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Mittwoch, 14. August 2013
Eine Art von Rezension – Queer_Feminismus. Label und Lebensrealität von Leah Bretz und Nadine Lantzsch
che2001, 00:58h
Wenn ich hier „Eine Art von Rezension“ schreibe hat das seinen guten Grund. Dies ist nicht nur eine Rezension, sondern stellt vielmehr einen Abgleich des Büchleins mit eigenen Erfahrungen aus linken emanzipatorischen Zusammenhängen dar, weil vieles, was die Autorinnen schreiben, mir fremd und doch gleichzeitig vertraut vorkommt und sich außerdemingens Synergien und Synchronizitäten zu dem ergeben, was Alter Bolschewik parallel auf Shifting Reality behandelt. Auch bei der Netbitch sind verwandte Themen und Fragestellungen verschiedentlich aufgetaucht. Fragwürdigen Erwartungshaltungen von Maskulinisten, Verschwörungstheoretikern oder Blogschlachtenbummlern möchte ich gleich eingangs eine Absage erteilen: Es geht mir nicht um ein Aufrechnen alter Konflikte mit Dritten oder Dritter mit den Autorinnen, die ich nicht kenne und gegen die ich nichts habe. Sondern es geht um den Gegenstand an sich, und das ist zwar die Materie Queerfeminismus, aber zunächst mal ein singuläres Buch.
Meine Erwartungshaltung als ich mit dem Lesen begann hatte zuförderlichst einmal darin bestanden, erläutert zu bekommen, worin sich Queerfeminismus von Feminismus im Allgemeinen unterscheidet, inwieweit queerfeministisches Denken in sonstiges feministisches Denken eingebettet ist, ich hatte eine Art Bestandsaufnahme des radikalen feministischen Denkens auf dem Status quo von jetzt erwartet. Diese Erwartungen erfüllt das Buch in keiner Weise. Schon formal fühlte ich mich etwas vor den Kopf gestoßen.
Bei Büchern, die von politisch aktiven Menschen über die eigenen politischen Inhalte geschrieben werden sind vor allem zwei Darstellungsformen üblich und verbreitet: Autobiografien bzw. Erlebnisberichte, die das eigene politische Denken und Handeln narrativ aus der eigenen Vita ausbreiten und zum anderen theoretische Arbeiten im engeren Sinne, die einen politischen Denkansatz aus der politischen Entwicklung und Rezeptionsgeschichte her darstellen. Nichts von Beidem geschieht hier, nach kurz abgerissenen Lebensläufen der Autorinnen wird hier fast übergangslos mitten in die Sache gesprungen. In einer nicht-erzählerischen, wissenschaftlichen Abhandlung eines politologischen Themas ist eine bestimmte Vorgehensweise normalerweise strikt vorgegeben: Eine einleitende Erläuterung des Themas, ein Abriss des bisherigen Diskussionsstandes und der wesentlichsten Kontroversen in der Diskussion und eine Abgrenzung des eigenen Ansatzes von den anderen, ehe vertieft zur Sache gegangen wird. Nichts davon findet statt (außer in ein paar lapidaren Sätzen über ein paar Seiten, wo es um hegemoniale Geschichtsschreibung und queere und antirassistische Gegenpositionen geht, dazu gleich noch mehr), als Leser muss ich raten oder aus der sonstigen Beschäftigung mit feministischer Theorie zwischen den Zeilen ableiten, worin sich Queerfeminismus von sonstigem Feminismus unterscheidet oder wie Queerfeminismus entstanden ist.
Noch nicht einmal ein abstracts, das eingangs die Kerngedanken zusammenfasst, Grundvoraussetzung der Veröffentlichung eines Aufsatzes in einer StudentInnenzeitschrift, ist vorhanden. Teilweise sehr provokante Positionen der Autorinnen, die auch im Widerspruch zu anderen feministischen oder antirassistischen Haltungen stehen werden nicht durch Quellenbelege, Zitate oder Sekundärtexte belegt, sondern einfach apodiktisch behauptet. Das ganze Büchlein kommt ohne Fußnoten aus. Auch das schmale Literaturverzeichnis am Ende, das einen Überblick über für das Buch relevante queerfeministische und antirassistische Literatur geben will bewegt sich ausschließlich innerhalb der eigenen Filterblase, Klassiker wie „Das Unbehagen der Geschlechter“ aka „Gender Troubles“, „Jenseits der Macht, „Strange fruit“ ….. fehlen komplett. An keiner mir bekannten Fakultät hätte ein solches Buch irgendeine Chance, als schriftliche Arbeit überhaupt zugelassen zu werden, da es rein handwerklich jegliche wissenschaftliche Arbeitsweise vermissen lässt.
Auf fast jeder Seite schrieb ich bei meiner anfänglichen Lektüre gleich mehrmals „Beleg?“ an den Seitenrand.
Gewöhnungsbedürftig, aber ambitioniert und interessant ist der Sprachstil der Autorinnen, Sprachdekonstruktivismus im besten Saussureschen Sinne, mit dem die Gewordenheit und gesellschaftliche Bedingtheit und Machtabhängigkeit von Begrifflichkeiten sehr schön verdeutlicht wird. So heißt es: „durch… hierarchisierungen verschiedener sprach_handlungen werden eurozentrische, weiße und akademisierte diskurse naturalisiert und normalisiert. sie werden also als „natürlich, ursprünglich, unveränderlich, vorgängig“ vorausgesetzt und diese herstellung weder als machtvoller prozess wahrnehmbar gemacht, noch als herstellung benannt…. sprach_handlungen scheinen lediglich in schriftlicher form vermittelbar, was wiederum ableismus, also diskriminierung_en, die aufgrund von zugeschriebenen, konstruierten und naturalisierten körperlichen und psychischen „fähigkeiten“ erfolgen, re_produziert“ S. 10. ff.
