Montag, 12. Oktober 2020
Ein bisschen Schutz? Der Kontakt mit Erkältungsviren könnte auch der Immunabwehr gegen SARS-CoV-2 auf die Sprünge helfen
Damian McNamara


SARS-CoV-2 teilt ein wichtiges Merkmal mit einigen Viren, die normale Erkältungen verursachen. Und die strukturelle Ähnlichkeit legt nahe, dass Menschen – je nach ihrer Erkältungsanamnese – möglicherweise eine gewisse Immunität gegen SARS-CoV-2-Infektionen haben. Darauf deuten neue Erkenntnisse hin.

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 steigert auch die Produktion von Gedächtnis-B-Zellen, lang überdauernden Bestandteilen des Immunschutzes. Obwohl Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Laufe der Zeit tendenziell abnehmen, bleiben diese Gedächtnis-B-Zellen erhalten und könnten bei einer erneuten Infektion eine schnelle Abwehr aufbauen, berichten Wissenschaftler, die eine Studie gemacht haben, die kürzlich online in mBio, der Zeitschrift der American Society for Microbiology, publiziert worden ist [1].

„Wir diskutieren in unserer Studie die Evidenz, dass Gedächtnis-B-Zellen, die durch eine Infektion des Menschen mit Erkältungs-Coronaviren erzeugt wurden, mit SARS-CoV-2 kreuzreaktiv sind und als Reaktion auf eine SARS-CoV-2-Infektion Antikörper produzieren“, berichtet Senior-Co-Autor Prof. Dr. Mark Sangster gegenüber Medscape.

„Der bedeutendste Aspekt ist dabei, dass diese Gedächtnis-B-Zellen die konservierte S2-Region des SARS-CoV-2-Spike-Proteins erkennen und Anti-S2-Antikörper produzieren“, sagte der Forscher am David H. Smith-Zentrum für Impfbiologie und Immunologie der Universität des Rochester Medical Center, Rochester, New York.

Wie viel Immunschutz diese Anti-S2-Antikörper aber tatsächlich gegen COVID-19 verleihen, ist unbekannt.

Nach Ähnlichkeiten suchen
Von den 4 mit Erkältungen verbundenen endemischen Virusstämmen handelt es sich bei 2 um Beta-Coronaviren. Da SARS-CoV-2 zur selben Familie von Viren gehört, suchten die Forscher zunächst nach gemeinsamen Schlüssel-Strukturproteinen. Frühere Studien ergaben jedoch keine Hinweise auf eine wesentliche Kreuzreaktivität.

In jüngster Zeit berichteten jedoch mehrere Forscher, dass sie bei Menschen ohne COVID-19 eine relevante B- und T-Zell-Immunität gefunden haben, die einen gewissen zukünftigen Schutz gegen SARS-CoV-2 bieten könnte.


Aufbauend auf diesen Erkenntnissen verglichen Sangster, Senior Co-Autor Dr. David J. Topham und ihre Kollegen 26 nicht hospitalisierte, genesende COVID-19-Patienten mit einer Gruppe von 20 Mitarbeitern des Gesundheitswesens ohne COVID-19-Diagnose im Strong Memorial Hospital in Rochester. Eine andere Kohorte von 21 gesunden Erwachsenen war vor der Pandemie untersucht worden.

Eine Verbindung zu den verbreiteten Erkältungsviren ergab sich dadurch, dass „Immunglobulin G oder IgG, das auf S2 reagiert, bei nicht exponierten Probanden weit verbreitet war und wahrscheinlich auf die Exposition gegenüber menschlichen Coronaviren zurückzuführen ist“, schreiben die Forscher.

