nächsten Pandemie-Herbst und -Winter vor. Künftig ziehen sie die Zahl an hospitalisierten Patienten mit COVID-19 respektive die Kapazität im stationären Bereich als wichtige Größe heran. 7-Tage-Inzidenzen werden weiter kommuniziert, verlieren strategisch jedoch an Bedeutung.

Beschäftigte in Kitas, Schulen und Pflegeheimen dürfen vom Arbeitgeber gefragt werden, ob sie geimpft sind. Hinzu kommt, dass immer mehr Bundesländer auf die ?2G-Regel? (geimpft oder genesen) setzen, etwa in der Gastronomie, beim Sport oder bei kulturellen Veranstaltungen.

COVID-19-Impfstoff: Zulassung bald für 5- bis 11-Jährige?
Impfungen bleiben auch ein Thema in der Pädiatrie. Das mRNA-Vakzin von BioNTech/Pfizer wird vielleicht bis Ende Oktober für Kinder jüngeren Alters zugelassen. ?Wir werden schon in den kommenden Wochen weltweit den Behörden die Ergebnisse aus unserer Studie zu den 5- bis 11-Jährigen vorlegen und eine Zulassung des Impfstoffes für diese Altersgruppe beantragen, auch hier in Europa?, sagt BioNTech-Mitgründerin Dr. Özlem Türeci. Der Impfstoff sei derselbe, aber niedriger dosiert. ?Wir bereiten bereits die Produktion vor?, so Türeci weiter. Bis Ende des Jahres würden auch die Studiendaten zu Kleinkindern ab 6 Monaten erwartet.

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Montag, 13. September 2021
Typisch Impfverweigerer!
Forscher analysieren ihre Merkmale und wie man sie überzeugt; Lancet-Studie gegen Auffrischung für alle
Michael van den Heuvel, Medscape



Corona-Newsblog: Update vom 13. September 2021
Heute meldet das Robert Koch-Institut 5.511 neue Infektionen mit SARS-CoV-2 ? das sind 762 Fälle mehr als vor 1 Woche. Die 7-Tage-Inzidenz steigt von 80,2 am Vortag auf 81,9 Fälle pro 100.000 Einwohner. Weitere 12 Menschen starben an COVID-19 (Vorwoche: 8).

Als Hospitalisierungsrate nennt das RKI 1,79 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche 1,64); 6,5% aller IST-Betten sind mit COVID-19-Patienten belegt (Vorwoche 5,7%).

Neue Zahlen gibt es auch von der Impfkampagne. Mittlerweile haben Ärzte 62,0 % der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft, und 66,4 % haben mindestens 1 Dosis erhalten. Die Werte stagnieren seit geraumer Zeit.

Was bringt die Impfwoche?

Impfungen fördern ? diese Maßnahmen schlagen Experten vor

Impfpflicht durch die Hintertür

Lancet: Wissenschaftliche Daten sprechen nicht für Auffrischungsimpfungen

Wissenschaftler finden möglichen Biomarker für schweres COVID-19

Was bringt die Impfwoche?
Deshalb hat die Bundesregierung vom 13. bis 19. September eine Impfwoche ins Leben gerufen ? mit niedrigschwelligen Angeboten, etwa Impfungen direkt im Einkaufszentrum, in der Straßenbahn, am Sportplatz oder bei Veranstaltungen, oft ohne Termin. Zahlreichen Informationen für Unentschlossene kommen mit hinzu. ?Nie war es einfacher, eine Impfung zu bekommen?, so Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zum Auftakt. ?Nie ging es schneller.?

Die Kampagne stößt bundesweit auf viel Zuspruch, vereinzelt werden jedoch Nachbesserungen gefordert. Es sei immer hilfreich, ?wenn Prominente aus Kunst, Kultur und Sport sich klar zur Impfung bekennen und dazu aufrufen?, sagt Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund. Er wünscht sich eigene ?Impfbotschafter? und ergänzt: ?Die nun anlaufende Kampagne muss nachhaltig ? also über die nächsten Monate hinweg ? betrieben werden, sonst verlieren wir den Kampf gegen die 4. Welle.?


Das bestätigt auch Prof. Dr. Karl Lauterbach. ?Der Herbst wird noch einmal schwierig werden. Wir werden noch einmal steigende Fallzahlen haben.? Seine Hoffnung: ?Im Winter könnte es dann aber besser werden, wenn die Zahl der Ungeimpften abgenommen hat.? Der SPD-Gesundheitsexperte vermutet aber auch, dass nach der Bundestagswahl zunehmend die 2G-Regel eingeführt werde. ?Das wird viele dazu bewegen, sich impfen zu lassen.?

Impfungen fördern ? diese Maßnahmen schlagen Experten vor
Dennoch halten Experten weitere Maßnahmen für erforderlich. Bei einem Press Briefing des Science Media Center Germany erläuterte Prof. Dr. Cornelia Betsch, worauf zu achten ist. Sie forscht an der Universität Erfurt und ist wissenschaftliche Leiterin des COSMO ? COVID-19-Snapshot-Monitoring. Bei COSMO untersuchen Wissenschaftler regelmäßig Wissen, Risikowahrnehmung, Schutzverhalten und Vertrauen während der Pandemie. Aktuelle Zahlen wurden am 7. September 2021 erhoben. Jede Befragung umfasst rund 1.000 Personen.

Aktuell geben 82,3% (n = 783) an, mindestens einmal geimpft worden zu sein. Weitere 3,6% (34) wären bereit, 1,7% (16) unsicher, 2,5% (24) zögerlich ? und 9,9% (94) lehnen Impfungen ab. ?Ungeimpfte sind jünger, eher weiblich, haben eher Kinder, haben einen niedrigeren Bildungsgrad, kenne niemanden mit COVID-19 und sind eher arbeitslos?, fasst Betsch zusammen.

Bei Impfkampagnen sei die Frage, was Zögerer von Impfbereiten unterscheide, wichtig, so die Expertin. Zwischen Juli und September 2021 fand sie für Unsichere folgende Charakteristika:

Sie verlassen sich eher auf andere Menschen.

Sie neigen dazu, viele Informationen für oder gegen Impfungen zu suchen und Risiken stark abzuwägen.

Sie bewerten Impfungen tendenziell als etwas unsicher, verglichen mit Impfbereiten.

Sie sehen weniger als Impfbereite die Vorteile, etwa eine Rückkehr zur Normalität oder Kontakte zu anderen Menschen.

Betsch leitet daraus ab, es sei entscheidend, den individuellen und sozialen Nutzen zu erklären, Sicherheitsbedenken zu adressieren und die zeitliche Dringlichkeit ? Stichwort nächste SARS-CoV-2-Welle ? zu verdeutlichen.

Das COSMO-Team hat auch Beweggründe von Verweigerern unter die Lupe genommen. Daten dazu wurden zwischen Juli und September 2021 erhoben ? jeweils im Vergleich zu anderen Ungeimpften. Die Ergebnisse:

Verweigerer haben stärkere Sicherheitsbedenken.

Sie halten Impfungen für überflüssig, weil COVID-19 keine Bedrohung darstelle.

Praktische Barrieren, etwa der fehlende Kontakt zu Ärzten oder Terminknappheit, spielen hingegen keine Rolle.

