Donnerstag, 29. Oktober 2020
Was heißt eigentlich infiziert?
Und wie zuverlässig sind PCR-Tests?
Was messen sie?

Ich möchte hier nun natürlich nicht den Maskenleugnern und Pandemieverweigerern das Wort reden, aber das sind schon einige Dinge bedenkenswert.

Ein PCR-Test misst ja nicht die Aktivität der Viren im infizierten Körper, sondern nur die Anwesenheit von Virus-RNA. Ob die betroffene Person erkrankt ist, ob sie Viren ausscheidet oder nicht oder ob da nur noch RNA-Trümmer sind die das Immunsystem gerade platt gemacht hat, das findet keine Berücksichtigung. Also müsste in allen Statistiken eigentlich von "positiv Getesteten" statt von "Infizierten" die Rede sein.

Hinzu kommen unterschiedliche Einschätzunger der Verlässlichkeit der Tests selber:

https://www.bioscientia.de/home/aktuelles/2020/08/wie-zuverlaessig-ist-der-pcr-nachweis

https://www.aerzteblatt.de/archiv/214370/PCR-Tests-auf-SARS-CoV-2-Ergebnisse-richtig-interpretieren

https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/corona-test-wie-funktioniert-der-test/

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Die neuen Corona-Regeln – Intensivmediziner warnen vor „besorgniserregender Lage“, KBV setzt auf Lockdown-Alternativen
Michael van den Heuvel, Sonja Boehm, Dr. Thomas Kron



Der Herbst hat begonnen – und die Zahl der SARS-VoV-2-Infektionen steigt nicht nur in Deutschland drastisch an. Wir informieren Sie in unserem Corona-Blog über aktuelle Entwicklungen, Studien und wissenschaftliche Dispute.

Update vom 29. Oktober 2020
Die Corona-Zahlen eilen von einem Höchstwert zum nächsten: 16.744 Neu-Infektionen hat das RKI heute Morgen für die vergangenen 24 Stunden gemeldet. Trotz dieser Zahlen stößt der gestern Abend von Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder verkündete teilweise Lockdown, der ab dem 2. November für den gesamten Monat gelten und zur Eindämmung der Pandemie beitragen soll, nicht überall auf Zustimmung.

Was ab dem 2. November gilt – die Regelungen im Überblick

Intensivmediziner: Lage „absolut besorgniserregend“

KBV will Alternativen zum Lockdown: Stärker auf Ge- statt Verbote setzen!

Marburger Bund: „Der alleinige Appell an die Eigenverantwortung genügt jetzt nicht!“

Was ab dem 2. November gilt – die Regelungen im Überblick
Die wichtigsten Regelungen sind:

Nur noch maximal 10 Personen aus 2 Haushalten dürfen sich treffen.

Freizeitveranstaltungen sind deutschlandweit untersagt. Dies betrifft auch Freizeit- und Amateursport, Individualsport bleibt davon ausgenommenen. Profisport (Fußball-Bundesliga) ist nur ohne Zuschauer im Stadion zugelassen.

Fitnessstudios, Schwimm- und Spaßbäder müssen schließen,

ebenso die Gastronomie, Lieferung und Abholung bleiben erlaubt.

Übernachtungsangebote im Inland werden verboten – außer für zwingende Dienstreisen.

Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios müssen schließen; Friseursalons bleiben offen, wenn sie die Hygieneregeln beachten. Auch medizinisch notwendige Behandlungen wie Physiotherapien sind weiter möglich.

Unternehmen sollen, wenn immer möglich, Heimarbeit anbieten.

Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet,

ebenso wie der Groß- und Einzelhandel (1 Kunde pro 10 qm ist erlaubt).

Gottesdienste sind unter Einhaltung der Hygienekonzepte möglich.

Den betroffenen Unternehmen sollen im Rahmen eines Milliarden-schweren Hilfsprogramms Umsatzausfälle erstattet werden.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte in einer Pressekonferenz heute an, dass in Bayern die Bundes-Beschlüsse eins zu eins übernommen würden. Wie er sagte, müssten die persönlichen Kontakte um 75% reduziert werden, um die Infektionen einzudämmen – andernfalls drohe die Lage außer Kontrolle zu geraten. Außerdem kündigte er an, in Bayern den Katastrophenfall auszurufen.

