Donnerstag, 8. Oktober 2020
Bis zu 18-fache Unterschiede beim Schweregrad von COVID-19: Ein Risikorechner soll Ärzten bei der Bewertung helfen
Marcia Frellick, Medscape



Ein neues Vorhersagemodell könnte Ärzten helfen, zu erkennen, bei welchen Patienten sich COVID-19 wahrscheinlich verschlimmert und wie schnell daraus eine schwere Erkrankung wird. Das berichten Prof. Dr. Brian Garibaldi von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, Maryland, und Kollegen in den Annals of Internal Medicine[1].

Sie entwickelten einen Risikorechner für COVID-19 mit 24 Variablen, von denen bekannt ist, dass sie mit der Erkrankung assoziiert sind. Dazu gehören u.a. das Alter, der Body-Mass-Index (BMI), Grunderkrankungen, Vitalparameter und die Schwere der Symptome zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme.

Die Daten wurden bei der Betreuung von 832 Patienten mit COVID-19 zwischen dem 4. März und dem 24. April in 5 Krankenhäusern in Maryland und Washington, DC, erhoben.

Modell zeigt Risikoextreme auf
Die Autoren sagen, dass ihr Modell die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung (definiert als hoher Bedarf an Sauerstoff zur Unterstützung oder als maschinelle Beatmung) oder des Todes zwischen 5 % bis 90 % prognostizieren kann. Sie geben zu bedenken, dass sich der Schweregrad von COVID-19 um den Faktor 18 unterscheiden kann.

In ihrer Veröffentlichung nennen sie Beispiele:

Bei einer 81-jährigen schwarzen Frau mit Diabetes und Bluthochdruck, einem BMI von 35 kg/m2, Fieber, einer Atemfrequenz von 32 Atemzügen/min, einem hohen CRP-Wert und einem D-Dimer-Wert von über 1 mg/l hat liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sich COVID-19 bis hin zum Tod verschlechtert, bei 80% (Tag 2 nach der Aufnahme), 92% (Tag 4) bzw. 96% (Tag 7).

Im Gegensatz dazu hat ein 39-jähriger männlicher Latino mit einem BMI von 23 kg/m2, ohne Komorbiditäten oder Fieber eine Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe von 3% (Tag 2), 5% (Tag 4) und 5% (Tag 7).

Garibaldi sagte gegenüber Medscape, das Modell habe zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Aufnahme unterschiedliche Genauigkeiten. „An den ersten beiden Tagen ist es zu 85 Prozent genau, und dann in der ersten Woche liegt die Genauigkeit bei etwa 80 Prozent.“

An den ersten beiden Tagen ist es zu 85 Prozent genau, und dann in der ersten Woche liegt die Genauigkeit bei etwa 80 Prozent. Prof. Dr. Brian Garibaldi

Familien informieren, Behandlungsziele festlegen
Informationen aus dem Modell könnten Ärzten helfen, Patienten und Familien über den wahrscheinlichsten Krankheitsverlauf zu informieren und Behandlungsziele zu definieren, sagte Garibaldi.

Für Gesundheitssysteme sei es hilfreich zu verstehen, wie wahrscheinlich es bei Patienten auf der Intensivstation zu einem Aufwärtstrend komme beziehungsweise ob Krankenhäuser über die richtigen Medikamente und Räumlichkeiten verfügten.


Auch zum Zeitfaktor sind Aussagen möglich. „Der Median der Zeit bis zur Entwicklung einer schweren Erkrankung oder bis zum Tod in unserer Kohorte betrug nur etwas mehr als ein Tag. Das deutet darauf hin, dass es für diese Patienten ein sehr begrenztes Zeitfenster gibt, in dem wir etwas tun können“, sagte Garibaldi.

Wie funktioniert der Algorithmus?
Garibaldis Team arbeitete mit einer Präzisionsmedizin-Analytikplattform (PMAP), die nicht nur Alter, Komorbiditäten und demografische Daten, sondern auch Labordaten, Medikamente und Patientenverläufe berücksichtigte.