Die Tendenz, sich anderen Meinungen anzuschließen, ist höher.

Sie sehen in Impfungen weniger die Möglichkeit, zur Normalität zurückzukehren.

Was kann hier unternommen werden? ?Ärzte sollten dabei unterstützt werden, Falschinformationen zu korrigieren und Sicherheitsbedenken mit guten Informationen begegnen?, so die Expertin.

Impfpflicht durch die Hintertür?
Auch der gesetzliche Druck steigt rapide an. Wer sich nicht impfen lässt, könnte bald den Anspruch auf Lohnfortzahlung verlieren, falls er aufgrund behördlicher Anweisungen in häusliche Isolation muss.

Nordrhein-Westfalen lässt Verdienstausfallentschädigungen für Menschen ohne COVID-19-Impfschutz zum 11. Oktober auslaufen. Wer sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann, behält jedoch den Anspruch. Ähnliche Pläne verfolgen Bremen und Niedersachsen. Ungeimpfte sollen auch laut Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) keinen Anspruch mehr auf eine Entschädigung haben, wenn sie in Corona-Quarantäne müssen.

In Baden-Württemberg ist das Ende der Ersatzleistung zum 15. September schon beschlossen, und Rheinland-Pfalz zieht zum 1. Oktober nach. Auch in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es solche Pläne.

Lancet: Wissenschaftliche Daten sprechen nicht für Auffrischungsimpfungen
In der aktuellen Debatte geht es zwar um die Grundimmunisierung. Dennoch bleibt als Frage, wer von Auffrischungsimpfungen profitiert.

Ein Expertenbericht einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern, darunter einige von der WHO und der FDA, kommt zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen schweres COVID-19 so hoch ist, dass Auffrischungsimpfungen für die Allgemeinbevölkerung momentan nicht erforderlich sind.

Die in The Lancet veröffentlichte Studie fasst alle verfügbaren Erkenntnisse aus randomisierten, kontrollierten Studien und Beobachtungsstudien zusammen, die in Fachzeitschriften und auf Preprint-Servern veröffentlicht wurden.

Ein übereinstimmendes Ergebnis der Beobachtungsstudien ist, dass die Impfstoffe nach wie vor hochwirksam gegen schwere Erkrankungen sind, einschließlich COVID-19 durch Virusvarianten. Im Durchschnitt ergab sich eine 95-prozentige Wirksamkeit der Impfung gegen schwere Erkrankungen sowohl bei der Delta- als auch bei der Alpha-Variante und eine über 80-prozentige Wirksamkeit beim Schutz gegen jegliche Infektion mit diesen Varianten. Bei allen Impfstofftypen ist die Wirksamkeit gegen schwere Erkrankungen größer als gegen leichte Erkrankungen.

Obwohl Impfstoffe gegen asymptomatische Erkrankungen oder gegen die Übertragung weniger wirksam sind als gegen schwere Erkrankungen, sind ungeimpfte Menschen selbst in Populationen mit hoher Durchimpfungsrate immer noch der wichtigste Faktor, um SARS-CoV-2 zu verbreiten.

Sollten Antikörperspiegel bei geimpften Personen im Laufe der Zeit abnehmen, bedeute dies nicht zwangsläufig eine Verringerung der Wirksamkeit der Impfstoffe gegen schwere Erkrankungen, schreiben die Autoren. Der Schutz werde nicht nur durch Antikörper, sondern auch durch Gedächtniszellen vermittelt.

Wissenschaftler finden möglichen Biomarker für schweres COVID-19
Doch wer erkrankt an schwerem COVID-19? Bislang galten das Alter und diverse Vorerkrankungen als entscheidende Faktoren. US-amerikanische Forscher berichten jetzt, dass sich Autoimmunantikörper, die sich gegen DNA oder Phosphatidylserin richten, dafür eignen. Das geht aus der retrospektiven Untersuchung von 115 Blutproben aus New York hervor.

Hohe Titer dieser Autoantikörper vergrößern die Wahrscheinlichkeit für schweres COVID-19 um das 5- bis 7-Fache. Die retrospektive Auswertung hat ergeben, dass 36% der Studienteilnehmer bei ihrer Hospitalisierung diese Autoimmunantikörper im Blut hatten. Und Patienten mit schwerem Verlauf hatten oft hohe Anti-DNA- (86%) bzw. Anti-Phosphatidylserin-Antikörper-Titer (93%). Gleichzeitig fanden die Autoren Assoziationen der Antikörperspiegel mit Thrombosen und mit der Zerstörung von Zellen, vor allem im Muskelgewebe.

Ob die Antikörper lediglich Marker sind oder pathophysiologisch Bedeutung haben, bleibt unklar. Dennoch, so konstatieren die Autoren, seien Autoantikörper eine Möglichkeit, die Progression zu beurteilen.

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Dienstag, 7. September 2021
Durchbruchsinfektionen mit SARS-CoV-2: Wann ordnungsgemäß Geimpfte vorsorglich in Quarantäne sollten
Dr. Nicola Siegmund-Schultze



Wenn komplett geimpfte Menschen mit SARS-CoV-2-positiven Personen in einem Haushalt leben und über längere Zeit exponiert sind, ist das Risiko, dass sie sich infizieren, erhöht. Trifft eine solche Konstellation auf geimpfte Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu, sollten sie besser in Quarantäne, bis ihre Mitbewohner negative Testergebnisse aufweisen. Das befürworten Dr. Yonatan Oster von der Hebrew University of Jerusalem und Kollegen. Ihre Auswertung einer Fall-Kontroll-Studie ist jetzt in JAMA Network Open erschienen.

Durchschnittlich hatte jeder geimpfte, SARS-CoV-2-positiv getestete Teilnehmer 2,7 positiv getestete Haushaltsmitglieder. Bei der Kontrollgruppe ?nicht geimpft/SARS-CoV-2-positiv? waren es durchschnittlich 1,7. Die Impfung bot also Schutz, aber bei ständiger Exposition offenbar weniger. 3% aller positiv Getesteten benötigten eine stationäre Behandlung, aber keiner von ihnen starb.

Trotz Impfung freiwillig in Quarantäne?
Die Studienergebnisse sollten den Forschern zufolge zu der Überlegung führen, ob zumindest Mitarbeiter des Gesundheitssystems, die geimpft, aber nicht genesen sind, und mit SARS-CoV-2-positiven Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen des Risikos für Infektionen in Quarantäne bleiben, bis ihre Kontaktpersonen negative Tests vorweisen.

Die aktuelle Dominanz der Delta-Variante, die es zum Studienzeitpunkt noch nicht gegeben habe, könne eine weiteres Argument für eine vorsorgliche Quarantäne sein, auch für die allgemeine Bevölkerung, heißt es im Artikel.

In Deutschland ist eine Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten unter anderem dann nicht erforderlich, wenn die Kontaktperson eines Infizierten vollständig geimpft wurde, so die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO).

Dieser Artikel ist im Original erschienen bei Univadis.de.