Diese Entdeckung könnte helfen, das breite Spektrum der COVID-19-Schwere zu erklären, sagte Sangster. „Die klarste und wichtigste Botschaft aus unserer Arbeit ist, dass eine SARS-CoV-2-Infektion Gedächtnis-B-Zellpopulationen erzeugt und/oder erweitert, die SARS-CoV-2-Proteine erkennen.“

Die klarste und wichtigste Botschaft aus unserer Arbeit ist, dass eine SARS-CoV-2-Infektion Gedächtnis-B-Zellpopulationen erzeugt und/oder erweitert, die SARS-CoV-2-Proteine erkennen. Prof. Dr. Mark Sangster
Gedächtnis-B-Zellen vermitteln bekanntlich die sekundäre Antikörper-Antwort, die durch die schnelle Produktion großer Mengen hochaffiner antiviraler Antikörper gekennzeichnet ist, wie Sangster erläutert. „Es ist auch bekannt, dass Gedächtnis-B-Zell-Populationen über viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte erhalten bleiben.“

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Menschen, selbst wenn die SARS-CoV-2-reaktiven Antikörperspiegel nach der Infektion abnehmen, immer noch Gedächtnis-B-Zellpopulationen behalten, die bei einer erneuten Infektion schnell hochwirksame Anti-SARS-CoV-2-Antikörper produzieren“, sagte Sangster.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Menschen, selbst wenn die SARS-CoV-2-reaktiven Antikörperspiegel nach der Infektion abnehmen, immer noch Gedächtnis-B-Zellpopulationen behalten. Prof. Dr. Mark Sangster
Obwohl die Gedächtnis-B-Zellen eine erneute Infektion nicht verhindern, könnten sie „die Schwere einer zweiten Infektion erheblich verringern, vorausgesetzt, SARS-CoV-2 verändert sich nicht im Antigen-Profil wie das Influenzavirus“.

Interessant waren auch die Ergebnisse im Hinblick darauf, was die Forscher unter den Probanden ohne SARS-CoV-2-Infektion nicht fanden. Zum Beispiel hatte keine der nicht infizierten Personen Immunglobulin G, das für SARS-CoV-2 spezifisch war.


„Die laufenden Forschungen in unserem Labor zielen darauf ab, kreuzreaktive Gedächtnis-B-Zellen, die durch Erkältungs-Coronaviren erzeugt werden, genauer zu charakterisieren“, sagte Co-Autor Topham gegenüber Medscape.

Die Forscher wollen das Ausmaß des Schutzes bewerten, den die Gedächtnis-B-Zellen bieten könnten, einschließlich der Frage, ob die früheren Spiegel dem späteren Schweregrad von COVID-19 entsprechen, sagte Topham, der ebenfalls beim Smith Center für Impfstoffbiologie und Immunologie am Rochester Medical Center arbeitet.

„Wir planen auch, die Erzeugung von Gedächtnis-B-Zellen durch die COVID-19-Impfstoffe zu messen, die derzeit entwickelt und getestet werden“, sagte er. „Die Erzeugung neutralisierender Antikörper ist nicht der einzige Weg, über den Impfstoffe Schutz bieten können.“

Prospektive Studien erforderlich
Die Aussagen aus der aktuellen Studie sind aufgrund deren retrospektiven Designs limitiert. Dr. Andreas Thiel sagte gegenüber Medscape auf die Bitte, zu der Studie Stellung zu nehmen: „Um klare Antworten zu erhalten, sind umfangreiche prospektive Studien erforderlich. Wir haben dies auch in unserem Artikel diskutiert“, so Thiel. Er ist Hauptautor einer Studie in Nature vom 29. Juli 2020, in der SARS-CoV-2-reaktive T-Zellen zwischen Menschen mit COVID-19 und gesunden Spendern verglichen worden waren.

Um klare Antworten zu erhalten, sind umfangreiche prospektive Studien erforderlich. Dr. Andreas Thiel
„Wie es sich wirklich darstellt, werden wir erst in einiger Zeit sehen“, fügte Thiel hinzu, der an der Charité in Berlin und dem Berlin-Brandenburgischen Zentrum für Regenerative Therapien in Deutschland arbeitet. „Es könnte allerdings gut sein, dass es sogar länger dauert, solche Studien zu machen und solide Ergebnisse zu erzielen, wie einen sicheren und effizienten Impfstoff zu entwickeln.“

Der Artikel wurde von Sonja Böhm aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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COVID-19: Studiendaten zu Remdesivir und Hydroxychloroquin im NEJM – eines ist top, das andere floppt
Dr. Susanne Heinzl


Im New England Journal of Medicine sind online die finalen Ergebnisse der ACTT-1-Studie zu Remdesivir [1] und der RECOVERY-Studie zu Hydroxychloroquin [2] in der Behandlung von Patienten mit COVID-19 publiziert worden.

