Samstag, 16. Januar 2010
Those were the days
Es geht mir wie Klaus Hoffmann: Das geht mich immer noch an, was gewesen ist greift mich und zieht mich in Bann. Nachdem es gerade drüben bei Momorules Thema war, poste ich das nochmal als eigenen Beitrag bei mir - die Erinnerungen an meine subjektiv gar nicht so ferne Kindheit und Jugend, die sich in einer definitiv anderen Epoche abgespielt hat.


Meine früheste bewusste Erinnerung ist es, dass ich als Baby gewickelt wurde. Als ich davon auf der Grundschule erzählte, bescheinigten meine Lehrerinnen eine „krankhafte Fantasie“, weil es damals Lehrmeinung war, dass ein Kind sich nicht weiter als bis 5 zurückerinnern könnte. Als ich sagte, von Fünfjährigen verstünde ich mehr als sie, das wäre bei mir ja erst 2 Jahre her bekam ich einen Eintrag wg. Frechheit. Meine Mutter sagt ja heute, bei der Erziehung meiner Lieblingsschwester sei sie an ihre Grenzen gestoßen, daher habe sie gar nicht erst versucht, mich zu erziehen. Das ist so natürlich überspitzt, aber im Großen und ganzen ließ sie mich machen, was ich wollte und gab mir kein Rollenmuster vor. Vater brüllte mich öfter mal übel an, wenn ihm meine Kleidung oder meine politischen Ansichten nicht passten, hielt aber Erziehung für Frauensache und mischte sich daher in den permissiven Erziehungsstil meiner Mutter nicht ein. Ein Großteil meiner MitschülerInnen wurde hingegen klassisch autoritär erzogen, das beinhaltete auch Schläge mit Gegenständen. Mein auf dem Gymnasium bester Freund wurde regelmäßig von seinem Vater, einem Dachdeckermeister mit Geltungswahn (umgab sich nur mit porschefahrenden Mittelständlern, aß in Restaurants, wo es auf Hundert Mark mehr oder weniger nicht ankam und führte seinen alteingessesenen Traditionsbetriieb in den Konkurs) mit Gürteln oder Latten versohlt. Ein paar Tage später musste er seinem Vater dann die Striemen zeigen, ob die auch ausreichten oder im wahrsten Sinne des Wortes Nachschlag fällig sei. Der arme Junge wohnte zeitweise im Exil bei mir, und meine Eltern dachten sogar daran, ihn zu adoptieren. Eine solche Erziehung traumatisierte zwar, aber nicht in die Richtung, Maßstäbe der Eltern zu verinnerlichen un die eigene Persönlichkeit in Frage zu stellen, sondern eher in Richtung Abgrenzung und „ich will nicht werden, was mein Alter ist“. Die Kinder-Eltern-Konflikte meiner meisten MitschülerInnen in den 1970ern bis frühen 80ern waren noch die gleichen wie die der 67er.r


In unserem Viertel haben wir ständig draußen gespielt. Überall waren Labyrinthe und Himmel-und-Hölle-Spiele mit Kreide auf die Bürgersteige gezeichnet, an bald jedem Vorgartenzaun hing ein Gummitwist, und wir machten Seilspringen. Es standen noch ungeräumte Trümmerhäuser aus dem Zweiten Weltkrieg rum, und es war herrlich, wenn auch streng verboten, darin Verstecken zu spielen. Einmal bekamen wir furchbaren Ärger, als wir in so einem Trümmerhaus ein Lagerfeuer machten. An jeder Straßenecke war ein Tante-Emma-Laden, es gab noch einen Milchmann, und einmal die Woche kam der Kartoffelmann mit seinem Lieferwagen, bimmelte und rief „Kattoffeln, Kattofeln, lange gelbe“, und ich verstand „Plagegeld“. Auch die Bettler waren noch nicht diec Berber von heute, sondern gingen in den Häusern von Wohnung zu Wohnung, klingelten und baten um eine Spende. Abgesehen davon gab es auch Hausierer, die Seife, Kurzwaren und Spielzeug aus dem Bauchladen anboten. Die wichtigste Supermarktkette neben ALDI und EDEKA (das waren damals aber eher Tante-Emma-Läden von der Größe her) hieß VIVO und gehörte dem DGB.


Das Alles ist kaum über 30 Jahre her.

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