Am Morgen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die neuen Beschlüsse vor dem Bundestag verteidigt: „Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, sind geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Wenn wir stattdessen warten würden, bis die Intensivstationen voll sind, dann wäre es zu spät!" Auf der Pressekonferenz hatte Merkel, darauf hingewiesen, dass sich die Zahl der Intensivpatienten binnen 10 Tagen verdoppelt habe, die der künstlich Beatmeten innerhalb von 9 Tagen. Wenn die Entwicklung sich so fortsetze, sagte Merkel, „kommen wir binnen Wochen an die Grenze der Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems“.

Intensivmediziner: Lage „absolut besorgniserregend“
Intensivmediziner hatten zuvor vor einer Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen gewarnt. Die Lage sei „absolut besorgniserregend“ wird z.B. der Leiter der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Prof. Dr. Stefan Kluge von dpa zitiert: „Wir müssen diesen Trend stoppen, die Politik muss handeln! Uns bleibt keine andere Wahl.“

Wie Kluge sagte, sind einige Kliniken schon gut mit COVID-19-Patienten belegt, andere Erkrankte würden bereits verdrängt. Auch habe sich bereits eine Reihe von Krankenhaus-Mitarbeitern infiziert. Er warnte davor mit Blick auf die (noch) langsam steigende Zahl der Todesopfer abzuwarten: „Wir müssen auf die Zahl der Intensivpatienten gucken. Dann wissen wir, wohin die Reise geht.“ Und derzeit gehe die Kurve bei den COVID-19-Erkrankten auf den Intensivstationen „steil nach oben“. Im Schnitt vergingen 10 Tage, bis ein Patient mit Symptomen auf die Intensivstation verlegt werden müsse – Todesfälle träten meist erst im Verlauf der im Schnitt 2 bis 3 Wochen auf der Intensivstation auf, so dass sich die Zahl der Neuinfektionen erst mit einer Verzögerung von 3 bis 4 Wochen auf die Zahl der Todesfälle auswirke, betonte er.

Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Prof. Dr. Uwe Janssens, hat auf einer Bundespressekonferenz am Donnerstag die Regierung aufgefordert, die Krankenhäuser dazu anzuhalten, nun auf Notfallbetrieb herunterzufahren. „Wir befinden uns an einem relativ kritischen Punkt in der zweiten Welle der Pandemie“, sagte er.

„Elektive Operationen müssen wieder verschoben werden, um zusätzliche Kapazitäten frei zu machen“, forderte Janssens. „Dazu brauchen die Krankenhäuser die Anweisung und auch finanzielle Hilfen vom Staat.“ Auch die Intensivmediziner betrachten die geplanten Regelungen für den November „als sinnvoll und verhältnismäßig“.

KBV will Alternativen zum Lockdown: Stärker auf Ge- statt Verbote setzen!
Am Mittwochvormittag hatte die KBV auf einer Online-Pressekonferenz noch ein eigenes Strategie-Papier präsentiert, das von den Virologen Prof. Dr. Hendrik Streeck und Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit sowie von dem KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen unterzeichnet worden war. Darin warben die Unterzeichner dafür, stärker auf Gebote als Verbote zu setzen und sprachen sich für einen stärkeren Schutz der Risikogruppen, die Einhaltung der Hygienemaßnahmen, mehr Eigenverantwortung und ein bundeseinheitliches Ampelsystem aus. „Wir brauchen eine gesunde Balance aus Einschränkungen und wissenschaftlich begründbaren Maßnahmen“, betonte Gassen in diesem Zusammenhang.

Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg warnt laut KBV-Pressemitteilung vor „großen Nebenwirkungen“ eines weiteren Lockdowns. Aus seiner Sicht seien die AHA + A + L Regeln (Abstand/Hygiene/Alltagsmaske + App + regelmäßiges Lüften) ausreichend, um die Pandemie durchzustehen. Doch sie müssten auch konsequent umgesetzt werden.

Das Positionspapier solle die Diskussion anschieben, sagte Gassen und verwies auf die zahlreichen Unterstützer der Positionen. „Wir haben auch keine endgültige Lösung, aber es gibt sicherlich Alternativen zum Lockdown.“

Marburger Bund: „Der alleinige Appell an die Eigenverantwortung genügt jetzt nicht!“
Dagegen hat sich allerdings der Marburger Bund (MB) als Vertretung der angestellten und verbeamteten Ärztinnen und Ärzte positioniert: In einem Statement vom Donnerstag betont die MB-Vorsitzende Dr. Susanne Johna, dass es in der „sich zuspitzenden Situation mehr denn je darauf ankommt, Infektionsketten zu durchbrechen und das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen.“ Es sei wichtig, „eine mögliche Notlage in den Krankenhäusern abzuwenden“.