(Anm. d. Verf.: hier habe ich echt etwas dazugelernt, bisher bedeutete Ableismus für mich schlicht ein Synonym für Behindertenfeindlichkeit.)
Damit erfolge „Wegnennung“ von Quellen und somit, in fast allen genealogischen Erzählungen, eine Art zwangsläufiger Geschichtsklitterung. Bis zu diesem Punkt kann ich den Autorinnen sehr gut folgen und auch zustimmen, ich hatte ja selbst in der Auseinandersetzung mit Neuen Rechten einerseits und Wirtschaftsliberalen andererseits erlebt, wie bestimmte emanzipatorische Gedanken gar nicht mehr formulierbar gemacht werden sollen. Dann allerdings verlassen die Autorinnen den Boden der empirisch nachvollziehbaren Darstellung feministischer Geschichtsschreibung, wenn es heißt“ „wir möchten transparent machen, wie wir mit unserer queer_feministischen praxis in bezug zu verschiedenen geschichten und genealogien stehen….wir wollen die begriffe nicht ihren kontexten entreißen und mit völlig anderen be_deutungen füllen, weil wir verantwortung übernehmen, wenn wir bestimmte begriffe über_nehmen. es gibt allerdings nicht_die-erzählung von queer_feminismus. das wellenmodell lehnen wir als form der erzählenden einbettung feministischer geschichte ab, weil die eurozentrierenden, weißen, heteragegenderten und ableisierten normen dieser hegemonialen geschichtsschreibung bis heute kaum hinterfragt werden und damit ein großer teil feministischer geschichte, konflikt- und tradierungslinien sowie inhalte entmerkt und weg_genannt werden.“
Und hier schreit es bei mir geradezu: „Wo ist der Beleg?“. Dass die Standardinterpretation der Realität in einer heteronormativen Gesellschaft heteronormativ ist und dass weiß-männlich-heterosexuell noch immer das alles andere dominierende Muster ist lässt sich nicht abstreiten, dass queere und speziell lesbische Lebensrealítität permanent ausgeblendet wird („weggenannt“) auch nicht. Aber dies ausgerechnet an der Gschichtsschreibung festzumachen und dieser zu unterstellen, all die Thematiken, die sich aus der Wahl einer anderen Perspektive als whm ergeben zu unterdücken ist schon weit mehr als fragwürdig. In einschlägigen Zeitschriften wie Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis werden solche Fragestellungen sehr wohl diskutiert, und zwar kontinuierlich seit einer Zeit, als beide Autorinnen noch zur Grundschule gingen, gerade die Geschichtswissenschaft hat dem Dekonstruktivismus in der Tradition Bourdieus und Foucaults in Deutschland zum Durchbruch verholfen, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Körpergeschichte, Umweltgeschichte sind längst im Mainstream angekommen. HistorikerInnen wie Karin Hausen, Maria Mies, Gerburg Treusch-Dieter, Adelheid von Saldern, Rebecca Habermas, Doris Kaufmann und Karl-Heinz Roth haben sehr viel dazu beigetragen, dass die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, des Waschens, der Hygiene, die mündlich überlieferte Geschichte der nicht schreibenden Unterschichten (oral history), die Geschichte sozialer Protestbewegungen und die Entwicklung von Geschlechtsrollen-orientierungen im Wandel der Zeiten für wichtiger oder zumindest genauso wichtig angesehen werden wie die offizielle Politik- und Staatsgeschichte, die in ihrer Reinform nur noch an inselartigen besonders konservativen Fakultäten in der Geschichtsforschung wie Bonn oder München vertreten wird. Dieser Paradigmenwechsel vollzog sich im Verlauf der Achtziger und Neunziger Jahre.
Die an die Gendertheorie anknüpfende Alltagsgeschichte wurde schon in den Achtzigern vom damaligen Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte vertreten. Mehr Establishment geht nicht.
Was die „weiße“ Geschichtsschreibung angeht erwähne ich die dem MPI nahestehende wichtige Zeitschrift Historische Anthropologie, in der nicht nur Beiträge von AutorInnen aus allen Weltregionen publiziert und solche mit definitiv antirassistischen Stoßrichtungen veröffentlich werden, sondern solch wunderschöne Provokationen wie die Beiträge von Gananath Obeyesekere, in denen er süffisant kolonialrassistische Stereotypen umdrehend sich durchaus wissenschaftlich ernsthaft damit beschäftigte, dass „der sogenannte Kannibalismus der Maori“ sich in Wirklichkeit nur auf den „Konsum von Europäern beschränkt“ habe und damit zu einem Zeitpunkt, als Frankreich gerade das Mururoa-Atoll in die Luft sprengte in der sog. „Südsee“ einen Cannibal-Chic auslöste. Die hegemonisierende, weiße, männliche Geschichtsschreibung ist innerhalb der Geschichtswissenschaft selber längst schon Geschichte geworden.