Es gebe viele Modelle, die veröffentlicht worden seien oder sich in der Entwicklung befänden, aber „dies ist ein methodisch wirklich gut gemachtes Modell“, erklärte Dr. Michael Kattan gegenüber Medscape. Er ist Leiter des Department of Quantitative Health Sciences an der Cleveland Clinic Ohio und hat das prognostische Modell mitentwickelt.

Dies ist ein methodisch wirklich gut gemachtes Modell. Dr. Michael Kattan
Kattan wies auf die Verwendung der Fläche unter der kumulativ-dynamischen ROC-Kurve (Receiver Operating Characteristic) hin, um die Fähigkeit des Modells zur Unterscheidung von Patienten mit höherem und niedrigerem Risiko zu bewerten. „Das ist eine elegante Art und Weise, die Leistung zu beurteilen, und das trennt sie von der Masse [ähnlicher Anwendungen]“, sagte er.


Darüber hinaus „wird ein sehr moderner Ansatz zur Auswahl der Prädiktoren sowie zur Abschwächung ihrer Auswirkungen verwendet“, um die Verallgemeinerbarkeit zu erhöhen, sagte er. Die Verallgemeinerbarkeit der Daten wird in der Publikation als eine Einschränkung genannt, da die Forschung an einer einzigen Institution durchgeführt wurde.

Wenn das Modell systematisch validiert werde und sich zeige, dass sich die Versorgung verbessere, könnten es Anbieter in elektronische Gesundheitsakten einfließen lassen, sagte Garibaldi.

Kattan merkte an, dass die Kreuzvalidierung nach Standorten dazu beitrage, mehr Vertrauen in die Ergebnisse aufzubauen. Hierbei entfernten die Forscher randomisiert Daten zu einem von 5 Krankenhäusern und testeten dann das Modell aus den 4 verbliebenen Standorten an dem einen (aus dem Modell entfernten) Standort, um die Ergebnisse zu vergleichen. Sie wiederholten diese Prüfung für jedes Zentrum. „Nach der Interpretation funktionierte es in jedem Krankenhaus gut, wenn sie es so machten“, sagte Kattan.

Gefahr der Fehleinschätzung?
Das Einzige, was Kattan fehlte, war „die Kalibrierungsleistung des Risikorechners“ oder die Übereinstimmung zwischen einer prognostizierten Wahrscheinlichkeit und dem Anteil der Menschen, die ein bestimmtes Ergebnis tatsächlich hatten.

Garibaldi zufolge bestehe generell die Gefahr, dass das Vertrauen in einen Algorithmus zu Fehleinschätzungen führen könne. Aus diesem Grund betonen die Autoren, dass das Modell nicht dazu gedacht sei, die Expertise eines Arztes zu ersetzen, sondern vielmehr in Verbindung mit ihm verwendet werden sollte.

Seitdem Daten zu Beginn der Pandemie gesammelt worden wären, habe man viel über Interventionen, Symptome und Verbreitung gelernt, so Garibaldi. Johns Hopkins-Klinken hätten inzwischen mehr als 3.000 COVID-19-Patienten betreut.

Längsschnittdaten, das gesammelte Wissen über die Anwendung der mechanischen Beatmung und den Einsatz von Therapien würden zur Verfeinerung des Modells beitragen, sagte er.

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Mittwoch, 7. Oktober 2020
Virologe Streeck plädiert für Rücknahme von Corona-Schutzmaßnahmen
https://www.gmx.net/magazine/news/coronavirus/corona-pandemie-virologe-hendrik-streeck-verbotspolitik-35144824

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Montag, 5. Oktober 2020
Die Waffen meiner Kindheit
Wenn wir früher Indianer, Piraten oder Krieg spielten hatte ich ein Gewehr mit stählernem Lauf und Schaft und Kolben aus Eichenholz und einen silbernen Colt aus Weißmetall. Beide schossen mit achtteiligen Zündringen und knallten ordentlich.

Heute gibt es nur Plastikkram.

Dafür verletzten die echten Pfeile mit denen wir schossen wirklich, und von einem habe ich bis heute eine Narbe.