Welche Faktoren erhöhen das Risiko eines Impfdurchbruchs?
Zum Hintergrund: Israel erreichte 2020 mit seinem Massenimpfprogramm in kurzer Zeit eine hohe Impfquote gegen SARS-CoV-2. Verimpft wurde vor allem BNT162b2 von BioNTech/Pfizer. Die hohe Durchimpfungsrate war mit einer deutlichen Abnahme der SARS-CoV-2-Neuinfektionen assoziiert. Aber Durchbruchinfektionen ? das war aus Israel bekannt ? sind möglich. Ein Forscherteam hat nun die Assoziation zwischen Virusexpositionen und SARS-CoV-2-Infektionen bei geimpften und ungeimpften Mitarbeitern des Gesundheitssystems untersucht.

Dabei handelt es sich um eine Fall-Kontroll-Studie mit medizinischem und pflegerischem Personal am Hadassah-Hebrew University Medical Center. Seit Dezember 2020 hatte die Verwaltung Impfungen mit dem Vakzin von Pfizer-BioNTech angeboten. Innerhalb von 2 Monaten wurde ein großer Teil der Mitarbeiter geimpft.

Während der Studienperiode zwischen Anfang Januar und Ende März 2021 dominierte die Alpha-Variante in Israel. Verglichen wurden Virusexpositionen durch Haushaltsmitglieder bei komplett geimpften Mitarbeitern mit positivem PCR-Test im Untersuchungszeitraum.

Kontrollgruppen waren nicht geimpfte SARS-CoV-2-positive Mitarbeiter und geimpfte Mitarbeiter, die in vergleichbaren Abständen auf SARS getestet wurden, aber ein negatives Ergebnis hatten.

Gefahren vor allem im eigenen Haushalt
171 Personen mit der Kombination ?geimpft-SARS-CoV-2-positiv? wurden in die Studie aufgenommen. Das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren; 69% waren weiblich und 4% dieser Gruppe hatten eine Immunsuppression. Kontrollen waren 5.312 Geimpfte (SARS-CoV-2-negativ) und 690 nicht geimpfte Personen, davon 69 SARS-CoV-2-positiv.

Von 27 der 171 Teilnehmer mit der Kombination ?geimpft-SARS-CoV-2-positiv? lebten 56% (15/27) mit SARS-CoV-2-infizierten Personen in einem Haushalt; in der Gruppe ?nicht geimpft-SARS-CoV-2-positiv? waren es 38% (24/63) und in der Gruppe ?geimpft-SARS-CoV-2-negativ? 9%. Die Unterschiede waren mit p < 0,001 hoch signifikant.

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"Erst alle anderen Maßnahmen ausschöpfen": Experten gegen neuerliche Schulschließungen im Herbst
Michael van den Heuvel, Medscape



Bei Kindern und Jugendlichen steigt die altersspezifische Inzidenz rapide an, wie Zahlen des Robert Koch-Instituts, zeigen. Aufgeschlüsselt nach der 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner und Meldewoche zeigen sich folgende Trends:

0-4 Jahre: 2.908 (Woche 34) versus 179 (Woche 27)

5-9 Jahre: 5.446 (Woche 34) versus 207 (Woche 27)

10-14 Jahre: 6.738 (Woche 34) versus 296 (Woche 27)

15-19 Jahre: 6.778 (Woche 34) versus 580 (Woche 27)

Ähnliche Trends sind bei Erwachsenen bis in das Alter von 40 Jahren zu beobachten.

Speziell bei Kindern und Jugendlichen stellt sich die Frage, wie es Ende 2021 weitergehen wird. Kinderärzte und Politiker wollen weitere Einschränkungen vermeiden. Doch wird das gelingen? Bei einem Press Briefing des Science Media Center Germany gingen Experten der Frage nach, wie Kinder und Jugendliche bestmöglich durch den Herbst kommen [1].

Schwerer Verlauf eher selten
Dr. Berit Lange, Leiterin der Klinischen Epidemiologie in der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig, stellte Zahlen vor, um die Situation besser einzuschätzen. ?Ein schwerer Verlauf von COVID-19 tritt bei Kindern und Jugendlichen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit ein?, so Lange. Zwischen 2% und 4% der Infizierten unter 18 müssten stationär behandelt werden; daran habe sich nichts geändert. Unter 14 Jahren seien es 0,5%; darüber hinaus steige das Risiko etwas an. In absoluten Zahlen nennt sie 1-3 schwere Erkrankungen pro 100.000 Personen in der Altersgruppe.

?Durch Delta ist die Übertragbarkeit des Virus gestiegen?, erklärte Lange. Das betreffe vor allem nicht geimpfte Menschen: ein Aspekt, den Eric Topol, Kardiologe und Chefredakteur von Medsape, auch für die USA bestätigt.

Genau hier sieht Lange den größten Unterschied zum letzten Jahr: ?Diesen Herbst impfen wir Kinder ab 12, das wird auch den Verlauf der Pandemie ändern?, sagt sie beim Pressegespräch. ?Außerdem haben wir Test- und Hygienekonzepte.?

Ein Blick in den Krankenhausalltag
Prof. Dr. Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Uniklinik Köln, berichtete von der aktuellen Situation im stationären Bereich. ?Wir sehen mehr Kinder mit SARS-CoV-2-positivem Abstrich, und zwar in allen Krankenhäusern in Köln?, berichtet der Pädiater. ?Allerdings werden 9 von 10 Kindern wegen anderer Krankheiten aufgenommen, nicht wegen COVID-19.?


Als Risikofaktoren nennt er vor allem chronische Mulitsystemerkrankungen wie Adipositas ? ?vielleicht ein Grund, warum in den USA deutlich mehr Kinder schwer erkranken?. Aber auch Kinder mit Trisomie 21 seien stärker gefährdet als gleichaltrige ohne die Erkrankung. Diabetes, Krebs oder Nierenerkrankungen hätten bei pädiatrischen Patienten jedoch nicht die Relevanz.

Immunologie: Kinder keine kleinen Erwachsenen
Dötsch betont, das Immunsystem von Kindern und von Erwachsenen unterschiede sich grundlegend. Erst ab 12 Jahren seien Vorgänge vergleichbar. Als wesentliche Besonderheit sieht der Experte, dass Schleimhäute in jungen Jahren eine viel stärkere Rolle bei der Immunantwort spielen. ?Gelangen Viren auf die Schleimhaut, werden sie deutlich stärker bekämpft als bei Erwachsenen?, so der Experte. Dadurch werde zu einem gewissen Maße die Infektion von Zellen vermieden. Weitere Besonderheiten sieht er im Gefäßsystem: ?Im Gegensatz zu Älteren leiden Kinder und Jugendliche nicht an Gefäßerkrankungen wie Arteriosklerose.?

Keine Off-Label-Impfung für Kinder
Doch sollte man alle Kinder mit Vorerkrankungen deshalb impfen, zur Not ohne EMA-Zulassung? ?Wir sprechen uns nicht für Off-Label-Impfungen aus?, macht Lange klar. Die STIKO habe Woche gebraucht, um Daten für 12- bis 16-Jährige zu bewerten und dann Empfehlungen auszusprechen. Dies sei auch gut so und sollte ? ohne sich politischem Druck zu beugen ? weiter geschehen. Ansonsten seien Empfehlungen der S3-Leitlinie ?Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen? weiter relevant.