Im Sinne der Operationalisierbarkeit verschiedener Ansätze zum geeigneten Zeitpunkt im Rahmen postmoderner Philosophieauffassung folgerichtig, in der konkreten Form allerdings völlig ahistorisch wird es dann an dieser Stelle: „es gibt nach unserem verständnis keinen „ursprung“ von queer, genauso wenig wie es eine trennung von theorie und praxis gibt. es gibt lediglich verschiedene erzählungen, die je nach sozialer position für e_inen selbst im verborgenen liegen und die erst be_nannt werden müssen, bevor sie denk- reflektier-und verhandelbar sind.“
Damit sind wir einerseits beim zu ergründenden inneren Selbst, dessen Existenz von Foucault vehement abgelehnt wurde, andererseits jenseits jeder historisch entstandenen Entwicklungslinie. Im Folgenden nehmen die Autorinnen dann eine Unterteilung sexistischer Strukturen in verschiedene Kategorien vor, der ich wieder im Wesentlichen zustimmen kann (Kategorialgenderung, Androgenderung, Zweigenderung, Ciscgenderung, Heteragenderung und Reprogenderung), um dann allerdings zu einem Punkt zu kommen, den ich als intellektuellen Schuss ins eigene Knie bezeichnen würde: „über die verwendung des begriffs klassismus sind wir uns nicht sicher und auch nicht in allen aspekten einig. was ist eigentlich gemeint mit dem begriff? wer benutzt den begriff wie, in welchem kontext, mit welcher positionierung? sind damit (nur) ökonomische verhältnisse gemeint? was ist mit habitus? nicht teilhabe an bildung? der klassistischen ab_wertung von körpern, kultur, sprache, verhaltensweisen? muss ich mich auf marx beziehen, wenn ich klassismus thematisieren will?“ (S.17). Es klingt jetzt vielleicht gemein, aber bei dieser Passage fing eine alte Genossin von mir, ehemalige Emma-Mitstreiterin, lauthals zu lachen an. Eine derartige Offenbarung von „keine Ahnung“ in einem Buch, das sich als feministische Theorieschrift versteht ist schon beachtlich.
In der Traditionslinken wie in der Frauenbewegung ist der Zusammenhang zwischen Klasse und Patriarchat eigentlich klar, und abgesehen von obsoleten Diskussionen um Haupt- und Nebenwidersprüche recht eindeutig gefasst. Männliche Dominanz- und Besitzverhältnisse sind demzufolge historisch zwangsläufig miteinander verknüpft. Am Anfang des Patriarchats steht die jungsteinzeitliche Revolution, in deren Verlauf Männer sich den Besitz des Landes und des Viehs, die Kontrolle über die Waffen und über die Reproduktionsarbeit bzw. Arbeitskraft überhaupt der Frauen sicherten. Jede gesellschaftliche Formation seither kommt nicht ohne die Reproduktion ungleicher Besitz-und Geschlechterverhältnisse aus. Das ist so ganz grob die Matrix, die den Hintergrund sowohl marxorientierter als auch klassisch-feministischer Ansätze bildet (Klassiker: Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, Bebel, Die Frau und der Sozialismus, de Beauvoir, Das andere Geschlecht, Schwarzer, Der Kleine Unterschied und seine großen Folgen, mit den Themen aus den letzten Zeilen aus dem Zitat beschäftigte sich Bourdieu in "die feinen Unterschiede"), wenn das noch nicht einmal mehr gewusst wird eröffnet sich allerdings ein Abgrund an Desinformiertheit bei Leuten, die den Anspruch haben, Andere zu informieren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Dreifachunterdr%C3%BCckung
Überhaupt scheinen den Autorinnen die Verknüpfungen von Diskriminierung-Marginalisierung-Sexismus-Rassismus und Ökonomie nicht klar zu sein, dann fehlt es allerdings an den Grundlagen der eigenen theoretischen Verortung. Und da die Diskriminierung marginalisierter Gruppen ohne sozioökonomische Theorie gedacht wird werden unterschiedliche Diskriminierungsverhältnisse aneinander gereiht bzw. unterschiedslos nebeneinandergestellt, neben Sexismus, Rassismus, „Klassismus“ und Homophobie z.B. Ableismus, Diskriminierung von Dauersingles ohne Partnerbeziehungen oder von Dicken.
Eine Perspektive von revolutionärer oder auch reformistischer Überwindung bestehender HERRschaftsverhältnisse haben die Autorinnen nicht, es geht ihnen vielmehr um die Einnahme der richtigen Haltungen und von punktuellen, situationsgebundenen „Interventionen“ gegen Dominanzsstrukturen. Bei Intervention würde ich als aktionsorientierter Linker nun an Frauen-schlagt-zurück-Vergewaltiger-wir-kriegen-euch-Aktionen, Notruftelefone oder Blockaden gegen Abschiebungen denken, aber auch das scheint wiederum nicht gemeint zu sein, sondern in erster Linie Sprechakte: hierarchisierte Verhältnisse und Privilegien verbal oder symbolisch sichtbar zu machen.
„wir begreifen jede form von denken_erleben_fühlen_sprechen_schreiben bereits als handeln, es gibt keine nicht-handlungen und keine prozesse, zustände oder gedanken, die einer handlung vorgängig sind. Somit ist eine gesellschaftliche struktur kein „fester“ zustand, sondern eine permanente handlung, wird durch handlungen hergestellt, gefestigt und aktualisiert…. Rund um den begriff handeln_handlung würde es sich im rahmen dieses buches anbieten, sich den begriffen „aktivismus“, „widerstand“, kampf“ und „bewegung_en“ w_ortend zu nähern. Wir haben uns gegen die verwendung und w_ortung dieser begriffe entschieden. Einerseits weil diese begriffe erneut hierarchisierungen zwischen handeln als aktivem „tun“ und nicht_handlungen generieren und somit ableismus re_produzieren. Andererseits weil sie in ihren konventionalisierten verwendungen nicht in gänze er_fassen, wie wir diese begriffe deuten. sie ziehen inhaltliche grenzen, wo wir keine sehen und hierarchisieren interventionen in diskriminierende strukturen und diskurse entlang einer entnannten androgegenderten_weißen_ableisierten norm.“ (S. 21 ff.) Manche Progressiven sind halt in erster Linie wortschrittlich.
