Dienstag, 30. Juli 2019
Zur Überschreitung des Ressourcenverbrauchs der Menschheit: Unsinn der siegt
Zu dem heute erreichten Peak hörte ich eine Radiosendung in der irgendson Experte erklärte, wir müssten insgesamt bescheidener leben, zum Beispiel was das Wohnen angehe. Wir lebten auf viel zu viel Platz und würden viel zu große Räume beheizen. Die Normgröße an der wir uns künftig zu orientieren hätten sollten die Wohnverhältnisse der 50er und 60er Jahre sein.

Wahrscheinlich meinte der, selber gehätscheltes Wohlstandskind, die Einfamilien- bzw. Siedlungshäuser dieser Zeit, von den großstädtischen, innerstädtischen Wohnverhältnissen hat er nachgewiesener Weise keine Ahnung. Bis zu der Zeit lebten in Westdeutschland in einer 80 Quadratmeter großen Etagenwohnung in einem Mietshaus im Durchschnitt drei Parteien, d.h. pro Partei ein Ehepaar mit 1-4 Kindern. In einem 20 Quadratmeter großen Zimmer wohnten also 3-6 Leute, Küche und Bad (falls vorhanden) wurden unter den 3 Parteien geteilt. Häufig gab es aber gar kein Bad, Körperwäsche erfolgte durch eine in der Küche mit (kaltem) Wasser befüllte Emailleschüssel mit Schwamm oder Lappen, Klos waren oft noch auf dem Treppenhaus. Das betraf auch die Hausbesitzer selber (damals Hauswirte genannt), es erfolgte eine Zwangseinweisung von Obdachlosen, Ausgebombten und Flüchtlingen durch das Wohnungsamt.

Die Zwangsbewirtschaftung des Wohnungsmarkts zeigte diese extremen Formen bis etwa 1967, wurde aber erst 1977 abgeschafft -und unmittelbar darauf begann dann auf der anderen Seite die ungehemmte Immobilienspekulation, auf die die Hausbesetzungswelle von 1979-83 eine direkte Reaktion war.

Solche Wohnverhältnisse aus Gründen der Ressourceneinsparung wieder durchzusetzen dürfte wohl nur mit militärischen Mitteln möglich sein. Wie soll das praktisch gehen? Jedes Badezimmer in ein Einliegerschlafzimmer umwandeln, jede Duschkabine wegreißen und durch eine Wärmepumpe ersetzen?


Abgesehen von der historischen Unwissenheit solcher Empfehlungen zeigt sich hier der Kardinalfehler der energiepolitischen Volkserziehungskonzepte aller Umweltverbände und der Grünen: Es wird an die individuelle Haltung der Bürger apelliert, die ihr Verhalten ändern sollen. Das ist moralisch in einem idealistischen, vormaterialistischen, vormarxschem Sinne: Nicht gesellschaftliche Makrostrukturen sollen verändert werden, sondern das Alltagsbewusstsein und Alltagshandeln der kleinen Leute. Die Moral um die es dabei geht ist sehr calvinistisch: Wer sich nicht ökologisch korrekt verhält soll sich schuldig fühlen, wer das eigene Leben nach ökologischen Prinzipen ausrichtet darf stolz auf sich sein. Die Elektromobilität ist die geronnene Form dieses kleinbürgerlichen falschen Bewusstseins: Der Fahrer und die Fahrerin des Emobils hat ein gutes Gewissen, obwohl der Strom zum nicht unerheblichen Teil aus Kohle- oder Atomenergie kommt. Aber das Auto emittiert das CO2 ja nicht direkt selbst. Die "Flugscham" schlägt in dieser Beziehung dem Fass die Krone ins Gesicht: 83-86 Prozent des von Menschen in die Athmosphäre frei gesetzten CO2 stammen aus Wärmekraftwerken, 2 Prozent von Flugzeugen. Angenommen, ich würde jedes Jahr zum Weihnachtsfest nach Hawaii fliegen würde ich damit ein geringeres CO2-Problem erzeugen als die Gesamtheit meiner Mehrheitsnachbarn, die ihren Strom aus einem Kohlekraftwerk beziehen.

BtW und wie sich antirassistisch-multikulturell fühlende deutsche Ökolinke dabei vorkommen ihren chinesischen Nachbarn den regelmäßigen Verwandtenbesuch verbieten zu wollen möchte ich so genau gar nicht wissen...

Wirklich grundlegende Veränderungen sind nur möglich, wenn primär die Emissionsausschüttung der Industrien und der Stromerzeuger angegangen wird, und das geht nicht ohne die Stellung der Macht- bzw. der Klassenfrage.

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