Wir sprechen uns nicht für Off-Label-Impfungen aus. Dr. Berit Lange
Ende September rechnet der Pädiater mit EMA-Zulassungsdaten für 6- bis 11-Jährige und Ende Oktober könnten Daten für Kinder unter 6 folgen. ?Wir sollten jetzt nicht überaktiv werden? warnt Lange. ?Fast 17 Millionen Erwachsene sind nicht erstgeimpft; da liegt unser Problem.?

Wie ändern sich Quarantäneregeln?
Neben Impfungen setzen Gesundheitspolitiker im Herbst auf mehr Tests und auf Quarantäne. Doch bundesweit einheitliche Regeln zur Isolierung SARS-CoV-2-positiver Schüler oder Kita-Kinder gibt es derzeit nicht.

Fast 17 Millionen Erwachsene sind nicht erstgeimpft; da liegt unser Problem. Dr. Berit Lange
?Es stellt sich bei allen Maßnahmen die Frage, ob Infizierte eine hohe oder niedrige Viruslast haben?, gibt Dötsch zu bedenken. Mittlerweile gebe es Pilotprojekte, nur das per PCR positiv getestete Kind zu isolieren, aber nicht die gesamte Klasse. ?Wir wollen die Infektionskette frühzeitig stoppen, aber den Schulunterricht weiter aufrechterhalten.?

Um dies zu veranschaulichen, nennt Dötsch ein paar Zahlen. ?Das Infektionsrisiko in Schulen liegt bei etwa 1 bis 3%. Wir müssten also 50 bis 100 Kinder isolieren, um 1 Sekundärinfektion zu vermeiden.? Das sei nicht verhältnismäßig.

Plädoyer gegen Schulschließungen
Recht deutlich sprach sich Dötsch gegen neuerliche Schulschließungen im Herbst oder Winter aus: ?Wir Erwachsenen nehmen uns alle Freiheiten und fordern von Kindern, dass sie uns wieder retten?, so sein Kritikpunkt. ?Bevor erneut Schulen geschlossen werden, fordern wir, dass alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens ebenfalls geschlossen werden.?



Bevor erneut Schulen geschlossen werden, fordern wir, dass alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens ebenfalls geschlossen werden. Prof. Dr. Jörg Dötsch
Und Lange gab zu bedenken, dass mittlerweile andere Maßnahmen zur Verfügung stünden. Sie forderte, bei der Bewertung auch massive psychosomatische Folgen für Kinder ins Kalkül zu ziehen. Daten der letzten Monate hätten dies gezeig.

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Mittwoch, 18. August 2021
Corona-News
Michael van den Heuvel, Medscape

Baden-Württemberg verzichtet auf Orientierung an Inzidenz

Island als Warnung: Trotz hoher Impfraten steigende Zahlen

Simulation: Impfstoffe gerecht verteilen ? davon profitieren alle

Bell-Lähmung ? eine sehr seltene Nebenwirkung von Impfungen

EMA startet Bewertung von RoActemra® bei schwerem COVID-19

Die 7-Tage-Inzidenz steigt weiter an. Am heutigen Morgen nennt das RKI 7,4 Fälle pro 100.000 Einwohner. Der Wert lag am Vortag bei 36,2 und in der Vorwoche bei 23,5. Innerhalb von 24 Stunden haben Gesundheitsämter dem RKI 3.912 Neuinfektionen gemeldet (Vorwoche: 2.480 Ansteckungen). 28 COVID-19-Patienten sind binnen eines Tages gestorben (Vorwoche: 19 Todesfälle).

Bis gestern wurden 57,2% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft; 63,2 % haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Diese Zahlen könnten perspektivisch ansteigen: Seit 16. August empfiehlt die STIKO nun Impfungen auch für alle ab einem Alter von 12 Jahren; darüber hat Medscape berichtet.

Baden-Württemberg verzichtet auf Orientierung an Inzidenz
Baden-Württemberg geht ab sofort neue Wege, indem sich die Politik für ihre Maßnahmen nicht mehr an der 7-Tages-Inzidenz orientiert. Aktuell gibt es für Geimpfte oder Genesene nur noch wenige Einschränkungen. Es bleibt bei der Maskenpflicht in Innenräumen. Kontaktbeschränkungen werden aufgehoben und Veranstaltungen mit bis zu 5.000 Teilnehmern können wieder stattfinden.

Wer allerdings nicht geimpft oder genesen ist, muss in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens Schnelltests vorlegen, die nicht älter als 24 Stunden sind. Besucher von Clubs und Discos benötigen sogar die vergleichsweise teuren PCR-Tests. Solche Untersuchungen gelten maximal 48 Stunden.

Um ? falls erforderlich ? über weitere Maßnahmen zu entscheiden, beobachten die Gesundheitspolitiker in Baden-Württemberg nun als weitere Indikatoren neben der 7-Tage-Inziden zusätzlich die Auslastung der Intensivbetten, die Impfquote und die Zahl schwerer Krankheitsverläufe.

Island als Warnung: Trotz hoher Impfraten steigende Zahlen
Doch gelingt es mit Tests und Impfungen tatsächlich, die Pandemie zu kontrollieren? Ist eine ?Herdenimmunität? noch erreichbar? Sir Andrew Pollard, Professor für pädiatrische Infektionen und Immunität an der Universität Oxford, hatte kürzlich klargestellt, dass das Erreichen einer Herdenimmunität nach seiner Ansicht ?keine Möglichkeit? mehr darstellt, jetzt, da sich die Delta-Variante im Umlauf befindet. Es sei ?unwahrscheinlich, dass jemals eine Herdenimmunität erreicht wird?, meint er. Die nächste Variante des neuartigen Coronavirus werde sogar ?vielleicht noch besser hinsichtlich einer Übertragung in geimpften Populationen? sein.

Pollards Vermutungen haben sich nicht nur für Israel bewahrheitet. Thorolfur Gudnason, Islands leitender Epidemiologe, hatte ebenfalls auf Herdenimmunität gehofft. Am 26. Juni waren 87% aller Isländer über 16 mindestens einmal und 60% vollständig geimpft. Trotzdem sind die Fallzahlen in Island nach weitgehenden Lockerungen in den letzten Wochen explodiert. Laut Dashboard liegt die 14-Tages-Inzidenz momentan bei 392,4 Fällen pro 100.000 Einwohner. Bis Ende März lag der Wert noch unter 10,0.

Den Trend führt Gudnason darauf zurück, dass sich isländische Urlauber mit der Delta-Variante angesteckt und bei ihrer Rückkehr andere Menschen infiziert haben. Lange Zeit wurde darauf verzichtet, Geimpfte oder Genesene, etwa bei der Reiserückkehr, zu testen. Unter den Infizierten befanden ? und befinden ? sich allerdings viele Menschen mit entsprechendem Schutz. Jetzt gibt es wieder verpflichtende Tests für alle. Außerdem werden Veranstaltungen auf 200 Teilnehmer beschränkt.

Für Deutschland lassen sich daraus mehrere Lehren ziehen, meinen Experten:

Tests sind für alle Personengruppen wichtig.

Impfdurchbrüche traten in Island unter Vektorvirus-Vakzinen etwas häufiger auf als unter mRNA-Vakzinen. Das könnte bei der Frage helfen, welche Personen mit Priorität eine Auffrischungsimpfung benötigen.