Von der ersten und zweiten Generation der Frauenbewegung fühlen die Autorinnen sich nicht vertreten und konstatieren, dass diese auch nichts mit queeren Inhalten zu tun habe, sondern vor allem die Interessen heteroexueller weißer Frauen formuliert hätten. In Anbetracht der Tatsache, dass dazu die immer zum großen Teil aus Lesben bestehende Emma-Redaktion und gemischte hetera-lesbische Frauenzusammenhänge zu rechnen sind, die im Gegensatz zu Bretz und Lantzsch in strategischen Bündnissen und pragmatischer Arbeit denken und handeln wird dies der Sache nicht ganz gerecht, denn damit wird auch der sehr relevante Anteil queerer Frauen innerhalb der allgemeinen Frauenbewegung unterbelichtet. Unter dem Begriff „Umverteilung ohne Anerkennung“ wird von Privilegierten, z.B. Heten oder Männern erwartet oder verlangt, zugunsten von Marginalisierten zurückzutreten und Unterstützungs- oder Reproduktionsarbeit wahrzunehmen, den von Marginalisierung Betroffenen aber die SprecherInnenposition zu überlassen. Das finde ich gut, es ist aber nicht neu.
Aus meiner Biografie in linken Gruppierungen kenne ich die Herangehensweise, dass die Schüchternen, die Stotternden, die MigrantInnen usw. aufs Podium gehen oder die Texte schreiben oder vortragen sollen als eine Selbstverständlichkeit. Wenn das heute nicht mehr so ist – ich kann aus eigener Erfahrung nur über Leute sprechen, die ihre Sozialisation in links-emanzipatorischen Gruppen in den 1970ern, 80ern und 90ern erlebt haben und wenn heute noch aktiv so von den Youngsters abgeschnitten sind – dann dokumentiert dies, was eine emanzipatorische Bewegung alles an selbstverständlicher Kultur und selbstverständlichem Wissen inzwischen verloren hat. Oder aber es dokumentiert nur den Binnenhorizont einer kleinen Subkultur, so etwas kenne ich ja auch aus eigenem Erleben. Über den Theoriestand des Queerfeminismus habe ich aus dem Buch so gut wie nichts erfahren.
Btw. Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es Anderen juckt (Samuel Beckkett).
Meine Erwartungshaltung als ich mit dem Lesen begann hatte zuförderlichst einmal darin bestanden, erläutert zu bekommen, worin sich Queerfeminismus von Feminismus im Allgemeinen unterscheidet, inwieweit queerfeministisches Denken in sonstiges feministisches Denken eingebettet ist, ich hatte eine Art Bestandsaufnahme des radikalen feministischen Denkens auf dem Status quo von jetzt erwartet. Diese Erwartungen erfüllt das Buch in keiner Weise. Schon formal fühlte ich mich etwas vor den Kopf gestoßen.
Bei Büchern, die von politisch aktiven Menschen über die eigenen politischen Inhalte geschrieben werden sind vor allem zwei Darstellungsformen üblich und verbreitet: Autobiografien bzw. Erlebnisberichte, die das eigene politische Denken und Handeln narrativ aus der eigenen Vita ausbreiten und zum anderen theoretische Arbeiten im engeren Sinne, die einen politischen Denkansatz aus der politischen Entwicklung und Rezeptionsgeschichte her darstellen. Nichts von Beidem geschieht hier, nach kurz abgerissenen Lebensläufen der Autorinnen wird hier fast übergangslos mitten in die Sache gesprungen. In einer nicht-erzählerischen, wissenschaftlichen Abhandlung eines politologischen Themas ist eine bestimmte Vorgehensweise normalerweise strikt vorgegeben: Eine einleitende Erläuterung des Themas, ein Abriss des bisherigen Diskussionsstandes und der wesentlichsten Kontroversen in der Diskussion und eine Abgrenzung des eigenen Ansatzes von den anderen, ehe vertieft zur Sache gegangen wird. Nichts davon findet statt (außer in ein paar lapidaren Sätzen über ein paar Seiten, wo es um hegemoniale Geschichtsschreibung und queere und antirassistische Gegenpositionen geht, dazu gleich noch mehr), als Leser muss ich raten oder aus der sonstigen Beschäftigung mit feministischer Theorie zwischen den Zeilen ableiten, worin sich Queerfeminismus von sonstigem Feminismus unterscheidet oder wie Queerfeminismus entstanden ist.