Bund und Länder hätten den Ernst der Lage erkannt. Zwar könne man „über einzelne Maßnahmen geteilter Meinung sein, die Grundrichtung des Bund-Länder-Beschlusses ist aber absolut richtig: Wir müssen den aktuellen Trend brechen, bevor es zu spät ist. Der alleinige Appell an die Eigenverantwortung genügt jetzt nicht.

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Warum natürliche Herdenimmunität kein Weg ist, die Impfung aber helfen kann – 3 deutsche Experten zur Corona-Eindämmung
Sonja Boehm, Medscape


Mit den rapide steigenden Infektions- und Erkrankungszahlen an COVID-19 – nicht nur in Deutschland – nehmen auch die Diskussionen zu, was die besten Strategien sind, um der Pandemie Herr zu werden. Dies ganz besonders, da nun von der Regierung für den Monat November ein weitreichender Lockdown für das ganze Land verordnet worden ist. Könnte man nicht – ähnlich wie die Schweden – auf weniger strikte Kontrollmaßnahmen und auf Herdenimmunität setzen, dabei vor allem diejenigen schützen, die besonders gefährdet sind? Oder braucht es die strikten Kontaktbeschränkungen für alle, um so die Ausbreitung von SARS-CoV-2 möglichst effektiv in allen Bevölkerungsgruppen einzudämmen?

Für beide Ansätze gibt es auch unter Wissenschaftlern Befürworter und Gegner. So propagieren z. B. – wie berichtet – die Initiatoren der Great Barrington Declaration, eine Herdenimmunität unter den weniger vulnerablen jüngeren Altersgruppen mit natürlicher Durchseuchung zu erreichen, um so dann schließlich auch die älteren Risikogruppen zu schützen.

Die Wissenschaftler im sogenannten John Snow Memorandum betonen dagegen, dass es ungewiss sei, ob sich nach einer nur milde verlaufenden Corona-Infektion tatsächlich eine langfristige Immunität gegen den Erreger aufbaue. Ohne wirksame und sichere Impfungen auf eine baldige Herdenimmunität setzen zu wollen, halten sie für unverantwortlich.

Kein gangbarer Weg
Was sagen die aktuellen Daten dazu? Wie sehen dies deutsche Experten? Das deutsche Science Media Center hat 3 Wissenschaftler in einer Online-Pressekonferenz befragt [1]. Die Zusammenfassung ihrer Ansichten vorneweg: Alle 3 sind ebenfalls der Meinung: Auf eine „natürliche“, durch Infektionen erzielte Herdenimmunität in der Bevölkerung zu setzen, um darüber auch die vulnerablen Gruppen zu schützen, ist kein gangbarer Weg!

„Das ist ohne Impfung meines Wissens mit noch keiner Infektionskrankheit gelungen“ betonte Prof. Dr. Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung und Oberarzt in der Medizinischen Klinik für Infektiologie und Pneumologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Es gibt Belege, dass dies über eine Impfung gelingen kann, etwa bei den Pneumokokken, aber dass dies auch über eine natürliche Infektion möglich ist – und man so die vulnerablen Gruppen auch schützen kann – dafür gibt es eigentlich keine Blaupause.“ Es sei für ihn „nicht vorstellbar“, wie es zu realisieren sei, eine Herdenimmunität auf diesem Weg zu erreichen und dabei die Risikogruppen wirksam zu schützen.

Und Sander hat noch einen Einwand: „Auf unseren Stationen werden derzeit auch eine relevante Anzahl von Patienten mit einem schweren Verlauf behandelt, die jünger sind.“ Junges Alter allein schütze nicht vor einem schweren Verlauf: „Wir kennen nicht alle Risikofaktoren.“ Lasse man das Virus durch die Bevölkerung laufen, riskiere man auch schwere Verläufe bei jungen Menschen, die man im Vorfeld nicht als Risikopatienten identifizieren könne.