Trotz der hohen Zahl an Impfdurchbrüchen gab es laut Gudnason nur wenige Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf. Impfen lohne sich demnach auch in Zeiten der Delta-Variante.

Simulation: Impfstoffe gerecht verteilen ? davon profitieren alle
In vielen Ländern stehen jedoch keine ausreichend großen Mengen an Impfdosen zur Verfügung: eine gefährliche Situation, wie britische Forscher jetzt mahnen. Sie suchen nach Lösungen und haben mathematische Modelle genutzt, um zu ermitteln, wie Impfstoffe am gerechtesten verteilt werden könnten.

Grundlage ihrer Arbeit war ein vereinfachtes Modell, um Reisen zwischen 2 Ländern abzubilden ? unter der Annahme, dass Land A Vakzine produziert und verimpft, Land B aber nicht.

Das Ergebnis: Selbst bei einer großen Mobilität der Bevölkerung kann Land A es erreichen, die Zahl der Todesfälle minimieren, indem es den Impfstoff zurückhält und versucht, seine Bevölkerung vollständig zu impfen. Doch wenn das Ziel darin besteht, die Gesamtzahl der Todesfälle in allen beiden Ländern zu minimieren, führt der Verzicht auf den Austausch von Impfstoffen zwischen den Ländern zum Schutz der Bevölkerung von Land A dazu, dass in Land B mehr Menschen sterben als in Land A gerettet werden.

?Für jede Nation, die einen Impfstoff herstellt, besteht der Weg zur Minimierung der Todesfälle ? darin, ihn zu behalten und so viele Bürger wie möglich zu impfen?, räumt Dr. Chris Huntingford vom UK Centre for Ecology & Hydrology (UKCEH) ein. Er ist Hauptautor der Studie. Huntingford weiter: ?Wenn sich das Land jedoch der Herdenimmunität annähert, können durch die gemeinsame Nutzung von Impfstoffen mit anderen Ländern insgesamt mehr Leben gerettet werden.?

Bell-Lähmung ? eine sehr seltene Nebenwirkung von Impfungen
Bedeutsam ist natürlich auch, unerwünschte Effekte der Impfungen möglichst präzise zu erfassen. Aus klinischen Studien ist bekannt, dass vereinzelt sogenannte Bell-Lähmungen auftreten können, sprich idiopathische Fazialisparesen. Eine Hypothese lautet, dass diese durch Autoimmunreaktionen entstehen. Daten zur Inzidenz aus bevölkerungsbasierten Studien gab es bislang aber nicht: eine Lücke, die Forscher aus China jetzt geschlossen haben.


Für ihrer Fall-Kontroll-Studie wurden Daten aus Überwachungsberichten der Krankenhausbehörde Hong Kongs, des Online-Meldesystems für Impfstoff-Nebenwirkungen COVID-19 für alle Angehörigen der Gesundheitsberufe und der flächendeckenden elektronischen Gesundheitsakten der Krankenhausbehörde Hong Kongs ausgewertet. Die Forscher erfassten Bell-Lähmungen bis zu 42 Tagen nach einer Impfung mit BNT162b2 (Fosun-BioNTech, entspricht Pfizer/BioNTech]) oder CoronaVac (Sinovac BioNTech). Außerdem verglichen Wissenschaftler die Fallzahlen mit der Hintergrund-Inzidenz in der Bevölkerung.

Zwischen 23. Februar und 4. Mai 2021 erhielten 451.939 Personen die 1. Dosis CoronaVac und 537.205 Personen die 1. Dosis BNT162b2. Nach der CoronaVac-Impfung wurden 28 klinisch bestätigte Fälle von Bell-Lähmungen gemeldet, nach der BNT162b2-Impfung 16 Fälle. Die altersstandardisierte Inzidenz betrug 66,9 Fälle pro 100.000 Personenjahre (95%-KI 37,2 bis 96,6 Fälle) nach der CoronaVac-Impfung und 42,8 Fälle pro 100.000 Personenjahre (95%-KI 19,4 bis 66,1 Fälle) nach der BNT162b2-Impfung.

Die altersstandardisierte Differenz im Vergleich zur Hintergrundinzidenz lag bei 41,5 Fällen pro 100.000 Personenjahre (95%-KI 11,7 bis 71,4 Fälle) für CoronaVac. Für BNT162b2 geben die Forscher 17,0 Fälle pro 100.000 Personenjahre (95%-KI -6,6 bis 40,6 Fälle) an. Rein rechnerisch führen Vakzine zu weiteren 4,8 Fällen pro 100.000 Geimpfte für CoronaVac und zu weiteren 2,0 Fällen pro 100.000 Geimpfte für BNT162b2.

?Unsere Ergebnisse deuten auf ein insgesamt erhöhtes Risiko einer Bell-Lähmung nach der CoronaVac-Impfung hin?, resümiert das Forscherteam. ?Die positiven und schützenden Wirkungen des inaktivierten COVID-19-Impfstoffs überwiegen jedoch bei weitem das Risiko dieser im Allgemeinen selbstlimitierenden unerwünschten Wirkung.?

EMA startet Bewertung von RoActemra bei schwerem COVID-19
Von der Prävention zur Therapie. Die EMA hat mit der Bewertung von RoActemra® (Tocilizumab) begonnen, um zu klären, ob eine Ausweitung der Zulassung auf stationäre Patienten mit schwerer COVID-19 angebracht ist, die bereits mit Kortikosteroiden behandelt werden und zusätzlichen Sauerstoff oder mechanische Beatmung (maschinelle Beatmung) benötigen.

Tocilizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der sich gegen den Interleukin-6(IL-6)-Rezeptor richtet. Er wird u.a. zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis und der Riesenzellarteriitis verordnet. Perspektivisch könnte Tocilizumab auch inflammatorische Vorgänge bei COVID-19 eindämmen.

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA wird jetzt alle Daten aus dem Zulassungsantrag prüfen. Dazu zählen u.a. 4 große randomisierte Studien mit Patienten, die aufgrund von schwerem COVID-19 hospitalisiert worden sind. Ergebnisse der Bewertung sollen bis Mitte Oktober vorliegen

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Montag, 16. August 2021
Delta-Variante führt zu etlichen Durchbruchsinfektionen bei Geimpften ? wie Experten die Sachlage beurteilen
Michael van den Heuvel, Medscape

?Zurzeit sehen wir eine weltweite Übertragung der Delta-Variante von SARS-CoV-2?, sagt Prof. Dr. Carlos del Rio von der Emory University School of Medicine, Atlanta, USA. Erstmals im Oktober 2020 in Indien entdeckt, breitet sich Delta global immer stärker aus. Laut GISAID und Statista sind in Europa je nach Land zwischen 80,7% bis 99,9% aller PCR-Nachweise mittlerweile positiv für diese Variante. Auch in den USA liegt der Anteil bei weit über 80%.

Höhere Kontagiosität der Delta-Variante
?Was die Variante so besonders macht, ist ihre hohe Übertragbarkeit?, betont del Rio. Die US Centers of Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta, schreiben, Delta sei ähnlich kontagiös wie die Pocken. Und Dr. Rochelle Walensky, Direktorin der CDC, sagt, neue Forschungsergebnisse zeigten, dass geimpfte Menschen, die mit der Delta-Variante infiziert gewesen waren, große Mengen des Virus in Nase und Rachen getragen hatten.

