Sonntag, 16. März 2008
Der eiserne Vorhang steht und wird täglich neu ausgebaut
Keine 20 Jahre nach der Öffnung der Grenzen Osteuropas gibt es einen neuen eisernern Vorhang, an dem jedes Jahr mehr Menschen starben als während der gesamten Existenz der DDR an deren Westgrenze gestorben sind. Sie fliehen nach Europa, weil Europa ihnen in ihrer Heimat die Lebensgrundlagen nimmt. Ein Bauer in Kamerun kann 15 Stunden am Tag schuften, das nützt ihm gar nichts, weil die subventionierten EU-Agrarprodukte auf dem Markt seines eigenen Landes billiger sind als die im Land erzeugten. Das große Bauernlegen, das mit der Grünen Revolution in den 1950er und 60ern begonnen hatte, nimmt weiterhin zu, und in den afrikanischen Großstädten türmt sich das Elend zu Gebirgen.

Vor Mauretanien und Senegambien oder Guinea-Bissau haben kanadische, portugiesische und japanische Fischereigesellschaften die Fanggründe gepachtet, den einheimischen Fischern bleiben Hunger, Piraterie oder Migration. Die Situation in manchen afrikanischen Ländern ist so verzweifelt, dass Nachrichten über das Ausbrechen eines Krieges in einem anderen afrikanischen Staat als Hoffnungszeichen begriffen werden, weil man sich als Söldner Geld verdienen kann.

War das Entstehen der globalisierten Weltwirtschaft in ihrer aktuellen Form und die Aufgabe des Organisierens ökonomischer Interessenssphären in geographisch voneinander abgeschotteten Räumen noch mit Kriegen verbunden gewesen, die dem Aufbrechen von Entwicklungsblockaden, dem Freisetzen von für die new world order benötigten Potenzialen und der Inwertsetzung bestimmter Regionen für die kapitalistische Entwicklung dienten (Golf II, auch Golf GTI - Globaler Transatlantischer Imperialismus - genannt, Yugoslawien), so dienen die Kriege heute ganz direkt dem Zugriff auf Rohstoffe und der Vernichtung überflüssiger Esser (Sierra Leone, Liberia, Kongo). In der europäischen Peripherie werden unter deutscher Regie (Herr Schily war da mal federführend und Bosnien-Herzegowina das Experimentierfeld für Nordafrika) riesige Internierungslager eingerichtet, um zu verhindern, dass Flüchtlinge in die EU gelangen, und EU-Neubeitreter wie Bulgarien werden dazu verpflichtet, das EU-Grenzregime zu übernehmen. Hunger, Lager, Deportation, das bedeuten die Wörter “Schengen” und “Dublin” für Schwarzafrika und Teile des Kaukasus.

Aminata Traoré sagte hierzu auf dem Weltsozialforum in Nairobi 2007: “Die menschlichen, finanziellen und technologischen Mittel, die Europa gegen die Migrationswellen aus Afrika einsetzt, sind in Wahrheit die Werkzeuge eines Krieges zwischen dieser Weltmacht und jungen Afrikanern aus Stadt und Land, deren Recht auf Bildung, wirtschaftliche Betätigung, Arbeit und Nahrung in ihren Herkunftsländern unter der Knute der strukturellen Anpassung vollkommen missachtet wird. Als Opfer makroökonomischer Entscheidungen, für die sie in keiner Weise verantwortlich sind, werden sie gejagt, aufgespürt und gedemütigt, sobald sie einen Ausweg in der Emigration suchen.”

Völkermord gegen soziale Emanzipation, das ist das Ergebnis europäischer Entwicklungspolitik. Interessiert hierzulande aber niemanden, sind ja nur Neger.

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Ich find dieses Europa-Bashing ziemlich übertrieben und dieses ganze Posting nicht lösungsorientiert.
Zumindest gelingt es doch unseren Neu-Mitgliedern in Osteuropa recht gut, Wachstum, steigenden Wohlstand, höhere Löhne, etc. zu erzielen. Viel besser als etwa in der NAFTA.
Und welche Bedeutung hat denn Afrika nun wirklich für unsere Wirtschaft? Und hat es nicht Botswana geschafft, einigermassen für Wohlstand seiner Bevölkerung zu sorgen?
Südkorea war Ende der 50er Jahre ärmer als viele afrikanische Staaten. Warum haben die es geschafft? Weil der weiße amerikanische Mann die gegen den Kommunismus hochgepäppelt hat, oder weil die das selber durchgezogen haben? Ich bin für zweiteres und ersteres macht mich wütend, weil das nämlich exakt der typischen kolonialen/imperialen Haltung seit 1492 entspricht: die Neger, Schlitze und befederten Rothäute benötigen den weissen Mann zur Steuerung.

