Donnerstag, 29. Oktober 2020
Die neuen Corona-Regeln – Intensivmediziner warnen vor „besorgniserregender Lage“, KBV setzt auf Lockdown-Alternativen
Michael van den Heuvel, Sonja Boehm, Dr. Thomas Kron



Der Herbst hat begonnen – und die Zahl der SARS-VoV-2-Infektionen steigt nicht nur in Deutschland drastisch an. Wir informieren Sie in unserem Corona-Blog über aktuelle Entwicklungen, Studien und wissenschaftliche Dispute.

Update vom 29. Oktober 2020
Die Corona-Zahlen eilen von einem Höchstwert zum nächsten: 16.744 Neu-Infektionen hat das RKI heute Morgen für die vergangenen 24 Stunden gemeldet. Trotz dieser Zahlen stößt der gestern Abend von Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder verkündete teilweise Lockdown, der ab dem 2. November für den gesamten Monat gelten und zur Eindämmung der Pandemie beitragen soll, nicht überall auf Zustimmung.

Was ab dem 2. November gilt – die Regelungen im Überblick

Intensivmediziner: Lage „absolut besorgniserregend“

KBV will Alternativen zum Lockdown: Stärker auf Ge- statt Verbote setzen!

Marburger Bund: „Der alleinige Appell an die Eigenverantwortung genügt jetzt nicht!“

Was ab dem 2. November gilt – die Regelungen im Überblick
Die wichtigsten Regelungen sind:

Nur noch maximal 10 Personen aus 2 Haushalten dürfen sich treffen.

Freizeitveranstaltungen sind deutschlandweit untersagt. Dies betrifft auch Freizeit- und Amateursport, Individualsport bleibt davon ausgenommenen. Profisport (Fußball-Bundesliga) ist nur ohne Zuschauer im Stadion zugelassen.

Fitnessstudios, Schwimm- und Spaßbäder müssen schließen,

ebenso die Gastronomie, Lieferung und Abholung bleiben erlaubt.

Übernachtungsangebote im Inland werden verboten – außer für zwingende Dienstreisen.

Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios müssen schließen; Friseursalons bleiben offen, wenn sie die Hygieneregeln beachten. Auch medizinisch notwendige Behandlungen wie Physiotherapien sind weiter möglich.

Unternehmen sollen, wenn immer möglich, Heimarbeit anbieten.

Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet,

ebenso wie der Groß- und Einzelhandel (1 Kunde pro 10 qm ist erlaubt).

Gottesdienste sind unter Einhaltung der Hygienekonzepte möglich.

Den betroffenen Unternehmen sollen im Rahmen eines Milliarden-schweren Hilfsprogramms Umsatzausfälle erstattet werden.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte in einer Pressekonferenz heute an, dass in Bayern die Bundes-Beschlüsse eins zu eins übernommen würden. Wie er sagte, müssten die persönlichen Kontakte um 75% reduziert werden, um die Infektionen einzudämmen – andernfalls drohe die Lage außer Kontrolle zu geraten. Außerdem kündigte er an, in Bayern den Katastrophenfall auszurufen.

Am Morgen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die neuen Beschlüsse vor dem Bundestag verteidigt: „Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, sind geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Wenn wir stattdessen warten würden, bis die Intensivstationen voll sind, dann wäre es zu spät!" Auf der Pressekonferenz hatte Merkel, darauf hingewiesen, dass sich die Zahl der Intensivpatienten binnen 10 Tagen verdoppelt habe, die der künstlich Beatmeten innerhalb von 9 Tagen. Wenn die Entwicklung sich so fortsetze, sagte Merkel, „kommen wir binnen Wochen an die Grenze der Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems“.

Intensivmediziner: Lage „absolut besorgniserregend“
Intensivmediziner hatten zuvor vor einer Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen gewarnt. Die Lage sei „absolut besorgniserregend“ wird z.B. der Leiter der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Prof. Dr. Stefan Kluge von dpa zitiert: „Wir müssen diesen Trend stoppen, die Politik muss handeln! Uns bleibt keine andere Wahl.“

Wie Kluge sagte, sind einige Kliniken schon gut mit COVID-19-Patienten belegt, andere Erkrankte würden bereits verdrängt. Auch habe sich bereits eine Reihe von Krankenhaus-Mitarbeitern infiziert. Er warnte davor mit Blick auf die (noch) langsam steigende Zahl der Todesopfer abzuwarten: „Wir müssen auf die Zahl der Intensivpatienten gucken. Dann wissen wir, wohin die Reise geht.“ Und derzeit gehe die Kurve bei den COVID-19-Erkrankten auf den Intensivstationen „steil nach oben“. Im Schnitt vergingen 10 Tage, bis ein Patient mit Symptomen auf die Intensivstation verlegt werden müsse – Todesfälle träten meist erst im Verlauf der im Schnitt 2 bis 3 Wochen auf der Intensivstation auf, so dass sich die Zahl der Neuinfektionen erst mit einer Verzögerung von 3 bis 4 Wochen auf die Zahl der Todesfälle auswirke, betonte er.

Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Prof. Dr. Uwe Janssens, hat auf einer Bundespressekonferenz am Donnerstag die Regierung aufgefordert, die Krankenhäuser dazu anzuhalten, nun auf Notfallbetrieb herunterzufahren. „Wir befinden uns an einem relativ kritischen Punkt in der zweiten Welle der Pandemie“, sagte er.