Was die Variante so besonders macht, ist ihre hohe Übertragbarkeit. Dr. Rochelle Walensky
Das bestätigt auch del Rio: Infizierte würden 1000-mal mehr Viren ausscheiden als beim Wildtyp. Als Basis-Reproduktionszahl R0 nennt er für den Wildtyp 3 und für Delta 6 bis 8. ?Das macht die Variante sehr besorgniserregend?, so sein Fazit.

Patienten mit Delta-Durchbruch haben eine hohe Viruslast
Ein Blick speziell auf Durchbruchsinfektionen mit Delta: In Großbritannien ist die Variante für rund 99% aller Infektionen mit SARS-CoV-2 verantwortlich. Zahlen von Public Health England zeigen jetzt, dass doppelt Geimpfte bei einer Durchbruchsinfektion hohe Virustiter haben. Ihre Cycle-threshold-Werte (Ct-Werte) bei der Untersuchung von Abstrichen waren vergleichsweise niedrig. Der Ct-Wert gibt bekanntlich an, wie viele Zyklen bis zum Nachweis erforderlich sind. Kleine Ct-Werte entsprechen also einer hohen Viruslast. Zum Vergleich: Doppelt Geimpfte mit einer Durchbruchsinfektion der Alpha-Variante hatten hohe Ct-Werte, entsprechend einer niedrigen Viruslast.

Daten aus Vietnam bestätigen die Angaben aus UK: Durchbruch-Infektionen der Delta-Variante sind mit hohen Viruslasten, verlängerter PCR-Positivität und niedrigen Spiegeln von durch den Impfstoff induzierten neutralisierenden Antikörpern verbunden, was die Übertragung zwischen den geimpften Personen erklärt. Physische Distanzierungsmaßnahmen bleiben damit von entscheidender Bedeutung, um die Übertragung der SARS-CoV-2-Delta-Variante zu reduzieren.


mpfungen in Delta-Zeiten: Wo stehen wir?
Dass nun 34,9% aller wegen COVID-19 stationär behandelten Patienten in UK 2 Impfungen hatten, beutete jedoch nicht, dass zugelassene Vakzine wirkungslos seien, erklärt Dr. Peter Openshaw vom Imperial College London gegenüber dem britischen Science Media Center. Ansonsten müsste ihr Anteil rund 75% betragen ? so viele Menschen seien in Großbritannien nämlich derzeit geimpft.

Der US-Kardiologe und Editor-in-Chief von Medscape Dr. Eric Topol fast auf Twitter wichtige Daten dazu zusammen. Er nennt insgesamt 5 Studien mit Hinweis auf eine geringere Impf-Effektivität gegenüber der Delta-Variante ? wenn auch in unterschiedlichem Maße:


Quelle: Topol

Die Daten erscheinen, als ob der Moderna-Impfstoff deutlich effektiver gegen diese Variante sei als der Pfizer/BioNTech-Impfstoff. Doch die Unterschiede zwischen BioNTech/Pfizer und Moderna seien in der Praxis ?wahrscheinlich erheblich geringer? und ?aufgrund des Zeitfaktors verzerrt?, so Topol weiter.

Im Interview weist del Rio jedenfalls darauf hin, dass Impfungen ? zusammen mit Abstandsregeln und Masken ? immer noch die richtige Wahl seien, um sich vor Infektionen zu schützen. Booster-Impfungen hält er für sinnvoll, aber ?im Idealfall mit modifizierten Vakzinen, die eine höhere Effektivität gegen Varianten haben?. Und das kann dauern.

Die Delta-Variante macht eine Herdenimmunität unmöglich
Damit rückt das erklärte Ziel vieler Immunologen, Herdenimmunität zu erzielen, in weite Ferne. Laut Robert Koch-Institut (RKI) müssten etwa 85% aller 12- bis 59-Jährige und 90% aller Einwohner ab 60 Jahren dafür einen Schutz gegen Infektionen haben.

In einer Rede vor dem britischen Parlament sagte Sir Andrew Pollard, Professor für pädiatrische Infektionen und Immunität an der Universität Oxford, dass das Erreichen einer Herdenimmunität ?keine Möglichkeit? mehr darstelle, jetzt, da sich die Delta-Variante im Umlauf befinde. Pollard war an der Entwicklung des Oxford/AstraZeneca-Impfstoffs maßgeblich beteiligt. Wie er zusammenfasst, kommt es mit Delta selbst in geimpften Populationen aufgrund der Durchbrüche zu weiteren Infektionen und ? damit verbunden ? zu weiteren Übertragungen.

Pollard erklärte, nach aktuellem Kenntnisstand sei es damit ?unwahrscheinlich, dass jemals eine Herdenimmunität erreicht wird?. Die nächste Variante des neuartigen Coronavirus werde ?vielleicht noch besser hinsichtlich einer Übertragung in geimpften Populationen? sein.

Israel sei ein gutes Beispiel für die Problematik, so Pollard. Die COVID-19-Fälle waren im Land zurückgegangen, nachdem etwa 80% der Erwachsenen geimpft worden waren. Das habe Grund zur Hoffnung gegeben, dass Herdenimmunität erreicht worden sei. Aber, so Pollard weiter, die Delta-Variante habe seitdem zu einem neuerlichen Anstieg der Fallzahlen geführt.

Hinweis auf neue Symptome
Was die Sache noch schwieriger macht: Forschende der britischen Zoe Covid Symptom Studie fanden heraus, dass die Delta-Variante anfangs nicht die Beschwerden verursacht, die Ärzte vom Wildtyp oder von früheren Varianten kennen. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Infektionen bei Ungeimpften oder um Durchbruchsinfektionen handelt. Bei der Studie können Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion per App ihre Beschwerden melden.

Gegenüber der BBC haben Wissenschaftler die zentralen Unterschiede zusammengestellt: Die klassischen Symptome, auf die Menschen bislang achten sollten, waren laut NHS vor allem Husten, Fieber und der Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns. Studienleiter Prof. Dr. Tim Spector sagt: ?Seit Anfang Mai schauen wir uns die Top-Symptome bei den App-Nutzern an ? und sie sind nicht mehr dieselben wie früher.? Genau ab diesem Zeitpunkt habe sich die Delta-Variante in Großbritannien ausgebreitet.

?Wir hören jetzt bei jungen Menschen oft von einer laufenden Nase und von Kopfschmerzen?, so Spector. Menschen, die möglicherweise dächten, sie hätten eine banale Erkältung, würden weiter Freunde besuchen oder auf Partys gehen. Das könnte zu einer noch schnelleren Ausbreitung beitragen, befürchtet der Experte.

Höhere Morbidität und Mortalität durch Delta?
Und auch die Durchbruchsinfektionen verlaufen nicht immer harmlos. Das zeigen Berichte aus Israel. Das Land gilt als Musterbeispiel für ein gelungene Impfkampagne. Knapp 60% aller 9,4 Millionen wurden bislang geimpft. Trotzdem schnellte die Zahl an Neuinfektionen kürzlich rapide nach oben. Am 11. August wurden rund 6.500 weitere Fälle gemeldet, bei einer Inzidenz von über 300. Israelische Medien berichten, dass immer mehr Patienten aufgrund von COVID-19 hospitalisiert würden ? aber dass die Erkrankung milder verlaufe als während der 1. Welle.