Remdesivir: Schnellere Genesung, geringere Sterblichkeit
Bei Remdesivir bestätigen die Daten dessen Wirksamkeit: Es verkürzte bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19 und Infektionen der tiefen Atemwege im Vergleich zu Placebo die Zeit bis zur Genesung signifikant um 5 Tage. Eine klinische Besserung an Tag 15 war mit Remdesivir wahrscheinlicher als mit Placebo. Die Sterblichkeit an Tag 29 war mit 11,4% unter Remdesivir niedriger als mit 15,2% unter Placebo.

Schwere unerwünschte Wirkungen traten bei 24,6% der Patienten unter Remdesivir und bei 31,6% unter Placebo auf.

Hydroxychloroquin: Malariamittel bringt keinen Benefit
Ganz anders dagegen die Ergebnisse der RECOVERY-Studie, deren Hydroxychloroquin-Arm wegen fehlender Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen worden war. Innerhalb von 28 Tagen waren 27% der Patienten unter Hydroxychloroquin und 25% in der Standardtherapie-Gruppe gestorben. Das Risiko für eine künstliche Beatmung oder Tod war unter Hydroxychloroquin mit 30,7% versus 26,9% höher.

ACCT-1-Studie mit Remdesivir
In die vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) der USA durchgeführte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Phase-3-Studie ACCT-1-Studie mit Remdesivir sind zwischen 21. Februar 2020 und 19. April 2020 in 60 Zentren weltweit 1.062 hospitalisierte Patienten mit mittelschwerem bis schwerem COVID-19-Verlauf eingeschlossen worden.


Zusätzlich zur Standardbehandlung erhielten 541 Patienten Remdesivir und 521 Placebo. Remdesivir wurde intravenös appliziert, an Tag 1 mit einer Loading Dose von 200 mg, von Tag 2 bis Tag 10 mit einer Erhaltungsdosis von 100 mg/Tag. Die Patienten wurden bis zum Tag 29 nachverfolgt.

Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Genesung, die nach verschiedenen Kategorien definiert worden war. Wichtiger sekundärer Endpunkt war der klinische Status an Tag 15. Bei einer geplanten Zwischenanalyse am 27. April 2020 waren bereits alle vorgesehenen Patienten in die Studie eingeschlossen, das Follow-Up war aber noch nicht in allen Fällen beendet. Die damaligen Ergebnisse waren am 22. Mai im NEJM publiziert worden.

Raschere Genesung mit Remdesivir
Die nun vorliegenden finalen Ergebnisse sind mit den vorläufigen Daten konsistent. Eine 10-tägige Behandlung mit Remdesivir verkürzte im Vergleich zu Placebo bei hospitalisierten Patienten mit mittelschwerem bis schwerem COVID-19-Verlauf die Zeit zur Genesung von 15 auf 10 Tage im Median (Rate Ratio für Recovery 1,29, p < 0,001). Bei schwerer Erkrankung betrug die Zeit bis zur Genesung unter Remdesivir im Median 11 Tage, mit Placebo 18 Tage.

Remdesivir besserte die klinische Symptomatik an Tag 15 stärker als Placebo. Die Sterblichkeit an Tag 15 betrug 6,7% mit Remdesivir und 11,9% mit Placebo (Hazard-Ratio 0,55), an Tag 29 betrug die Sterblichkeitsquote 11,4% mit Remdesivir und 15,2% mit Placebo (Hazard-Ratio 0,73.

Patienten in der Remdesivir-Gruppe waren kürzer im Krankenhaus als Patienten der Placebo-Gruppe: 12 versus 17 Tage. 5% der Remdesivir- und 3% der Placebo-Gruppe mussten erneut hospitalisiert werden.