„Elektive Operationen müssen wieder verschoben werden, um zusätzliche Kapazitäten frei zu machen“, forderte Janssens. „Dazu brauchen die Krankenhäuser die Anweisung und auch finanzielle Hilfen vom Staat.“ Auch die Intensivmediziner betrachten die geplanten Regelungen für den November „als sinnvoll und verhältnismäßig“.

KBV will Alternativen zum Lockdown: Stärker auf Ge- statt Verbote setzen!
Am Mittwochvormittag hatte die KBV auf einer Online-Pressekonferenz noch ein eigenes Strategie-Papier präsentiert, das von den Virologen Prof. Dr. Hendrik Streeck und Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit sowie von dem KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen unterzeichnet worden war. Darin warben die Unterzeichner dafür, stärker auf Gebote als Verbote zu setzen und sprachen sich für einen stärkeren Schutz der Risikogruppen, die Einhaltung der Hygienemaßnahmen, mehr Eigenverantwortung und ein bundeseinheitliches Ampelsystem aus. „Wir brauchen eine gesunde Balance aus Einschränkungen und wissenschaftlich begründbaren Maßnahmen“, betonte Gassen in diesem Zusammenhang.

Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg warnt laut KBV-Pressemitteilung vor „großen Nebenwirkungen“ eines weiteren Lockdowns. Aus seiner Sicht seien die AHA + A + L Regeln (Abstand/Hygiene/Alltagsmaske + App + regelmäßiges Lüften) ausreichend, um die Pandemie durchzustehen. Doch sie müssten auch konsequent umgesetzt werden.

Das Positionspapier solle die Diskussion anschieben, sagte Gassen und verwies auf die zahlreichen Unterstützer der Positionen. „Wir haben auch keine endgültige Lösung, aber es gibt sicherlich Alternativen zum Lockdown.“

Marburger Bund: „Der alleinige Appell an die Eigenverantwortung genügt jetzt nicht!“
Dagegen hat sich allerdings der Marburger Bund (MB) als Vertretung der angestellten und verbeamteten Ärztinnen und Ärzte positioniert: In einem Statement vom Donnerstag betont die MB-Vorsitzende Dr. Susanne Johna, dass es in der „sich zuspitzenden Situation mehr denn je darauf ankommt, Infektionsketten zu durchbrechen und das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen.“ Es sei wichtig, „eine mögliche Notlage in den Krankenhäusern abzuwenden“.

Bund und Länder hätten den Ernst der Lage erkannt. Zwar könne man „über einzelne Maßnahmen geteilter Meinung sein, die Grundrichtung des Bund-Länder-Beschlusses ist aber absolut richtig: Wir müssen den aktuellen Trend brechen, bevor es zu spät ist. Der alleinige Appell an die Eigenverantwortung genügt jetzt nicht.

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Es irritiert
wenn gestern im Bundestag FDP-Lindner – üblicherweise dem Nörgler ein zuverlässiges Mittel, kopfüber im Klo den Magen auszustülpen – eine Rede hält, in der fast alles stimmt. Noch irritierender, wie an gleichem Ort der Exponent einer faschistischen Bürgerkriegspartei redet, und restlos alles was er sagt, ist richtig.
Wir leben in witzigen Zeiten, wenn vollverdumpfte Neoliberallalas und Nazis das Richtige sagen und alle anderen nicht. Allerdings umschiffen auch Gauli und Lindi die Ursachen der Misere (Zoonosen und Krankenhausruin, beides menschengemacht), weil gegen die neoliberale Religion nicht angeketzert werden darf.
Aber wenn wir auf einem Bierdeckel die Infektionsraten von Hand ausrechnen, so meinte hier mal einer, wird alles gut.

Doch damit nicht genug. Es erklärt der Hansdampf in allen Mediengassen und -gossen, Lauterbach, die grundgesetzlich garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung könne kein Vorwand sein, um staatliche Kontrollen des Privatbereichs zu unterbinden. Ich meine, da muß es doch noch ein paar alte schwarze Ledermäntel und Herrenhüte im 30er-Jahrestil geben, um dem zur Überprüfung anstehenden Bürger an der Haustür gleich optisch zu vermitteln, dass Aufmucken jetzt keine gute Idee ist.
Lauterbachs Knitterface rührt wohl von seinen ständigen negativen Gedanken her, die bereits psychosomatisch wirken.

Und wie um zu beweisen, dass jede Belästigung der Nerven einer nochmaligen Entgrenzung harrt, beschließen Merkel und die Ministerpräsidenten exakt auch solche Maßnahmen, die ihnen die Gerichte gerade verboten hatten. Das heißt: Hatte die Exekutive bislang bereits gezeigt, dass sie die Legislative verachtet, so beweist sie nunmehr, dass sie auch die Judikative für einen weiter nicht beachtlichen Scheiß hält.
Auch irritierend: Den Qualitätsmedien fällt das nicht auf. Es bedarf nicht mehr eines Dr. Goebbels, der Briefe an Chefredakteure verschickt, deren Nichtbeachtung zu Haft oder Schlimmerem führt. Auch der Besucherstuhl im Dienstzimmer des Hartz4-Fallmanagers ist ein unangenehmer Ort.

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Nörgler, die Realität ist allerdings, dass die Polizei selbstredend jetzt schon Sturm klingelt, um die vom Nachbarn verpetzte Privatfeier aufzulösen und die Anwesenden wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz anzuzeigen.

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