Auch zunehmend jüngere Patienten auf der Intensivstation
Prof. Dr. Jacob Nattermann, Leiter der Arbeitsgruppe angeborene zelluläre Immunologie, Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn, pflichtet ihm bei: „Für mich als Arzt und Intensivmediziner ist es eine absurde Vorstellung, den Tod von Hunderttausenden – aller Altersstufen – in Kauf zu nehmen.“ Und er bestätigt: „Wir haben hier auf unseren Stationen, anders als in der ersten Welle, nun auch zunehmend jüngere Patienten mit schwerem Verlauf, die als einzigen erkennbaren ‚Risikofaktor‘ etwas Übergewicht haben.“






Und auch er bestätigt, dass er es für unmöglich hält, über natürliche Infektionen in der Bevölkerung einen so langfristigen Schutz aufzubauen, dass eine Herdenimmunität erreicht wird, die im Endeffekt alle schützt.

Optimismus in punkto Impfstoffen
Alle 3 Experten sind aber optimistisch, was die Entwicklung und Wirksamkeit von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 angeht. Die Tatsache, dass nun verschiedene Studien gezeigt haben, dass die Titer an neutralisierenden Antikörpern in den Wochen und Monaten nach einer Infektion wieder stark abnehmen, zum Teil sogar ganz verschwinden, spreche nicht generell dagegen, dass mit einer Vakzine ein langfristiger Impfschutz erreicht werden könne. Denn es gebe auch eine „starke T-Zellantwort gegen verschiedene Bereiche des Virus“ in den ersten Wochen nach der Infektion – und wohl auch nach einer Impfung, berichtete Prof. Dr. Robert Thimme, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg. Die T-Zellantwort bleibe nachweisbar, auch wenn die Antikörper verschwinden. Von anderen, ähnlichen Viren wie SARS-Cov-1, wisse man, dass die T-Zellen bis zu 10 Jahre nach der Erkrankung noch nachweisbar seien.

Ich bin optimistisch, dass dies (der Schutz durch Impfung) funktionieren wird – zumindest um schwere Verläufe zu verhindern. Prof. Dr. Leif-Erik Sander
Für alle derzeit in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe – ob auf Vektor- oder RNA-Basis oder ob herkömmliche Ansätze, bei denen ein Protein als Antigen genutzt wird, – „sieht es nach bisherigen Daten so aus, dass sie gut funktionieren und eine starke Immunantwort generieren“, bestätigte Sander. Dies beziehe sich sowohl auf die Titer der neutralisierenden Antikörper, als auch auf die (schwieriger zu messende) T-Zellantwort. „Ich bin optimistisch, dass dies funktionieren wird – zumindest um schwere Verläufe zu verhindern.“

Natürliche Infektion oder Impfung – ein entscheidender Unterschied
Für Sander ist dabei auch von Bedeutung, in der Öffentlichkeit den Unterschied in der Immunantwort auf eine natürliche Infektion und eine Impfung deutlich zu machen: Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 und einem eher milden Verlauf, betreffe die Infektion vor allem die Schleimhaut der oberen Atemwege. Die Immunantwort darauf falle entsprechend geringer aus – und es sei derzeit nicht geklärt, inwieweit dadurch eine andauernde Immunität erreicht werde.

„Das ist ganz anders bei einer Impfung, bei der das Agens in den Muskel eingebracht wird – das löst eine ganz andere Immunantwort aus“, betonte er. Und da könne man eher sicher sein, einen langfristigen Immunschutz zu erreichen. Auch bei Patienten mit schweren Verläufen von COVID-19, mit schweren Pneumonien, zeigten sich höhere Titer der Immunantwort als bei leichteren Krankheitsverläufen.

Es geht darum, die überschießende Immunreaktion zu verhindern
Inzwischen gehe man allerdings davon aus, dass schwere Verläufe von COVID-19 nicht die Konsequenz der Virusinfektion per se, sondern vielmehr die Folge einer überschießenden Immunreaktion seien, die zu Entzündungs- und auch Umbauprozessen, etwa in der Lunge, beitragen. „Wir kennen aber den molekularen Schalter bislang nicht.“

Eine wirksame Impfung müsse nicht unbedingt die Infektion selbst verhindern, sie könne aber den Infektionsverlauf eindämmen, bevor es zu der überschießenden Immunreaktion kommt. „Es kommt dann nicht zu der Ausbreitung des Erregers im Organismus, die eine solche Immunkaskade auslöst“, erläuterte Sander.