Noch nicht einmal ein abstracts, das eingangs die Kerngedanken zusammenfasst, Grundvoraussetzung der Veröffentlichung eines Aufsatzes in einer StudentInnenzeitschrift, ist vorhanden. Teilweise sehr provokante Positionen der Autorinnen, die auch im Widerspruch zu anderen feministischen oder antirassistischen Haltungen stehen werden nicht durch Quellenbelege, Zitate oder Sekundärtexte belegt, sondern einfach apodiktisch behauptet. Das ganze Büchlein kommt ohne Fußnoten aus. Auch das schmale Literaturverzeichnis am Ende, das einen Überblick über für das Buch relevante queerfeministische und antirassistische Literatur geben will bewegt sich ausschließlich innerhalb der eigenen Filterblase, Klassiker wie „Das Unbehagen der Geschlechter“ aka „Gender Troubles“, „Jenseits der Macht, „Strange fruit“ ….. fehlen komplett. An keiner mir bekannten Fakultät hätte ein solches Buch irgendeine Chance, als schriftliche Arbeit überhaupt zugelassen zu werden, da es rein handwerklich jegliche wissenschaftliche Arbeitsweise vermissen lässt.
Auf fast jeder Seite schrieb ich bei meiner anfänglichen Lektüre gleich mehrmals „Beleg?“ an den Seitenrand.
Gewöhnungsbedürftig, aber ambitioniert und interessant ist der Sprachstil der Autorinnen, Sprachdekonstruktivismus im besten Saussureschen Sinne, mit dem die Gewordenheit und gesellschaftliche Bedingtheit und Machtabhängigkeit von Begrifflichkeiten sehr schön verdeutlicht wird. So heißt es: „durch… hierarchisierungen verschiedener sprach_handlungen werden eurozentrische, weiße und akademisierte diskurse naturalisiert und normalisiert. sie werden also als „natürlich, ursprünglich, unveränderlich, vorgängig“ vorausgesetzt und diese herstellung weder als machtvoller prozess wahrnehmbar gemacht, noch als herstellung benannt…. sprach_handlungen scheinen lediglich in schriftlicher form vermittelbar, was wiederum ableismus, also diskriminierung_en, die aufgrund von zugeschriebenen, konstruierten und naturalisierten körperlichen und psychischen „fähigkeiten“ erfolgen, re_produziert“ S. 10. ff.
(Anm. d. Verf.: hier habe ich echt etwas dazugelernt, bisher bedeutete Ableismus für mich schlicht ein Synonym für Behindertenfeindlichkeit.)
Damit erfolge „Wegnennung“ von Quellen und somit, in fast allen genealogischen Erzählungen, eine Art zwangsläufiger Geschichtsklitterung. Bis zu diesem Punkt kann ich den Autorinnen sehr gut folgen und auch zustimmen, ich hatte ja selbst in der Auseinandersetzung mit Neuen Rechten einerseits und Wirtschaftsliberalen andererseits erlebt, wie bestimmte emanzipatorische Gedanken gar nicht mehr formulierbar gemacht werden sollen. Dann allerdings verlassen die Autorinnen den Boden der empirisch nachvollziehbaren Darstellung feministischer Geschichtsschreibung, wenn es heißt“ „wir möchten transparent machen, wie wir mit unserer queer_feministischen praxis in bezug zu verschiedenen geschichten und genealogien stehen….wir wollen die begriffe nicht ihren kontexten entreißen und mit völlig anderen be_deutungen füllen, weil wir verantwortung übernehmen, wenn wir bestimmte begriffe über_nehmen. es gibt allerdings nicht_die-erzählung von queer_feminismus. das wellenmodell lehnen wir als form der erzählenden einbettung feministischer geschichte ab, weil die eurozentrierenden, weißen, heteragegenderten und ableisierten normen dieser hegemonialen geschichtsschreibung bis heute kaum hinterfragt werden und damit ein großer teil feministischer geschichte, konflikt- und tradierungslinien sowie inhalte entmerkt und weg_genannt werden.“
Und hier schreit es bei mir geradezu: „Wo ist der Beleg?“. Dass die Standardinterpretation der Realität in einer heteronormativen Gesellschaft heteronormativ ist und dass weiß-männlich-heterosexuell noch immer das alles andere dominierende Muster ist lässt sich nicht abstreiten, dass queere und speziell lesbische Lebensrealítität permanent ausgeblendet wird („weggenannt“) auch nicht. Aber dies ausgerechnet an der Gschichtsschreibung festzumachen und dieser zu unterstellen, all die Thematiken, die sich aus der Wahl einer anderen Perspektive als whm ergeben zu unterdücken ist schon weit mehr als fragwürdig. In einschlägigen Zeitschriften wie Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis werden solche Fragestellungen sehr wohl diskutiert, und zwar kontinuierlich seit einer Zeit, als beide Autorinnen noch zur Grundschule gingen, gerade die Geschichtswissenschaft hat dem Dekonstruktivismus in der Tradition Bourdieus und Foucaults in Deutschland zum Durchbruch verholfen, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Körpergeschichte, Umweltgeschichte sind längst im Mainstream angekommen. HistorikerInnen wie Karin Hausen, Maria Mies, Gerburg Treusch-Dieter, Adelheid von Saldern, Rebecca Habermas, Doris Kaufmann und Karl-Heinz Roth haben sehr viel dazu beigetragen, dass die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, des Waschens, der Hygiene, die mündlich überlieferte Geschichte der nicht schreibenden Unterschichten (oral history), die Geschichte sozialer Protestbewegungen und die Entwicklung von Geschlechtsrollen-orientierungen im Wandel der Zeiten für wichtiger oder zumindest genauso wichtig angesehen werden wie die offizielle Politik- und Staatsgeschichte, die in ihrer Reinform nur noch an inselartigen besonders konservativen Fakultäten in der Geschichtsforschung wie Bonn oder München vertreten wird. Dieser Paradigmenwechsel vollzog sich im Verlauf der Achtziger und Neunziger Jahre.