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Triplemix
Diesmal eine Mischung aus Karate, Capoera und Muay Thai. Als ich vor zwei Jahren mit diesem Mixed-Martial-Arts-Training begonnen hatte war ich nach jeder Trainingseinheit vollkommen fertig, heute denke ich: Warum nicht noch eine Stunde mehr? Fühle mich königlich.

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Samstag, 3. Oktober 2020
Fitnessstatus
Habe einen Fitnesscheck gemacht. Resultat: Einstufung "Athlet". Wow. Denke, das können wenige Mittfünfziger von sich sagen.

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Donnerstag, 1. Oktober 2020
Die neuen schnellen Antigen-Tests bei COVID-19: Wie in der Praxis einsetzen? Was bringen sie? Für wen eignen sie sich?
Kurt-Martin Mayer


Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 sieht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als Teil der deutschen Strategie für Herbst und Winter. In Europa und Nordamerika sind im Wesentlichen 3 derartige Produkte bereits auf dem Markt. Die Tests reagieren auf typische Virus-Proteine im Nasen-Rachen-Raum.

Auch wenn sie etwas häufiger eine Infektion übersehen als das auf das Viruserbgut ausgerichtete PCR-Verfahren, begrüßen Virologen wie Prof. Dr. Uwe Dittmer, Universitätsmedizin Mainz, die Antigentests. Schon nach einer Viertelstunde liege ein Ergebnis vor, „während es bei den schnellsten PCR-Tests mindestens 50 Minuten dauert“, vergleicht Dittmer.

Wegen der höheren Fehlerquote dämpft der Institutsleiter allerdings die Hoffnung, mithilfe von Antigentests ließen sich Stadien, Konzertsäle und Clubs wieder ähnlich dicht mit Besuchern füllen wie vor der Pandemie. Weil Antigentests umso sicherer anschlügen, je höher die Virenmenge im Körper sei, empfiehlt Dittmer, sie vorrangig zur Überprüfung von Personen mit Symptomen einzusetzen.

Allerdings sei es auch denkbar, „dass jene Infizierten, die wir mittels Antigentest nicht entdecken, für andere ungefährlich sind“. Natürlich gebe es dabei Ausnahmen.

Der Ct-Wert, das Maß für die Menge der Virus-RNA in einer Probe (je mehr davon vorhanden ist, desto geringer ist der Ct-Wert) endet beim Antigentest etwa beim Wert 27. Asymptomatische Patienten haben meist einen Ct-Wert von über 30.

Sensitivität und Spezifität der 3 Tests
Unter den Herstellern wirbt vor allem die nal von minden GmbH aus Moers mit einer Massentauglichkeit ihres „Nadal“ genannten Tests. Mit ihm habe man nach Unternehmensangaben in einem Probelauf in Wien 3.000 Studenten vor einer Vorlesung überprüft. Eine Person mit einem negativen Testergebnis ist nach Firmenmangaben zu mehr als 99,9% wirklich negativ. Von 100 positiven Proben werden 97,56 auch richtig als positiv erkannt.

Nal von minden gibt an, bereits Millionen Antigentests hergestellt zu haben, die ab sofort verfügbar seien. Die Produktionskapazität liege bei 20 Millionen Tests pro Monat, könne aber auch weiter „hochgefahren“ werden.

Vorläufige Ergebnisse einer von Abbott durchgeführten klinischen Studie mit 241 Proben zeigten, dass das „Panbio COVID-19 Ag-Test“ genannte Produkt des US-amerikanischen Herstellers eine Sensitivität von 93,3% und eine Spezifität von 99,4% aufweise.

Das Unternehmen Roche gibt für seinen „SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test“ eine Sensitivität von 96,52% und eine Spezifizität von 99,68% an.

Weder das Produkt aus Moers noch die Konkurrenztests der Hersteller Roche und Abbott sind für den privaten Hausgebrauch zugelassen. Auch wenn sie über Apotheken abgegeben werden, geht das nur über die Praxisversorgung.