Es besteht Hoffnung, dass der Immunschutz einer Impfung besser ist als der Immunschutz durch die Infektion. Prof. Dr. Leif-Erik Sander
Auch Thimme betonte, dass man derzeit noch zu wenig dazu wisse, wer durch eine solche überschießende Immunantwort gefährdet sei. Neben anderen Faktoren spiele mit Sicherheit dabei auch „der genetische Hintergrund eine Rolle“, ergänzte Nattermann. „Es ist wichtig zu verstehen, was die Verläufe so unterschiedlich macht.“ Zumindest habe man nun mit den Steroiden „eine unspezifische Therapie, die etwas bringt“.

Kein Komplettschutz durch Impfung
„Einen Komplettschutz werden wir mit der Impfung nicht erreichen“, dämpfte Thimme allzu hohe Erwartungen. Das Virus werde wohl endemisch und „saisonal werden“, wie die 4 „normalen“ Corona-Erkältungsviren auch, sagte er. „Das Ziel muss eine grundlegende Immunisierung der Bevölkerung sein, um die Zahl schwerer Verläufe zu senken.“

Es ist wichtig zu verstehen, was die Verläufe so unterschiedlich macht. Prof. Dr. Jacob Nattermann
Es sei ja gerade der eher milde Verlauf der harmlosen Erkältungen mit herkömmlichen Coronaviren, der diese Erreger „so erfolgreich“ mache, erläuterte Sander dazu. „Sie verursachen eher milde Erkrankungen und entkommen damit – zu einem gewissen Grad – dem Immunsystem.“ Damit hinterließen sie aber auch keine dauerhaft sterilisierende Immunität – Reinfektionen sind möglich. Das sei bei einer Impfung aber ganz anders, denn dabei werde das Antigen dem Immunsystem direkt präsentiert. „Es besteht Hoffnung, dass der Immunschutz einer Impfung besser ist als der Immunschutz durch die Infektion.“

Es wäre wichtig, das Korrelat des Immunschutzes zu kennen
Und Thimme ist optimistisch, dass dies auch für ältere, durch SARS-CoV-2 besonders gefährdete Menschen gilt. Denn aufgrund der Erfahrungen, etwa mit der Grippe-Impfung, gibt es die Befürchtung, der Impfschutz könne gerade bei denjenigen, die ihn besonders benötigen, versagen. „Erste Daten dazu sehen gut aus“, verkündete Thimme. Sander ergänzte, dass nach den ersten Daten der klinischen Studien, mit den neuen Vakzinen auch hohe Antikörper-Titer bei älteren Menschen erreicht werden – dies gelte vor allem für die innovativen RNA- und Vektor-Vakzinen – der Vektor wirke quasi als „natürliches Adjuvans“.

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Brandanschläge im Bremer Umland: Rechte Tatmotive benennen und Betroffene konsequent schützen
Die niedersächsischen Beratungsstellen für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt, die mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus und der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordern die systematische Aufklärung der Brandanschläge im Bremer Umland gegen migrantisch geprägte Orte. Die Ermittlungen müssen in den Kontext von rechter Gewalt gestellt und die Brandanschläge als Serie betrachtet werden. Politik, Ermittlungsbehörden und Zivilgesellschaft müssen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte endlich konsequent schützen.

Seit November 2018 verübten mutmaßliche Rechtsextremist*innen in Bremervörde, Vegesack, Ganderkesee, Syke, Beverstedt und Gnarrenburg Brandanschläge auf Restaurants, Bars sowie auf eine Wohnung von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte. Für Betroffene haben diese Anschläge schwerwiegende Folgen, aufgebaute Existenzen werden zerstört. „Alles ist kaputt“, sagt der Gastwirt des Restaurants “Hexenkeller” aus Gnarrenburg dem Weser Kurier. Ihr Traum und ihre Perspektive seien in Flammen aufgegangen. Die Arbeit von Jahren in einer Stunde vernichtet, so der Betreiber.

Darüber hinaus schüren diese Anschläge ein Klima der Angst und sollen Migrant*innen, Geflüchtete und Personen, denen ein Migrationshintergrund zugesprochen wird, einschüchtern.

Marc Weber von der Betroffenenberatung Niedersachsen:

“Eine konsequente und solidarische Unterstützung für alle von rassistischer Gewalt betroffenen Personen ist unbedingt notwendig. Die Stimmen der Betroffenen müssen bei der Aufarbeitung der Anschläge einbezogen werden. Das bedeutet auch, rechte Hintergründe bei Ermittlungen ernst zu nehmen und somit Betroffenen von rassistischer Gewalt zu zeigen, dass Bedrohungen und Gewalt gegen Migrant*innen nicht bagatellisiert werden.”