Die an die Gendertheorie anknüpfende Alltagsgeschichte wurde schon in den Achtzigern vom damaligen Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte vertreten. Mehr Establishment geht nicht.
Was die „weiße“ Geschichtsschreibung angeht erwähne ich die dem MPI nahestehende wichtige Zeitschrift Historische Anthropologie, in der nicht nur Beiträge von AutorInnen aus allen Weltregionen publiziert und solche mit definitiv antirassistischen Stoßrichtungen veröffentlich werden, sondern solch wunderschöne Provokationen wie die Beiträge von Gananath Obeyesekere, in denen er süffisant kolonialrassistische Stereotypen umdrehend sich durchaus wissenschaftlich ernsthaft damit beschäftigte, dass „der sogenannte Kannibalismus der Maori“ sich in Wirklichkeit nur auf den „Konsum von Europäern beschränkt“ habe und damit zu einem Zeitpunkt, als Frankreich gerade das Mururoa-Atoll in die Luft sprengte in der sog. „Südsee“ einen Cannibal-Chic auslöste. Die hegemonisierende, weiße, männliche Geschichtsschreibung ist innerhalb der Geschichtswissenschaft selber längst schon Geschichte geworden.
Im Sinne der Operationalisierbarkeit verschiedener Ansätze zum geeigneten Zeitpunkt im Rahmen postmoderner Philosophieauffassung folgerichtig, in der konkreten Form allerdings völlig ahistorisch wird es dann an dieser Stelle: „es gibt nach unserem verständnis keinen „ursprung“ von queer, genauso wenig wie es eine trennung von theorie und praxis gibt. es gibt lediglich verschiedene erzählungen, die je nach sozialer position für e_inen selbst im verborgenen liegen und die erst be_nannt werden müssen, bevor sie denk- reflektier-und verhandelbar sind.“
Damit sind wir einerseits beim zu ergründenden inneren Selbst, dessen Existenz von Foucault vehement abgelehnt wurde, andererseits jenseits jeder historisch entstandenen Entwicklungslinie. Im Folgenden nehmen die Autorinnen dann eine Unterteilung sexistischer Strukturen in verschiedene Kategorien vor, der ich wieder im Wesentlichen zustimmen kann (Kategorialgenderung, Androgenderung, Zweigenderung, Ciscgenderung, Heteragenderung und Reprogenderung), um dann allerdings zu einem Punkt zu kommen, den ich als intellektuellen Schuss ins eigene Knie bezeichnen würde: „über die verwendung des begriffs klassismus sind wir uns nicht sicher und auch nicht in allen aspekten einig. was ist eigentlich gemeint mit dem begriff? wer benutzt den begriff wie, in welchem kontext, mit welcher positionierung? sind damit (nur) ökonomische verhältnisse gemeint? was ist mit habitus? nicht teilhabe an bildung? der klassistischen ab_wertung von körpern, kultur, sprache, verhaltensweisen? muss ich mich auf marx beziehen, wenn ich klassismus thematisieren will?“ (S.17). Es klingt jetzt vielleicht gemein, aber bei dieser Passage fing eine alte Genossin von mir, ehemalige Emma-Mitstreiterin, lauthals zu lachen an. Eine derartige Offenbarung von „keine Ahnung“ in einem Buch, das sich als feministische Theorieschrift versteht ist schon beachtlich.
In der Traditionslinken wie in der Frauenbewegung ist der Zusammenhang zwischen Klasse und Patriarchat eigentlich klar, und abgesehen von obsoleten Diskussionen um Haupt- und Nebenwidersprüche recht eindeutig gefasst. Männliche Dominanz- und Besitzverhältnisse sind demzufolge historisch zwangsläufig miteinander verknüpft. Am Anfang des Patriarchats steht die jungsteinzeitliche Revolution, in deren Verlauf Männer sich den Besitz des Landes und des Viehs, die Kontrolle über die Waffen und über die Reproduktionsarbeit bzw. Arbeitskraft überhaupt der Frauen sicherten. Jede gesellschaftliche Formation seither kommt nicht ohne die Reproduktion ungleicher Besitz-und Geschlechterverhältnisse aus. Das ist so ganz grob die Matrix, die den Hintergrund sowohl marxorientierter als auch klassisch-feministischer Ansätze bildet (Klassiker: Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, Bebel, Die Frau und der Sozialismus, de Beauvoir, Das andere Geschlecht, Schwarzer, Der Kleine Unterschied und seine großen Folgen, mit den Themen aus den letzten Zeilen aus dem Zitat beschäftigte sich Bourdieu in "die feinen Unterschiede"), wenn das noch nicht einmal mehr gewusst wird eröffnet sich allerdings ein Abgrund an Desinformiertheit bei Leuten, die den Anspruch haben, Andere zu informieren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Dreifachunterdr%C3%BCckung
Überhaupt scheinen den Autorinnen die Verknüpfungen von Diskriminierung-Marginalisierung-Sexismus-Rassismus und Ökonomie nicht klar zu sein, dann fehlt es allerdings an den Grundlagen der eigenen theoretischen Verortung. Und da die Diskriminierung marginalisierter Gruppen ohne sozioökonomische Theorie gedacht wird werden unterschiedliche Diskriminierungsverhältnisse aneinander gereiht bzw. unterschiedslos nebeneinandergestellt, neben Sexismus, Rassismus, „Klassismus“ und Homophobie z.B. Ableismus, Diskriminierung von Dauersingles ohne Partnerbeziehungen oder von Dicken.