Bei Patienten, die zu Studienbeginn Sauerstoff benötigten, war unter Remdesivir die Sauerstoffversorgung mit 13 Tagen kürzer als unter Placebo mit 21 Tagen. Nach Studienbeginn benötigten weniger Patienten (36%) unter Remdesivir neu Sauerstoff als unter Placebo (44%).

Remdesivir wirkte besser, wenn es früher im Verlauf der Erkrankung eingesetzt wurde.

Schwere unerwünschte Wirkungen traten bei 24,6% der Patienten in der Remdesivir- und bei 31,6% in der Placebo-Gruppe auf.

Die Autoren weisen in der Diskussion auf die zahlreichen Herausforderungen hin, die im Verlauf der Studie aufgetreten waren, denn sie wurde in einer Zeit mit zahlreichen Pandemie-bedingten Einschränkungen durchgeführt. „Allerdings waren die Forschungsteams motiviert, kreative Lösungen zu finden, um diese Herausforderungen zu meistern.“

Darüber hinaus betonen sie, dass Virustatika allein nicht ausreichend seien, um alle Patienten erfolgreich zu behandeln. Daher werde Remdesivir derzeit in der ACTT-2-Studie in Kombination mit dem JAK-Hemmer Baricitinib und in der ACTT-3-Studie in Kombination mit Interferon-beta1a untersucht.

Die RECOVERY-Studie mit Hydroxychloroquin
In der RECOVERY-Studie, einer britischen offenen Untersucher-initiierten Plattform-Studie, die unter der Aufsicht der Universität Oxford stattfindet, werden bekanntlich verschiedene Therapien für die Behandlung hospitalisierter COVID-19-Patienten in 176 Kliniken in Großbritannien untersucht.

Im Hydroxychloroquin-Arm der Studie erhielten 1.561 Patienten Hydroxychloroquin, 3.155 Standardtherapie. Die Initialdosis betrug 800 mg Hydroxychloroquin-Sulfat (4 Tabletten à 200 mg) zu Studienbeginn und nach 6 Stunden, nach 12 Stunden nahmen die Patienten 400 mg und wiederholten die Einnahme alle 12 Stunden über bis zu 9 Tage oder bis zur Entlassung.

Primärer Endpunkt war die Sterblichkeit an Tag 28. Dieser Endpunkt trat bei 27,0% in der Hydroxychloroquin-Gruppe und bei 25,0% in der Vergleichs-Gruppe auf (Rate Ratio 1,09, p = 0,15).

Patienten der Hydroxychloroquin-Gruppe waren im Median 16 Tage hospitalisiert, Patienten der Vergleichs-Gruppe 13 Tage. Für die Hydroxychloroquin-Patienten war die Wahrscheinlichkeit geringer, nach 28 Tagen die Klinik lebend verlassen zu können (59,6% versus 62,9%).

Patienten, die zu Studienbeginn nicht künstlich beatmet wurden, mussten bei Behandlung mit Hydroxychloroquin häufiger beatmet werden als bei Behandlung mit Standardtherapie (30,7% versus 26,9%).

Kardiale Todesfälle waren unter Hydroxychloroquin geringfügig (0,4 Prozentpunkte) häufiger. Schwere kardiale Arrhythmien traten jedoch unter Hydroxychloroquin-Behandlung nicht vermehrt auf.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass Hydroxychloroquin keine wirksame Behandlung für hospitalisierte Patienten mit COVID-19 ist. Sie befassen sich jedoch nicht mit dem Einsatz zur Prophylaxe oder bei Patienten mit nicht so schwerer COVID-19, die im niedergelassenen Bereich behandelt werden“, geben die Autoren zu bedenken.

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Eilmeldung - breaking news
Erstmals mehr Virusexperten als Viren.

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Corona-Faktencheck und Allgemeines zu Verschwörungstheorien
https://www.gmx.net/magazine/news/coronavirus/gesammelte-faktenchecks-coronavirus-covid-19-34535386


https://www.gmx.net/magazine/politik/30-jahre-schaeuble-attentat-verschwoerungstheorien-gefaehrlich-35159968

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