Und die Kosten?
Zwar halten sich die Firmen beim Punkt „Kosten“ mit konkreten Angaben zurück, doch nach Dittmers Erfahrungen dürften die Preise nicht das entscheidende Argument werden. Antigen-Schnelltests kosteten ebenso wie Standard-PCR-Tests (Ergebnis nach mindestens 2 Stunden) rund 20 Euro. Teurer, nämlich etwa doppelt so teuer seien schnelle PCR-Tests, bei denen man nur etwa 50 Minuten auf das Ergebnis warten muss.

Auch bei den Antigentests ist die Infrastruktur und die Sorgfalt der Arbeitsweise wichtig. So komme es auch bei ihnen auf einen guten Abstrich an, mahnt Dittmer. Für den Fall positiver Ergebnisse dürfe es auch nicht an Schutzkleidung fehlen und an einer räumlichen Möglichkeit, Menschen zu isolieren. In der derzeitigen Praxis scheinen Materialmängel nach wie vor ein Problem bei Tests zu sein.

Als einen der Gründe für seine positive Erwartungshaltung gegenüber den Antigentests nennt Dittmer die Tatsache, dass es bei den PCR-TEsts immer wieder Lieferschwierigkeiten gebe – weiterhin komme es vor, dass Plastikteile oder bestimmte Chemikalien nicht lieferbar seien.

Akkreditierte Labore in der Medizin noch abwartend
Abwartend beurteilen die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM e.V.) die Antigentests. „Zur Sicherheit der Menschen… gilt es hier, zunächst die Qualität der Herstellerangaben in der Versorgung zu überprüfen und die Tests dann sinnvoll in die Nationale Teststrategie zu integrieren“, mahnt der ALM-Vorsitzende Dr. Michael Müller.

Zur Sicherheit der Menschen… gilt es hier, zunächst die Qualität der Herstellerangaben in der Versorgung zu überprüfen und die Tests dann sinnvoll in die Nationale Teststrategie zu integrieren. Dr. Michael Müller
Weil man um die etwas niedrigere Sensitivität wisse, „bedarf es vergleichender Untersuchungen und Bewertungen von PCR- und Antigentests“. Diese Zeit sollte man sich nehmen und klären, welches Maß an geringerer Sensitivität der Antigentests im Vergleich zum „Goldstandard“ PCR-Test akzeptierbar sei.

Antikörpertests – unverzichtbar erst bei Massenimpfungen?
Wenig Chancen gibt der Essener Virologe Dittmer dem LAMP-Verfahren („loop-mediated isothermal amplification“), das hauptsächlich im Vereinigten Königreich bereits im breiten Einsatz stehen soll. Es biete weder hinsichtlich Spezifität noch Sensitivität einen Vorteil gegenüber Antigentests, dauere aber mit ungefähr einer halben Stunde deutlich länger.

Anders als Antigentests zeigen Antikörpertests eine bereits durchgemachte Infektion an. Wirklich wichtig werden Antikörpertests nach Dittmers Einschätzung allerdings „wohl erst, wenn wir über einen Impfstoff verfügen“. Dann könnten sie verraten, ob sich ein Infektionsschutz aufbaue und vielleicht auch, wie lange dieser anhalte.

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Mittwoch, 30. September 2020
Corona: Neandertaler besondere Risikogruppe
https://www.gmx.net/magazine/news/coronavirus/corona-neandertaler-gene-erhoehen-risiko-schweren-covid-19-verlauf-studie-35131364

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10 Mal tödlicher als die Grippe! Epidemiologe benennt 3 Fehler, durch die wir die Corona-Gefahr unterschätzen
Heike Dierbach, Medscape


Eine wichtige Frage bei COVID-19 ist, wie tödlich die Krankheit wirklich ist – nicht zuletzt, weil dies die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung rechtfertigt. Doch der Anteil Verstorbener schwankt zwischen den Ländern erheblich, oft auch über die Zeit.

Der international renommierte Epidemiologe Prof. Dr. Rod Jackson von der School of Population Health an der University of Auckland, Neuseeland, hat 3 Hauptprobleme bei der Berechnung der Sterblichkeit ausgemacht. In einem Artikel für den New Zealand Herald liefert er auch gleich die Lösungen, wie diese zu beheben sind [1]. Dadurch lässt sich nach seinen Angaben unter anderem zeigen, dass COVID-19 rund 10 Mal so tödlich ist wie eine Virusgrippe.