Verlässliche Daten gibt es bislang nicht, aber zumindest Hinweise. Die dpa etwa schreibt über eine kanadische Studie zur Delta-Variante. Bei Patienten waren diverse Risiken ? verglichen mit dem Wildtyp ? stark erhöht:

Stationäre Behandlung: 120%

Intensivpflege: 287%

Mortalität: 287%

Diese Daten seien allerdings noch nicht abschließend geprüft und veröffentlicht, relativiert die dpa. Wie hoch der Prozentsatz Geimpfter in dieser Kohorte war, ist ebenfalls unbekannt.

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Donnerstag, 12. August 2021
Corona, diesmal anders
https://www.gmx.net/magazine/gesundheit/corona-symptome-geimpft-unterschied-ungeimpft-36064530

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Mittwoch, 11. August 2021
Nach dem Bund-Länder-Gipfel: Sanfter Druck auf Ungeimpfte ? Tests bald kostenpflichtig
Dr. Thomas Kron



Wer nicht gegen das neue Corona-Virus geimpft ist, muss sich auf mehr Testpflichten einstellen und Schnelltests ab 11. Oktober in der Regel auch selbst bezahlen. Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten in einer Videokonferenz beschlossen. Ausnahmen gelten für Personen, die nicht geimpft werden können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt. Das sind insbesondere Schwangere und Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Intensivmediziner sind besorgt
Es bestehe auch in den kommenden Monaten eine enge und lineare Beziehung zwischen der SARS-CoV-2-Inzidenz und der Intensivbettenbelegung. Bereits ab Inzidenzen von 200/100.000 sei erneut eine erhebliche Belastung der Intensivstationen mit mehr als 3.000 COVID-19-Patienten zu erwarten, sofern die Impfquote nicht noch deutlich gesteigert werde, warnen Prof. Dr. Christian Karagiannidis, ARDS- und ECMO-Zentrum Köln-Merheim, Universität Witten/Herdecke, und seine Kollegen in einem Beitrag in Medizinische Klinik ? Intensivmedizin und Notfallmedizin .

Wenige Prozentpunkte in der Impfquote hätten eine erhebliche Auswirkung auf die potenzielle Intensivbelegung im Herbst, so die Wissenschaftler. Bemühungen um die Steigerung der Impfakzeptanz sollten daher in den kommenden Wochen im Vordergrund stehen. Für die Intensivmedizin sei die Impfquote der über 35-Jährigen von entscheidender Bedeutung. Die Autoren weisen zudem darauf hin, ?dass die Impfquoten in Deutschland auch bei den Älteren derzeit immer noch mit 80% unzureichend sind und deutlich unterhalb der erreichten Impfquoten in anderen europäischen Ländern liegen?.

Die Wissenschaftler haben, wie sie erklären, ?verschiedene Szenarien mithilfe mathematischer Modelle simuliert, die unter der Annahme bestimmter Voraussetzungen eine Einschätzung hinsichtlich der Auslastung der Intensivbettenkapazitäten im Herbst in bestimmten Grenzen ermöglichen?.

Schwerer COVID-19-Verlauf: Häufige Rehospitalisierungen
Mehr als ein Viertel der stationär behandelten Patienten mit COVID-19 mussten nach ihrem Klinikaufenthalt erneut stationär behandelt werden. Das zeigte die erste bundesweite Langzeitstudie, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) auf Basis der Abrechnungsdaten von AOK-Patienten durchgeführt hat. Außer der hohen Rehospitalisierungsrate zeigte sich bei den Erkrankten auch eine hohe Sterblichkeitsquote. Insgesamt 30% der Patienten starben während des ersten Krankenhausaufenthalts oder in den ersten 6 Monaten danach.

Die Kohortenstudie des WIdO liefert laut einer Mitteilung des Instituts erstmals aussagekräftige Daten zu den längerfristigen Folgen der COVID-19-Erkrankung von hospitalisierten Patienten; sie macht deutlich, dass die Nachsorge für die Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wichtig ist.

Die Politik handelt manchmal auch ohne wissenschaftliche Grundlage. Prof. Dr. Thomas Mertens
In die Auswertung sind die Daten von insgesamt 8.679 bei der AOK versicherten COVID-19-Erkrankten einbezogen worden, die vom 1. Februar bis zum 30. April 2020 nach einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion stationär behandelt wurden. Von diesen Patienten mit einem Durchschnittsalter von knapp 69 Jahren starben 25% im Krankenhaus.

Von den 6.235 Überlebenden mussten 1.668 (27%) innerhalb eines halben Jahres nach der ersten Krankenhausbehandlung wieder in einem Krankenhaus aufgenommen werden. 6% der entlassenen Patienten starben in den ersten 6 Monaten nach dem Krankenhausaufenthalt ? die Hälfte von ihnen nach einer erneuten Krankenhauseinweisung.

"Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei schweren Verläufen der Erkrankung eine engmaschige Nachsorge durch Haus- und Fachärzte erforderlich ist", sagt Christian Günster, Leiter des Forschungsbereich Qualitäts- und Versorgungsforschung beim WIdO.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

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Ungeimpfte zur Kasse bitten: US-Versicherer beenden Schonfrist bei teuren COVID-Therapien. Bald höhere Beiträge?
Elisabeth Rosenthal, Glenn Kramon
Medscape


Im Jahr 2020, also vor Einführung der COVID-19-Impfstoffe, haben die meisten großen US-Privatversicherer auf eine Kostenübernahme durch die an COVID-19 erkrankten Patienten verzichtet. Sie mussten auch keine Selbstbehalte bezahlen.

Aber viele, wenn nicht sogar die meisten Versicherungen, lassen solche Regelungen auslaufen. Aetna zum Beispiel hat den Passus am 28. Februar widerrufen; UnitedHealthcare begann Ende letzten Jahres mit der Rücknahme seiner Befreiungen und beendete sie Ende März dann komplett.

Die aktuelle Situation zeigt: Mehr als 97 % der im letzten Monat US-weit stationär behandelten COVID-19-Patienten waren nicht geimpft. Vakzine verhindern zwar nicht unbedingt, dass Sie sich mit SARS-CoV-2 anstecken, aber sie sind hochwirksam, um sicherzustellen, dass Sie allenfalls mild erkranken und nicht ins Krankenhaus müssen.

Deshalb ist es logisch, dass Versicherungen den freiwilligen Verzicht jetzt revidieren. Warum sollten Patienten finanziell verschont werden, wenn es einen wirksamen Impfstoff gibt, den die Regierung kostenlos zur Verfügung stellt?

Vakzine sind auch in vielen Apotheken erhältlich. Impfmöglichkeiten gibt es selbst an Autobahnraststätten oder an Bushaltestellen, und Vakzine dürfen in einigen Teilen des Landes sogar zu Hause verabreicht werden.