Wir leben in einer Zeit, in der sich die Terms of Trade von Rohstoff- und Landwirtschaftsproduzenten vielleicht noch für 5 Jahre (oder länger) gegenüber Industrieprodukten verbessern. Ich hoffe, dass viele Länder der Meere des Südens diese zusätzlichen Mittel für sinnvolle Investitionen in die Zukunft nutzen werden. Und viele machen das auch.
Ich weiss auch nicht, ob die Deklaration des Nord-Süd-Gegensatzes zum Krieg in irgendeiner Weise zielführend ist. Wesentlich konkretere Vorschläge finden sich etwa bei Joseph Stiglitz.
Transatlantisch ist "Imperialismus" sowieso nicht. Schliesslich agiert China in Afrika auch nicht viel anders und die liegen nunmal nicht am Atlantik.

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Dann versuch doch mal, eine afrikanische Perspektive einzunehmen, dann stellt sich das dramatisch anders da. @Osteuropa: Ich kann mich daran erinnern, dass 1988 ein Besucher aus Äthiopien gefragt wurde, was er zum Unterschied in den Angeboten der Kaufhäuser von BRD und DDR meinte, und er erwiderte, ihm sei gar kein Unterschied aufgefallen.


GTI bezog sich auf die konkreten Verhältnisse USA-Golfregion und hat mit China erstmal nichts zu tun.

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Welche afrikanische Perspektive?
Die von dem der dableibt (offenbar die Mehrheit)?
Die von dem Angehörigen einer manchmal stark ausbeuterischen Mehrheit?
Die von einem Flüchtling?
Schliesslich sind nicht alle Afrikaner Flüchtlinge. Nur eben sehr viele.
Und dann gibts noch das Problem brain drain. Auch einige gut ausgebildete Afrikaner kommen irgendwo schon hier hin. Und zwar nicht über die Sahara. Mein Cousin hat mal als WG mit einem Kameruner zusammengelebt. Der würde jetzt sogar noch ganz gerne zurück. Ist aber alles ein bischen unsicher.
Manchmal gibts bei der Kantine, in der ich meist mittagesse, Freitags Victoria-Barsch. Frag mich, ob ich das boykottieren soll. Hab mal im Fernsehen gesehen, dass die Victoria-Barsch-Fischerei offenbar in Händen von bewaffneten Warlord-Horden liegt. D.h. die kaufen von dem Geld Waffen für Kindersoldaten.

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Ich denke auch, dass der Kommentar die Probleme sehr vereinfacht. Die EU hat ja z.B. ihre Märkte für Zuckereinfuhren geöffnet, was den Zuckerrübenanbau in Deutschland praktisch zum Erliegen gebracht hat. Das ist an sich vielleicht noch nichts schlimmes, aber im Gegenzug dominiert nun Brasilien den internationalen Zuckermarkt, und das heißt, das die dortigen Großgrundbesitzer satte Profite machen, ohne das sich die Lage ihrer Arbeiter verbessert. Hätte die EU auf entsprechenden Auflagen bestehen sollen? Das geschrei über Imperialismus und einmischung in die Angelegenheiten der III. Welt hätte ich hören mögen.

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Das ist eine andere Facette desselben Spiegels, aber kein grundsätzlicher Widerspruch. Von dem Fischfang-Problem sind im Übrigen auch Europäer betroffen. Vor Zahara de los Atunes, der Keimzelle der spanischen Thunfisch-Industrie, fischen die Japaner, und die Fischer sind arbeitslos. Costa-de-la-Luz-Thun, der in Spanien auf dem Markt kommt, wird auf der Tokioter Fischbörse eingekauft und schippert zweimal um die Welt.

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Alos ich wäre durchaus für entsprechende Auflagen. Wenn die EU sagte: Wir öffnen unsere Märkte für eure Prödukte (und nehmen den verlust von Arbeitsplätzen in der europäischen Landwirtschaft in kauf), aber nur wenn ihr in euren Ländern die Arbeit der Gewerkschaften nicht behindert und dafür sorgt, dass die Unternehmer effektiv Steuern zahlen usw. usw., fände ich das OK.

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Ich auch, aber das steht leider z.Z. nicht zur Debatte.

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