So werden die Berechnungen präziser
Lösung für Problem 1: Um die Zahl der Infizierten zu bestimmen, braucht man reihenhafte Testungen auf Antikörper (und auf das Virus) bei vielen tausenden Personen in einer Stadt. Solche Erhebungen gibt es in den USA und Europa. Kleinere Länder wie Island sind hier im Nachteil, sagt Jackson: „Die Studien von dort sind gut gemacht, aber die Zahl der Personen und der Todesfälle ist einfach zu klein.“

Die Zahl der an COVID-19 Verstorbenen lässt sich über die zusätzlichen Todesfälle ermitteln. „Man schaut also, wie viele Menschen innerhalb von sechs Monaten mehr gestorben sind als im Durchschnitt der letzten Jahre über denselben Zeitraum.“ In den USA gab beispielsweise zwischen März und August 2020 insgesamt 248.400 mehr Todesfälle, verglichen mit diesem Zeitraum in den 5 Jahren zuvor. Zugleich wurden aber nur 176.247 Todesfälle wegen COVID-19 gemeldet. „Das legt nahe, dass die wahre Zahl der Todesfälle bis zu 40 Prozent höher liegt“, sagt Jackson.

Problem 2 lässt sich ebenfalls relativ leicht lösen: Nur die Zahl aller Infizierten darf in die Berechnung des Infizierten-Verstorbenen-Anteils eingehen. Die der Diagnostizierten ist dafür ungeeignet.

Problem 3 lässt sich durch Masse lösen: Gruppen mit sehr vielen Personen – am besten ein paar Millionen – sind weniger anfällig für Verzerrungen durch Einzelmerkmale, weil sie eher gemischt sind. Die untersuchte Todeszahl sollte möglichst mehrere Tausend betragen. „Eine Studie mit weniger als ein paar Hundert Todesfällen lohnt sich gar nicht anzusehen“, sagt Jackson. Zu Beginn der Pandemie ließen sich geringe Zahlen nicht vermeiden, aber nun sei dies nicht mehr tolerabel.


Medien sind oft zu unkritisch
Berücksichtigt man diese 3 Punkte, wird es einfacher, den Infizierten-Verstorbenen-Anteil zu berechnen, sagt Jackson. Er kritisiert, dass die Medien oft über Studien berichten, die von vielen Epidemiologen verworfen werden. „Das ist einer der Gründe, warum die Debatte so kontrovers wirkt.“

COVID-19 ist demnach mindestens 10 Mal so tödlich wie die Grippe. Prof. Dr. Rod Jackson
Doch selbst wenn man bessere Zahlen für Zähler und Nenner habe, so enthielten auch diese oft noch Unsicherheiten, sagt Jackson. Aber mit diesen könne man umgehen und zumindest eine Spanne für den Infizierten-Verstorbenen-Anteil berechnen.

Umfangreiche Daten lägen beispielsweise für Spanien vor. Nach diesen Daten starben 0,5 bis 2 von 100 Infizierten. Für den besonders betroffenen Bundesstaat Victoria in Australien kommt Jackson auf höchstens einen von 100. „Zum Vergleich: Bei der Grippe beträgt diese Quote weniger als eins zu tausend. COVID-19 ist demnach mindestens 10 Mal so tödlich wie die Grippe.“

Einen Blick in den Original-Artikel auf der Webseite des New Zealand Herald zu werfen, lohnt auch wegen der zusätzlichen Elemente. Unter anderem werden die aktuellen Infektionszahlen für Neuseeland angegeben, Stand 25. September: Aktive Fälle von COVID-19: 60. Patienten im Krankenhaus: 3. Auf der Intensivstation: 0.



Die Zahl der Diagnostizierten ist als Grundlage ungeeignet
Eigentlich lässt sich die Tödlichkeit einer Krankheit leicht berechnen: Man teilt die Anzahl der Todesfälle (Zähler) durch die Anzahl der Infizierten (Nenner), und erhält so den Infizierten-Verstorbenen-Anteil (Infection Fatality Proportion). Dieser ist nicht identisch mit der Mortalität oder Sterblichkeit, denn diese bezieht sich in der Regel auch auf einen bestimmten Zeitraum.