Besonders die hinterlassenen Symbole an den Tatorten weisen auf rechte Tatmotivation hin. Zudem weist die Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie darauf hin, dass es im Bremer Umland seit Jahren eine aktive extrem rechte Szene gibt, die sich aus verschiedenen Strukturen zusammensetzt. Es kann hier von einer Mischszene gesprochen werden, die besonders durch Personen und Strukturen aus dem Bereich rechter Hooligan-Gruppierungen, dem Rechtsrock-Milieu, sogenannten Bruderschaften und Kameradschaften geprägt ist. Die Gefährdung von Menschen durch diese rechten Strukturen muss endlich ernst genommen werden, zumal verschiedene Akteur*innen hieraus bereits mehrfach durch Gewalttätigkeit aufgefallen sind. Solche Strukturen können zudem als eine Art Ermöglichungsnetzwerk für rechte Gewalt dienen.

Bisher gehen die Ermittlungsbehörden nicht konsequent von rechten Motiven und einer rechtsextremen Anschlagsserie aus. So nehmen die Ermittler*innen bei dem Brandanschlag in Syke keinen rechten Hintergrund an, obwohl sowohl Hakenkreuze, als auch die Parole “Ausländer raus” in unmittelbarer Nähe des Anschlags zu finden waren. Solche Annahmen sind überhaupt nicht nachvollziehbar.

Annika Hesselmann vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:

“Politik und Ermittlungsbehörden müssen rechter Gewalt endlich entschieden entgegentreten und konsequent gegen rechte Strukturen in Niedersachsen vorgehen. Sie müssen rechte Gewalt als solche benennen. Betroffene werden dann geschützt, wenn rechte Netzwerke zerschlagen und Straftaten konsequent verfolgt werden, Mittel für zivilgesellschaftliches Engagement bereitstehen und rechte Gewalt nicht totgeschwiegen, sondern gesellschaftlich zentral verhandelt wird. Lokal- und Landespolitik sollten sich mit der Zivilgesellschaft vor Ort austauschen und versuchen, diese zu unterstützen in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus.”

Jan Krieger von der mobilen Beratung Niedersachsen:

“Für eine erfolgreiche Bekämpfung rechter Strukturen im Gemeinwesen gilt es, zivilgesellschaftlich Engagierte, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus sowie für eine demokratische und solidarische Gesellschaft einsetzen, zu unterstützen. Sie sind auch diejenigen, die Betroffene vor Ort durch Solidaritätsbekundungen bestärken und auf lokale Probleme aufmerksam machen. Ihnen sollte zugehört werden, wenn sie auf Entwicklungen hinweisen, die einer demokratischen Gesellschaft, in der alle Menschen gleichberechtigt leben, entgegenstehen.”
Kontakt

Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Nord-West Niedersachsen:

Marc Weber, Tel.: 0541 380699-23, nordwest@betroffenenberatung.de



Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.:

Annika Hesselmann, Tel. 0511, 8112 0080, ahe@nds-fluerat.org



Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus und Demokratie Niedersachsen:

Jan Krieger, Tel. 0157 3288 3589, nordwest@mbt-niedersachsen.de

Hintergrund & Ansprechpartner*innen

Menschen, die von rechter Gewalt oder Bedrohung betroffen sind, können sich an die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt wenden. Diese unterstützt Betroffene bei allen – von Ihnen gewünschten – Schritten von der Anzeige der Tat über die (Wieder-) Entdeckung der eigenen Stärke und Sichtbarmachung von Rassismus sowie bei Fragen zum Thema Entschädigung. Auch Freund*innen, Angehörige sowie Zeug*innen von Vorfällen können die Beratung in Anspruch nehmen. Die Beratung ist vertraulich, auf Wunsch anonym, und unabhängig. Das Angebot ist kostenfrei. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus und die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt werden im Rahmen des Bundesprogramm Demokratie leben! durch das L-DZ Niedersachen gefördert.
Personen, die das Beratungsangebot in Anspruch nehmen möchten, finden Unterstützung bei:

Nord-West Niedersachsen: 0541 380699 23/24 oder nordwest@betroffenenberatung.de

Nord-Ost Niedersachsen: 05021 9711-11 oder betroffenenberatung.nds.nordost@cjd.de

Süd Niedersachsen: 0179 12 55 333 oder sued-nds@betroffenenberatung.de

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