Eine Perspektive von revolutionärer oder auch reformistischer Überwindung bestehender HERRschaftsverhältnisse haben die Autorinnen nicht, es geht ihnen vielmehr um die Einnahme der richtigen Haltungen und von punktuellen, situationsgebundenen „Interventionen“ gegen Dominanzsstrukturen. Bei Intervention würde ich als aktionsorientierter Linker nun an Frauen-schlagt-zurück-Vergewaltiger-wir-kriegen-euch-Aktionen, Notruftelefone oder Blockaden gegen Abschiebungen denken, aber auch das scheint wiederum nicht gemeint zu sein, sondern in erster Linie Sprechakte: hierarchisierte Verhältnisse und Privilegien verbal oder symbolisch sichtbar zu machen.
„wir begreifen jede form von denken_erleben_fühlen_sprechen_schreiben bereits als handeln, es gibt keine nicht-handlungen und keine prozesse, zustände oder gedanken, die einer handlung vorgängig sind. Somit ist eine gesellschaftliche struktur kein „fester“ zustand, sondern eine permanente handlung, wird durch handlungen hergestellt, gefestigt und aktualisiert…. Rund um den begriff handeln_handlung würde es sich im rahmen dieses buches anbieten, sich den begriffen „aktivismus“, „widerstand“, kampf“ und „bewegung_en“ w_ortend zu nähern. Wir haben uns gegen die verwendung und w_ortung dieser begriffe entschieden. Einerseits weil diese begriffe erneut hierarchisierungen zwischen handeln als aktivem „tun“ und nicht_handlungen generieren und somit ableismus re_produzieren. Andererseits weil sie in ihren konventionalisierten verwendungen nicht in gänze er_fassen, wie wir diese begriffe deuten. sie ziehen inhaltliche grenzen, wo wir keine sehen und hierarchisieren interventionen in diskriminierende strukturen und diskurse entlang einer entnannten androgegenderten_weißen_ableisierten norm.“ (S. 21 ff.) Manche Progressiven sind halt in erster Linie wortschrittlich.
Von der ersten und zweiten Generation der Frauenbewegung fühlen die Autorinnen sich nicht vertreten und konstatieren, dass diese auch nichts mit queeren Inhalten zu tun habe, sondern vor allem die Interessen heteroexueller weißer Frauen formuliert hätten. In Anbetracht der Tatsache, dass dazu die immer zum großen Teil aus Lesben bestehende Emma-Redaktion und gemischte hetera-lesbische Frauenzusammenhänge zu rechnen sind, die im Gegensatz zu Bretz und Lantzsch in strategischen Bündnissen und pragmatischer Arbeit denken und handeln wird dies der Sache nicht ganz gerecht, denn damit wird auch der sehr relevante Anteil queerer Frauen innerhalb der allgemeinen Frauenbewegung unterbelichtet. Unter dem Begriff „Umverteilung ohne Anerkennung“ wird von Privilegierten, z.B. Heten oder Männern erwartet oder verlangt, zugunsten von Marginalisierten zurückzutreten und Unterstützungs- oder Reproduktionsarbeit wahrzunehmen, den von Marginalisierung Betroffenen aber die SprecherInnenposition zu überlassen. Das finde ich gut, es ist aber nicht neu.
Aus meiner Biografie in linken Gruppierungen kenne ich die Herangehensweise, dass die Schüchternen, die Stotternden, die MigrantInnen usw. aufs Podium gehen oder die Texte schreiben oder vortragen sollen als eine Selbstverständlichkeit. Wenn das heute nicht mehr so ist – ich kann aus eigener Erfahrung nur über Leute sprechen, die ihre Sozialisation in links-emanzipatorischen Gruppen in den 1970ern, 80ern und 90ern erlebt haben und wenn heute noch aktiv so von den Youngsters abgeschnitten sind – dann dokumentiert dies, was eine emanzipatorische Bewegung alles an selbstverständlicher Kultur und selbstverständlichem Wissen inzwischen verloren hat. Oder aber es dokumentiert nur den Binnenhorizont einer kleinen Subkultur, so etwas kenne ich ja auch aus eigenem Erleben. Über den Theoriestand des Queerfeminismus habe ich aus dem Buch so gut wie nichts erfahren.
Btw. Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es Anderen juckt (Samuel Beckkett).
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Alter Schwede!
che2001, 14:22h
Es ist interessant, was für Klischees über Schweden heute so im Gange sind und welche das früher waren. Zum heutigen Schweden-Bild gehört politische Fortschrittlichkeit bei ausgeprägter politischer Korrektheit und, trotz allgegenwärtiger FKK-Badegewohnheiten, sexueller Verklemmtheit. Ich kann mich noch erinnern, dass Schweden in den 80er Jahren als das Fickparadies galt, wo One-Night-Stands mit Zufallsbekanntschaften als das zwangsläufige Ergebnis jeder Strandparty galten, und meine großen Schwestern rieten mir: „Wenn Du im Urlaub Sex haben willst, fahr nach Skandinavien, nicht nach Südeuropa.“
Dazu kommt auch die Idee, Schwedische Menschen seien melancholisch und nur unter Alkohol lustig. Habe gerade in den Bergen mit einer schwedischen Clique zu tun, die sind so lustig wie rheinische Jecken und temperamentvoll wie sizilianische Fischer;-)
Dazu kommt auch die Idee, Schwedische Menschen seien melancholisch und nur unter Alkohol lustig. Habe gerade in den Bergen mit einer schwedischen Clique zu tun, die sind so lustig wie rheinische Jecken und temperamentvoll wie sizilianische Fischer;-)
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Bundesverfassungsgericht hebt Strafurteil gegen Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Brandenburg auf
che2001, 10:50h
„Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg“ des Flüchtlingsrats fällt unter die Meinungsfreiheit
Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte anlässlich des Antirassismustages 2010 einen „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus“ an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg an der Havel verliehen. Mit dem Denkzettel kritisierte der Flüchtlingsrat, dass eine Sachbearbeiterin der Behörde einem Flüchtling wider besseres Wissen eine Vortäuschung seiner fachärztlich bescheinigten Gehörlosigkeit unterstellte und so seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnte.