Jackson nennt 3 Gründe, warum bei COVID 19 die Berechnung des Infizierten-Verstorbenen-Anteils schwierig ist:

1. Wir kennen weder den genauen Wert für den Zähler noch für den Nenner. Nicht alle Verstorbenen sind nur aufgrund von COVID-19 gestorben. Und nicht alle Infizierte werden getestet und erfasst.

2. Es ist uneinheitlich, welche Zahl für den Nenner genommen wird: Manche Forscher stützen sich auch nur auf die Zahl der Diagnostizierten. Doch diese ist eben nicht die Zahl der Infizierten.

3. Die Berechnung bezieht sich immer auf eine bestimmte Gruppe von Personen. Bei COVID-19 spielen aber persönliche Merkmale wie Alter oder Vorerkrankungen eine entscheidende Rolle für die Gefahr durch das Virus. Insofern sind die Zahlen aus einer Gruppe streng genommen nur auf eine Gruppe mit ähnlichen Merkmalen übertragbar. „Wenn die Berechnung von einer Gruppe stammt, die nicht ähnlich ist zur Altersverteilung in Ihrer Stadt oder Ihrem Land, sagt der Infizierten-Verstorbenen-Anteil nicht viel aus“, warnt Jackson.


Und dann spiele natürlich auch noch die Gesundheitsversorgung vor Ort eine wichtige Rolle.

Wenn die Berechnung von einer Gruppe stammt, die nicht ähnlich ist zur Altersverteilung in Ihrer Stadt oder Ihrem Land, sagt der Infizierten-Verstorbenen-Anteil nicht viel aus. Prof. Dr. Rod Jackson
Diese Phänomene seien aber kein Grund, sich mit inkorrekten Berechnungen zufrieden zu geben. Denn je länger die Pandemie dauere, desto bessere Daten seien vorhanden, mit denen man arbeiten könne.

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Dienstag, 29. September 2020
Die Leopoldina fordert für den Corona-Herbst einheitliche Regeln, konsequente Umsetzung sowie mehr Tests und Kommunikation
Michael van den Heuvel, Medscape


Der Herbst naht, und damit auch die Angst vor deutlich mehr Neuinfektionen mit SARS-CoV-2. Bereits jetzt gehen die Zahlen deutlich nach oben; etwa ein Drittel des Frühjahrsmaximalwerts wurde erreicht. „Die Dynamik nimmt zu“, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. „Wir alle haben es in der Hand, ob sich Infektionen wieder unkontrolliert ausbreiten – durch eigenes Verhalten, Rücksichtnahme, Verzicht auf weitere Öffnungsschritte und durch politische Maßnahmen.“

Solche recht vagen Formulierungen hat die Leopoldina jetzt mit einer Handlungsempfehlung konkretisiert [1]. Von der Politik fordern die Experten, nicht nur verbindliche, wirksame und einheitliche Regeln für Vorsorgemaßnahmen aufzustellen, sondern diese konsequenter und einheitlicher als bisher umzusetzen. Die Empfehlungen im Detail:

Keine größeren Menschenansammlungen
Bereits zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie haben Epidemiologen und Virologen zahlreiche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung erarbeitet, allen voran die AHA-Regel (Abstandhalten, Hygiene, Alltagsmaske/Mund-Nasen-Schutz) und regelmäßiges Lüften der Innenräume.

„Aus dem bisherigen Kenntnisstand folgt, dass größere Menschenansammlungen, bei denen das Einhalten der Abstandsregel, das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes und ein entsprechender Luftaustausch nicht ausreichend gewährleistet werden können, weiterhin nicht stattfinden sollten“, heißt es im Dokument.

„Insbesondere Gruppenaktivitäten in geschlossenen Räumen, die zu einer vermehrten Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole führen, wie Sport, Singen oder lautes Sprechen, sollten nicht oder nur mit besonderen Schutzmaßnahmen stattfinden.“ Alle Regeln sollten einheitlich sein, um Wirkung zu zeigen.

