Sonntag, 21. November 2010
Von der Jugendlichkeit des Alterns
Gerade habe ich wieder anlässlich einer Ü30 Party gesehen, wie ein paar Fünfzigerinnen, die hardcore auf Mitte 20 machten versuchten, Männer um 30 abzuschleppen. Ich gönne denen ihren Spaß, habe auch nichts gegen Resteficken-Parties (sonst würde ich da ja selbst auch nicht hingehen), aber mir fiel einmal mehr auf, wie jung der heutige Jugendlichkeitskult im Grunde selber ist. In meiner eigenen Kindheit und Jugend, die weitgehend in die 70er Jahre fiel wäre so etwas undenkbar gewesen. Also nicht nur scharf herausgeputzte Muttis 48-56 in Lederminiröcken, Strapsteilen, hohen Stiefeln und schwarz geschminkten Lippen, sondern auch sportliche Opas in teuren Outdoorklamotten, die durch den Park joggen. Sexy aussehen wollen und das durch Frisur und Kleidung zum Ausdruck bringen war damals tatsächlich auf jüngere Leute beschränkt, schon die mittelalten kleideten und gaben sich "alt". Frauen über 40 trugen langweilige hochgeschlossene beigefarbene oder aschblaue Kleider, die Haare zum Dutt hochgesteckt, und wer als Mann in der Öffentlichkeit einen Adidas-Trainingsanzug trug wies sich damit als Sozialhilfeempfänger aus. Richtig alte Leute trugen Greisenkleidung, die außer ihnen niemand trug (wie Klaus Hoffmann in "Die alten Weiberlein" sang: "Diese uralten Mäntel mit verbogenen Schultern, die frieren in jeder Jahreszeit"), und Greise bevölkerten die Parkbänke. Immerhin unterhielten sie sich dort, es gab noch Kommunikation unter ihnen, ganz unmittelbar face to face.


Das alles hat sich geändert, manches zum Guten, manches zum Schlechten, aber das verbreitete allgemeine Ablästern über den modernen Jugendkult ist mir eine Spur zu bequem und zu oberflächlich. Vielleicht sind wir heute tatsächlich länger jung, wir werden ja auch um rund ein Jahrzehnt älter als damals. Und die Nichtmehrjungen hatten damals weniger Freiheiten als heute.

... link (0 Kommentare)   ... comment