Die Sachbearbeiterin des Rechtsamt Brandenburg zeigte daraufhin die Verantwortlichen des Flüchtlingsrats wegen übler Nachrede an. Im März 2012 verurteilte das Amtsgericht Potsdam zwei Mitarbeiter des Flüchtlingsrates wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Potsdam wegen „offensichtlicher Unbegründetheit“ nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Bundesverfassungsgericht hob mit seinem heute veröffentlichten Beschluss diese Verurteilung auf. Es stellte fest, dass die gerichtlichen Entscheidungen die Mitarbeiter des Flüchtlingsrats in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen. Zur Begründung führte das Verfassungsgericht aus, dass die Gerichte den Schutzgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu Unrecht verkürzt hätten. Gerade das Recht, behördliche Maßnahmen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehöre zum Kernbereich der Meinungsfreiheit.
„Ich bin sehr froh über diese klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil damit die Versuche seitens der Vertreter der Stadt Brandenburg und der Potsdamer Gerichte, uns mundtot zu machen, unterbunden worden sind“, so Harald G., einer der Beschwerdeführer.
Für den Flüchtlingsrat, der sich u.a. als Lobbyorganisation für die Interessen von Flüchtlingen versteht und sich mit diesem Selbstverständnis gegen diskriminierende und menschenunwürdige Zustände und Praktiken gegenüber Flüchtlingen engagiert, sind die Verleihungen des Denkzettels eine wichtige Möglichkeit, öffentlich auf unhaltbare Zustände aufmerksam zu machen.
Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Regina Götz: „Immer wieder sind insbesondere Flüchtlinge mit staatlichem Rassismus konfrontiert, wie auch das aktuelle Beispiel der Äußerungen von Richterin Petzoldt am Amtsgericht Eisenhüttenstadt zeigt. Dass uns das Bundesverfassungsgericht nun in unserer Arbeit stärkt und der Kriminalisierung unserer Tätigkeit entschieden entgegen tritt, ist für die gesellschaftspolitische Arbeit gegen strukturellen Rassismus von erheblicher Bedeutung.“
Für weitere Informationen:
Die Entscheidung des BVerfG:
www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20130724_1bvr044413.html
Pressemitteilung des BverG:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg13-052.html
Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte anlässlich des Antirassismustages 2010 einen „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus“ an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg an der Havel verliehen. Mit dem Denkzettel kritisierte der Flüchtlingsrat, dass eine Sachbearbeiterin der Behörde einem Flüchtling wider besseres Wissen eine Vortäuschung seiner fachärztlich bescheinigten Gehörlosigkeit unterstellte und so seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnte.
Die Sachbearbeiterin des Rechtsamt Brandenburg zeigte daraufhin die Verantwortlichen des Flüchtlingsrats wegen übler Nachrede an. Im März 2012 verurteilte das Amtsgericht Potsdam zwei Mitarbeiter des Flüchtlingsrates wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Potsdam wegen „offensichtlicher Unbegründetheit“ nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Bundesverfassungsgericht hob mit seinem heute veröffentlichten Beschluss diese Verurteilung auf. Es stellte fest, dass die gerichtlichen Entscheidungen die Mitarbeiter des Flüchtlingsrats in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen. Zur Begründung führte das Verfassungsgericht aus, dass die Gerichte den Schutzgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu Unrecht verkürzt hätten. Gerade das Recht, behördliche Maßnahmen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehöre zum Kernbereich der Meinungsfreiheit.
„Ich bin sehr froh über diese klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil damit die Versuche seitens der Vertreter der Stadt Brandenburg und der Potsdamer Gerichte, uns mundtot zu machen, unterbunden worden sind“, so Harald G., einer der Beschwerdeführer.
Für den Flüchtlingsrat, der sich u.a. als Lobbyorganisation für die Interessen von Flüchtlingen versteht und sich mit diesem Selbstverständnis gegen diskriminierende und menschenunwürdige Zustände und Praktiken gegenüber Flüchtlingen engagiert, sind die Verleihungen des Denkzettels eine wichtige Möglichkeit, öffentlich auf unhaltbare Zustände aufmerksam zu machen.
Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Regina Götz: „Immer wieder sind insbesondere Flüchtlinge mit staatlichem Rassismus konfrontiert, wie auch das aktuelle Beispiel der Äußerungen von Richterin Petzoldt am Amtsgericht Eisenhüttenstadt zeigt. Dass uns das Bundesverfassungsgericht nun in unserer Arbeit stärkt und der Kriminalisierung unserer Tätigkeit entschieden entgegen tritt, ist für die gesellschaftspolitische Arbeit gegen strukturellen Rassismus von erheblicher Bedeutung.“
Für weitere Informationen:
Die Entscheidung des BVerfG:
www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20130724_1bvr044413.html
Pressemitteilung des BverG:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg13-052.html
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