Neue Test- und Quarantäne-Strategien
Darüber hinaus fordern Leopoldina-Experten „leicht zugängliche, verständliche und verlässliche Abläufe für Testung, Ergebnismitteilung und -interpretation“. An Kritik sparen sie nicht: „Dringend notwendig sind die weitere Digitalisierung der Datenerfassung und eine barrierefreie und schnelle Mitteilung von Ergebnissen und deren Konsequenzen.“

Engpässe bei PCR-Tests halten die Experten in nächster Zeit für wahrscheinlich. Deshalb plädieren sie im Rahmen der gesetzlichen Regelungen für den Einsatz von Antigen-Schnelltests, obwohl deren „Sensitivität und Spezifität gegenüber PCR-Tests deutlich verringert sind“.

Ziel einer neuen Teststrategie müsse sein, die Zeit zwischen Test und Ergebnis weiter zu verkürzen und insbesondere die Infektiosität zu erfassen:

Im Mittel lassen sich SARS-CoV-2-Infektionen nach 2 Tagen detektieren.

Nach 5 Tagen treten meist die ersten Symptome auf.

Die infektiöse Phase beginnt 2 bis 3 Tage vor Symptombeginn und endet etwa 7 Tage danach.

Gelinge es, Patienten rasch zu testen, lasse sich die Isolationszeit im Normalfall auf eine Woche verkürzen, bei Hochrisiko-Kontakten nennen Experten 10 Tage.


Verantwortungsvolles Verhalten der Bevölkerung
Ob es gelingen wird, die Pandemie zu kontrollieren, hänge nicht nur von Ärzten, Wissenschaftlern oder Politikern ab, sondern in großem Maße von der Bevölkerung: Befolgen Bürger alle Regeln oder werden Corona-Leugner oder selbsternannte „Skeptiker“ zum Problem? Eine mögliche Antwort: „Um es Bürgerinnen und Bürgern zu erleichtern, Schutzmaßnahmen weiterhin – und konsequenter als bislang – einzuhalten, benötigen sie Wissen, Motivation und die Möglichkeit, sich entsprechend zu verhalten, sowie klare Regeln“, schreiben die Autoren.

Im Detail raten sie:

Bei jeder Entscheidung müssen die Grundlagen, aber auch mögliche Unsicherheitsfaktoren, in die Kommunikation einbezogen werden.

Verfahren oder Kriterien, die zu Entscheidungen geführt haben, sind transparent offenzulegen.

Generell sollten Politiker auch ökonomische und soziale Folgen der Maßnahmen berücksichtigen, verglichen mit möglichen Alternativen.

Zur Umsetzung eignen sich „gut sichtbare, motivierende und ansprechende Erinnerungen an Verhaltensregeln im öffentlichen Raum“ und Vorbilder mit entsprechendem Verhalten. Wichtig sei, zu betonen, dass ein Großteil aller Bürger solche Regeln befürworte.

Um es Bürgerinnen und Bürgern zu erleichtern, Schutzmaßnahmen weiterhin … einzuhalten, benötigen sie Wissen, Motivation und die Möglichkeit, sich entsprechend zu verhalten, sowie klare Regeln. Leopoldina

Die Leopoldina empfiehlt, Kinder und Jugendliche als spezielle Zielgruppe zu betrachten. Sie werden durch moderne Formate und Kommunikatoren wie Influencer eher erreicht als über klassische Kanäle.

Soziale und psychische Folgen berücksichtigen
Nicht zuletzt ziehen die Autoren eine Lehre aus dem 1. Lockdown: „Psychische Belastungen haben in der Pandemie zugenommen, mit potenziell langfristigen Folgen für die Gesundheit vieler.“ Viele Folgen würden sich in nächster Zeit noch stärker bemerkbar machen, so die Befürchtung. Daraus leiten die Experten mehrere Empfehlungen ab:

Bei der Planung von Maßnahmen ist es wichtig, neben Effekten auf die Pandemie soziale oder psychische Folgen für Bürger ins Kalkül zu ziehen.

Deutschland braucht in den nächsten Monaten spezielle Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz, etwa durch Bewegungsmöglichkeiten, Online-Angebote oder Telefon-Hotlines.