Die COVID-19-Impfquote liegt in den USA bei etwa 60% für Einwohner ab 12 Jahren. Für Herdenimmunität reicht das nicht aus. In Bundesstaaten wie Missouri ? wo einige Bezirke auf Impfraten unter 25% kommen ? werden Krankenhäuser von Patienten mit der stärker übertragbaren Delta-Variante überrannt

Impfgegner führen alle möglichen Gründe an, um kostenlose Impfungen abzulehnen. Die Gruppe ignoriert alle Anstrengungen, sie zum Umdenken zu bewegen. Kampagnen, in denen Amerikaner aufgefordert werden, sich für ihre Gesundheit, für ihre Großeltern, für ihre Nachbarn, für kostenlose Donuts oder einen kostenlosen Joint impfen zu lassen, haben nichts gebracht. Manche Staaten haben sogar Lotterien veranstaltet, bei denen man Millionen US-Dollar oder ein College-Stipendium gewinnen konnte.




Regierungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene sowie private Unternehmen vermeiden nach wie vor weitgehend eine Impfpflicht für ihre Mitarbeiter, weil sie befürchten, dass diese zu starken Protesten führen könnte.

Wie wäre es also mit einem wirtschaftlichen Argument? Lassen Sie sich impfen, um nicht nur sich und Ihre Mitmenschen, sondern auch Ihren Geldbeutel zu schützen.

Hohe Kosten durch COVID-19
Wenn man in den Vereinigten Staaten mit COVID-19 hospitalisiert wird, führt das zu hohen Kosten. Ein Beispiel: Im Rahmen des NPR-Kaiser Health News-Projekts ?Rechnung des Monats? konnten Patienten Quittungen für stationäre Therapien einreichen. Dazu gehörten?

eine Rechnung über 17.000 US-Dollar für einen kurzen Krankenhausaufenthalt in Marietta, Georgia (reduziert auf etwa 4.000 Dollar für einen nicht versicherten Patienten im Rahmen einer ?Charity Care?-Maßnahme),

eine Rechnung über 104.000 US-Dollar für einen 14-tägigen Krankenhausaufenthalt in Miami für einen nicht versicherten Mann,

eine Rechnung über möglicherweise hunderttausende US-Dollar für einen 14-tägigen Krankenhausaufenthalt ? zum Teil an einem Beatmungsgerät ? für einen ausländischen Touristen auf Hawaii, dessen Reisekrankenversicherung eine Klausel zum ?Pandemie-Ausschluss? hatte.

Auch wenn US-amerikanische Versicherungsgesellschaften niedrigere Preise mit Kliniken aushandeln und einen Großteil der Behandlungskosten übernehmen, sollten Rechnungen von über 1.000 Dollar als Selbstbehalt ? plus Kosten für Zuzahlungen und möglicherweise weitere Behandlungen ? für Patienten ein deutliches Zeichen sein.

Ist das die Zukunft ? finanzielle Nachteile für Risikoverhalten bei Corona?
Eine strengere Gesellschaft könnte harte Strafen gegen Menschen verhängen, die sich nicht impfen lassen und sich mit dem Virus infizieren. Kürzlich hat die US-amerikanische National Football League ein Spiel für ungültig erklärt, weil es bei den beteiligten Mannschaften zu einem COVID-19-Ausbruch gekommen war. Alle Spieler sind daraufhin nicht bezahlt worden.

Versicherer könnten versuchen, ähnlich zu handeln. Und es gibt Präzedenzfälle. Schon jetzt decken manche Policen in den USA keine Behandlungen ab, die durch ein von den Versicherern als riskant eingestuftes Verhalten erforderlich sind, wie z. B. Tauchen oder Klettern.

Der Affordable Care Act erlaubt es den Versicherungen, von Rauchern bis zu 50% mehr zu verlangen als von Nichtrauchern. In 4 von 5 Staaten ist dies möglich; bei den meisten Versicherungsprogrammen für Arbeitgeber wird dies aber nicht umgesetzt.

In 49 Staaten müssen Autofahrer, die ohne Versicherung erwischt werden, mit Geldstrafen, mit der Beschlagnahmung ihres Autos, mit dem Verlust ihres Führerscheins und sogar mit Gefängnisstrafen rechnen. Und rücksichtslose Fahrer zahlen mehr für ihre Versicherung.

Hohe Kosten für die Gemeinschaft auf Einzelne umlegen
Die Logik hinter solchen Maßnahmen besteht darin, dass das Verhalten von Straftätern im Straßenverkehr anderen schaden kann und die Gesellschaft viel Geld kostet: ein Gedanke, der auch für SARS-CoV-2 gilt. Wenn eine Person sich nicht impfen lässt und schwer an COVID-19 erkrankt, setzt sie nicht nur andere an ihrem Arbeitsplatz oder in ihrer Nachbarschaft einer Gefahr aus. Die Allgemeinheit trägt die Kosten.

Zehntausende bis hunderttausende US-Dollar für eine Behandlung könnten im nächsten Jahr auch für andere höhere Prämien in ihren Versicherungsplänen bedeuten. Hinzu kommt, dass Ausbrüche in Regionen mit geringer Durchimpfung dazu beitragen könnten, weitere impfstoffresistente Varianten zu selektieren, was ebenfalls alle Menschen betrifft.

Ja, die Gesellschaft übernimmt oft Kosten für Menschen, deren Gewohnheiten zu ihrer Krankheit beigetragen haben, etwa bei der Drogen- und Alkoholentwöhnung sowie bei der Krebsbehandlung von Rauchern.

Viel Zuckerbrot ? kommt jetzt die Peitsche?
Das ist vielleicht ein Grund dafür, dass Versicherer bisher auf Zuckerbrot und nicht auf die Peitsche gesetzt haben, um Menschen zur Impfung zu bewegen. Einige private Versicherer bieten Menschen, die sich impfen lassen, Prämien oder Geschenkgutscheine an, beispielsweise America's Health Insurance Plans, eine Handelsvereinigung von Krankenversicherungsunternehmen.

Restriktive Maßnahmen könnten einfacher sein, wenn die US Food and Drug Administration (FDA) Impfstoffe regulär zulassen würde, statt sie nur für den Notfall zu genehmigen. Dennoch müssen vom Steuerzahler finanzierte Programme wie Medicaid und Medicare alle gleich behandeln, sagt Larry Levitt, Executive Vice President der Kaiser Family Foundatoin (KFF), einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf Gesundheitsfragen konzentriert. Er rechne mit einem langwierigen Prozess, um bundesweite Ausnahmegenehmigungen für das Experimentieren mit Anreizen zu erhalten. Bislang können Anbieter solcher Programme nicht für verschiedene Patienten in einem Staat unterschiedliche Tarife einfordern.

Umfragen von KFF, das nicht zum Versicherer Kaiser Permanente gehört, zeigen, dass solche Anreize ohnehin nur von begrenztem Wert sind. Viele Impfgegner sagen, sie würden sich nur dazu entscheiden, falls sie ihr Arbeitgeber sie dazu auffordere.

Was aber, wenn die finanziellen Kosten einer Nichtimpfung einfach zu hoch wären? Wenn die Patienten über den Preis nachdächten, den sie für ihre eigene Versorgung zahlen müssten, würden sie es sich vielleicht noch einmal überlegen, ob sie auf den Schutz verzichten.

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