Zur Therapie oder Prävention sind mehr psychiatrische oder psychotherapeutische Angebote erforderlich.

Psychische Belastungen haben in der Pandemie zugenommen, mit potenziell langfristigen Folgen für die Gesundheit vieler. Leopoldina
Das aktuelle Dokument ist bereits die 6. Stellungnahme der Leopoldina zur Coronavirus-Pandemie in Deutschland. Grundlage sind aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse. Man sieht sich hier in einer beratenden Funktion. „Entscheidungen zu treffen, ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik und der zuständigen Institutionen.

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Rückkehr zur Normalität eine Illusion?
3 Fragen, die deutlich machen, warum Corona-Impfstoffe kein Allheilmittel sind
Michael van den Heuvel, Medscape



„Eine 1. Generation von COVID-19-Impfstoffen wird voraussichtlich Ende 2020 oder Anfang 2021 zugelassen“, schreiben Prof. Dr. Malik Peiris und Prof. Dr. Gabriel M. Leung von der University of Hong Kong in The Lancet [1]. Entgegen vielen Hoffnungen sehen sie in Vakzinen aber nicht die Wunderwaffe, um zur Normalität vor SARS-CoV-2-Zeiten zurückzukehren. Offen sind immunologische Fragen, aber auch praktische Aspekte zur Verteilung des Impfstoffs. 3 wichtige Fragen im Überblick:

1. Verhindert ein Impfstoff die weitere Übertragung von SARS-CoV-2?
Unter der Annahme einer Reproduktionsrate von 4 schätzen die Autoren, dass 25 bis 50% der Bevölkerung immun gegen SARS-CoV-2 sein müssten, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die WHO empfiehlt, dass Impfstoffe eine Verringerung des Krankheitsrisikos um mindestens 50% aufweisen sollten. „Selbst, wenn Impfstoffe Schutz vor Krankheiten bieten könnten, könnten sie die Übertragung nicht unbedingt in ähnlicher Weise verringern“, so Peiris und Leung.

Selbst, wenn Impfstoffe Schutz vor Krankheiten bieten könnten, könnten sie die Übertragung nicht unbedingt in ähnlicher Weise verringern. Prof. Dr. Malik Peiris und Prof. Dr. Gabriel M. Leung
Beispielsweise zeigen Tierexperimente mit Primaten eine Verringerung der Symptome und der Viruslast in den unteren Atemwegen nach Impfungen. Viren bleiben jedoch in den oberen Atemwegen erhalten und werden verbreitet. Ob es bei Menschen wie erhofft zur sterilisierenden Immunität in den oberen Atemwegen kommt, muss sich zeigen.

„Immunologische Korrelate des Schutzes vor SARS-CoV-2-Infektion und COVID-19 sind auch noch unbekannt“, konstatieren die Autoren. Sie verweisen auf die unklare Rolle bereits vorhandener neutralisierender Antikörper. Die Idee, eine passive Immunisierung mit Rekonvaleszenten-Plasma zu erzielen, wird bekanntlich jedenfalls untersucht.

Weitere Fragen betreffen die Rolle der mukosalen Immunität, der Antikörper-abhängigen zellvermittelten Zytotoxizität und der T-Zellen bei natürlichen oder passiven Immunisierungen.

2. Wie lange schützen Impfungen vor Neuinfektionen?
Die Prävalenz und Dauer neutralisierender Antikörper-Antworten nach einer natürlichen Infektion müsse man noch mit besseren Neutralisationstests, bei denen Lebendviren anstelle von Neutralisierungstests verwendet würden, untersuchen, so die Experten. Bekannt ist: Bei Coronaviren, die Erkältungen auslösen, verschwindet der Schutz oft nach weniger als einem Jahr.

Die Vorstellung, dass die durch COVID-19-Impfstoffe induzierte Immunität der Bevölkerung eine Rückkehr zur Normalität vor COVID-19 ermöglicht, könnte auf illusorischen Annahmen beruhen. Prof. Dr. Malik Peiris und Prof. Dr. Gabriel M. Leung
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